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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

1.478 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Making A Murderer, Steven Avery, Brendan Dassey ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

28.02.2019 um 23:21
Zitat von Simi96Simi96 schrieb:Du machst hier durchweg jeden dumm an und trägst zum eigentlichen Thema nur wenig bei. Ich habe gedacht über diesen Punkt wären wir bei der Diskussion hier mittlerweile hinaus. =) =)
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Avery wird ja auch einiges zugetraut angesichts seines IQ´s
Nur kein Neid ;)
Mir fällt hier eigentlich nur einer wiederholt auf, der alle dumm anmacht, die seine Meinung nicht teilen.

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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

01.03.2019 um 08:22
Bleibt bitte beim Thema und haltet euch nicht Nebensächlichkeiten auf. Euer Mitdiskutant, und wie er die Welt sieht, ist für den Fall völlig irrelevant.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

12.03.2019 um 16:41
UPDATE: MOTION ZUM VERSTOß GEGEN WISC.STAT § 968.205 und YOUNGBLOOD v. ARIZONA

Dies ist das erwartete Dokument (41 Seiten mit 27 Exhibits, die Exhibits liegen der Öffentlichkeit derzeit noch nicht vor) mit dem Zellner die vertuschte Vernichtung von Beweismaterial durch die Staatsanwaltschaft beim untergeordneten Circuit Court einbringt, so wie der Appeals Court es vorgeschrieben hatte:

https://static1.squarespace.com/static/55203379e4b08b1328203a7d/t/5c87c4778165f5f51a473885/1552401531135/Dkt.+1000+-+Supp+%C2%A7+974.06+motion.pdf

Vieles was vorgebracht wurde, kennen wir bereits; die Argumentation folgt ziemlich genau der Linie die ich hier auch schon einmal versucht habe zu zeichnen.
NEU sind , auf den ersten Blick, besonders zwei Elemente: Zum einen scheint es zwei neue wissenchaftliche Affidavits zu geben, zum anderen führt Zellner neues Material aus den Flyover Videos an, das zeigt dass zu der (aus der Luft nicht sichtbaren Stelle) , an der später Halabchs RAV4 gefunden wurde, am 4.11.2005 keine(!) Reifenspuren vorhanden sind, während sie auf den Aufnahmen vom Folgetag eindeutig (und eindeutig zu diesem Wagen führend) sichtbar sind - ein weiterer, schwer zu widerlegender Beleg, dass das Auto den Schrottplatz verlassen hatte und zurückgefahren wurde.

Zudem verlangt Zellner in der Motion erneut den Rückzug von Richterin Sutkiewicz von diesem Fall. Zellner belegt eine frühere Zusammenarbeit von Sutkiewicz mit Ken Kratz während Averys Verfahren, und sie belegt dass dieselbe Richterin den Vorsitz im Zivilprozess der Halbachs gegen Steven Avery geführt hatte - sie hatte damals den, mehrfach erklärten, Willen der Kläger (Familie Halbach) das Zivilverfahren einzustellen, nicht umgesetzt und den Zivilprozess aus eigenem Antrieb zwei weitere Jahre offen gehalten.

Zellner legt weiterhin erhebliches Gewicht auf absichtliche Falschdarstellungen, die Staatsanwalt Ken Kratz im Prozess gegen Avery, hinsichtlich der Knochenfunde, wiederholt vor der Jury leistete.

Man darf gespannt sein, wie das Ganze sich nun weiterentwickelt.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

12.03.2019 um 16:48
Hier ist eine Liste der Exhibits:
list.


Und hier ist der aktuelle Link zu den Dokumenten: https://www.dropbox.com/sh/rjrcss9f9nknrke/AADhQgmBlC7jRfO_Uy8bcnhMa?dl=0&utm_source=share&utm_medium=ios_app


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

14.03.2019 um 06:25
Na, das ist nun endlich die lang erwartete motion. Tatsächlich nichts Neues. Man wird sehen, ob die Richterin beeindruckt ist. Ich bin es nicht. Ein wenig "creative lawyering" wie wir hier sagen aber extrem wenig Substantielles, schon gar keine "smoking gun."

Inhaltlich haben wir das ja hier schon diskutiert. Juristisch ist es gewagt argumentiert, aber da hat sie auch ein wenig Bewegungsfreiheit, da in Wisconsin nur sehr wenige Fälle zu dem Thema bekannt sind. Ob sie allerdings die Richterin oder später den Court of Appeals mit ihrer Auslegung von Greenwold überzeugen kann, wage ich zu bezweifeln.

Ihre extreme Abneigung gegen Staatsanwalt Kratz kommt auch hier wieder sehr deutlich zum Vorschein, das könnte ihr juristisches Urteilsvermögen in Hinblick auf Greenwold Argumente allerdings trüben. Nicht umsonst heisst es, man muss sine ira et studio an solche Themen gehen.

Nun, man wird sehen.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

14.03.2019 um 12:03
@Rick_Blaine , auch dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie z.B. der national renommierte Juraprofessor/Georgetown University Randy Barnett (Wikipedia: Randy Barnett) hier erkennen lässt.

urasm9qpjrl21


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

14.03.2019 um 12:10
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:@Rick_Blaine , auch dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie z.B. der national renommierte Juraprofessor/Georgetown University Randy Barnett (Wikipedia: Randy_Barnett) hier erkennen lässt.
Naja - es liest sich schön, wie der Professor sagt. Eben so wie sich die Netflix-Doku auch schön schaut. Das sagt erstmal nur, dass Frau Zellner und ihr Team ihr Handwerk verstehen - was kaum einer bezweifeln würde. Das verfügbare Material wurde akribisch zusammengetragen und juristisch-kreativ aufbereitet, was in etwa der Aussage von @Rick_Blaine von
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:"creative lawyering"
entsprechen könnte.

Ich sehe daher erst einmal keine signifikant unterschiedlichen Auffassungen, der beiden Juristen...


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

15.03.2019 um 05:52
Prof. Barnett ist ein umstrittener Jurist, dessen Thesen ich zum Teil teile, zum Teil absolut nicht teile. Sein Fachgebiet ist Föderalismus und Gewaltenteilung zwischen Bund und Staaten.

Allerdings ist das auch egal, denn er sagt hier eigentlich nichts. Zwei Buchstaben sollte man hier nicht übersehen: If.

If Avery proves bad faith... Wenn Avery dem Staat unlautere Absicht nachweisen kann...

Das ist die Frage. Ich werde nicht darauf wetten, dass er (Zellner) das kann.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

15.03.2019 um 10:56
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Allerdings ist das auch egal, denn er sagt hier eigentlich nichts. Zwei Buchstaben sollte man hier nicht übersehen: If.
Kurzer Hinweis: Der fragliche Satz stammt von Jerome Buting nicht Prof.Barnett. .


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

03.04.2019 um 06:21
Am 29. März reichte Wisconsins oberster Staatsanwalt Josh Kaul seine ablehnende Antwort zu Averys Antrag auf einen neuen Prozess ein.
Er begründet diese im Wesentlichen wie folgt:

Die Behauptungen zu den Knochenfragmenten hätten zuvor bereits mehrfach geltend gemacht werden können.

Avery kann nicht feststellen, wie eine endgültige Bestimmung der Knochen eine vernünftige Wahrscheinlichkeit für ein anderes (Täter-)Ergebnis schaffen würde.

Rapid DNA Identification ist nicht für forensische Zwecke zugelassen oder genehmigt und daher nicht verwendbar.

Quelle: (Hier ist auch die Antwort des StA verlinkt):
https://www.wbay.com/content/news/Wisconsin-AG-responds-to-Steven-Averys-request-for-a-new-trial-507961461.html (Archiv-Version vom 03.04.2019)

Als Antwort auf die Einreichung hat Kathleen Zellner getwittert: "Wir haben gestern die Antwort des Staates überprüft, und das hat uns zum Lachen gebracht."
Zudem kritisiert Zellner, dass sich der Staatsanwalt entgegen der Anweisung des Gerichts, sich mit den Knochen und deren Herausgabe auseinanderzusetzen, auf ein kompliziertes Verfahrensargument zurückzieht, das der Logik oder dem Präzedenzfall widerspreche:

https://www.newsweek.com/making-murderer-kathleen-zellner-steven-avery-new-trial-wisconsin-1383858

@Rick_Blaine: Hast du Lust mal drüberzusehen, ob sich in der Stellungnahme des StA etwas zu den Vertuschungsvorwürfen (falsche Nummerierung) findet?
Wie ist deine Einschätzung zu der Argumentation des StA?


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

03.04.2019 um 08:13
Aber gerne, ich habe es mir gerade auf meiner Terasse gemütlich gemacht und mir eine kubanische Zigarre angezündet, die wir ja neuerdings auch hier wieder geniessen dürfen. Da kommt diese Lektüre gerade Recht. Ich folge mal der Reihenfolge der Staatsanwaltschaft.

1. Befangenheit der Richterin S.

Hier kann ich der Staatsanwaltschaft komplett beipflichten. Die Argumente Averys/Zellners für eine Befangenheit empfand ich schon immer inhaltlich hanebüchen, sie sind es auch juristisch.

Nur weil sie an einer Verfahrensfrage in einem Zivilprozess kurz beteiligt war, die sie schliesslich im Sinne Averys entschieden hat, und keinerlei inhaltliche Anhörungen oder ähnliches geleitet hat, ist sie sicherlich nicht gegen Avery befangen.

Das Gleiche gilt für ihre Mitgliedschaft im Ausschuss für Verbrechensopfer, in welchem sie vor ihrer Berufung zur Richterin tätig gewesen ist, genau wie Staatsanwalt Kratz. Wenn eine solche Mitgliedschaft befangen macht, dann könnte kein Jurist nach einer solchen mehr tätig sein. Das ist Unsinn. Mit der gleichen Argumentation hätte man Richter Götzl im NSU Verfahren für befangen erklären können.

2. Nun kommen wir zur Frage der Knochenuntersuchung. Zunächst beginnt die Staatsanwaltschaft mit einer prozeduralen Einrede. Sie sagt, Avery kommt schlicht und ergreifend mit diesem Thema zu spät. Ein eherner Grundsatz amerikanischen Rechts ist, dass in einer Revision oder ähnlichen Verfahren alle vorliegenden Argumente auf einmal gebracht werden müssen, und nicht erst mal eines, dann, in einer späteren Revision wieder eines und so weiter. Die Staatsanwaltschaft ist der Meinung, Avery hatte mindestens dreimal bereits die Möglichkeit, den Punkt anzubringen, es aber nicht getan (ich schreibe hier "Avery," wie das unter Juristen üblich ist, gemeint ist natürlich das jeweilige Verteidigerteam).

Aber selbst wenn man die Frage nun untersucht, so die Staatsanwaltschaft, dann ergäbe sich folgendes:

A. Avery habe gar kein verfassungsmässiges Recht auf die Behandlung dieses Punktes in diesem speziellen Verfahren

Dies ist wieder ein prozedurales Argument. Die Staatsanwaltschaft bezieht sich auf einen Präzendenzfall vor dem obersten Gericht der USA, Osborne, der von den von mir sehr geschätzten Anwälten Neufeld und Scheck (u.a.) eingebracht - und verloren wurde.

Der Fall gehört zu der langen Geschichte der DNA Tests und ihrer Anerkennung im Justizwesen, die nicht zu einem geringen Teil Verdienst von Neufeld und Scheck ist. Der oberste Gerichtshof hat aber hier entschieden, dass es nicht Sache des Verfassungsgerichts ist, festzustellen, wie weit das Recht auf DNA Tests nach einer rechtskräftigen Verurteilung ist, sondern das sei Sache des Gesetzgebers. Ein verfassungsmässiges Recht per se lehnte der Gerichtshof ab.

Hier argumentiert nun die Staatsanwaltschaft, dass Avery daher ebenfalls sich nicht auf ein verfassungsmässiges Recht auf eine DNA Untersuchung per se berufen kann, sondern auf den Rahmen angewiesen sei, den der Gesetzgeber in Wisconsin gesteckt hat.

Da aber die Grundlage für Averys derzeitiges Verfahren eine Verfassungsbeschwerde sei (so würde man das in Deutsch formulieren), könne er hier also keinen Anspruch auf eine DNA Untersuchung geltend machen.

Dies ist ein hochkompliziertes juristisches, prozedurales Argument, das Laien vermutlich nicht leicht verständlich sein wird. Es steht allerdings in einer langen Tradition des Kampfes um Anerkennung auf nachträgliche DNA Untersuchungen, der immer im Konflikt mit dem Anspruch des Staates auf Rechtsgültigkeit eines einmal ergangenen Urteils stand.

Ich will hier keine Einschätzung abgeben, ob dieses Argument ausschlaggebend sein kann, denn ich finde die nächsten Punkte interessanter. Mit Osborne hat die Staatsanwaltschaft aber ein starkes Urteil auf ihrer Seite.

B. Schliesslich kommt die Staatsanwaltschaft nun zum Kern des Arguments, zu den beiden höchstrichterlichen Präzedenzfällen Trombetta und Youngblood.

Hierzu hatte ich schon vor einiger Zeit geschrieben.

Zusammenfassend kann man hier sagen, Avery hat nur einen Anspruch auf einen neuen Prozess, wenn er nachweisen kann, dass das durch den Staat zerstörte Beweismaterial klar entlastend gewesen ist. Wie ich schon vor einiger Zeit schrieb, sehe ich da ganz und gar keine klaren entlastenden Elemente. Die Staatsanwaltschaft sieht das genauso.

Man kann ihre Argumente so zusammenfassen: selbst wenn man zugestehen will, dass es sich bei den Knochen um Halbachs Knochen handelt, ergibt sich daraus keineswegs ein klarer Beweis, dass Avery sie nicht umgebracht haben kann, oder dass die von ihm bevorzugten Verdächtigen R. Dassey/S. Tadych sie umgebracht haben.

Avery behauptet, wenn er nachweist, dass die Knochen Halbachs Knochen sind, müsse jemand diese in seinem burn pit abgelegt haben, und diese jemands sind wohl Dassey und Tadych.

Das ergibt sich daraus aber nicht. Auch andere Theorien sind hier durchaus möglich.

Das entspricht voll und ganz meinen Argumenten, die ich früher schon dargelegt habe. Die Staatsanwaltschaft vertritt dabei genau diese Argumente: genausogut kann Avery die Knochen Halbachs in die Kiesgrube verbracht haben, nachdem er feststellte, dass er die Leiche nicht spurlos in seinem burn pit verbrennen konnte. Es ist nicht logisch darzustellen, dass sie nur in eine Richtung bewegt werden konnten.

Damit hat Avery die entscheidende Voraussetzung zur Anwendbarkeit der Präzedenzfälle aber nicht erfüllt: er kann nicht aufzeigen, dass die Knochenuntersuchung ein ihn entlastendes Ergebnis bringen musste.

Nicht einmal die Möglichkeit, dass ein solches Ergebnis bestanden hätte kann er plausibel anbringen. Daher ist es auch, laut Staatsanwaltschaft, müssig darüber nachzudenken, ob der Staat hier böswillig gehandelt habe.

Dies hat er auch im Hinblick auf den prozeduralen Zeitrahmen nicht getan, denn die Knochen waren zur fraglichen Zeit gar nicht Bestandteil seines Revisionsverfahrens.


3. Am Ende bringt die Staatsanwaltschaft noch einige Argumente gegen die Technologie, die hier den Tests zugrunde liegt, ich denke aber, die können in dieser Frage vernachlässigt werden.

Meiner Meinung nach hängt der Ausgang dieses Verfahrens hier davon ab, ob das Gericht am Ende der Argumentation folgt, dass die Knochen, wenn sie denn Halbachs waren, im Endeffekt einen Avery entlastenden Beweis ergeben hätten.

Die Staatsanwaltschaft sieht das als nicht gegeben an.

Und soweit ich das mit meiner unmassgeblichen Meinung und Erfahrung beurteilen kann, muss ich ihr da zustimmen.

Der merkwürdige Tweet Zellners am Ende, das darf ich noch anfügen, ist meiner Meinung nach extrem unprofessionell. Man wird sehen, wer am Ende lacht.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

03.04.2019 um 08:51
@Rick_Blaine

Danke für deine Einschätzung. Wie geht es jetzt weiter? Die Doku hat sich zwar bemüht den möglichen Instanzenweg mit allerlei Schautafeln immer wieder aufzuzeigen, wirklich verstanden habe ich das allerdings nicht.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

03.04.2019 um 09:17
@Rick_Blaine: Sehr gut erklärt, danke. Der groß aufgehängte Vorwurf einer böswilligen Täuschung wird also ähnlich (aber besser untermauert mit passender Rechtsprechung) zurückgewiesen, wie wir hier schon vermutet hatten.
Es gibt keinen Grund, eine Vertuschung zu prüfen oder anzunehmen, wenn das Vertuschte gar keine nachteiligen Auswirkungen für den angeblich Geschädigten hat.

Aus juristischer Sicht scheint mir das dennoch weiterhin ein spannendes Tauziehen zu sein.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

03.04.2019 um 09:44
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Danke für deine Einschätzung. Wie geht es jetzt weiter? Die Doku hat sich zwar bemüht den möglichen Instanzenweg mit allerlei Schautafeln immer wieder aufzuzeigen, wirklich verstanden habe ich das allerdings nicht.
Wir sind im Moment in der Phase, die man "postconviction relief" nennt. Im Deutschen kann man das unter "Wiederaufnahmeverfahren" einordnen, das kommt in der deutschen Rechtsordnung dem Verfahren am Nächsten. Avery will, dass sein Verfahren wieder aufgenommen wird, das Urteil also aufgehoben wird, und er einen ganz neuen Prozess bekommt.

Wie im deutschen System ist das sehr schwierig zu erreichen, und wie im deutschen System muss er dafür ganz besondere Gründe nachweisen: z.B. erhebliche Verletzungen seiner verfassungsmässigen Rechte im ersten Verfahren. Insofern hat das Verfahren auch Parallelen zu einer Verfassungsbeschwerde im deutschen System.

Da sind wir zur Zeit. Zunächst wird dieser Antrag auf eine Wiederaufnahme vor der 1. Instanz geprüft. Gegen die Entscheidung ist die Einlegung der Revision möglich, die hier von beiden Seiten bereits klar angekündigt wurde. Es ist also im Prinzip egal, wie die Richterin entscheiden wird, das Verfahren wird wieder vor der Revisionsinstanz landen.
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Es gibt keinen Grund, eine Vertuschung zu prüfen oder anzunehmen, wenn das Vertuschte gar keine nachteiligen Auswirkungen für den angeblich Geschädigten hat.

Aus juristischer Sicht scheint mir das dennoch weiterhin ein spannendes Tauziehen zu sein.
Genau. Das ist ein ganz entscheidender Punkt, ein Grundsatz, der sich durch das gesamte amerikanische Recht zieht. Es genügt in den meisten Fällen nicht, Fehler in einem Verfahren nachzuweisen, um ein einmal ergangenes Urteil aufzuheben, sondern man muss gleichzeitig auch nachweisen, dass dieser Fehler zu einem Fehlurteil geführt hat. Das wird oft nicht verstanden.

Wenn z.B. ein Verfahrensfehler stattgefunden hat, aber selbst bei Vermeidung dieses Fehlers nach Einschätzung der Gerichte das Urteil genauso gefällt worden wäre, erübrigt sich ein neues Verfahren. Nur unter recht wenigen Umständen wird ein Verfahrensfehler als so schwerwiegend beurteilt, dass auf jeden Fall das Urteil aufgehoben werden muss.

In den meisten Fällen scheitern Wiederaufnahmeverfahrensanträge daran, dass der vermeintliche Verfahrensfehler am Ende keinen Einfluss auf das Urteil gehabt hat.

Hier haben wir vermutlich so einen Fall: Nehmen wir mal an, die Staatsanwaltschaft hätte Beweise unterdrückt, dass Avery zur vermuteten Tatzeit gar nicht am Tatort gewesen sein kann, weil er garantiert ganz woanders gesehen wurde und seine Spuren hinterlassen hatte - das wäre ein klarer Grund, das Urteil aufzuheben und die Sache ganz neu, diesmal mit diesen Beweisen, zu verhandeln. Denn hier wäre zu erwarten, dass das Urteil diesmal ein Freispruch sein würde.

Hier aber geht es um den Nachweis, dass die umstrittenen Knochen Theresa Halbachs Knochen waren. Ich sage: so what? Selbst wenn man das einmal unterstellt, und ich tue das, dann beweist das ganz und gar nicht, dass Avery die Tat nicht verübt haben kann. Das behauptet Zellner. Aber der logische Schluss ergibt sich mir einfach nicht. Denn alles, was man dadurch beweisen kann ist, dass sich Knochen von ihr nun an zwei nicht weit voneinander liegenden Orten befunden haben. Wer aber die Knochen dorthin gebracht hat, das ergibt sich überhaupt nicht schlüssig aus der Tatsache, dass es sich um ihre Knochen gehandelt hat.

Da stehen nach wie vor zwei Theorien im Raum: Avery oder ein anderer Täter, z.B. Dassey/Tadych.

Also ist man weiterhin auf die anderen Indizien und Beweise angewiesen. Und diese hat das Gericht im ersten Verfahren ja geprüft und den Schluss aus ihnen gezogen, dass Avery der Täter gewesen ist.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

13.04.2019 um 15:54
KATHLEEN ZELLNERS ENTGEGEN AUF DIE EINWENDUNGEN DER STAATSANWALTSCHAFT:

https://static1.squarespace.com/static/55203379e4b08b1328203a7d/t/5cb0b5f59b747a0ad55c0e08/1555084797181/AVERY+-+Mtn+%26+Reply+4.11.1908823620190412110836.pdf

Die von Zellner in dieser „Response“ vorgebrachten Argumente und Richtigstellungen in der deutschen Kurzzusammenfassung (bitte komplette Reply lesen):

PUNKT I:


Zellner beantragt das prozessrechtliche Argument der StA zurückzuweisen, da hier nicht anwendbar. Der Wisconsin Court of Appeals hat in seiner Entscheidung rechtsverbindlich angeordnet, dass der Vorwurf der Beweismittelvernichtung inhaltlich zu untersuchen ist. Die StA fordert also Richterin Sutkiewicz auf, diese Anordnung des übergeordneten Gerichts aktiv zu missachten. Dies wäre nur auf anderem Wege überhaupt zulässig, nämlich, wenn die die StA Revision gegen die Entscheidung des WCOA eingelegt hätte. Was nicht geschah.
Auf die inhaltlichen Vorwürfe geht die StA nicht ein, sie umgeht sie.

In diesem Fall ist das von der StA vorgebrachte Argument selbst prozessual unzulässig da judicial estoppel vorliegt. Nach den Gesetzen Wisconsins ist es Prozessparteien nicht erlaubt in ein und demselben Verfahren zu ein und demselben Sachverhalt unterschiedliche Haltungen einzunehmen, die einander zu 100% widersprechen und faktisch unvereinbar sind, wenn bereits von einer dieser Positionen profitiert worden ist. Judical estoppel soll verhindern, dass mit völlig beliebigen Positionen, im Sinne juristischer Taschenspielertricks jongliert werden kann.

Die StA hatte am 29. Januar 2019 noch argumentiert, dass Mr. Avery, wenn er triftige Gründe aufzeigen könne, warum dies nicht früher erfolgt sei, jeder Zeit, eine Wis.Stat 974.06 Motion einbringen könne. Ohne diese Gründe gehe der Appeal vor und müsse erst abgehandelt werden. Wenn Avery zeigen könne, weshalb er den Antrag nicht innerhalb der jetzt laufenden Revision einbringen konnte, wäre er, so die StA damals, später nicht prozessual unzulässig.

Mit dieser Begründung hatte die StA im Januar Erfolg, und der Antrag auf das Testen der Knochen, wurde zum damaligen Zeitpunkt abgelehnt.

Jetzt , wo die triftigen Gründe weit über Soll vorgebracht wurden, vollzieht die StA einen 180 Grad turn und behauptet das Gegenteil, nämlich Averys Motion sei prozessual unzulässig, da sie nicht vor dem WCOA eingebracht worden sei. Heißt: Die StA wirft Avery vor, nicht Schritte ergriffen zu haben, die sie selbst mit Erfolg bekämpft und verhindert hat.

Zellner führt aus „Mr. Avery kann nicht einerseits die Verantwortung auferlegt werden zu zeigen, warum er das Argument nicht in einer vorherigen Wis.Stat 974.06 Motion eingebracht hat, und zugleich prozessual gehindert werden das zu tun, weil er es nicht während der Motion im laufenden Appeal eingebracht hat“

Der Widerspruch ist eklatant und die justicial estoppel Regelung schließt die entsprechende Argumentation der StA als prozessrechtlich unzulässig aus.

PUNKT II:

Die Behauptung der StA die Motion sei durch das Urteil State vs Escalona-Naranjo prozessual unzulässig wird zurückgewiesen. Zwar sagt dieses Urteil aus, dass keine Entlastung eines Beklagten mehr zulässig ist, wenn die entsprechenden Gründe final entschieden, aufgegeben oder nicht in vorherigen post conviction motions vorgebracht worden sind. Und zwar behauptet die StA Avery habe das Testen der Knochen nicht vorher eingebracht. Aber: Escalona-Naranjo legt aber auch fest, dass dies nur dann gilt, wenn nicht schwerwiegende Gründe dafür vorliegen, weshalb ein Grund nicht vorher bereits eingebracht worden ist.

Hier gibt es diesen Grund: Eine Verletzung der Rechte des Angeklagten durch die Vernichtung von Beweismitteln, die von derselben StA die jetzt dieses Argument vorbringt, aktiv vertuscht worden war (siehe auch Vorgänger-Motions, bzw. Vorgänger-Schreiben). Abgesehen davon, dass Avery hier nicht auf Beweismangel oder ineffektive rechtliche Vertretung plädiert hatte, wie es die StA zu framen versuchte, sondern hier die illegale Beweismittelvernichtung im Zentrum steht, die von Escalona –Naranjo komplett unberührt bleibt, gilt: Es ist illegitim zu argumentieren Avery hätte die Beschwerde über die Beweismittelvernichtung einbringen müssen, bevor der Verstoß überhaupt aufgedeckt und nachgewiesen wurde.

Weiterhin wird hingewiesen, dass die Aussage der StA, Avery habe den Polizeibericht von 2011 bereits vorher einbringen können, da er ihn schon besessen habe, eine vorsätzliche Falschbehauptung ist. Aus den bereits von Zellner eingereichten Belegen geht schon unzweifelhaft hervor, dass dieser Bericht seitens der StA nie übergeben worden ist und sogar vorsätzliche Täuschung und Manipulation von Dokumenten angewendet worden ist, um die Übergabe der Knochen zu verheimlichen (was unzweifelhaft zeigt, dass die Illegalität der Übergabe der StA bewusst gewesen sein muss). Zellner führt weiter aus, dass zu dem, in der Antwort der StA behaupteten Zeitpunkt, keine Übersendung des Berichts stattgefunden hat und belegt dies anhand mehrerer Exhibits sehr eindeutig.

Hier besteht keinerlei Zweifel dass die StA in ihrer vorliegenden Response Richterin Sutkiewicz absichtlich belogen hat.
Tatsächlich war die Beifügung dieses Berichts als Exhibit in der vorliegenden Response, April 2019, das erste Mal, dass die StA der Verteidigung diesen Bericht überhaupt hat offiziell zugehen lassen.

Zellner schreibt:

„Der Staat hat wiederholt Beweise verborgen und unterschlagen die mit der Herausgabe dieser Knochen in Zusammenhang stehen […] und Mr. Avery dann vorgeworfen, dass er die entsprechende Beschwerde nicht früher vorgebracht hat“

PUNKT III:

Das Argument der StA, dass Averys Einbringung unzulässig sei, da Younblood nur bei der Verletzung verfassungsmäßiger Rechte einbringbar sei und zu dem die Osborne Entscheidung des Supreme Courts festlege, dass ein Beklagter kein generelles Recht auf DNA Tests in der Post Conviction Phase habe, wird zurückgewiesen.

Erstens wurden hier Gesetze des Staates Wisconsin gebrochen, nach denen Avery diese Tests zugestanden hätten, ausdrücklich auch und besonders in der post conviction Phase (hierzu wird umfangreiche gerichtliche Präzedenz aus Wisconsin zitiert), und die absichtliche Verunmöglichung einer Verteidigungslinie durch gesetzwidrige Beweismittelvernichtung stellt einen Bruch der verfassungsmäßigen Rechte Averys nach Youngblood dar.

Zudem hebt Osborne die Gesetze von Wisconsin nicht auf. Tatsächlich ist Ostborne hier gar nicht anwendbar, da es sich hierbei um eine Bürgerrechtsklage und nicht um ein post-conviction proceeding gehandelt hatte, zudem waren in diesem anders gelagerten Fall keine Beweismittel vernichtet worden, der Staat hatte nur den Zugang zu ihnen verweigert. Tatsächlich verlor Osborne, nach Siegen vor den unteren Gerichten, letztlich vor dem Supreme Court, weil dessen rechtskonservativer Flügel unter Judge Scalia, die Auffassung vertrat, Osborne hätte seine Beschwerde zuerst bei den Circuit Courts seines Bundesstaates einbringen müssen.
Das war der Hauptablehnungsgrund.

Die StA argumentiert hier also letztlich, dass durch das Osborne-Urteil, das verlangt hatte, das solche Beschwerden in der post conviction Phase erst vor Circuit Courts vorgebracht werden müssten, das Vorbingen solcher Beschwerden Beschwerden in der post conviction Phase vor Circuit Courts generell unmöglich sei.
Ein komplett unsinniger Zirkelschluss.


PUNKT IV:

Zellner führt aus, dass die StA zu Unrecht die Behauptung aufgestellt hat, dass Avery seinen Anspruch auf Entlastung unzureichend begründet habe, da er nicht nachgewiesen habe, dass die Knochen entweder erkennbar oder potential entlastend gewesen seien. Es wird darauf hingewiesen, dass die StA dazu irrigerweise denselben Maßstab, wie er für eine Dritt-Täter-These (etwa unter Denny) zutreffend gewesen wäre, angelegt hat.
Dieser Maßstab ist hier nicht anwendbar. Avery muss nicht beweisen, dass jemand anderes als er die Tat begangen hat, um gegen die Verletzung seiner Rechte durch die illegale Beweismittelvernichtung vorzugehen, er muss, so sagt es das verletzte Gesetz, belegen, weshalb die vernichteten Beweismittel potentiell entlastend gewesen wären und das Vertrauen in die Richtigkeit des Urteils erschüttert hätten.

Die StA hat bewusst oder aus Unfähigkeit den falschen Maßstab, aus dem falschen Sinnzusammenhang, angewendet um die Berechtigung der Begründung des Anspruchs anzufechten.

1. Natur des Knochenmaterials:

Zunächst wird hier korrigiert, dass die StA durchgängig die Knochen falsch bezeichnet, nämlich als vom Randant-Grundstück stammend, de facto stammen sie aus der Gravel Pit auf einem städtischen Grundstück der Gemeinde Manitowoc. Zweitens wird richtiggestellt dass alle nach Untersuchung der Leslie Eisenberg als menschlich klassifizierten Knochen übergeben und somit als Beweismittel zerstört worden sind. Die Behauptung es könne noch weitere möglicherweise menschliche Knochen in Polizeibesitz geben, ist, wie ausgeführt wird, nach den Unterlagen der Behörden wahrheitswidrig.

Zwei der unterzeichnenden Staatsanwälte, Fallon und Gahn, waren damals persönlich im Raum, als ausnahmslos alle menschlichen Knochen aus der Gravel Pit zur Übergabe an die Halbachs aussortiert worden waren. Sie leiteten diesen Vorgang.
Zellner stuft die Auffassung der StA nach der Avery nicht bewiesen habe, dass die Knochen, die laut Expertin der StA eindeutig menschlich waren und die auch genau deshalb zum Beerdigen aussortiert worden waren, menschlich gewesen seien, sei unaufrichtig und eine Verfälschung des von der Verteidigung vorgebrachten Arguments ein.

Es sei für die StA zu spät nun, auf einmal, nach 12 Jahren die Expertise der eigenen Expertin als unrichtig darstellen zu wollen.

Die konkrete mögliche Entlastung ergibt sich daraus, dass das Urteil gegen Avery in der massivsten Weise darauf fußt, dass die Leiche des Opfers auf Averys Grundstück gefunden wurde, nur dort und nirgendwo anders; ferner dass das Opfer zu Avery fuhr und niemals wieder weg. Kratz hat im Prozess vielfach in Abrede gestellt, dass irgendwelche Teile des Verbrechens außerhalb des Schrottplatzes stattgefunden hätten, Leslie Eisenberg stellte in Abrede, dass die Knochen jemals bewegt worden seien. Kratz hat mehrfach (weit über ein Dutzend mal allein im Plädoyer) darauf rekurriert, dass der Umstand, dass Leichenreste nur auf Averys Grundstück gefunden wurden, „den ganzen Fall“ darstelle.
Dieser Umstand, so er stimmte, wiese nur auf einen, einen einzigen Täter: Avery. Dass sich die gesamte Tat auf Averys Grundstück abgespielt habe, war das Grundfundament der Anklage und des Urteils, mit dem Kratz z.B. die Jury auch dazu gebracht hat, darüber hinwegzusehen, dass die Garage und das Schlafzimmer als Tatorte forensisch ausscheiden.

Zudem: Die Knochen in der städtischen Grube waren zeitnah mit Halbachs Überresten gefunden worden, in relativer örtlicher Nähe und waren als menschlich, weiblich und mit Schnittspuren klassifiziert worden. Da bei den Funden auf Averys Grundstück 60% des Knochenmaterials fehlten, ist ein Zusammenhang logisch anzunehmen.

Wenn diese Knochen von Halbach stammen sollten (de facto reicht das rechtlich aus), dann ergibt sich nicht nur ein völlig anderer, noch weitgehend unbekannter Tatablauf, der auch die Täterschaft anderer Personen außer Avery eröffnet, sondern auch eine andere, vielsagende Reihenfolge (!) der Abläufe.

Da der international renommierte Brandgutachter DeHaan Averys Feuergrube als primäre Verbrennungsstätte der Knochen mit wissenschaftlicher Sicherheut ausschließen konnte, muss die Verbrennung anderswo stattgefunden haben. Gerne wird vergessen, dass die Knochen aus der städtischen Grube Schnittspuren aufweisen, die in Averys Grube gefundenen jedoch NICHT.

Das bedeutet, wenn die Kochen von ein und demselben Körper stammen sollten, muss dieser Körper in der städtischen Grube zerteilt worden sein und DANN verbrannt – und das verlagert die Ermordung aus Averys Schrottplatz heraus. Und das lässt nicht nur Raum für einen anderen Täter, sondern führt zum logischen Problem, weshalb Avery diese Knochen danach noch zurück auf den Schrottplatz hinter sein Haus hätte legen sollen, und somit zu einem Täter der nicht Avery ist und diese Leichenteile absichtlich dort hingebracht hat.

2. Bad faith

KZ argumentiert, dass die StA vollumfänglich wusste dass die Herausgabe der Knochen unrechtmäßig und ungesetzlich war. Dadurch dass die Staatsanwaltschaft die Überreste nicht einfach so vernichtet hat, sondern Familie Halbach zum Beerdigen überließ, somit zum Ausdruck brachte, dass sie als sicher annahm (im Gegensatz zu dem was sie im Prozess behauptet hatte), dass die Knochen von Halbach stammen, räumte sie die Relevanz für den Fall selbst unmissverständlich ein. Demnach nahm sie an, musste sie annehmen, dass sie Beweiswert hatten. Demnach hätte sie wissen müssen, dass sie die Knochen unter 968.205(2) niemals hätte herausgeben dürfen, da sie selbst durch diese Handlung die Ansicht vertrat, dass das Material unter dieses Statut fällt.

Weiterhin gab es zusätzlich eine rechtlich verbindende gerichtliche Anordnung vom April 2007, von der die StA selbst die Auffassung vertrat, dass sie beinhaltete, dieses Knochenmaterial forensischen Tests zu unterziehen. Auch weist Zellner nach, dass bereits während des Prozesses, staatsanwaltliche Äußerungen fielen, die zeigten dass die StA selbst diese Knochen als unter 968.205(2) fallende Beweise, die zu präservieren seien, verstand.

In großer Deutlichkeit wird zurecht darauf verwiesen, dass
"Assistant Attorney General Fallon & Special Prosecutor Gahn, die beide die StA in dieser Angelegenheit vertreten, jene Staatsanwälte waren, die an der Herausgabe der Knochen aus der Mainitowoc Gravel Pit an die Familie Halbach beteiligt waren. Sie sind involvierte Parteien und ihr `bad faith“ ist hier in direkter Weise Thema dieses Falles. Ihr Protestieren und Leugnen muss daher als verdächtig betrachtet werden; das Gericht muss dezidiert prüfen, ob die von ihnen vorgebrachten Argumente selbst in gutem Glauben abgegeben worden sind oder nur simplem Selbstschutz dienen“



PUNKT V:

Die Staatsanwaltschaft hat Wis.Stat. § 968.205 verletzt, da das herausgegebene und dadurch vernichtete Knochenmaterial nach dieser gesetzlichen Vorschrift hätte aufbewahrt werden müssen. Und die StA diese Material durch ihr eigenes Handeln eindeutig als unter dieses Gesetz fallend anerkannt hat. Selbst wenn eine biologische Identifikation – nun wohl verunmöglicht durch die illegale Herausgabe – noch nicht bestand, war der Beweiswert durch die relative örtliche Nähe zum Fundort der Reste eines Menschen desselben Geschlechts und Alters, von denen an diesem Fundort über 60% fehlten, eindeutig gegeben.
Der potentiell (!) entlastende Beweiswert war zwingend durch die sich, im Falle einer Identifikation der Knochen als Halbachs, ergebende Verlagerung des Mordgeschehens weg vom Avery-Grundstück , und die absolute Unvereinbarkeit eines Mordes außerhalb dieses Grundstücks, mit dem Narrativ der StA, gegeben.

Zurückgewiesen wird das Argument, Avery habe argumentiert, jedes Beweismittel aus einem Verfahren müsse präserviert werden, wogegen die StA sich wendete, da es sich um einen unsinnig und nicht praktizierbaren Standard handele. Eine solche Behauptung war seitens der Verteidigung nie aufgestellt worden, so dass die komplette Argumentationslinie der StA hier eine Themaverfehlung darstellt.


PUNKT VI:

Das Argument der StA bezüglich des ANDE RAPID DNA Testings wird zurückgewiesen. Zellner legt nicht nur dar, dass die Staatsanwaltschaft sich ausschließlich veralteter, nicht mehr aktueller Quellen (zwei Jahre und älter) bediente, um eine angebliche Ungeeignetheit dieses Verfahrens für forensische Untersuchengen zu konstruieren; im Gegensatz zu den Behauptungen der StA ist das Verfahren mittlerweile umfangreich erprobt, peer reviewed, vom FBI und verschiedenen Bundesstaaten & Jurisdiktionen offiziell anerkannt worden und hat darüber hinaus , neben umfangreicher Nutzung in der Verbrechensbekämpfung, gerade im forensischen Bereich besonders gute Ergebnisse erzielt. Die Staatsanwaltschaft hat die massive Entwicklung dieser Technologie und deren weiträumige Akzeptanz als besonders hochwertig, in ihren Erläuterungen schlicht ignoriert.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

13.04.2019 um 17:02
NACHTRAG:

Fall sich jemand fragen sollte, warum Zellners Antwort (Response) eine "Motion For Leave To File A Response" vorausgeht: Das ist ein notwendiges Prozedere, weil der Wisconsin Court of Appeals in seiner Entscheidung, dass die Vorwürfe hinsichtlich Beweismittelvernichtung inhaltlich zu prüfen seien, einen sehr präzisen Fahrplan des Ablaufs rechtsverbindlich angeordnet hat, inklusive Fristen.
Der WCOA hat darin ausdrükclich NICHT angeordnet oder vorgesehen, dass Verteidigung oder Staatsanwaltschaft auf die Motion wegen der Verletzung von Wis.Stat. § 968.205 antworten dürfen.

Wenn eine der Prozessparteien unter diesen Umständen eine Erwiderung abgeben will, muss sie erst mit einer solchen "Motion For Leave" die Erlaubnis des Gerichts einholen, von dem - in diesem Fall durch Entscheid des übergeordneten Gerichts - vorgegebenen Prozedere abweichen zu dürfen. Zellner hat das getan.
Die Staatsanwaltschaft hat dies bei ihrer Antwort zuvor unterlassen, d.h. die Response der Staatsanwaltschaft war unberechtigt und hatte keine Autorisierung durch das Gericht. Sie widersprach dem Entscheid des Wisconsin Courts of Appeals.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

17.04.2019 um 08:46
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb am 13.04.2019:Aber: Escalona-Naranjo legt aber auch fest, dass dies nur dann gilt, wenn nicht schwerwiegende Gründe dafür vorliegen, weshalb ein Grund nicht vorher bereits eingebracht worden ist.

Hier gibt es diesen Grund: Eine Verletzung der Rechte des Angeklagten durch die Vernichtung von Beweismitteln,
Mal eine Verständnisfrage:

Die StA argumentiert, der Beweisantrag "Testen der Knochen" hätte eher beantragt werden können und ist daher jetzt verspätet.

Avery argumentiert, dass er einen Grund hatte, dies nicht eher zu beantragen, weil die Knochen ja weg waren, was er aber nicht wusste, weil das vertuscht worden war. (?)
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb am 03.04.2019:Sie sagt, Avery kommt schlicht und ergreifend mit diesem Thema zu spät.
@Rick_Blaine, ich frage dich nochmal, weil du das so schön einfach erklären kannst:

Womit kommt er nach Auffassung der StA zu spät: Mit dem Antrag auf Testung an sich oder mit der Rüge der Beweismittelvernichtung?

Nur für Letzteres ist ja die Kenntniserlangung von der Vernichtung entscheidend, denn wenn er mit dem Antrag auf Testung tatsächlich zu spät kommt, kommt er zu spät und fertig. Dann ist es rein nach logischen Erwägungen egal, ob überhaupt noch was zum Testen da ist und auch, wann er davon erfahren hat, dass nichts mehr oder nur noch die Hälfte vorhanden ist.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

18.04.2019 um 04:05
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Womit kommt er nach Auffassung der StA zu spät: Mit dem Antrag auf Testung an sich oder mit der Rüge der Beweismittelvernichtung?
Das ist im Prinzip genau der Punkt worum sich beide Seiten streiten. Der Staat sagt, Avery hätte bereits in seiner ursprünglichen Revision unter dem Hauptpunkt des Vorwurfs, der inadäquaten Verteidigung, anbringen können, dass seine ursprünglichen Anwälte keinen Antrag auf weitere Tests der Knochen gestellt haben. Das hat er aber nicht. Der Staat sagt auch, das hat er vermutlich aus gutem Grund nicht getan, da er ja nicht wissen konnte, was die Tests ergeben hätten (wäre herausgekommen, dass es nicht menschliche Knochen waren, hätte seine eigene Theorie gelitten). So eine Entscheidung auf so einen Antrag zu verzichten ist demnach keine inadäquate Verteidigung.

Im Februar 2013 hatte Avery die nächste Gelegenheit, in seinem ersten Wiederaufnahmeantrag (ich übersetze postconviction relief motion mal so). Wieder hat er kein Wort davon geäussert. Weder hat er direkt beantragt, die Knochen zu testen, noch hat er behauptet, seine vorigen Anwälte hätten das verpasst.

Schliesslich hatte er in dem noch aktuellen Wiederaufnahmeantrag vom Juni 2017 die Gelegenheit - und wieder hat er es nicht getan, auch nicht in den zahlreichen Anträgen auf Revision der ursprünglichen Ablehnung dieses Antrags.

Schliesslich habe auch er auch in den letzten Anträgen keinen solchen Anspruch erhoben, obwohl er seit Mai 2018 auch das transcript aus Calumet County habe (von dem Zellner behauptet, es habe den Bericht zu den Knochen nicht enthalten).

Nachdem er so viele Gelegenheiten seine Ansprüche zu erheben verpasst habe, könne er sie jetzt nicht mehr stellen.

Zellner versucht diese Argumente nun wegzuwischen in dem sie sagt, es ginge ja nicht um Anträge auf Tests der Knochen sondern jetzt um das Problem, dass der Staat diese vernichtet habe (das ist ein etwas merkwürdiges herumeiern.)

Sie verliert sich danach wieder in Argumenten, die juristische Laien als ziemliche Haarspaltereien empfinden mögen, dass seine Anträge ja keine separaten Anträge seien, und dass das Revisionsgericht doch nun selbst gesagt habe, es wolle zum inhaltlichen Kern der Frage vordringen usw. um dann ihr stärkstes Geschütz aufzufahren: sie behauptet, dass in den vom county sheriff übersandten Dokumenten genau diese zur Vernichtung der Knochen nicht enthalten waren.

Subtil richtet sie ihr Argument dann wieder ganz auf die "destruction of evidence", also die Vernichtung des Beweismaterials aus, und versucht damit den ersten Argumenten des Staates etwas zu entgehen.

Am Ende dieses Punktes verliert sie sich dann ein wenig in einem Streit um die korrekte Kategorisierung der bisherigen Anträge Averys.

Wie ich schon vorher anmerkte, auch mir erscheint das als Haarspalterei. Wie das Revisionsgericht empfinde ich die inhaltliche Frage weitaus interessanter und wichtiger, als diesen Streit um die prozedurale Zulässigkeit. Aber er ist natürlich wichtig.

Bevor es aber nun darum geht, kommt noch ein wichtiges prozedurales Argument. Wie wir uns erinnern, geht es ja im Moment NUR darum, ob Avery die Möglichkeit erhalten soll, seine inhaltlichen Argumente darzulegen.

Der Staat hatte dagegen gehalten, dass unter den Präzedenzfällen des obersten Gerichtshofs der USA, Youngblood, Osborne und Trombetta und des obersten Gerichtshofs von Wisconsin Baillette, und Greenwold Avery hier keinen gültigen Anspruch habe.

Hier lehnt Avery sich mal wieder sehr weit aus dem Fenster, z.B. wird dem Revisionsgerichtshof vorgeworfen, er habe in Nickel wohl selbst das Gesetz nicht verstanden. Ob das taktisch klug ist, ist immer die Frage. Allerdings scheint sie in einem Punkt Recht zu haben: dass Wiederaufnahmeanträge nicht nur (solange wir auf staatlicher Ebene sind) als Verfassungsbeschwerde berechtigt sind.

Das ist aber nur Vorgeplänkel. Das grössere Problem hat Avery hier mit Trombetta und Youngblood im Licht der Auslegung durch Greenwold.

Das Herz des ganzen Streits hier ist, meiner bescheidenen Meinung nach, ob diese Knochenfragmente und ihre theoretische Untersuchung überhaupt ein Avery entlastendes Ergebnis hätten hervorbringen können. Wir erinnern uns: es wird hier noch einmal juristisch spitzfindig unterschieden ob es ein offensichtlich entlastendes, oder ein potentiell entlastendes Ergebnis gewesen wäre. Der Staat sagt zu beiden Fragen: Nein. Ich stimme ihm hier bei zu.

Avery muss das Gegenteil beweisen. Wie ein Mantra wiederholt Zellner hier - und muss das auch, da sie sonst gar kein Argument hat - dass die Tatsache, dass Halbachs Knochen in jenem gravel pit gefunden wurden, eindeutig beweisen würde, dass Avery nicht der Mörder gewesen sein kann. Das ist der Punkt, an dem ich vehement widerspreche und dem auch der Staat vehement widerspricht.

Interessanterweise geht sie auf diesen eigentlich wichtigsten Punkt nur auf einer halben Seite ein.

Am Ende kommen dann noch einmal meiner Meinung nach völlig irrelevante Argumente hinsichtlich der DNS-Testmethoden, als Antwort auf die vom Staat vorgebrachten Argumente.

Man wird nun sehen, was die Richterin entscheidet. Wie schon einmal angemerkt, ist es eigentlich relativ egal, da beide Seiten die Sache auf jeden Fall zur nächst-höheren Instanz bringen werden, wenn gegen sie entschieden wird.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

18.04.2019 um 06:48
Wenn Netflix nicht bald nachliefert, wird ein Großteil des Publikums abspringen - auf dieses detailversessene Hickhack um formaljuristische Fragen dürften die wenigsten Lust haben. Die Frage ist allerdings, mit was die nächsten 10 Folgen gefüllt werden sollen?


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.04.2019 um 08:38
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Zellner versucht diese Argumente nun wegzuwischen in dem sie sagt, es ginge ja nicht um Anträge auf Tests der Knochen sondern jetzt um das Problem, dass der Staat diese vernichtet habe (das ist ein etwas merkwürdiges herumeiern.)
Ja, das passt nicht zusammen. Warum will Avery die Knochen denn erst jetzt und nicht schon vorher testen? Weil er jetzt erfahren hat, dass sie weg sind, kann ja keine Begründung sein für den verspäteten Antrag.

Ein nachvollziehbarer Grund wäre, dass mit dem Rapid DNA-Test nun endlich eine neue und auch geeignete Methode entwickelt wurde, um die Knochen zu identifizieren.

Aber ob das wirklich so ist? Auch das wird ja offenbar von der StA angezweifelt.
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb am 13.04.2019:Der Wisconsin Court of Appeals hat in seiner Entscheidung rechtsverbindlich angeordnet, dass der Vorwurf der Beweismittelvernichtung inhaltlich zu untersuchen ist.

Das Gericht soll sich mit der Beweismittelherausgabe befassen. Das wird also in irgendeiner Form passieren.
Diese Vorgabe ist aber auch erfüllt, wenn Richterin Sutkiewicz zu dem Ergebnis kommt, dass sich die Motivation der Herausgabe nicht klären lässt (eine böswillige Vertuschung wird ja vermutlich von den betreffenden Personen nicht eingestanden werden), dass die (nur teilweise) Herausgabe als solche aber irrelevant ist, weil
a) der Antrag auf Knochenuntersuchung zu spät kommt,
b) im Moment keine geeigneten neuen Testverfahren vorliegen
c) noch genügend Material zum Testen vorhanden ist
d) das Ergebnis -egal wie es ausfällt- keinen Unschuldsnachweis erbringen kann.

Das sind die Ablehnungsgründe, die ich mir vorstellen könnte.
Zitat von falstafffalstaff schrieb:auf dieses detailversessene Hickhack um formaljuristische Fragen dürften die wenigsten Lust haben.
Stimmt, die Begeisterung lässt auch im Thread sichtlich nach. Ich finde das Hickhack schon noch interessant, habe aber echte Probleme, die Argumentation im Einzelnen nachzuvollziehen. Darum danke an @stefanclimbr15 und @Rick_Blaine für die Zusammenfassungen.


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