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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

455 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Film, Demenz ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 01:05
Hallöchen, ich mische mich mal dezent ein und erzähle auch mal ein bisschen, auch wenn ich euch hier in eurer schönen Diskussion unterbreche ;)

Einer meiner Verwandten wurde in ihren letzten Lebensmonaten immer mehr dement. Es ging "nur" so weit, dass sie beispielsweise alle paar Minuten nach dem Wochentag, der Uhrzeit oder sonst was fragte. Sie war lange Zeit im Krankenhaus und vergaß dann häufig auch, wo sie war und wer sie besuchte (deshalb hatte sie dann auch stark das Gefühl, niemand würde sich um sie kümmern. Es war jeden Tag zwei mal jemand für mehrere Stunden bei ihr.).
Die schlimmste Szene war, glaube ich, dass sie ganz furchtbar über ihre "Bettnachbarin" herzog (in der Anwesenheit eben jener), und es eine Stunde später vergessen hatte und sich dann wunderte, warum die Andere ihr beleidigt war. ;)
Sie erkannte uns eigentlich immer, nur bei Fotos hatte sie dann Probleme. Die Demenz steigerte sich relativ schnell, aber sie verstarb kurz darauf, im November 2013.

Wir haben damals leider im Umgang mit ihr sehr sehr viel falsch gemacht, wie ich finde - also oftmals auf ihre Fragen gereizt reagiert und so weiter. Für uns war die gesamte Situation sehr belastend, aber heute bereue ich wirklich, mich nicht mehr mit Demenz beschäftigt zu haben. Wir haben oft nicht richtig reagiert.
Sie wollte eigentlich immer nur nach Hause (sie war wegen eines Bruchs im Krankenhaus, ihr wurde dann, so viel ich weiß, ein Knochenstück im Bein entfernt oder so, ich habe das nicht so genau mitbekommen) und als sie dann nach ca. zehn Wochen Aufenthalt im KH genug hatte, drohte sie immer damit, aus dem Fenster zu springen. Sie wäre selbstverständlich nicht mal dorthin gekommen, gescheige denn hätte sie hinausspringen können. Aber auf diese Aussagen haben wir immer ganz blöd reagiert und auch allgemein auf ihre Situation. Blöder Fehler.
Nun ja, gestorben ist sie letztendlich Zuhause, also ... Hat sich ihr letzter Wunsch doch irgendwie erfüllt und darüber bin ich ganz froh. Mir haben damals diese Demenz-Anfänge schon gereicht und ich hoffe, es bei niemandem verstärkt erleben zu müssen.

Meine Verwandte hat übrigens auch noch bemerkt, wie ihr Gedächtnis langsam nachließ und manchmal sogar versucht, es zu trainieren, zum Beispiel indem sie die Wochentage aufzählte oder Ähnliches.

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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 01:48
ich finde den film furchtbar. mehr kann man zu ihm nicht sagen. eine ehemalige nachbarin von mir lit an demenz, bald zog ihre tochter ein um diese zu pflegen.

in den anfängen wanderte sie nachts im treppenhaus umher, klingelte an den türen und erzählte sie würde nicht nach hause finden, das licht wäre kaputt, diebe wären in ihrer wohnung, wir sollen doch ihre wohnung verlassen, wann den der bus fahren würde u.s.w

zerstörte waschmaschinen im waschkeller, vergrabene "schätze" im nachbarsgarten, aus dem fenster fliegende gegenstände.

leider sind nur sehr wenige demenzkranke so "nett" wie der herr bei honig im kopf. sie können sehr agressiv werden, bösartig, gemein u.s.w
natürlich ohne vowurf, sie sind krank, aber was diese dame zu ihrer eigenen tochter sagte hat sie trotzdem verletzt, die bösartigkeiten kann ich gar nicht mehr wieder geben, es war selbst als nicht angehörige wirklich schlimm mit an zu hören.

nachdem feuer ausbrachen und leute im hausgang mit kacke beschmissen wurden musste sie ins heim. sie war eine sehr gepflegte und höfliche dame, die immer auf manieren und anstand geachtet hat.

die qual für die angehörigen die diesen verfall mit erleben ist wirklich unfassbar, eben jene boshaftigkeit gemischt dem vergessen und nicht mal mehr erkannt werden und dem sichtbaren leid der kranken stell ich mir schlimm vor.

jeder der es schafft, nahe verwante mit demenz zu pflegen gehört mein voller respekt, ich könnte es glaub ich nicht.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 08:02
@Siboah
Zitat von SiboahSiboah schrieb:Deine Ansätze finde ich gut. Dererlei geht mir auch durch den Kopf. Mal herumgesponnen- was ist heute anders?

Äußere Einflüsse fallen uns da allen sicherlich sehr viele ein: Feinstaub, Umweltgifte, Allergene etc... In der Kleidung, in der Nahrung, in der Luft...
Ja, vor allem Insektizide, die ja oft aufs Nervensystem gehen. Die Frage ist ja, wann Alzheimer los geht, offenbar schon lange vor den ersten Symptomen.
Aluminium wurde schon erwähnt, ich glaube Zusätze davon waren auch in bestimmten Medikamenten, Töpfe, Einkochkessel, Henkelmänner, die man zur Arbeit mitnahm usw. waren aus Alu.
Zitat von SiboahSiboah schrieb:Meiner Meinung wird unterschätzt, welchen Einfluß die veränderten Anforderungen des täglichen Lebens auf uns Menschen in ihrer Ganzheit haben. Stichwort: Multitasking. In der Berufswelt erleben wir eine immer feinere Spezialisierung, im Alltag sieht es anders aus- da sollen wir alles können. Die Geschlechterrollen gleichen sich immer mehr an: Mann / Frau soll Kinder, Küche, Karriere gerecht werden. Technisch am Ball bleiben. Politisch wissen, was gespielt wird. Wirtschaftlich durchblicken. Sich gesund ernähren. Sport treiben, seinen Kindern alle Möglichkeiten bieten, den perfekten Weihnachtsbaum haben, mal wieder selbverständlich Überstunden schieben, die Eltern besuchen, sich sozial engagieren und so weiter, und so weiter... ich glaube, wir brauchen uns nur unseren Alltag angucken, was wir so irgentwie alles gleichzeitig unter einen Hut bringen, planen, kontrollieren.
Genau das ist auch mein Eindruck.
Dazu kommt, dass die Welt in vielerlei Hinsicht unsicher und vor allem ziellos geworden ist.
Es gab gewiss schwerere Zeiten in der Geschichte, aber sie waren geordnet, man wusste, was zu tun ist. Heute ist vieles sehr virtuell und fragmentiert geworden. Nach dem zweiten Weltkrieg muste das Land wieder aufgebaut werden, dann war klar, jeden Generation sollte es mal besser haben, man hatte klare Freund- und Feindbilder, es gab eine unreflektierte und damit aber auch unproblematische Fortschritts- und Wachstumseuphorie und es war so die kollektive Überzeugung, dass, wenn man die Ärmel hochkrempelt, durch Wissenschaft und Technik alles zu schaffen sei, schließlich was man gerade zum Mond geflogen, hatte gerade die Seuchen zurückgedrängt und die Antibiotika als Wunderwaffe gefunden.
Auch wenn die Religionen schleichend an Einfluss verloren, das war noch eine echte Heilsgeschichte.
Zitat von SiboahSiboah schrieb:Sind wir zufrieden mit dem, was wir da so alles leisten? Nein. Es bleibt ein schlechtes Gefühl, weil wir natürlich nie allem gerecht werden.

Und das beginnt in der frühen Kindheit, leider.

Eine sehr weise Freundin von mir meinte einmal, in der Demenz erfahren wir einen erzwungenen, alsoluten Kontrollverlust.
Das hat was.
Ja, es wird einem immer mehr aufgebürdet, man muss sich über drei Säulen der Rente auskennen, sind unsere amerikanischen Freunde eigentlich wirklich noch unsere Freunde, wie gut meint es Vater Staat mir uns - uns wenn Gott, die Amis und der Staat in verschiedenen Graden wegbrechen, wer schützt uns? - naja, jedem wird was dazu einfallen.

Und dann die soziale Rolle der alten Leute. Wer hat denn Zeit für sie? Wo sind sie noch die weisen Alten, deren Erfahrung und Geschichten man gerne lauscht? Sie ahnen, dass sie oft vor allem eines sind ... lästig, ein Kostenfaktor, etwas um das man sich kümmern muss, obwohl man vielleicht was besseres zu tun hätte. Oft pflegen die Frauen. Wenn die nebenbei alleinerziehend sind und arbeiten müssen, ist die Katastrophe programmiert.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 08:05
Zitat von RoseHunterRoseHunter schrieb:Wenn die nebenbei alleinerziehend sind und arbeiten müssen, ist die Katastrophe programmiert.
wie ist das zu verstehen?


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 08:09
@mrhanky
@Josephine77

Ich kann gut verstehen, dass ihr euch über den Film ärgert. Mich ärgert es auch, wenn in Dokumentationen oder Spielfilmen Sachverhalte, mit denen ich mich gut auskenne, zu vereinfacht, verharmlosend oder sonstwie verzerrt dargestellt werden (ich habe auch Erfahrung mit Demenz, aber nicht so intensiv wie ihr).

Ihr müsst euch allerdings vor Augen führen, dass der Film bestenfalls die Ambition hat, (gut) zu unterhalten. Im schlechteren Fall will man mit dem Film einfach nur Geld verdienen. Fiktion muss eben nicht den Anspruch haben, Dinge dokumentarisch präzise und "wahr" darzustellen. Vlt. schafft ihr es, so etwas Abstand zum Film zu kriegen.

Ein Spielfilm, der zum Großteil stilistisch und inhaltlich wie ein Dokumentarfilm wirkt, ist "Halt auf freier Strecke". Da geht es nicht um Demenz, sondern wie in Familienvater langsam an einem Hirntumor zu Grunde geht. Der Film ist durchaus sehenswert, wirkt aber durch dieses Dokumentarische sehr schwer und etwas zäh. Ist eben eine ganz andere Art Film.

PS @Josephine77 Ja, ich weiß, dir geht es in erster Linie im Thread nicht um den Film, aber da du ihn als "Aufhänger" benutzt, wollt ich mal darauf eingehen.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 08:14
@Josephine77
Zitat von Josephine77Josephine77 schrieb:Ich frage mich warum gerade heute die Demenz - Fälle so steigen . Es muss doch daran liegen , das diese einfach häufiger an die Öffentlichkeit gelangen etc . Denn was haben wir im Grunde heut schon für Sorgen ? Die Menschen damals haben Kriege durchstanden und sonst was ... Irgendwie passt das doch alles nicht.
Ja, das scheint paradox.
Weltkrieg, Hunger, das ganze Land in Schutt und Asche, das ist nichts, was man sich wünscht.
Die Soldaten die im Krieg waren, vielfach traumatisiert, aber gezwungen weiter zu funktionieren, aber in einem weitaus patriachaleren Weltbild mit einem klaren Ziel vor Augen: Wiederaufbau.

Das klappte super und die folgende Generation hatte die Aufgabe die Rolle der Eltern aufzuarbeiten, ging in Opposition, veränderte das Land, kämpfte politisch. Als auch das geschafft war, kam die erste Generation die im Grunde - aus Eltern- und Großelternsicht - keine Sorgen mehr zu haben brauchte. Satt, warm berufliche Perspektiven in Hülle und Fülle und ausgerecht diese Genertation etablierte in kaum gekannter Weise Depressionen, Angststörungen und den ganzen Krempel.

Man muss schon mehrfach hinschauen, um das zu verstehen.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 08:16
@Tussinelda
Wenn die nebenbei alleinerziehend sind und arbeiten müssen, ist die Katastrophe programmiert.


wie ist das zu verstehen?
Dann hat man eine flotte Mehrfachbelastung, bringt Morgens das Kind weg, geht arbeiten und kümmert sich in der kargen Freizeit um ein Elternteil.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 08:22
Zitat von RoseHunterRoseHunter schrieb: sind unsere amerikanischen Freunde eigentlich wirklich noch unsere Freunde, wie gut meint es Vater Staat mir uns - uns wenn Gott, die Amis und der Staat in verschiedenen Graden wegbrechen, wer schützt uns?
Wir werden dement, weil uns die Amis so schreckliche Sorgen machen? Also, die Amis sind weder morgens mein erster Gedanke noch abends mein letzter. Aber früher, in deinen erwähnten Jahrzehnten (Nachkriegszeit und Kalter Krieg), da war alles supi? Da musste man ja nur Angst haben, dass die Amis und/oder die Sowjets jederzeit eine Atombombe abwerfen und der spießige Durchschnittsbürger hat sich schon vor Wut und Entsetzen die Haare gerauft, wenn eine 68er-Studentin frech mit Pille verhütet hat.

Diese Unsicherheiten, die du ansprichst, gab es schon immer. Ein Steinzeitmensch musste halt jeden Tag aufpassen, nicht von einem Säbelzahntiger gefressen zu werden. Und dass man früher immer wusste, was zu tun ist... Ja, als Arbeiter im 19. Jahrhundert wusste man, dass man früh aufzustehen hat, dann 12 Stunden arbeiten muss und ansonsten die Fresse zu halten hat. Im ausgehenden WK II wusste man als Frau, dass man zu vermeiden hatte, einem feindlichen Soldat in die Hände zu fallen, wenn man keine Lust hatte, vergewaltigt und getötet zu werden. Also, da schlag ich mich lieber mit der Riesterrente rum, das ist zwar wirklich öde, aber kein Vergleich zum Säbelzahntiger oder die Angst, als Jude doch noch ins KZ zu kommen oder von einem Soldaten vergewaltigt zu werden.

Ich sag ja nicht, dass heute alles prima ist, aber die Kriegs- und Nachkriegszeit und der Kalte Krieg waren doch nicht "entspannter", nur, weil man die Amis auf seiner Seite wähnte.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 08:28
@Josephine77
@Siboah

Dazu kommt noch ein Punkt: Die Welt rückt uns immer näher. Vor historisch kurzer Zeit lebte man in seinem Dorf oder Stadtviertel und darum,m drehte sich das Leben. Nachrichten vom anderen Ende der Welt kamen Wochen später mit dem Ozeandampfer.
Durch Radio und Fernsehen rückte das alles näher, Kriege die man sonst nie mitbekam, zogen ins eigene Wohnzimmer ein, aber immer noch selektiv, zeitlich versetzt und von klugen Reportern kommentiert.
Den 11. September haben wir fast alle live erlebt mit zahllosen Wiederholungen, er ist tief ins kollektive Gedaächtnis eingebrannt.
Heute, wieder ein paar Jahre weiter, ist man bei jedem emotional aufpeitschenden Ereignis wenn man will in Echtzeit, als +++ Eilmeldung +++ mit rotem Balken als Laufband unterlegt (und dann ist irgendwo am Arsch der Welt der Leitzins um 0,5 Punte gesekt worden), dabei, jede Enthauptung in einer Wüste, von der man gar nicht weiß, wo sie liegt, jede U-Bahn Schlägerei oder wenn in den Staaten ein schwarzen Jugendlicher von Cops zusammengetreten wird.

Alles hochemotionalisert und 24/7 verfügbar. Viele die so aufwachsen werden emotional abgestumpft, aber nervös wenn sie mal durch einen Wald gehen müssen und geraten in Panik, wenn man sie bittet ihr Smartphone auszustellen und mal 15 Minuten ruhig zu sitzen.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 08:36
Zitat von RoseHunterRoseHunter schrieb:und geraten in Panik, wenn man sie bittet ihr Smartphone auszustellen und mal 15 Minuten ruhig zu sitzen.
Mir ist mal eine Quelle untergekommen, in der sich jemand bitter beklagt, dass die "Jugend von heute" (gemeint war die Frühe Neuzeit) sich nur noch mit diesen "neumodischen Büchern" beschäftigt und gar nichts mehr um sich herum wahrnimmt und diese verdammten Bücher nichtmal für paar Minuten aus der Hand legen kann.
So abgedroschen es klingt, aber manchmal ist es einfach wahr: Geschichte wiederholt sich.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 09:12
@RoseHunter
Zitat von RoseHunterRoseHunter schrieb:Viele die so aufwachsen werden emotional abgestumpft, aber nervös wenn sie mal durch einen Wald gehen müssen und geraten in Panik, wenn man sie bittet ihr Smartphone auszustellen und mal 15 Minuten ruhig zu sitzen.
Das ist leider richtig. Ich stelle das bei Stadtkindern immer wieder fest, während die Landkinder noch ausgeglichen sind. Das merkst du auch an der tiefer gehenden Kommunikation bei auf dem Lande aufgewachsenen Kindern.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 09:29
@hallo-ho

Das sollte keine Attacke auf "die Jugend" sein, der klassische Text, dass sie restlos verdorben ist und die Welt untergehen muss, findet sich schon vor zigtausend Jahren bei den Sumerern, sondern ich will verstehen, was sich ändert.

Was lässt die Hirne unserer Alten nur noch vergessen wollen (eine Arbeitshypothese die hoch gepokert ist, klar), fast lässt die Hirne der Jugend und der Mittelalten oft so verwirrt und fragmentiert erscheinen. Das Thema der postmodernen Fragmentierung ist schon Anfang der 1990er thematisiert worden, heute scheint es nicht selten Normalität zu sein.

Vielleicht ist das merhgleisige Fahren, die Parallele oder Verschmelzung von realer und virtueller Welt, vielleicht die Unterbrechung jeder Kontinuität und jeder Pause, dadurch, dass man eine neue Nachricht bei fb postet oder ne SMS schreibt. Vielleicht hat man sich früher an der Ampel auch einfach nur geschminkt oder geraucht, keine Ahnung.


@Bauli
Zitat von BauliBauli schrieb:Das ist leider richtig. Ich stelle das bei Stadtkindern immer wieder fest, während die Landkinder noch ausgeglichen sind. Das merkst du auch an der tiefer gehenden Kommunikation bei auf dem Lande aufgewachsenen Kindern.
Das ehedem "natürliche" ausprobieren des eigenen Körpers scheint so ein Punkt zu sein. Heute wird ja oft jede Gefahrenquelle unterbunden, die Kinder sollen zwar alles können, aber bitte unter voller Kontrolle, sie werden vom Reiten, zum Ballet, zum Karatekurs und natürlich zur obligatorischen Nachhilfe gebracht, auch wenn das eher eine Problematik der Mittelischicht ist.

Kurioserweise wissen wir, dass kaum etwas das Gehirn so fordert und fördert, wie Bewegung und soziale Kontakte, das eine fällt zunehmend weg, das andere verflacht.

Wie gesagt, das nicht als Attacke auf die Jugend verstanden, sondern als Skizze einer Veränderung, die möglicherweise die Alten überfordert.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 09:39
@Luminita
Zitat von LuminitaLuminita schrieb:Nun ja, gestorben ist sie letztendlich Zuhause, also ... Hat sich ihr letzter Wunsch doch irgendwie erfüllt und darüber bin ich ganz froh.
Mensch, wie war das eigentlich früher, vor 30, 50, 100, 200 Jahren?
Wer kennt sich da aus? Vieles ist da ja vieles romantisiert, aber in meiner Romantisierung hat man den Opa da näher an den Ofen gerückt und ihm einfache Arbeiten gegeben, wenn man merkte, dass er tüddelig wurde und Oma konnte sicher noch beim Bohnen schnippeln helfen.

Vor allem waren die Familien größer, es war mehr Leben, bekanntes Leben da, mit fremden Leute im Pflegeheim zusammengepfercht zu sein, ist sicher kein Traum. Was macht man, wenn man niemanden hat aber nicht blöd in der Birne ist und körperlich nicht mehr kann.
25% der Alten saufen, kann man verstehen, wer nicht gaga ist, wird es von dem Angebot im Alten- oder Pflegeheim vermutlich werden.

Da ist sicher vieles gut gemeit, aber es wird Zeit, dass die Rentner, Internet, Yogagruppen und philosophische Diskussionabende kriegen. Kegeln und Volksmusik nur optional.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 09:51
Zitat von RoseHunterRoseHunter schrieb:sondern ich will verstehen, was sich ändert.
Ich versteh dich schon richtig, mich interessiert diese Frage ja auch.

Meine Beobachtung ist halt die: Um 1500 waren es die Bücher, dann war lange nix, dann in den 1980ern (in denen ich meine Kindheit hatte), sind die Kinder angeblich oder tatsächlich wegen TV, Hörspielkassetten und Walkman "verblödet", in den 90ern (Teenageralter) wegen TV, Discman und Videospielen und jetzt sind es halt die Smartphones.
Anders gefragt: Ändert sich denn wirklich so viel? Es gibt immer irgendeine Art von Medium und immer die Meinung darüber, dass dieses Medium schuld sei, dass die (jungen) Leute nix mehr auf die Reihe kriegen.

Eine andere Beobachtung, die dafür spricht, dass sich zumindest ein bisschen was ändert, ist die:
Als ich in der 4. Klasse war, haben wir im Unterricht die Oper Zauberflöte, ein bisschen für Kinder aufbereitet, als Kassette etappenweise angehört und dann im Klassenplenum den Inhalt erst mündlich, dann schriftlich zusammengefasst. Also, da würd ich meine Hand ins Feuer legen, dass du sowas heutzutage nicht mal mehr mit Unterstufenschülern im Gymnasium machen könntest, geschweige denn in der Grundschule.

Ich hab noch keinen Weg gefunden, diese beiden Beobachtungen in Einklang zu bringen.
Zitat von RoseHunterRoseHunter schrieb:Was lässt die Hirne unserer Alten nur noch vergessen wollen
Die Frage nach dem Was... Jedenfalls glaube ich nicht, dass es daran liegt, dass heute "alles so schlimm" und früher "alles so toll" war.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 10:08
Schreckliche Krankheit. Erleben das gerade selbst mit. Die Oma von meinem Mann ist jetzt wegen Demenz im Heim. Es ging einfach gar nicht mehr. Bis dahin war es ein doch eher kurzer Weg - es war echt erschreckend wie schnell das mit ihr ging. Anfangs noch völlig normal, hat man irgendwann mitbekommen, dass ihr mitten im Satz Sachen nicht mehr eingefallen sind oder sie den Satz abrupt abgebrochen hat und einfach nicht mehr weiter gesprochen hat. Ihr sind Sachen nicht mehr eingefallen, die man ihr letzte Woche erzählt hat. Sie selbst hat das aber gar nicht so wirklich realisiert. Irgendwann fing sie an, sich desöfteren mal in der Stadt zu verlaufen und andere Leute anzubetteln (sie ist eigentlich eine recht vermögende Frau). Nachdem sie dann wohl mehrere Tage nichts gegessen und getrunken hat (zu uns meinte sie immer sie trinkt genug; mittags gabs Essen auf Räder und abends kam immer eine Frau die ihr Brote gemacht hat....ich denke die haben da nicht wirklich drauf geachtet) , auf der Straße kollabierte und im Krankenhaus aufgepäppelt wurde, kam sie erstmal zur Kurzzeitpflege ins Heim, was ihr natürlich gar nicht geschmeckt hat, das hat sie natürlich noch alles richtig mitbekommen. Im Heim ist sie in die Zimmer anderer Mitbewohner gelaufen und hat die Schubladen durchwühlt etc. ...hat die Pflegerinnen angegriffen. Trotz allem wollte ihre Betreuerin, die sie dann bekommen hatte, sie nicht im Heim lassen. Ganz klasse..... So kam die Oma also in ihre Wohnung zurück, wo es dann den Höhepunkt erreichte als sie die Nachbarn mitten in der Nacht wach geklingelt hatte und der Meinung war, dass jetzt der Krieg ausbricht - und das alles im völlig unbekleideten Zustand.

Jetzt ist sie in einem anderen Pflegeheim, wo es ihr auch sehr gefällt. Sie hat ab und zu recht lichte Momente. Als wir an Weihnachten da waren auch. Hat meinen Mann und mich direkt erkannt und alles mögliche gefragt. Zwischendurch kam mal etwas wirres daher, aber ansonsten ging es. Letztens kam ein etwas merkwürdiger Anruf von ihr. Sie war der Meinung, ich habe ihr mal erzählt dass ich Zucker, sprich Diabetes hätte. In ihrer alten Wohnung (die wird jetzt demnächst aufgelöst) steht noch eine Waage, die könnte ich doch noch haben, damit ich mir auch meinen Zucker abwiegen könnte... und in der Zuckerdose wäre auch noch was, das könnte ich haben. Auch wenns an sich echt bitter ist, musste ich da doch etwas schmunzeln. Das war auch glaube ich bisher der einzige irgendwo witzige Moment mit dieser Krankheit. Wir haben jetzt schon einiges mitbekommen und die Pflegerinnen erzählen ja auch immer, was so los war. Ich kanns echt gut verstehen, wenn man irgendwann einfach nicht mehr kann und die Verantwortung abgibt - nervlich ist das schon echt ne harte Nummer. Vor allem zu sehen, wie sich der Charakter der Person komplett umdreht.


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06.01.2015 um 10:12
@Josephine77


ich hoffe es auch nicht zu werden ;-)
Nur ich las mal ein bericht.

Da beschrieb ein arzt das wir manches falsch sehen. Die demente ist nicht so unglücklich wie wir denken. Sie erlebt das gleiche wie wir, nur lebt es aus.

So ist sie hiermit weniger belastet.
Dieser arzt regte sich auf das wir soviel mitleid haben.

Er sagte wir machen aus diese krankheit was schlimmes.

Ob dies so alles stimmt weiss ich nicht. Nur wir sind traurig wenn wir nicht wieder erkennt werden. Der patient leidet hier nicht runter.

Mh irgendwie logisch oder ;-)

Nur ich verstehe dich. Schreibe dies auch nur das du vielleicht lernen kannst die situation von eine andere perspektive auszusehen.

Sie weint verarbeitet so manches aus die vergangenheit. Wir alle haben mal was aus die vergangheit was uns belastet.

Las es so das die alles aufarbeiten, und so ist es vor dramtischer wie vor der betroffene.

Vielleicht seiht ihr mehr betroffen wie die patient dies wahr.

Hoffe konnte dir hiermit ein wenig helfen ;-)


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 12:09
@hallo-ho
Zitat von hallo-hohallo-ho schrieb:Anders gefragt: Ändert sich denn wirklich so viel? Es gibt immer irgendeine Art von Medium und immer die Meinung darüber, dass dieses Medium schuld sei, dass die (jungen) Leute nix mehr auf die Reihe kriegen.
Angeblich soll der Flynn-Effekt ( Wikipedia: Flynn-Effekt ) zu Ende sein, aber wie so oft sind auch hier die Daten umstritten.
Zitat von hallo-hohallo-ho schrieb:Eine andere Beobachtung, die dafür spricht, dass sich zumindest ein bisschen was ändert, ist die:
Als ich in der 4. Klasse war, haben wir im Unterricht die Oper Zauberflöte, ein bisschen für Kinder aufbereitet, als Kassette etappenweise angehört und dann im Klassenplenum den Inhalt erst mündlich, dann schriftlich zusammengefasst. Also, da würd ich meine Hand ins Feuer legen, dass du sowas heutzutage nicht mal mehr mit Unterstufenschülern im Gymnasium machen könntest, geschweige denn in der Grundschule.
Glaube ich auch.
Ich denke, dass ein allgemeiner Niveaurutsch von vielen Theoretikern und Praktikern unabhängig diagnostiert wird.
Zitat von hallo-hohallo-ho schrieb:Ich hab noch keinen Weg gefunden, diese beiden Beobachtungen in Einklang zu bringen.
Die Intelligenz geht in andere Bereiche, nicht besondern gut scheint zu sein, dass man Wissen auslagert und weiß, dass es jederzeit verfügbar wäre, was zum sog. Bulimielernen führt (Wissen wird gefressen, in Arbeit/Prüfung ausgekotzt, dann ist es weg).
RoseHunter schrieb:
Was lässt die Hirne unserer Alten nur noch vergessen wollen


Die Frage nach dem Was... Jedenfalls glaube ich nicht, dass es daran liegt, dass heute "alles so schlimm" und früher "alles so toll" war.
Früher war ja bekanntlich auch die Zukunft immer schon besser.
In der Eindimensionalität glaube ich das auch nicht, schon weil man bei Nachfragen "die gute alte Zeit" nie konkret bestimmen kann, aber ich glaube es war primitiver, langsamer und geordneter.
Unsere Psychen könnten konstant am Anschlag sein.
Weiß ich aber auch noch nicht.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 12:37
@waterfalletje
Zitat von waterfalletjewaterfalletje schrieb:Da beschrieb ein arzt das wir manches falsch sehen. Die demente ist nicht so unglücklich wie wir denken. Sie erlebt das gleiche wie wir, nur lebt es aus.
Kann sein, aber ich denke eher, dass Demenz eine Reise zurück in der Zeit und Entwicklung ist und wenn die Kindheit gut war, ist alles okay, wenn nicht, sind die Dementen von Ängsten und Unischerheit geplagt. Meine Tante fragte immerzu: "Was soll ich jetzt machen?" wie ein hilfloses Kind, dass die Mutter fragt.


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 12:43
@RoseHunter
Zitat von RoseHunterRoseHunter schrieb:den Opa da näher an den Ofen gerückt und ihm einfache Arbeiten gegeben, wenn man merkte, dass er tüddelig wurde und Oma konnte sicher noch beim Bohnen schnippeln helfen.
Ich nehme mal an, dass es so war. Was hätte man auch sonst machen sollen?

Tja, und heute drängt man den Leuten Medikamente auf und schiebt sie in Heime ab - gut, die Pflege ist heute einfach kostspieliger und zeitaufwendiger, aber da frage ich mich, ob das wirklich nötig ist. Ist natürlich ungut, wenn die Betroffenen dann beispielsweise mal nicht mehr nach Hause finden oder so, aber trotzdem: Muss diese hochaufwendige Pflege wirklich sein? Ich verweise auf den Post von @waterfalletje


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Demenz-Hölle - wäre es doch "nur" Honig im Kopf

06.01.2015 um 12:49
@Luminita
Zitat von LuminitaLuminita schrieb:Tja, und heute drängt man den Leuten Medikamente auf und schiebt sie in Heime ab - gut, die Pflege ist heute einfach kostspieliger und zeitaufwendiger, aber da frage ich mich, ob das wirklich nötig ist
Gibt ja immer weniger Familien und in denen müssen oft beide arbeiten.
Vielleicht ist das schon die Lösung.
Einsamkeit, gefühlte Nutzlosigkeit, konstante Unterforderung.
Zitat von LuminitaLuminita schrieb:Ist natürlich ungut, wenn die Betroffenen dann beispielsweise mal nicht mehr nach Hause finden oder so, aber trotzdem: Muss diese hochaufwendige Pflege wirklich sein?
Ich bin da ja sozusagen vom Fach und habe da so technische Fragen.
Wenn man sieht, wie schnell sich jemand wundliegt oder Thrombosen bekommen kann, fragt man sich, wie das früher war, als Opa Stunden lang im harten Schemel gesessen hat. So ein Dekubitus klingt wenig schlimm, wer mal ein ausgewachsenes Exemplar gesehen hat, Halleluja.


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