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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

80 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Medizin, Bakterien, Antibiotika ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Scox Diskussionsleiter
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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

12.09.2013 um 00:25
Hallo, geschätzte Allmyaner(innen) und heimliche Mitleser(innen)!

Vive la résistance! Diesen Slogan schreiben sich Bakterien auf die Fahne, seitdem mit der Wunderwaffe Antibiotika seit Jahren extrem verschwenderisch umgegangen wird. Früher dachte man noch, man hätte das Privileg dazu, doch nun wird's doch allmählich eng.

In den 90ern gab es die ersten Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA), sie waren vereinzelt und noch kontrollierbar. Es dauerte aber nicht lange, bis auch andere Bakterienstämme nachrüsteten und heute stehen wir vor einer Situation, die man sich nach der Entdeckung des Penicillins niemals hätte träumen lassen.

Jährlich sterben alleine in DL über 25.000 Menschen an MRSA, Pseudomonas aeruginosa & Co., Tendenz steigend.
Im Jahr 2005 infizierten sich rund drei Millionen Europäer mit Keimen, die gegen bekannte Antibiotika resistent sind – 50.000 von ihnen starben daran.[13]
Wikipedia: Antibiotikaresistenz#Vorkommen.2C Multiresistenz

In den USA sieht's erst richtig düster aus:

"For some of us, bacterial resistance could mean more visits to the doctor, a lengthier illness, and possibly more toxic drugs. For others, it could mean death. The CDC estimates that, each year, nearly 2 million people in the United States acquire an infection while in a hospital, resulting in 90,000 deaths. More than 70 percent of the bacteria that cause these infections are resistant to at least one of the antibiotics commonly used to treat them."

http://www.fda.gov/drugs/resourcesforyou/consumers/ucm143568.htm

Der Verbrauch an Antibiotika in der Intensivtierhaltung ist gigantisch, und zwar weltweit:
In 2001, the Union of Concerned Scientists estimated that greater than 70% of the antibiotics used in the US are given to food animals (for example, chickens, pigs and cattle), in the absence of disease.[62] Hence, the amounts given are termed "sub-therapeutic", i.e., insufficient to combat disease—because no demonstrable disease is present.
Wikipedia: Antibiotic resistance#In the United States
Ackerböden und Chinas Grundwasser sind in besorgniserregendem Ausmaß mit resistenten Keimen belastet, berichten Forscher im Fachmagazin PNAS. Auf drei großen Schweinefarmen nahmen sie Gülle- und Kompostproben. 149 verschiedene Resistenzgene (siehe Kasten) gegen alle herkömmlichen Antibiotika fanden sie darin. Sie sind es, die den Erregern die Fähigkeit verleihen, den Angriff eines Medikaments abzuwehren.
In den Proben aus dem Schweinestall-Abfall steckten nicht nur Resistenzgene gegen alle gängigen Antibiotika, sondern auch besonders viele. Die Konzentration lag für die 63 am weitesten verbreiteten Resitenzgene im Schnitt 192-mal höher als in Kontrollproben etwa aus Waldboden, in Extremfällen sogar 28.000-mal höher.
http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2013-02/China-Schweinemast-Antibiotika-Resistenz
Ein Masthähnchen bekommt laut der Studie in Deutschland im Schnitt an 10 seiner 39 Lebenstage Antibiotika, ein Schwein wird während seiner 115-tägigen Mast an durchschnittlich 4 Tagen mit einem antibiotischen Wirkstoff behandelt. Von den Kälbern erhält rechnerisch etwa jedes dritte Tier pro Jahr eine Behandlung von drei Tagen, wie die Wissenschaftler herausgefunden haben. Für die vom Bundesinstitut für Risikobewertung geförderte Studie haben Experten für das Jahr 2011 Informationen aus mehr als 2000 Nutztierhaltungen erfasst.
http://www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/medikamente-in-der-massentierhaltung-mast-huehner-erhalten-jeden-vierten-tag-antibiotika_aid_1038784.html

Und wie gehen die Ärzte mit Antibiotika um?
Das ARD-Magazin „Plusminus“ führte eine Untersuchung hinsichtlich der Verschreibungshäufigkeit von Antibiotika durch. Das Magazin gelangte zu einem alarmierendem Ergebnis: obwohl das Untersuchungsergebnis nicht ausreichend gesichert war, verordneten sechs von zehn Ärzten antibiotische Arzneien. Experten prophezeien angesichts dieser unnötigen Praktik einen enormen Anstieg von Resistenzen, so daß simple Infektionen zukünftig nicht mehr antibiotisch behandelt werden können.
http://www.cecu.de/gesundheit-nachrichten+M562fda483d0.html (Archiv-Version vom 25.11.2010)

Die Konsequenzen spüren wir bereits. Die sog. "Krankenhauskeime" sind längst nicht mehr auf Krankenhäuser beschränkt. Es gibt mittlerweile multiresistente Tuberkulose...
In a study of MDR-TB patients from 2005 to 2008 in various countries, 43.7% had resistance to at least one second-line drug.[1] About 9% of MDR-TB cases also have resistance to two other classes of drugs, or extensively drug-resistant TB (XDR-TB).[12]
Wikipedia: Multidrug-resistant TB#Extensively drug-resistant TB

...und multiresistente PEST:
In PLoS ONE (2: e309) berichten Genforscher, dass eine vor 12 Jahren bei Yersinia pestis nachgewiesene Mehrfachresistenz (MDR) nahezu identisch ist mit den MDR-Resistenzen, die sich in den USA infolge des Antibiotikaeinsatzes in der Viehzucht ausgebreitet haben.
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/27902/Pest-Erreger-mit-Multiresistenzen-aus-amerikanischer-Viehwirtschaft

Das Ganze gipfelt in Zynismus, denn für die Pharma-Industrie ist die Entwicklung von Antibiotika einfach nicht gewinnträchtig genug:
Die Lage ist ernst. Der Vorrat an wirksamen Antibiotika schwindet. Alternativen? Fehlanzeige. Die dringend nötige Bereitstellung neuer Wirkstoffe und Medikamente ist ins Stocken geraten. Während in den 1980er-Jahren jedes Jahr drei bis vier neue Substanzen auf den Markt kamen, sei seit dem Jahr 2000 kaum noch ein Antibiotikum zugelassen worden. „Nach heutigem Stand sind in den nächsten fünf bis zehn Jahren keine anderen Antibiotika, keine neuen Substanzklassen in Sicht“, sagt Mathias Pletz, Leiter der Klinischen Infektiologie am Universitätsklinikum Jena. Für die Pharmaindustrie ist die Entwicklung von Antibiotika einfach nicht lukrativ genug.
http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/medikamente/forschung/tid-27471/neue-substanzen-nicht-in-sicht-fuer-pharmafirmen-ist-die-antibiotika-entwicklung-nicht-profitabel-genug_aid_826195.html
Forscher beklagen, dass viele Konzerne sich auf gewinnträchtigere Medikamente zur Behandlung chronischer Erkrankungen konzentrieren.
Angesichts der wachsenden Resistenz von Krankheitserregern gegen konventionelle Antibiotika ist laut einem Bericht der Zeitschrift "Nature" aber derzeit der Bedarf an neuen Präparaten besonders groß.
Laut einem Bericht der US-Regierung sind zurzeit 20 Prozent der Infektionen von Erregern verursacht, die gegen verschiedene Antibiotika resistent sind. In diesem Jahr wurden in den USA jedoch erst zwei neue Antibiotika zugelassen. "Es ist eindeutig belegt, dass die Antibiotika-Forschung steil abfällt", mahnt John Edwards, Leiter der amerikanischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten.
http://www.rp-online.de/gesundheit/news/pharmaindustrie-verringert-antibiotika-forschung-1.2345063

Der Gedanke, dass dieses Problem die netten Leutchen von den Pharma-Konzernen nie betreffen wird, kann getrost beiseite gelegt werden, denn:

"Britain's most senior medical adviser has warned MPs that the rise in drug-resistant diseases could trigger a national emergency comparable to a catastrophic terrorist attack, pandemic flu or major coastal flooding.

Dame Sally Davies, the chief medical officer, said the threat from infections that are resistant to frontline antibiotics was so serious that the issue should be added to the government's national risk register of civil emergencies.

She described what she called an "apocalyptic scenario" where people going for simple operations in 20 years' time die of routine infections "because we have run out of antibiotics".
"

http://www.theguardian.com/society/2013/jan/23/antibiotic-resistant-diseases-apocalyptic-threat

Lasst euren Ergüssen freien Lauf, was haltet ihr davon?

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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

12.09.2013 um 01:01
Schöne Eröffnung, gut recherchiert.

Leider aber alles altbekannt und dennoch macht kaum einer etwas dagegen.

Wichtig zu betonen ist jedoch, dass man in der Klinik fast immer noch irgendwie eine Alternative aus dem Hut zaubern kann. Nur wird es zunehmend schwieriger, den Bakterien immer wenigstens einen Schritt voraus zu sein.

Den Pharmafirmen würde ich jetzt eher nicht vorwerfen, dass sie keine Medikamente entwickeln, die sich für die anscheinend nicht rechnen. Die haben sich ja nirgendwo verpflichtet immer neue Antibiotika zu entwickeln. Ist mir auch lieber, die bringen gar nix auf den Markt als Scheininnovationen.

Das wäre ja auch nicht wirklich eine langfristige Lösung. Die Bakterien rüsten ja genauso immer wieder nach.
Sinnvoll wäre es die Entwicklung der Resistenzen zu verlangsamen.

Persönlich habe ich beim Arzt auch noch nie erlebt, dass mir Antibiotika zu schnell verschrieben worden sind. Jedoch höre ich dies aus dem Bekanntenkreis immer wieder. Im Gespräch wird mir dann meist schnell klar, dass die Anspruchshaltung der Patienten stark zu der Verschreibung beigetragen hat. Manchen Leuten kann man dreimal erklären, dass es ein virales Problem ist und trotzdem bestehen sie auf das Antibiotikum.

Aber du hast das schon gut beleuchtet, jetzt müsste man das Problem nur aus allen Richtungen angehen.


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

12.09.2013 um 02:08
Zitat von ScoxScox schrieb:Jährlich sterben alleine in DL über 25.000 Menschen an MRSA, Pseudomonas aeruginosa & Co., Tendenz steigend.
das liegt an der miesen hygene im krankenhaus
Zitat von MakrophageMakrophage schrieb:Persönlich habe ich beim Arzt auch noch nie erlebt, dass mir Antibiotika zu schnell verschrieben worden sind.
mir wollte man schon öfters bei erkältung antibiotika verschreiben...
ist allerdings kein so großes problem, da die einfachen antibiotika die meist verschrieben werden sowieso schon "verbraucht" sind


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

12.09.2013 um 09:13
Gut Recherchiert ist Ansichtssache ...
um einen Überblick zu bekommen müsste man besser sagen : Komme auf den Punkt
sonst ist es eine kleine Doktorarbeit die nur von 2 Personen gelesen wird

vergleichbar mit
Das Ende der Freiheit, Neue Weltordnung entsteht, NWO,- Unterdrückung
denn diese Resistenzen könnten nach NWO gewollt sein

die Bevölkerung war 1950 ... 2 Milliarden und soll es in 25 Jahren wieder sein


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

12.09.2013 um 09:19
Schade, war ein guter Eingangspost und ein Thema, dass durchaus diskutabel ist.
Schon bei der dritten Antwort vergiftet ein Verschwörungstheoretiker den Thread mit seinen unbelegten Fantasien.


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

12.09.2013 um 09:28
@25h.nox

Selbst bei optimaler Hygiene kann man die Rate bei einigen Risikogruppen nur auf die Hälfte senken. Da gibt es leider häufig endogen bedingte Infektionen.


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

12.09.2013 um 09:28
Ein wichtiges Thema, aber viel tun kann man ja auch nicht. Die Gesundheitspolitik könnte durch Regulierungen versuchen, die Ausbreitung der Antibiotikaresistenz zu verlangsamen. Aber letztendlich brauchen wir neue Medikamente und müssen darauf warten, dass der Markt das Problem löst.


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

12.09.2013 um 09:31
Zitat von MakrophageMakrophage schrieb:Selbst bei optimaler Hygiene kann man die Rate bei einigen Risikogruppen nur auf die Hälfte senken.
"nur"


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

12.09.2013 um 09:37
“Nur“habe ich geschrieben, weil halt viele glauben, man könne diese Infektionen ganz verhindern. Das geht aber nicht.


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12.09.2013 um 09:42
Was kann man tun?
Wichtig wäre eine geordnete Erfassung der bekannten Resistenzen a) um sie gezielter erforschbar zu machen und b) um den Praktikern gangbare Alternativen, so vorhanden, an die Hand geben zu können.
Die resistenten Erreger sollten molekularbiologisch untersucht werden.
Es braucht meiner Meinung nach eine Zusammenarbeit der entsprechenden Forscher über die Ländergrenzen hinweg, es macht keinen Sinn, wenn da jeder sein eigenes Süppchen kocht.
Bei Tieren die als Lebensmittel dienen muss die Verbreitung resistenter Keime erfasst werden.
Die Verschreibungspraxis von Antobiotika sollte einer näheren Überprüfung unterzogen werden.

Es gibt auch schon Ansätze in der Richtung z. B. gibts den RESET-Verbund
Im Forschungsverbund RESET, der seit November 2010 vom BMBF gefördert wird (Förderkennzeichen 01KI1013), haben sich verschiedene Institutionen zusammengetan, um die Verbreitung von antibiotika-resistenten Bakterien zu erforschen. Dabei konzentrieren sie sich auf eine Gruppe von Bakterien - die Enterobakterien - die nicht nur beim Menschen, sondern auch beim Tier und in der Umwelt vorkommen. Zu den Enterobakterien zählen u.a. Escherichia (E.) coli und Salmonella (S.) enterica. Resistenzen gegen wichtige Antibiotika bei diesen Bakteriengruppen können zum Problem für den Gesundheitsschutz werden.

Der Forschungsverbund RESET besteht aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Human- und Tiermedizin, der Grundlagen- und der angewandten Forschung sowie der Epidemiologie. Neuartig an diesem Verbund ist, dass die Erkenntnisse aus molekularbiologischen Untersuchungen und epidemiologischen Studien für ein breites Spektrum möglicher Herkunftsquellen in sich ergänzenden übergreifenden Studien betrachtet und analysiert werden.
Mehr unter
http://www.bfr.bund.de/de/reset_verbund___resistenzen_bei_tier_und_mensch___gemeinsame_forschung_in_deutschland-127971.html

Hier kann man sich über die nstehenden Projekte des Verbunds informieren http://www.reset-verbund.de/index.htm


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

12.09.2013 um 11:46
Zitat von 25h.nox25h.nox schrieb:ist allerdings kein so großes problem, da die einfachen antibiotika die meist verschrieben werden sowieso schon "verbraucht" sind
Welche meinst du denn eigentlich? Mir fallen jetzt nur Antibiotika ein, die auch irgend eine wichtige (Nischen-) Indikation haben. Also ist das nicht ganz unproblematisch diese unkritisch einzusetzen...


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12.09.2013 um 11:50
@Makrophage penicillin g(?)


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12.09.2013 um 11:56
Nein, das ist eigentlich wieder recht brauchbar, Syphilis, RF und in der Kinderheilkunde gar nicht selten zur Deeskalation in der Meningitis-Therapie.


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12.09.2013 um 11:57
@Makrophage v nicht g hab mal kurz ins labor buch schauen müssen


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12.09.2013 um 12:00
Ja, das ist nicht mehr so der Hit. Manchmal taugt es noch für ein Erysipel, aber da müssen wir meistens doch i.v. ran.


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12.09.2013 um 12:25
Interessantes Thema, mit dem ich mich bisher kaum auseinandergesetzt habe. Ich finde die Ansätze von @emanon recht sinnvoll. Muss mich aber erstmal in die Thematik einlesen.


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13.09.2013 um 14:22
N1c3 0n3, @emanon :Y:
Zitat von emanonemanon schrieb:Wichtig wäre eine geordnete Erfassung der bekannten Resistenzen a) um sie gezielter erforschbar zu machen und b) um den Praktikern gangbare Alternativen, so vorhanden, an die Hand geben zu können.
Die resistenten Erreger sollten molekularbiologisch untersucht werden.
Das passiert bereits, das RKI ist mit der Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) schon dabei:

http://www.ihph.de/dokumente/90818_ARS_Bonn_1.pdf

Von Regierungsseite gibt es die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART):

http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/DART.pdf?__blob=publicationFile (Archiv-Version vom 16.06.2014)
Zitat von emanonemanon schrieb:Es braucht meiner Meinung nach eine Zusammenarbeit der entsprechenden Forscher über die Ländergrenzen hinweg, es macht keinen Sinn, wenn da jeder sein eigenes Süppchen kocht.
Vollkommen richtig, wenn man die Lage in den Niederlanden mal mit der in DL vergleicht. Die Screening-Methoden und Quarantäne-Maßnahmen sind in den Niederlanden wesentlich besser organisiert, während man in DL nach der scheinbar (nicht anscheinend!) Kapital sparenden Laissez-faire-Attitüde lebt.
Zitat von 25h.nox25h.nox schrieb:das liegt an der miesen hygene im krankenhaus
Schon lange nicht mehr. Das Problem hat längst die Grenzen des medizinischen Einrichtungen verlassen. Ein ganz konkretes Beispiel dafür sind die ca-MRSA / community-acquired MRSA:
Seit einigen Jahren macht eine epidemiologisch "junge" Gruppe Methicillin-resistenter Staphylokokken von sich reden, die sogenannten Community-acquired MRSA / CA-MRSA. Epidemiologisch und genetisch sind CA-MRSA von den "klassichen" MRSA völlig verschieden, und im Gegensatz zu Letzteren sind bisher keine Risikofaktoren für eine Erkrankung bekannt. Typisch für CA-MRSA ist, dass sie Infektionen bei vorwiegend jungen Gesunden verursachen und nicht wie die MRSA mit der Klinik assoziiert (nosokomial) sind - eben "Community-acquired". Bei den Krankheitsbildern handelt es sich meist um Haut- und Weichteilinfektionen (Abszesse, Furunkulosen, Impetigo). Beobachtet wurden aber auch schwere Verläufe mit nekrotisierender Pneumonie (4), disseminierter invasiver Osteomyelitis (1) und ein Fall einer chronischen Pneumonie (5).
Diese Art von MRSA breitet sich zunehmend aus. Aber es kommt noch viel dicker:
Das Panton-Valentine-Leucocidin ist ein virulentes Exotoxin. Es verursacht schwere nekrotisierende Infektionen der Weichteile. Während PVL-positive MRSA im Gegensatz zu Klinik-assoziierten MRSA bisher gegenüber gängigen Antibiotika gut empfindlich waren, konnten nun erste Stämme mit Gentamicin-, Ofloxacin- oder Mupirocin-Resistenz (EIM Kanada) isoliert werden. Gegenüber Trimpethoprim-Sulfamethoxazol, Glycopeptiden und Linezolid waren die Keime bisher sensibel. Vor allem in den USA, wo die Prävalenz von PVL-positiven MRSA hoch ist, kann zudem eine zunehmende Vermischung zwischen typischerweise Klinik-assoziierten MRSA und Community-acquired MRSA beobachtet werden; erste Fälle von Implantatinfekten mit CA-MRSA wurden beschrieben, und das PVL-Toxin konnte von nosokomialen Keimen isoliert werden.
PVL-positive, möglicherweise multiresistente Community-acquired-MRSA, werden wohl schon bald zum Alltag in Praxis und Klinik gehören.
http://www.infekt.ch/kategorien/lehreforschung/literaturscreen/spitalhygiene/1275-community-acquired-mrsa-was-ist-dran.html

Was die Therapieansätze angeht, wäre die Phagentherapie (Einsatz von Bakteriophagen, also Viren, die Bakterien infizieren) der älteste bekannte aber auch ein viel versprechender Ansatz:
Die wichtigste Besonderheit der Bakteriophagen ist ihre Wirtsspezifizität. Das enge Zielspektrum ist einer der Gründe weshalb die frühen Phagentherapien unzuverlässig waren, aber heute haben Forscher natürlich gerade deswegen so großes Interesse an dem Verfahren. Antibiotika wirken gegen Merkmale, die vielen verschiedenen Bakterien gemeinsam sind, unerwünschten wie erwünschten - Phagen dagegen differenzieren wie die meisten Viren sehr genau zwischen verschiedenen Zelltypen. Es ist bis heute nicht ganz klar, wie spezifisch Phagen wirklich sind - einige Forscher bezeichnen sie als artspezifisch, während andere davon ausgehen, dass sie sogar für einzelne Stämme optimiert sind - klar ist allerdings, dass sie ein wesentlich engeres Wirkungsspektrum haben als jedes Antibiotikum. Je spezifischer eine Bekämpfungsmethode ist, desto weniger Resistenzen bilden sich bei anderen Keimen, und damit umgeht die Phagentherapie das größte Problem moderner Antibiotika.
http://www.scilogs.de/wblogs/blog/fischblog/biologie/2012-02-26/antibiotika-alternativen-teil-i-phagentherapie
Zitat von MakrophageMakrophage schrieb:Den Pharmafirmen würde ich jetzt eher nicht vorwerfen, dass sie keine Medikamente entwickeln, die sich für die anscheinend nicht rechnen. Die haben sich ja nirgendwo verpflichtet immer neue Antibiotika zu entwickeln. Ist mir auch lieber, die bringen gar nix auf den Markt als Scheininnovationen.
An ihnen hängt es aber ab, ob die Mittelchen vertrieben werden. Und wenn die da keine Gewinne sehen, ist das einfach nicht attraktiv für die:
Offenbar zieht sich die Pharmaindustrie zunehmend aus der Entwicklung neuer Antibiotika zurück. Forscher beklagen, dass viele Konzerne sich auf gewinnträchtigere Medikamente zur Behandlung chronischer Erkrankungen konzentrieren.

Angesichts der wachsenden Resistenz von Krankheitserregern gegen konventionelle Antibiotika ist laut einem Bericht der Zeitschrift "Nature" aber derzeit der Bedarf an neuen Präparaten besonders groß.
http://www.rp-online.de/gesundheit/news/pharmaindustrie-verringert-antibiotika-forschung-1.2345063


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

13.09.2013 um 16:00
Vielleicht verträgt das Thema einen kleinen Exkurs.
Viren scheinen das Potential zu haben sich zu potenten Helferlein der Medizin zu entwickeln. V. hat ja bereits auf die Möglichkeiten hingewiesen Bakteriophagen einzusetzen aber parallel dazu forscht man auch daran Viren gegen Tumorzellen einzusetzen. 2 verschiedene Klassen onkolytischer Viren gibt es, "replication defective viruses", sie übernehmen die Carrierfunktion und transportieren schädliche Gene in die Tumorzelle vermehren sich aber nicht und "replication competent viruses," sie vermehren sich in Krebszellen und zerstören sie dadurch.
Einige Viren haben eine gewisse natürliche Onkospezifität zum Beispieli einige Paroviren, Paramyxoviren, Rhabdoviren oder Reoviren, andere werden gezielt genetisch verändert um onkospezifisch wirken zu können ( einige Adeno-, Herpes- oder Picornaviren).
Man verändert Liganden von Viren so, dass sie nur noch an tumorspezifische Rezeptoren (wie EGFR oder Integrin) binden oder tauscht Kontrollelemente von Viren aus, so dass wichtige Gene für die Replikation nur noch in Tumorzellen aktiv sind.
Etwa 20 klinische Studien sind anhängig, es bleibt abzuwarten inwieweit sich die Hoffnungen erfüllen.
Dazu auch
Wikipedia: Onkolytische Viren
http://www.dkfz.de/de/onkolytische-adenoviren/index.php (Archiv-Version vom 08.05.2013)
http://www.dkfz.de/de/f010/index.php (Archiv-Version vom 08.05.2013)

@Scox
Nicht böse sein, ich fands interessant und hab mich einfach mal an deine Bakteriophagen angehängt. ;)


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

13.09.2013 um 18:16
@Scox

Wenn man es schaffen würde, abwechselnd einzelne Antibiotika-Gruppen weltweit eine Zeit lang aus dem Verkehr zu ziehen, würden dann nicht die Bakterien ihre Resistenzen gegen diese Art von Antibiotikum mit der Zeit wieder verlieren?


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

13.09.2013 um 18:27
@Scox
Zitat von ScoxScox schrieb:An ihnen hängt es aber ab, ob die Mittelchen vertrieben werden. Und wenn die da keine Gewinne sehen, ist das einfach nicht attraktiv für die:
Ja, schon klar. Schrieben wir ja beide schon. Aber das kannst du ihnen ja nicht wirklich vorwerfen. Ein Möbelhaus wird auch nur die Stühle produzieren, die ihnen gutes Geld bringen.

Wie gesagt rennt man den Bakterien ja meist hinterher, was die Medis betrifft. Deshalb setze ich sowieso wenig Hoffnung in die ganzen Scheininnovationen.

Man könnte natürlich eine rein universitäre Entwicklung neuer Medikamente betreiben mit einer Finanzierung durch Steuermittel.

Ohne gebündelte Massnahmen wird das Problem wohl nicht gelöst werden.


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

13.09.2013 um 18:43
Die Antibiotikavergabe in der Viehzucht, aber auch bei kranken Menschen sollte strenger kontrolliert und reduziert werden.

Das die Pharmakonzerne momentan keine neuen Medikamente auf den Markt bringen, begrüsse ich sogar, denn gegen diese würden wohl auch schnell Resistenzen entwickelt werden.
Aussitzen ist die Devise und bessere Hygienepläne der Krankenhäuser, dazu zählt auch eine höhere Bezahlung der Reinigungskräfte, denn diese sind nicht allzu gründlich. Allgemein sollte die Motivation zur Sauberkeit erfolgen, in manchen Kliniken fühl ich mich wie auf dem Klo in einer gut besuchten Disse.


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

13.09.2013 um 18:54
Interessant in diesem Zusammenhang finde ich auch die Frage, inwieweit die Flut von antibakteriellen Putzmitteln zu diesem Dilemma beiträgt. Glaubt man der Werbung, ist jeder durchschnittliche Haushalt ja ein potentieller Seuchenherd, wenn nicht mit scharfem Zeug vorgebeugt wird. Dabei reichen im Normalfall doch die ganz normalen Hygieneregeln (regelmäßig Hände waschen; den Salat nicht auf dem Brett schneiden, auf dem gerade das Huhn lag etc.).
Selbst für Bad/Toilette braucht es kein scharfes Zeug. Regelmäßiges Putzen scheint mir hier das Zauberwort, dann kann auch kein Schmutz entstehen, dem ich nur noch mit viel Chemie beikomme.
Zitat von cassiopeia88cassiopeia88 schrieb:Allgemein sollte die Motivation zur Sauberkeit erfolgen, in manchen Kliniken fühl ich mich wie auf dem Klo in einer gut besuchten Disse.
Was mir eher auffällt, ist die Unsitte der Besucher, sich auf das Bett des Patienten zu setzen und (schlimmer) dessen Toilette zu benutzen.


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

14.09.2013 um 00:54
Zitat von emanonemanon schrieb:Einige Viren haben eine gewisse natürliche Onkospezifität zum Beispieli einige Paroviren, Paramyxoviren, Rhabdoviren oder Reoviren, andere werden gezielt genetisch verändert um onkospezifisch wirken zu können ( einige Adeno-, Herpes- oder Picornaviren).
Gerade bei Rhabdoviren wird das erforscht, wie z.B. beim Rabiesvirus. Das Ganze beherbergt aber auch einige Risiken, denn gerade dieses Virus verursacht nach wie vor die praktisch tödlichste Krankheit der Welt.
Adenoviren werden im Zusammenhang mit anderen Faktoren als Mitauslöser für Adipositas vermutet und Herpes-Viren können ihrerseits Krebs auslösen und stehen ebenfalls im Verdacht, an zahlreichen Volkskrankheiten mitbeteiligt zu sein. Diese Viren quasi "umzukrempeln", wäre deutlich schwerer als andere von dir vorgeschlagene Kandidaten.
Zitat von emanonemanon schrieb:Nicht böse sein, ich fands interessant und hab mich einfach mal an deine Bakteriophagen angehängt.
Kein Ding. Solange das nicht ausufert und ins totale OT abdriftet, können solche leichten Abweichungen durchaus mit einbezogen werden. ;)
Zitat von TajnaTajna schrieb:Wenn man es schaffen würde, abwechselnd einzelne Antibiotika-Gruppen weltweit eine Zeit lang aus dem Verkehr zu ziehen, würden dann nicht die Bakterien ihre Resistenzen gegen diese Art von Antibiotikum mit der Zeit wieder verlieren?
Das Problem ist, dass bestimmte Antibiotika-Gruppen auch spezifisch wirken. Es gibt für bestimmte Bakterienstämme oder -gruppen (z.B. grampositive oder -negative) auch bestimmte Antibiosen. Für nicht näher bestimmte Erreger gibt es ja die Breitbandhämmer, und leider kommt es sehr häufig vor, dass der Erreger eben nicht genau bestimmt wird und einfach auf gut Glück Tetracycline o.Ä. verabreicht werden, die direkt alles Nützliche mitkillen und damit Resistenzen en masse fördern.
Da die Resistenzen genetisch weitergetragen und immer weiter verbreitet werden, ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass diese auch schnell wieder verschwinden. Dazu fehlt auch definitiv die Zeit, um das abzuwarten. :D
Zitat von MakrophageMakrophage schrieb:Aber das kannst du ihnen ja nicht wirklich vorwerfen. Ein Möbelhaus wird auch nur die Stühle produzieren, die ihnen gutes Geld bringen.
Es gibt Ärzte, die denen das vorwerfen. Wobei du Recht hast, denn
Zitat von cassiopeia88cassiopeia88 schrieb:gegen diese würden wohl auch schnell Resistenzen entwickelt werden.
Ich denke, dass wir mit dem ganzen Thema Antibiotika verschissen haben und tatsächlich völlig neue und sicherere Therapien hermüssen, um dem ständigen Wettlauf mit den Bakterien zu entkommen. Hast du ja auch so geschrieben oder seh ich das falsch? :)
Zitat von SKlikerklakerSKlikerklaker schrieb:Glaubt man der Werbung, ist jeder durchschnittliche Haushalt ja ein potentieller Seuchenherd, wenn nicht mit scharfem Zeug vorgebeugt wird. Dabei reichen im Normalfall doch die ganz normalen Hygieneregeln (regelmäßig Hände waschen; den Salat nicht auf dem Brett schneiden, auf dem gerade das Huhn lag etc.).
Diese übertriebene Hygiene ist auch ein Problem und keine Lösung, um Resistenzbildungen zu verhindern. Eher schaffen solche Chemiekeulen Voraussetzungen für Allergien, das zweite bald ausufernde Drama in unserer Gesellschaft...


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14.09.2013 um 05:28
Ich bin süchtig nach Antibiotika.

Mimdestens zweimal im Jahr bricht an meinem Unterschenkel ein Rotlauf aus, der sofort mit hochpotenten Antibiotika behandelt werden muss.

Bei diesen Phasen der Antibiotikaeinnahme verschwinden auch immer meine Probleme mit meinem Verdauungstrakt, sowie eine latent vorhandene entzündliche Reizung des Gehörganges die mich doch arg piesackt.

Nach einer 10 tägigen Antibiotikaeinnahme fühle ich mich wie neugeboren. Der Bauch schmerzt nicht alle Nase lang, die Ohren zwicken nicht. Alles paletti.

An meiner Verdauung und dem Gehörgang basteln die Ärzte schon 3 Jahre herum, ohne das sie das in den Griff bekommen.

Ich muss mich aber beherrschen und darf Antibiotika nicht wie Bonbons nehmen, sonst besteht die Gefahr das sie eines Tages den Rotlauf nicht mehr niederringen können.


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Problem Antibiotika-Resistenzen - Der Weg in die Ausweglosigkeit?

16.09.2013 um 14:27
Also multiresistente Bakterien- und Virenstämme können sich tatsächlich zu einem großem Problem auswachsen. Wenn die Antibiotikaentwicklung da nicht mehr mit Schritt halten kann oder will, dann sind Antibiotika auf mittelfristige Sicht sicher nicht mehr so wirkungsvoll wie sie es mal waren. Da müssen dann wirklich komplett neue Wege beschritten werden wie @Scox schon gesagt hat.
Wenn da nicht bald vermehrt gegengesteuert wird, dann sind mögliche "Horrorszenarien" der Epidemiologie (Archiv-Version vom 27.12.2014) bald nicht mehr nur Science Fiction. Wenn eine weltweite Pandemie mit einem multiresistenten Stamm ausbricht, dann kann es wirklich hässlich werden. Ich gebe zu, dass ich selbst nicht so viel Fachwissen mitbringen wie manche hier im Thread, aber in meiner Vorstellung graust es mir vor so einer Möglichkeit.


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