Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

nairobi schrieb:"Klassisch" bzw. mit am häufigsten vertreten ist der Warenkreditbetrug (oder auch Leistungskreditbetrug). Jemand kauft Waren oder nimmt eine Leistung in Anspruch und zahlt nicht bzw. erfolgt bei Zahlung mit Debitkarte eine Rückbuchung (meist mangels Kontodeckung).

Das kannst du verbuchen unter Eingehungsbetrug. Der ist vorsätzlich.

@Peter0167

Peter0167 schrieb am 04.08.2021:Verunfallte werden

Wäre nicht 'die zuvor verunfallende Person' die bessere Formulierung, falls sie während ihres Anpralltraumas auch ihre sexuelle Identität wechseln möchte?

sacredheart schrieb:Wäre nicht 'die zuvor verunfallende Person' die bessere Formulierung, falls sie während ihres Anpralltraumas auch ihre sexuelle Identität wechseln möchte?

In diesem Fall ging es ja um den Plural, da ist "Verunfallte" identitätsmäßig wohl korrekt. Der Begriff stammt aber auch nicht von mir, sondern wurde von unserer Blumengöttin hier erstmals erwähnt.

Ich hab immer noch an den "Urlaubenden" zu knabbern und warte noch drauf, das da jemand "Verurlaubende" draus macht :D

Diese seltsame Amtssprache gibt es jedenfalls in vielen anderen Sprachen nicht in dem Ausmaß.

Wenn ich einen amtlichen Bescheid auf Spanisch lese, kann ich ihn trotz meiner limitierten Sprachkenntnis verstehen.

Da wäre ein Zaun auch in einem amtlichen Bescheid ein Zaun, sprich valla und nicht eine 'nicht lebende Einfriedung'.

Ich kenne auch kein spanisches Korrelat, das zwischen 'streng verboten' und 'strengstens verboten' unterscheidet. Da wäre niemand so dumm obrigado steigern zu wollen, auch nicht durch estrictamente, was theoretisch vorstellbar wäre.

Bauli schrieb:Warum soll ich Du klein schrieben?

"du" wurde eigentlich schon immer kleingeschrieben, außer in Briefen. Viel schlimmer finde ich es, wenn jemand die Anrede "Sie" kleinschreibt.

Bauli schrieb:Allerdings, die Rechtschreibkommission hat Regeln aufgestellt, die bar jeder Vernunft existieren. Ob sie deshalb schlauer ist, wage ich zu bezweifeln.

Warum ändern ein paar Akademiker die Sprache?

Vielleicht um die Buchindustrie zu unterstützen? Vielleicht hoffte man, dass die Leute die Bücher, die sie schon besaßen, nochmal in neuer Rechtschreibung kaufen würden, damit ihre Kinder nicht durch die alte Rechtschreibung verwirrt würden?

@sacredheart
Ist nicht "die Person" weiblich?
Immerhin kann man sowohl "der" als auch "die" Verunfallte sagen.

@AlteTante

Na ja eben, das ist ja das Herzlose und Ausgrenzende daran. Damit werden genau die zahllosen Menschen, die sich genau in dem Augenblick, in dem sich der Airbag öffnet, ihrer nichtbinären Geschlechtsidentität bewusst werden, doch gnadenlos ausgegrenzt. Das kann doch keiner wollen.

AlteTante schrieb:Ist nicht "die Person" weiblich?

Ist "der Mensch" männlich? Nein.

Für mich sind beide Begriffe ein "Neutrum".

Dazu fällt mir der Spruch ein:

Als Gott den Mann schuf, übte sie nur.

Peter0167 schrieb:Ich hab immer noch an den "Urlaubenden" zu knabbern und warte noch drauf, das da jemand "Verurlaubende" draus macht :D

Beurlaubte gibt es ja, wenn der Urlaub nicht freiwillig ist.

Beurlaubte, Beschenkte, Beschulte: mal damit zufrieden, mal nicht….

Bauli schrieb:Das kannst du verbuchen unter Eingehungsbetrug. Der ist vorsätzlich.

Betrug ist doch eigentlich immer vorsätzlich, oder nicht 🤔

Eingehungsbetrug ist ein Begriff, der eher weniger gebräuchlich ist bzw. allgemeiner gehalten.
Da gibt es ja feinere Unterscheidungen, wie Einmietebetrug oder die heute morgen schon von mir genannten Betrugsarten.
Leistungserschleichung ist wieder ein eigener Tatbestand, also das berühmte "Schwarzfahren" (keine Ahnung, warum man das eigentlich so nennt).

Warden schrieb:Ist "der Mensch" männlich? Nein.

Für mich sind beide Begriffe ein "Neutrum".

Für mich auch. Mensch oder Person lassen keinen Rückschluss auf das Geschlecht zu.

bgeoweh schrieb:Beurlaubte gibt es ja, wenn der Urlaub nicht freiwillig ist.

Beurlaubt sein klingt für mich eher nach der passivischen Form?
Wenn man Urlaub nimmt, geschieht das ja bewusst und gewollt auf Antrag und insofern meist auch freiwillig.
Es gibt natürlich auch "Zwangsurlaub".

Sind Mitarbeiter die ihren Urlaub aus Betriebsgründen abbrechen, dann Enturlaubte?

@paxito

Wenn sie vorher freiwillig in Urlaub gingen, sind es enturlaubte Urlaubende, wenn es sich um einen Zwangsurlaub gehandelt hat sind es dann Be- und wieder Enturlaubte.

Und der Beurlaubende ist derjenige, der den Mitarbeiter zum Beurlaubten macht.

Andante schrieb:Beurlaubte, Beschenkte, Beschulte: mal damit zufrieden, mal nicht….

Beim Beschenkten kommt es meistens auf das Geschenk an, oder? Kommt also auf die Schenkenden an.

@sacredheart
Womit sich logisch die Frage anschließt ob eine Enturlaubung eines Beurlaubten eine Verböserung darstellt. Ich finde schon.

@paxito

Wenn die Enturlaubung eine Verböserung darstellen würde, sollte sie von der Feuerpolizei strengstens verboten werden.

Allerdings finde ich den Begriff 'entgangene Urlaubsfreuden', mit denen man einen Schadensersatzanspruch bei Reiseveranstaltern stellt, auch irgendwie seltsam. Wenn es einem entgangen ist, weiss man ja eigentlich gar nicht, ob es wirklich eine Freude gewesen wäre.

sacredheart schrieb:Wenn es einem entgangen ist, weiss man ja eigentlich gar nicht, ob es wirklich eine Freude gewesen wäre.

Naja, da geht es ja mehr darum dass im Prospekt oder sonstwo irgendwas angepriesen wurde, was dann gar nicht stattgefunden hat. Zimmer mit Klimaanlage, die war aber kaputt, solche Geschichten.

"Katalogdeutsch" war ja gerade vor den Zeiten des Internets und der damit verbundenen Kundenbewertung ein eigenes Genre im Fach "Fiktion", wer weiß denn heute noch was ein "meerseitiges" Zimmer ist, was eine "internationale Atmosphäre" ausmacht oder wie weit weg "wenige Minuten" sind :D

@bgeoweh

Da gebe ich Dir recht. Da entgehen uns mittlerweile auch Perlen der Sprache.

Wer wünscht sich nicht ein 'lebhaftes Ambiente' in Zimmern der 'Landeskathegorie' und Gästen einer 'internationalen Klientel'?
Letzteres bedeutet: beschwer Dich nicht über die dauerbesoffenen Engländer.

Aber bis heute werden Immobilien ja auch herzerwärmend angepriesen: Ich wollte schon immer ein Haus 'in einer gemischten Nachbarschaft', mit 'sehr guter Verkehrsanbindung' und der Möglichkeit der 'Verwirklichung der eigenen Wohnträume' incl Heizkörpern und Badezimmern mit 'baujahrstypischem Flair', sprich eine abgerockte Hütte direkt an der Autobahn in einer Straße, in der täglich Blaulichteinsätze stattfinden, wo sogar der Makler sein 6er Cabrio 3 Straßen weiter parkt.

sacredheart schrieb:Ich wollte schon immer ein Haus 'in einer gemischten Nachbarschaft', mit 'sehr guter Verkehrsanbindung' und der Möglichkeit der 'Verwirklichung der eigenen Wohnträume' incl Heizkörpern und Badezimmern mit 'baujahrstypischem Flair', sprich eine abgerockte Hütte direkt an der Autobahn in einer Straße, in der täglich Blaulichteinsätze stattfinden, wo sogar der Makler sein 6er Cabrio 3 Straßen weiter parkt.

Im Katalog wäre das übrigens ein weltoffenes Haus mit funktional und praktisch eingerichteten Zimmern, verkehrsgünstig an der Strandpromenade gelegen und mit jungem Publikum.

Eine Fachsprache ist eigentlich schon sehr sinnvoll. Weil sie genauer ist und weniger Raum für Fehlinterpretationen bietet.
Der Jurist unterschiedet z.B. zwischen Eigentum und Besitz. Der Nichtjurist verwendet das meist synonym. Auch Dinge wie Hyotheken, Grundschuld, Leihe, Miete etc. sind Begriffe, die eine eigene, von der Umgangssprache ggf. abweichende Bedeutung haben.

Bei Behörden trifft nun aber Fachsprache sehr oft auf Nichtfachleute. Der Brief, der inhaltlich in Fachsprache sicherlich genauer ist - trifft auf einen Empfängerhorizont, für den er schlicht weniger verständlich ist.

Und als Exkurs zum Plural von "Betrug":
Betrug ist aus meiner Sicht kein zählbarer Begriff. So wie z.B. Milch.
Wenn ich "Betrug" zählen möchte, muss ich erst eine zählbare Einheit erstellen. Z.B. "Betrügerei". Oder "Betrugsdelikt".
Oder?