Was ist Kapitalismus und was nicht?
19.05.2014 um 12:54Anzeige
Simowitsch schrieb:Damit kann es durchaus auch Länder geben, die weder kommunistisch noch kapitalistisch sind.Nordkorea und Cuba als Ausnahme sind mir klar, aber hast du selber Beispiele für Nichtkapitalistische Länder?
Simowitsch schrieb:Russland ist auch höchst fraglich. Ich denke nicht dass dort Kapitalismus herrscht, weil Öl und Gas fest in Staatshand sind.Schon falsch. Gazprom ist kein staatlicher Konzern, sondern eine Aktiengesellschaft (übrigens seit 1992!). Die Russische Föderation hält nur 50%, der Rest wird privat gehalten. Größter Aktionär ist die Investmentbank Bank of New York-Mellon.
Simowitsch schrieb:Indien? Sicherlich in manchen Teilen, aber die meisten Gebiete sicherlich überhaupt nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mehrheit der Inder schonmal den Begriff "Kapitalismus" gehört hat.Das mag sein. Sehr zu Gunsten der Tata-Familie übrigens (s. Tata Group), eine Dynastie aus Milliardären, die so reich sind, dass sie sich ihre Privatjets innen vergolden lassen. In Bombay können sie direkt auf die Slums schauen, die vollgestopft mit Systemverlierern sind. Aber wen juckt das schon?
Scox schrieb:Schon falsch. Gazprom ist kein staatlicher Konzern, sondern eine Aktiengesellschaft (übrigens seit 1992!). Die Russische Föderation hält nur 50%, der Rest wird privat gehalten. Größter Aktionär ist die Investmentbank Bank of New York-Mellon.Die Russen haben sicher nach dem Zerfall der Sowjetunion sehr schnell auf Kapitalismus umgestellt, darin lag ihr Fehler. Aber im Grunde konnten sie gar nicht anders. Die Sowjetunion war ja am Ende, quasi über Nacht bankrott. Und die Folgen eines Staatsbankrotts können eben auch sein, dass sich eine kleine Elite von Oligarchen alles unter den Nagel reißt während der Rest hilflos dabei zusehen muss. Man weiß eben nicht, was für Folgen ein Staatsbankrott hat, aber deshalb lässt man ihn besser gar nicht zu. Aber er muss nicht zwingend solche Folgen haben.
mastermind schrieb:Ich denke, man sollte vorsichtig sein, wenn man eine Beurteilung über das Wohlergehen von Menschen macht und dies am vorhandenen Kapital messen will. Ich denke, dass viele Menschen, die wenig haben, recht glücklich mit ihrem Leben sind. Das Problem fängt dort an, wo die Maschinerie in Gang gesetzt wird, wo denjenigen, die wenig haben, auch das noch weggenommen wird, und den Menschen das Bild suggeriert, dass man immer mehr und mehr haben müsse. Der Trend ist doch gerade auch hier in Deutschland eine Geilheit auf "Karriere", und nicht wenig fühlen sich als bessere Menschen, wenn sie mehr Geld zur Verfügung haben.besser hätt ich es auch nicht sagen können :)
Das Wort "Humankapital" macht dies ja auch deutlich: Dem Menschen wird dadurch das Menschliche abgesprochen, und es wird rein mechanisch, leblos auf das Wissen-an-sich geschaut, welches eben im menschlichen Geist konzentriert ist. Eigentlich eine geistige Vergewaltigung des Menschen..
Simowitsch schrieb:. Putin konnte sich also bequem auf dem selbsttragenden Aufschwung ausruhen und halt mal hier und da regulierend eingreifen.seine Aufgabe ist es auch nur die Ruhe im Land zu bewahren. Der Rest Läuft klar von selbst. Aber Ruhe bewahren bedeutet eben auch, dass man die Wirtschaft in gewissen Entscheidungen bremsen muß, damit nicht Raubbau betrieben wird zB., und vieles mehr, was die Leute unzufrieden macht.
Simowitsch schrieb:Und die Folgen eines Staatsbankrotts können eben auch sein, dass sich eine kleine Elite von Oligarchen alles unter den Nagel reißt während der Rest hilflos dabei zusehen muss.Sowas passiert eher, wenn bestimmte too big to jail-Institutionen mit Steuermoneten gerettet werden. Dann kann besagte kleine Elite von Oligarchen eben ihre Boni und Dividenden absahnen, auch wenn ihr Geldeintreiberhaus in Wirklichkeit total pleite ist... Remember Subprime '08? ;)
Simowitsch schrieb:Man weiß eben nicht, was für Folgen ein Staatsbankrott hat, aber deshalb lässt man ihn besser gar nicht zu. Aber er muss nicht zwingend solche Folgen haben.Oh, und wie man das weiß. Zwischen 1998 und 2002 gab es die Argentinien-Krise, bei der das Land in Folge von extremer Verschuldung, Kapitalflucht, Spekulation, Inflation usw. in die Situation kam, in der das Finanzsystem kollabierte. Für einen kurzen Zeitpunkt (2002) gab es sehr viel Armut und Arbeitslosigkeit. Ein Teil der Schulden und Zinsverpflichtungen wurde geschnitten. Seit 2003 kam das Land wieder auf die eigenen Pfoten und gehört heute zu "sehr gut entwickelten Ländern".
Simowitsch schrieb:Aber nachdem erstmal die Rosskur durch war und man alle Nachteile des neuen russischen Kapitalismus durchgemacht hat, gings wieder steil bergauf. Deshalb konnten die enormen russischen Wachstumsraten nicht wegen sondern trotz Putin erzielt werden.Putin brachte Russland durchaus positive Anreize. Die Einlagensicherung bei Bankkonten, Senkung diverser Steuersätze, Boden-, Konkurs- und Arbeitsrecht sowie das Recht auf Rente. Prokapitalistisch waren sicherlich die vorangetriebenen Privatisierungen. Hauptverantwortlich für die progressive Wirtschaft in Russland war/ist aber der Rohstoffmarkt.
Und zwar einzig deshalb, weil das schlimmste schon überstanden war, bevor Putin rankam. Putin konnte sich also bequem auf dem selbsttragenden Aufschwung ausruhen und halt mal hier und da regulierend eingreifen.
Reliable schrieb:Jeder Mensch, der Arbeit hat, ist mittellos. Er muss seine Arbeitskraft (Zeit) für einen sehr günstigen Preis aus Sicht des Kapitalisten verkaufen, um an die Mittel, die er benötigt, zu kommen.Nicht ganz, das hängt vom Segment ab, das über eher weniger oder eher viele potentielle Arbeitskräfte verfügt.
mitras schrieb:Je besser der Kapitalist potentielle Arbeitskräfte nachproduzieren kann und Versorgungslücken schließt oder Arbeit durch Maschinen ersetzt, desto mehr trifft das natürlich zu. Ein gutes Beispiel dafür ist die Textilindustrie, chinesische Arbeiterinnen sind billiger als Maschinen.Ich vermute, dass gerade deshalb hier in Deutschland sehr viel vom Fließband geht und Arbeitskräfte gespart werden, wo es nur geht. Diese werden dann entweder "Outsourced" oder durch Maschinen ersetzt, weil das Lohnniveau in Deutschland ( verglichen mit anderen Ländern ) doch ziemlich hoch ist.