Hat unsere Generation Schuld am Holocaust?

@Rasenmayer
Man darf ja auch nicht vergessen, dass Widerstand mitunter nicht nur für einen selbst lebensgefährlich war, sondern auch für Angehörige.
Auch wenn jemand zb aus einem KZ flüchtete, konnte er ziemlich sicher sein, dass dafür einige andere getötet wurden, ich erinnere nur an Herrn Kolbe und den Hungerbunker in Auschwitz.
All die, die hier bequem auf dem Sofa sitzen und Menschen Schweigen vorwerfen, sich brüsten, was sie heldenhaftes getan hätten, wären vermutlich ganz klein mit Hut gewesen.

Die letzte menschenverachtende Diktatur auf deutschem Boden, die DDR, weigerte sich übrigens standhaft, Reparationszahlungen an Israel zu leisten. Davor wurde sich mit dem Argument gedrückt, man habe genug an die Russen gezahlt und die DDR habe als Staat nix mit dem Naziregime zu tun.

eckhart schrieb:Ich und mit mir viele, haben in der DDR nach der Devise gelebt: "Du musst kein Schwein sein in dieser Welt" und auf Karriere verzichtet.
Und genauso hätten wirs im 3.Reich gemacht, wenn wir da schon gelebt hätten!

Nur hättest du im 3. Reich nicht deine Karriere sondern dein Leben riskiert.

SvenLE schrieb:Wenn wir also nicht ermahnen und aktiv die Rolle der Verantwortung übernehmen, dann wird sich Geschichte leider wiederholen. Der jüngste Genozid ist noch nicht solange her.

Ich habe weder gefordert noch sagen wollen, dass die aktive Rolle Deutschlands reduziert oder eingestellt werden soll. Ich habe geschrieben, diese taugt (dient, nützt) um die moralische Verantwortung zu übernehmen, aber es taugt nicht, um ähnliche Verbrechen in Gegenwart und Zukunft zu verhindern. Deutschland/Deutsche alleine kann/können nicht verhindern, dass sich Geschichte wiederholt. Um das zu erreichen bedarf es deutlich mehr.

Dein o. g. Satz bestätigt meine Kritik. Auch du setzt es in den Kontext, dass es ein Wiederholen der Geschichte verhindert. Das ist eine Illusion. Es hat nicht den Genozid in Ruanda 1994 verhindert es nimmt keinen Einfluss auf den Iran mit dessen Holocaustverleugnung, das propagieren von Verschwörungstheorien a la "jüdische Weltverschwörung", der Drohung, Israel auszulöschen, etc., es wird auch in Zukunft kein Regime an einer Durchführung von ähnlichen Verbrechen hindern.

abberline schrieb:Davor wurde sich mit dem Argument gedrückt, man habe genug an die Russen gezahlt und die DDR habe als Staat nix mit dem Naziregime zu tun.

Was durchaus als Argument seine Berechtigung hatte. Die Reperation des Westteils an die UDSSR sind ja auch überschaubar gewesen.

grottenolm schrieb:Deutschland/Deutsche alleine kann/können nicht verhindern, dass sich Geschichte wiederholt.

Wir sollten allerdings in der Lage sein sicher zu stellen, dass sich so etwas in unserem Land nicht wiederholt.
Wobei ich der Meinung bin, dass sich ein derart perverses Geschehen weltweit zum Glück bis jetzt noch nicht wiederholt hat.

emanon schrieb:Wir sollten allerdings in der Lage sein sicher zu stellen, dass sich so etwas in unserem Land nicht wiederholt.

Eine Sicherheit kann es mMn nicht geben.
Leider nicht einmal, das Flüchtlingsunterkünfte in Brand aufgehen könnten, woran andere Menschen keine Schuld tragen u. dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden dürfen.

emanon schrieb:Wobei ich der Meinung bin, dass sich ein derart perverses Geschehen weltweit zum Glück bis jetzt noch nicht wiederholt hat.

Der Holocaust war aus verschiedenen Gründen ein singuläres Ereignis (Stichwort: industrielle Massenvernichtung). Der Völkermord an sich leider nicht, s. z.B. Ruanda, Bosnien, Mittlerer Osten!

@emanon
In der Form und Größenordnung zum Glück nicht, in Ruanda hatten sie "nur" Macheten etc zur Verfügung und liefen von Haus zu Haus. Das reichte immerhin, um innerhalb von 12 Wochen ca. 800.000-1.000.000 Menschen abzuschlachten.
Wenn die Mörder dort auch noch die industriellen Möglichkeiten gehabt hätten....

6.PzGren391 schrieb:Ich persönlich bin der Meinung dass der heutigen Generation absolut keine Schuld, Mitschuld oder gar erbschuld an den Verbrechen der Nazis zuzuschreiben ist.

Merkwürdigerweise hat mir noch niemand irgendeine Form von Schuld am Faschismus gegeben. Das soll mich aber nicht davon abhalten, dessen Wiedererstarken zu bekämpfen.

Ich bin, ob ich will oder nicht, immer ein Teil der mich umgebenden Gesellschaft und schleppe die Last ihrer Geschichte als Erbe mit mir herum. Ich bin also Deutschland. Ich bin Buchdruck und Blitzkrieg, ich bin Weimar und Auschwitz, ich bin Heine und Hitler.

Doors schrieb:Ich bin also Deutschland. Ich bin Buchdruck und Blitzkrieg, ich bin Weimar und Auschwitz, ich bin Heine und Hitler.

Mit positiven Aspekten identifizierst Du Dich nicht?

@borabora

borabora schrieb:Mit positiven Aspekten identifizierst Du Dich nicht?

Du bewertest den Buchdruck und Heine grundsätzlich negativ? :note:

@borabora

Natürlich sehe ich mich persönlich lieber in der Tradition von Bauernaufständen, Aufklärung, Arbeiterbewegung, Antifaschismus etc. Dummerweise kann ich mir aber nicht nur das in meinen Augen positive Erbe aussuchen. Ich muss schon alles mitnehmen.

grottenolm schrieb:Nur hättest du im 3. Reich nicht deine Karriere sondern dein Leben riskiert.

Du missverstehst mich:
Mit einer Verweigerung eines Eintrittes in die NSDAP hätte niemand sein Leben riskiert.
Mit einer Verweigerung des Hochjubelns der NSDAP am Straßenrand oder aus dem Fenster ebenfalls nicht!
Mit einer Verweigerung von Denunziation ebenfalls nicht!
Jeder weitergehender Vergleich von Drittem Reich und DDR verbietet sich für mich.
Allein schon beispielsweise durch die Nürnberger Rassegesetze bedingt!

Doors schrieb:Dummerweise kann ich mir aber nicht nur das in meinen Augen positive Erbe aussuchen. Ich muss schon alles mitnehmen.

Ja, was Konsequenzen angeht, sicher.
Gibt ja unterschiedliche Betrachtungsweisen u. so kann ich sagen, das ich mich weder mit positiven, noch negativen Ereignissen (mittlerweile) identifiziere, es sei denn, ich bin dafür verantwortlich oder habe dazu beigetragen.

Suppenhahn schrieb:sacredheart schrieb:Ist es wirklich eine gute Idee, in der UN lauter Resolutionen gegen Israel mitzutragen ...Hier muss man eine klare Unterscheidung zwischen dem Judentum und dem Staat Israel machen.Die Regierung von Israel ist durchaus kritikwürdig und Kritik an der israelischen Politik hat nicht mit Judenfeindlichkeit zu tun.Wenn man sich vor Augen hält, wie weit der Friedensprozess unter Jitzchak Rabin ( der zusammen mit dem Terroristenführer Jassir Arafat und dem israelischen Aussenminister Schimon Peres den Friedensnobelpreis bekam) und wie dieser Friedensprozess nach der Ermordung Rabins Schritt für Schritt durch die Nachfolgeregierungen wieder kaputtgemacht wurde, so ist "Kritik" an der israelischen Politik durchaus angebracht.

Erst mal ist es ein bißchen künstlich zwischen 'dem Judentum' und 'dem Staat Israel' eine klare Unterscheidung treffen zu wollen, schließlich ist der Staat Israel die Summe seiner Bewohner und somit hat das viel mit Juden an sich zu tun.

Dass auch der Staat Israel nicht alles richtig macht, brauchen wir gar nicht groß zu diskutieren. Ob es gerade dem Staat Deutschland aber gut zu Gesicht steht, den Staat Israel praktisch mit Resolutionen zu überziehen und alle Staaten, die Israel vernichten wollen, komplett mir Resolutionen zu verschonen, weiss ich nicht. Aus meiner Sicht ist das zutiefst peinlich.

Doors schrieb:Ich bin, ob ich will oder nicht, immer ein Teil der mich umgebenden Gesellschaft und schleppe die Last ihrer Geschichte als Erbe mit mir herum. Ich bin also Deutschland. Ich bin Buchdruck und Blitzkrieg, ich bin Weimar und Auschwitz, ich bin Heine und Hitler.

@Doors

So ähnlich betrachte ich mein 'Deutschland sein' eigentlich auch. Ich halte es für völlig infantil, so zu tun, als ginge mich das alles gar nichts an. Mich trifft so wie Dich keinerlei Individualschuld am Holocaust, aber auch kein Idnividualverdienst am Buchdruck.
Dennoch ist beides wichtiger Teil, der zur Vorgeschichte des Landes gehört, in dem wir leben.

Den Buchdruck sollten wir alles nicht vergessen und vor allem mal ein Buch lesne.

@Doors


Sorry, Teil 2

Und den Holocaust dürfen wir nie vergessen und daraus Lehren für unser aktuelles Verhalten ziehen. Da sind Deutsche einfach in einer Pflicht, in der es Navajo Indianer nicht sind.

Wir sind nicht einfach so Weltbürger. Ob es uns nun gefällt oder nicht, wir leben doch wohl überwiegend hier. Und das was Deutschland aktuell ist, ist Produkt einer endlosen langen Geschichte. Da darf man die guten Dinge annehmen und muss auch die schlechten Dinge annehmen.

Das ist doch mit der eigenen Lebensgeschichte nicht anders. Da blicke zumindest ich nicht nur auf Reihen glänzender strahlender Heldentaten zurück, sondern auch auf Dummheiten, Eigennutz und Fehler, aber auch darauf, dass ich anderen Menschen geholfen habe, meinen Job gut gemacht habe, meine Familie gut behandle und Freunde habe. Man darf davon auch nichts ausblenden, wenn man nicht immer im Garten auf die gleiche Harke im Gras treten will.

Die einzige zulässige Geschichtsrelativierung, die ich mitgehe ist, dass Hitler ja nun auch erst mal Österreicher war. Ganz draußen sind die auch nicht.

Oder wie Atze Schröder es mal formulierte (anlässlich eines Nr 1 Hits von Naddel in den österreicheischen Volksmusik Charts: Hallo Österreich, Geschichte ist keine Einbahnstraße. Wir haben Euch was Braunes zurückgeschickt.

sacredheart schrieb:Wir sind nicht einfach so Weltbürger.

Doch! Jeder ist das, als was er sich fühlt! Denke ich.

sacredheart schrieb:Und das was Deutschland aktuell ist, ist Produkt einer endlosen langen Geschichte.

Aber vor der Menschwerdung gab es doch Deutschland wohl noch nicht?
Nehme ich an.

@eckhart

Wer aber in Deutschland im Kindergarten und in der Schule war un Deutschland Steuern zahlt und oder Sozialleistungen bekommt hat nun mal eine andere Verbindung zu Deutschland als zu Nepal.

Wer dann aber behauptetver wäre Weltbürger muss dann auch überall Steuern zahlen und auch in Namibia Soziallesitungen kassieren ider es ist doch ein reines Fantasiegequatsche.

sacredheart schrieb:Wer dann aber behauptetver wäre Weltbürger muss dann auch überall Steuern zahlen und auch in Namibia Soziallesitungen kassieren ider es ist doch ein reines Fantasiegequatsche.

Eigentlich nicht.
Da gibt es die, die mit der Scholle verhaftet sind, wie man so schön sagt. und die, die jederzeit auch in einem anderen Land glücklich werden könnten.
Wenns mir hier nicht mehr passt bin ich auch weg.
Ich hab das Glück jederzeit in meinem Job auch da arbeiten zu können wo es schön(er) ist.

sacredheart schrieb:Wer aber in Deutschland im Kindergarten und in der Schule war un Deutschland Steuern zahlt und oder Sozialleistungen bekommt hat

kannst aufhören, wenn ich bedenke, welch blamable Leistung gestern Gauland bei Maybritt Illner im ZDF wieder abgeliefert hat.
Obwohl ich Comedians normalerweise gar nicht abkann (ich hatte bereits umgeschaltet)
habe ich mitbekommen, wie zutiefst menschlich Atze Schröder sich bei Markus Lanz gegenüber der Holocaust-Überlebenden Eva Szepesi und ihrer Tochter verhalten hat.
Das muss ich mir unbedingt nochmal anschauen!
Das hat meine Sicht verändert!

Der Komiker ist zu Gast bei Markus Lanz in dessen Talkshow und trifft dort auf eine Holocaust-Überlebende. Ihre Geschichte berührt ihn dermaßen, dass er sich für die «schlimmsten Sachen», die sein Vater begangen hat, entschuldigt.

Berlin/Köln (dpa) - Der Komiker Atze Schröder (54) hat sich bei der Holocaust-Überlebenden Eva Szepesi für die Nazi-Verbrechen seines Vaters entschuldigt. «Es waren viele Tragödien in unserer Familie, die unter den Teppich gekehrt wurden», sagt Schröder in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz (Donnerstag).

Sein Vater, der vor neun Jahren starb, habe als Soldat die «schlimmsten Sachen» im Krieg gemacht. Schröder gibt Szepesi in der Sendung die Hand und entschuldigt sich.

Nach der Aufzeichnung der Sendung sagte Schröder, er sei von Szepesis Geschichte so berührt gewesen, dass er das Gefühl hatte, seine Geschichte erzählen zu müssen. «Mich für die Taten meines Vaters und seiner Täter-Generation zu entschuldigen. Wir dürfen nie vergessen!»

Zutiefst beschämt hat mich neben Gaulands Verhalten gestern abend im ZDF das hier:

Szepesi bezeichnete Schröders Geste nach der Aufzeichnung als «absolut außergewöhnlich». So eine Entschuldigung erlebe sie nur ganz selten, das sei ihr menschlich sehr nahe gegangen. Begleitet wurde Szepesi in der Sendung von ihrer Tochter Anita Schwarz.

https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/boulevard_nt/article205665389/Atze-Schroeder-ueber-Nazi-Verbrechen-seines-Vaters.html
Mit einem solchen Deutschland wo das selten ist, verbindet mich eigentlich nichts!