Verstorbene noch einmal ansehen?

Würdet (oder habt) ihr eure verstorbenen Angehörigen gerne nochmal ansehen?

In meinem Umfeld gibt es oft Unverständnis hauptsächlich dafür, den Wunsch zu haben, denjenigen nochmal zu sehen.
Nicht von allen, aber es gibt für den Wunsch, denjenigen nicht noch mal sehen zu wollen, mehr Verständnis.

Wie geht es euch damit?


Ich persönlich hatte bisher immer den Wunsch, denjenigen nochmal zu sehen. Und es hat sich immer als "gut" herausgestellt, aus verschiedenen Gründen.
Man merkt dann, dass der Mensch tatsächlich tot ist, kann es anders erfassen und begreifen.
Allerdings lasse ich mir die Option offen, dass ich auch spontan anders entscheide.

Besonders schwierig ist es sicher, wenn es sich um verletzte Menschen handelt.
Und es stellt sich die Frage, lässt man denjenigen nochmal "schön machen" oder kann man das ertragen.

Auch bei verstorbenen Kindern ist es möglicherweise noch mal eine andere Sache.

Ich lasse es mal bei den Antwortmöglichkeiten, alles andere wären keine einander ausschließenden Antwortmöglichkeiten.


Bitte diskutiert mit Respekt und Pietät besonders bei möglichen privaten Erzählungen!

Ich kann sowas nicht.

Weder meinen Opa, noch meine Oma wollte ich nach deren Tod noch einmal sehen. Beide waren aber auch sehr krank. Ich wollte die beiden lieber anders in Erinnerung behalten, auch wenn meine Verwandten mir erzählt haben, dass zumindest meine Oma relativ friedlich aussah.

Ich glaube, meine persönliche Abneigung dagegen kommt auch daher:
Ich war dabei wie mein Hund damals gestorben ist. Ich musste dann Stunden mit meinem geliebten toten Hund verbringen, bis dieser abgeholt wurde für die Einäscherung. Ich habe immer wieder die Bilder von meinem toten Hund vor Augen wenn ich an ihn denke. Wie er da lag, so kalt, so "anders". Und genau das möchte ich nicht noch mit meinen Verwandten erleben!

Da mein Vater erst kürzlich verstorben ist, ich hab leider nur noch Bilder aus dem Krankenhaus gesehen, und da sah er nicht mehr so gut aus, eher wie eine Hülle seiner selbst.
Durch Corona war die Besuchssituation eh schon schwierig, und noch dazu war ich hunderte Kilometer entfernt.

Hallo,

meine Mutter ist nach langer schwerer Krankheit, die sie weitgehend im Krankenhaus verbracht hat, schließlich zum Sterben nach Hause gekommen. Das war ihr Wunsch und wir haben ihr dies ermöglicht. So war es dann auch klar, dass wir sie - nachdem sie gestorben war - noch eine Weile sehen konnten. Sie starb in der Nacht und mein Bruder, der an ihrem Bett saß, rief mich an. Ich bin sofort hingegangen und hab sie also kurz nach ihrem Tod gesehen. Auch am nächsten Vormittag bin ich noch mal in ihre Wohnung gegangen. Außer meinem Vater, meinem Bruder und mir waren auch andere Angehörige da, um Abschied zu nehmen. Mein Vater hatte mit dem Bestattungsinstitut vereinbart, dass der Leichnam erst gegen Mittag abgeholt wird.

Außerdem hab ich meine Oma tot gesehen. Sie starb in sehr hohem Alter in einem Krankenhaus und ich hatte die Gelegenheit, noch mal hinzufahren und Abschied zu nehmen.

Ich fand beides sehr bewegend und hab es als gute Erfahrung erlebt. Es trägt m.E. nach dazu bei, den Tod des Angehörigen besser verarbeiten zu können.

Bei nahen Angehörigen würde ich, sofern möglich, wieder eine solche Gelegenheit nutzen.

Ich würde mir wünschen, dass ich wenn die Menschen, die mir sehr nahe stehen, versterben, dabei bin. Damit sie nicht allein sind. Somit würde ich dann Verstorbene sehen. Extra einen Verstorbenen noch einmal anschauen gehen, weiß ich nicht, kommt auf die Situation, das Verhältnis und wohl auch darauf an, wie die verstorbene Person gestorben ist.

Nein, wenn jemand erst einmal gestorben ist, möchte ich diese Person nicht noch einmal sehen. Darum halte ich auch nichts von offenen Särgen.
Verabschieden an sich ist ohnehin so eine Sache. Im Grunde bleibt ein lieber Mensch für immer in meinem Herzen und meinen Gedanken.

@SecretLetter

Ich denke, das ist das Gefühl, dass eben nur noch ein Körper da ist. Und das empfindet jeder anders.
Ich fand es befreiend, zu merken, dass derjenige nicht mehr in seinem Körper ist (so würde ich es beschreiben und glaube das auch so).

Wenn du über deinen Hund schreibst, das ist sicher eine traurige Erfahrung. Im Tierbereich kenne ich es so, dass ich furchtbare Angst habe, ein Tier quasi halbtot zu finden. Z.B. bei Meerschweinchen weiß man nicht, kann man noch was helfen, muss man zugucken oder stört man sogar das Tier im Sterbeprozess.
Das finde ich schlimmer, als ein totes Tier zu finden. OK, bei Hunden ist das wieder eine andere Hausnummer.

@Bundeskanzleri

Lebt man lange genug, erlebt man auch das Sterben von Angehörigen öfter, als einem möglicherweise lieb ist.

Meine Erfahrungen sind da höchst unterschiedlich. An meine Grosseltern kann ich mich nicht mehr so richtig erinnern. Ich glaube auch nicht, dass ich sie mir als Kind hätte ansehen wollen.

Mein älterer Bruder starb bei einem Verkehrsunfall. Da wurde den Angehörigen davon abgeraten, ihn noch einmal anzusehen - lediglich mein Vater hat es getan, aber der hat in Kriegszeiten vermutlich noch ganz andere Dinge erlebt.

Als mein Vater starb, war ich im Ausland. Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich noch einmal einen Blick auf ihn hätte werfen wollen.

Meine Mutter starb in meinen Armen, da hatte ich, so makaber es klingt, mehr als genug Zeit, sie anzusehen.

Meine erste Frau starb im Libanon, für die gibt es vermutlich nicht mal ein anständiges Grab.

Im vergangenen Jahr starb meine ältere Schwester an Corona. Bis ich davon erfuhr, war sie schon abgeholt. Ohnehin wäre es wegen der Umstände vermutlich nicht mehr möglich gewesen, sie zu sehen.

Schwiegermutter starb "pünktlich" letzten Weihnachten in Irland. Da haben dann nur ihre Kinder Abschied genommen. Ich hatte daran kein Interesse und konnte mich hinter den Reisebeschränkungen verschanzen.

"Fremde" Tote habe ich in meinem früheren journalistischen Leben im Libanon und in Nicaragua mehr gesehen, als ich wollte. Irgendwann gewöhnt man sich an den Anblick und stumpft ab.

Ich würde es von Fall zu Fall entscheiden. Da kann ich keine generelle Aussage treffen.

Ich war bei mehreren Angehörigen anwesend als sie verstarben, deshalb habe ich sie dadurch auch als Verstorbene gesehen. Habe bei meiner Schwiegermutter auch mitgeholfen, sie herzurichten.
Ich persönlich habe es für mich schon irgendwie gebraucht zum endgültigen Abschied die Verstorbenen zu sehen. Zum Begreifen, dass sie nicht mehr leben, hat es mir auch geholfen.

Das erste Mal wo ich nicht sicher war, ob ich ihn sehe möchte, das war als mein Vater dies Jahr verstarb und ich durch Coronazeiten nicht anwesend sein konnte.
Ich hatte zum ersten Mal Berührungsangst und hätte meine Mutter mich nicht gebeten sie ins Krankenhaus zu begleiten, wo er verstorben war, und zum Abschiednehmen aufgebahrt war, weiß ich nicht sicher, ob ich diesen Schritt gegangen wäre.
Aber ich bin letztendlich sehr froh darüber, dass ich ihn nochmals sehen und auch berühren konnte. Das hat mir das Begreifen und den Abschied sehr erleichtert, zumal er, seit langer, langer Zeit friedlich aussah. Das war in seinen letzten Lebensjahren, durch ständige Schmerzen, nie der Fall gewesen.

Ozeanwind schrieb:Ich war bei mehreren Angehörigen anwesend als sie verstarben, deshalb habe ich sie dadurch auch als Verstorbene gesehen

Das ist wieder was anderes. In so einem Moment anwesend zu sein, stelle ich mir aber sehr schwer vor.
Als mein Vater gestorben ist,habe ich mich oft gefragt, ob ich im Krankenhaus hätte bleiben sollen... aber man hat mir versichert, dass er es nicht mitbekommen hätte, der er mit Medikamenten vollgepumpt war. Und ich weiß auch nicht, ob man mich überhaupt bis spät in die Nacht hätte da bleiben lassen.

EnyaVanBran schrieb:Das ist wieder was anderes.

Ja, das stimmt. Doch es gibt auch Menschen, die solchen Situationen bewusst aus dem Weg gehen. Ich habe da schon das ein oder andere Gespräch geführt, wo es auch darum ging, den Menschen nicht als Toten in Erinnerung zu behalten. Da wurde die Sterbebegleitung anderen überlassen. Deshalb fand ich es schon bemerkenswert bei dieser Umfrage auch auf diese Situation einzugehen.

EnyaVanBran schrieb:In so einem Moment anwesend zu sein, stelle ich mir aber sehr schwer vor.

Mir haben diese Abschiede letztendlich die Angst vor dem Tod genommen.

ElsbethM schrieb:Ich fand beides sehr bewegend und hab es als gute Erfahrung erlebt.

So kenne ich das auch.
Dann ist es irgendwie nochmal ein eigener Abschied.

Hat es denn jemand schonmal diesbezüglich eine Entscheidung bereut?

Wäre abhängig vom Versterben - nach einem schwerem Unfall möchte ich das dann, glaube ich, wohl eher nicht.

Doors schrieb:dass ich sie mir als Kind hätte ansehen wollen.

Hm, ich muss zugeben, als Kind war ich da super neugierig. Einmal starb ein Junge aus der weiteren Verwandtschaft, bei dem wir auf der Beerdigung waren. Ich kannte ihn kaum, es berührte mich zwar, aber hat mich nicht belastet. Da war es für mich ganz wichtig, den Jungen ansehen zu dürfen.
Das war dann auch eine sehr ergreifende Erfahrung.

Wobei ich auch gemerkt habe, dass der Tote den Menschen irgendwie schutzlos ausgeliefert ist, fühlt sich nicht so gut an.

Ozeanwind schrieb:Mir haben diese Abschiede letztendlich die Angst vor dem Tod genommen.

Oh, dann hatte es also in jedem Fall etwas Gutes. Das ist schön.

Ozeanwind schrieb:Doch es gibt auch Menschen, die solchen Situationen bewusst aus dem Weg gehen.

Ich denke dass wohl nicht jeder damit klar kommt, weil nicht jeder stark genug dafür ist.

EnyaVanBran schrieb:weil nicht jeder stark genug dafür ist

Da behaupte ich mal etwas provokativ, dass sich das durch die Erfahrung auch ändern kann.

Ich denke, da passiert dann was mit einem, was man vorher so nicht wusste.

Also, die Möglichkeit besteht, muss natürlich nicht bei jedem so sein.

Ich hab als Kind ein sehr positives Erlebnis gehabt, als ich meinen verstorbenen Opa noch einmal sah. Das muss in der Grundschulzeit gewesen sein.

Mein Opa wurde bei uns zuhause gepflegt, er war schwer an Knochenkrebs erkrankt und ich weiß noch, dass selbst Ärzte erschrocken über seinen Zustand waren. Er konnte die letzten Wochen nicht mehr liegen, ich hab noch das Bild vor Augen, wie er immer zusammengekrümmt an der Bettkante saß/hing/kauerte, absolut steif und unbeweglich. SItzen oder liegen, nichts ging mehr, vollgepumpt mit Morphium, abwechselnd am schreien und jammern oder am fantasieren, tagein, tagaus. Ich fand das damals als Kind schon sehr, sehr schrecklich.

Eines morgens hatte er es dann endlich geschafft. Er stab zuhause im Dachgeschoss, wo er sein Pflegezimmer hatte.
Bis der Bestatter kam, hatte es einige Stunden gedauert.
Nun kam es dazu, dass es bei uns unten im Bad kein Klopapier gab aber im Bad von Opa im Dachgeschoss. Dafür musste man aber an Opa vorbeigehen und meine Brüder wollten das nicht. Ich meinte wohl lässig: "stellt euch nicht so an!" und bin dann hoch.

Ich kann mich heute noch so haargenau an den Anblick erinnern. Opa lag völlig entspannt da, der ganze Körper ausgestreckt in seinem Bett. Das wirkte auf mich so friedlich und schmerzfrei, ich habe da wirklich nur positives gefühlt und damals für mich war das absolut gut, dass ich ihn noch einmal so gesehen habe.

Heute würde ich so eine Entscheidung sehr individuell treffen.

EnyaVanBran schrieb:Ich denke dass wohl nicht jeder damit klar kommt, weil nicht jeder stark genug dafür ist.

Ich würde das auch nicht werten wollen, das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Ich ging noch zur Grundschule, da wurde meine Freundin vor meinen Augen überfahren, war sofort tot.
Das war ein sehr prägendes und einschneidendes Erlebnis für mich.
Das hat meinen eigenen Umgang mit dem Tod und Toten sicherlich beeinflusst.

Tussinelda schrieb:dass ich wenn die Menschen, die mir sehr nahe stehen, versterben, dabei bin.

Finde ich schön. In vielen Einrichtungen, palliativ, oder Pflegeheim gibt es deshalb ja auch die Sterbebegleitungen, weil die meisten Menschen nicht alleine sein wollen beim Sterben.

Andererseits gibt es auch das Phänomen, dass Menschen dann erst loslassen können, wenn die Angehörigen rausgegangen sind.

Pony2.4 schrieb:Das wirkte auf mich so friedlich und schmerzfrei,

So wie er unter der Krankheit gelitten hat, war es dann eine Erlösung, schön, wenn man das dann tatsächlich ihm auch ansehen kann.