@rockandroll rockandroll schrieb:aus der geschichtlichen Überlieferung. In der Spätantike und dem Frühmittelalter konnten selbst viele Adelige nicht lesen und schreiben, was ist erst mit dem Fußvolk
Der Analphabetismus war in sämtlichen Schichten ungefähr gleich verbreitet, da gab es keine signifikanten Unterschiede. Lesen und Schreiben galt den (vom Mittelmeer aus gesehen) transalpinen Kulturen nicht so viel wie dem griechisch-römischen Kulturkreis. Das heißt nicht, daß es keine Bildung gab. Die gab es durchaus, nur lag bei den germanischen u.a. Kulturen der Aspekt nicht so stark bei der reinen Wissensaneignung, sondern stärker bei der Ausbildung. Gelehrt wurden Fertigkeiten für den standesüblichen Alltag, schwerpunktmäßig auch Verhaltensnormen für den Umgang mit Menschen, Ethik. Das, was die Menschen an Bildung hatte, befähigte sie durchaus, in ihrer Welt klarzukommen, sich zurechtzufinden... Vor allem aber sehe ich nicht, daß der Mangel an Lesen, Schreiben, Mathe und was sonst noch bedeutet, daß es sich um eine Ungebildetheit handelt, die die Leute jeden Blödsinn glauben machen ließe. Vor allem, wenn ich bedenke, daß heutige Menschen, die an jeden Blödsinn glauben, durchaus lesen und schreiben können und auch sonst eine Bildung genossen haben, die Deiner Meinung nach dies eigentlich hätte verhindern müssen.
Dein "die meisten Leute damals waren wirklich so ungebildet, dass jeden Blödsinn glaubten" ist also keine Folge dessen, was wir aus geschichtlicher Überlieferung wissen, sondern ein aus den neuzeitlichen Mittelaltermythen
und aus halb verstandener historischer Information gebildetes Vorurteil.
rockandroll schrieb:ich sagte doch schon, dass es ohne Hilfsmittel nicht so leicht ersichtlich ist, dass es sich um eine Kugel handelt, und wenn man den Horizont betrachtet kommt man sehr leicht auch/gerade als Leie auf den Gedanken, es handle sich um eine Scheibe. Völlig Schlüssig soweit..
Genauso schlüssig wollte mir mal jemand beweisen, daß schon im Neolithikum alle die Kugelgestalt der Erde gewußt hätten. Denn sobald man sich in einer flachen, leidlich unverbauten Landschaft befindet, wahlweise am Meer oder in einer Ebene, könne man schon mit simplen Hilfsmitteln die Wölbung des Horizontes sehen. Schade, daß ich Dich mit dem nicht bekannt machen kann.
Aber ich hab auch noch was für Dich: wem glaubten die Leutz damals alles, wenn der ihnen ein' vom Pferd erzählte? Ich gehe mal davon aus, richtig zu liegen, wenn ich für Dich antworte: die Kirche und ihre Priester. Ja siehste, und wenn der Christus auf nem Bild oder als Skulptur in der Kirche ne Weltkugel in der Hand hält - Bilder waren in schriftlosen Kulturen ein sehr wichtiges Mittel der Informationsweitergabe - dann rate mal, was die Leute "wußten" und was sie für plausibel hielten. "Wenn mir die Kirche sagt, daß die Welt ne Kugel ist, dann ist sie das auch, basta!" Gell?
perttivalkonen schrieb:
Nachher sitztr Du auch nur einem Mythos der Aufklärung auf.
unwahrscheinlich. Das was ich gerade beschreibe ist plausibler
Dem, dessen Weltbild von Geisterglauben geprägt ist, dem ist es auch plausibler, daß ne Krankheit durch Geister verursacht ist. Was ich sagen will: Was einen prägt, bestimmt, was man für plausibel hält. Denn plausibel ist das, was zur vorher gebildeten Auffassung paßt. Du kannst also das Argument, hier der Prägung durch Aufklärungsmythen aufzusitzen, nicht mit "nein, ich finde es nämlich plausibel" entkräften.
Pertti