"Aber weiter - es ist dein Vater! Er hat dir das Leben gegeben, du bist sein Fleisch,sein Blut - also sei er dir heilig! Wiederum eine schlaue Konsequenz! Ich möchte dochfragen, warum hat er mich gemacht? doch wohl nicht gar aus Liebe zu mir, der erst ein Ichwerden sollte? Hat er mich gekannt, ehe er mich machte? Oder hat er mich gedacht, wie ermich machte? Oder hat er mich gewünscht, da er mich machte? Wußte er, was ich werdenwürde? Das wollt ich ihm nicht raten, sonst möcht ich ihn dafür strafen, daß er mich dochgemacht hat! Kann ich s ihm Dank wissen, daß ich ein Mann wurde? So wenig, als ich ihnverklagen könnte, wenn er ein Weib aus mir gemacht hätte. Kann ich eine Liebe erkennen,die sich nicht auf Achtung gegen mein Selbst gründet? Konnte Achtung gegen mein Selbstvorhanden sein, das erst dardurch entstehen sollte, davon es die Voraussetzung sein muß?Wo stickt dann nun das Heilige? Etwa im Aktus selber, durch den ich entstund? - Als wenndieser etwas mehr wäre als viehischer Prozeß zur Stillung viehischer Begierden? - Oderstickt es vielleicht im Resultat dieses Aktus, der doch nichts ist als eiserneNotwendigkeit, die man so gern wegwünschte, wenn s nicht auf Unkosten von Fleisch undBlut geschehen müßte? Soll ich ihm etwa darum gute Worte geben, daß er mich liebt? Dasist eine Eitelkeit von Ihm, die Schoßsünde aller Künstler, die sich in ihrem Werkkokettieren, wär es auch noch so häßlich."
http://www.klassikerwortschatz.uni-freiburg.de/Texte/Raeuber.htm (Archiv-Version vom 16.02.2007)