Noumenon schrieb:Für dich sind Fakten scheinbar nur sprachliche Konstruktionen, für mich nicht. Und um das zu unterscheiden, habe ich das Adjektiv 'real' davorgesetzt, um deutlich zu machen, dass es mir um die Realität geht, nicht um Sprache.
Dann war das unklar ausgedrückt. Du schriebst ja von "diesen Konstruktionen". Meine Meinung, Behauptung ist ja simpel: Fakten sind sprachliche Konstruktionen. Für dich ist es umgekehrt: Sprachliche Konstruktionen beruhen auf Fakten.
So korrekt?
Noumenon schrieb:Sicher. Dinge wie Konzepte oder Sprache sind weitestgehend subjektiv.
Dann habe ich dich offensichtlich immer noch nicht verstanden. Hier ist wieder die Sprache von Fakten, ich schreibe das ist das worauf man sich einigen kann (eben Sprache, konstruiert). Du stimmst mir zu, müsstest aber wenn ich dich oben richtig verstehe widersprechen.
Mir ist nicht klar was du nun mit "realen Fakten" oder meinetwegen nur "Fakten" meinst, wenn es keine sprachlichen Konstruktionen sein sollen, aber auch keine "Dinge an sich" im weitesten Sinn. Platonische Ideale? Funktionalismen?
Noumenon schrieb:Ja, nur geht Sprachgebrauch aber eben über die rein sprachliche Ebene hinaus. Dazu gehört u.a. das, was von mir und nun auch von dir gesagt wurde: Auf etwas zeigen und es benennen.
Ich habe immer wieder auf eine kulturelle und historische Ebene verwiesen, die da ganz notwendig ist. Bei uns zeigt man eben auf Dinge, wenn man sie benennt. Man zeigt auch auf Dinge um einen Imperativ zu verdeutlich (mach das weg!) oder um eine Frage zu stellen (Ist das ein Baum?). Was der Fingerzeig hier konkret bedeutet, erschließt sich erst aus dem Zusammenhang.
Jedenfalls: selbst dieses banale Benennen ist eben nicht einfach Wort + Fingerzeig. Dahinter steckt wie immer eine komplexe kulturelle und sprachliche Welt, selbst bei einem so trivialem Akt.
Noumenon schrieb:Und damit ergibt sich die Bedeutung von Worten nicht bloß aus der Differenz zu anderen Wörtern.
Im Sprechakt. Mehr ist da einfach nicht, es sei denn du möchtest hier eine metaphysische Ebene einziehen.
Noumenon schrieb:In letzter Konsequenz sind wir dann bspw. auch bei LLMs und ob sie wirklich verstehen, was bspw. die Begriffe "Mond" oder "Sonne" bedeuten, wenn sie beides nie gesehen und erlebt haben. Ich würde das, wie schon einmal irgendwo anders angemerkt, dezidiert verneinen, denn Bedeutung geht über Sprache hinaus
Und ich habe dazu aus erkennbaren Gründen das Gegenteil geschrieben.
Noumenon schrieb:denn Bedeutung geht über Sprache hinaus, wie es auch spätestens bei "Schmerz", "Rot", "Liebe" usw. klarwerden dürfte - um mal kurz den Kreis zu schließen...
Ja, die Qualia. Wenig überraschend: auch ich hab da keine abschließende Lösung in der Hosentasche.
Noumenon schrieb:Nein, kannte ich noch nicht. Habe mich aber mal kurz informiert, sein Begriff der "Arbitrarität" klingt zunächst einleuchtend, allerdings ist mir nicht ganz klar, warum da einerseits von "Willkür"
miserable deutsche Übersetzung. Ist wirklich so. Freiheit ist hier sehr viel passender als Willkür.
Noumenon schrieb:andererseits von "menschlicher Konvention und Vereinbarung", was die Beziehung zwischen Begriff und Ding/Vorstellung betrifft
Trotz einer klaren Bedingtheit durch Konvention gibt es eine Freiheit in der Bedeutung, sie wird erst im Sprechen realisiert. Siehe Sonne, kann das Gestirn meinen oder Dich auf Allmystery. Und sicher noch viele andere Dinge.
Noumenon schrieb:Sicher. Auch wenn mein Lieblingsbeispiel da immer noch das berühmte (und vermeintlich unteilbare) Atom ist...
Wenn die Bedeutung eines Begriffes sich historisch verändert, kann es sich nicht auf einen metaphysischen Fixpunkt, ein Ding an sich und auch nicht auf eine metaphysischen objektiven, realen Fakt beziehen. Das worauf sich der Begriff bezieht (eben seine Bedeutung) ist offenkundig einem Wandel unterworfen - einem kulturellen, historischen, sprachlichen und ganz sicher zutiefst subjektiven Wandel.
Noumenon schrieb:Und dem stimme ich - wie oben schon gesagt und spätestens mit Blick auf Begriffe wie "Schmerz", "Rot", "Liebe" usw. - nicht zu.
Wie ich schrieb - ich hab für das Qualia Problem letztlich auch keine Lösung in der Hand. Sonst würde ich nicht auf Allmy streiten sondern in irgendwelchen Symposien salbadern.
Aber - selbst wenn ich dir den Punkt schenke, dass es nichtsprachliche innere Erfahrungen gibt, so ist jedes Reden darüber frei von Ihnen. Es macht für das Reden über Schmerz keinen Unterschied ob der Schmerz nun eine innere Erfahrung ist, eine biochemische Reaktion, eine Illusion oder was auch immer (wohl aber wofür es halten, aber da besteht ein Unterschied).