Kriminalfälle
Menschen Wissenschaft Politik Mystery Kriminalfälle Spiritualität Verschwörungen Technologie Ufologie Natur Umfragen Unterhaltung
weitere Rubriken
PhilosophieTräumeOrteEsoterikLiteraturAstronomieHelpdeskGruppenGamingFilmeMusikClashVerbesserungenAllmysteryEnglish
Diskussions-Übersichten
BesuchtTeilgenommenAlleNeueGeschlossenLesenswertSchlüsselwörter
Schiebe oft benutzte Tabs in die Navigationsleiste (zurücksetzen).

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

1.478 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Making A Murderer, Steven Avery, Brendan Dassey ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 04:33
Zitat von MillaliMillali schrieb:Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey
gestern um 02:09

Rick_Blaine schrieb:
Ihr bleibt dabei am Ende nur eine Theorie, in welcher entweder böse Polizeibeamten oder einer ihrer übrigen Verdächtigen (sie wechselt diese ja während der Verfahrensdauer), aufwändig sich die Spuren angeeignet haben (Zahnbürste etc.) und an den entsprechenden Stellen angebracht haben.

Böse Polizeibeamte aus zwei unterschiedlichen Orten (Colborn & Lenk featuring Wiegert vom Nachbarort, eventuell auch noch mit Fassbender vom FBI) sowie Bobby als echtem Täter und perfektem Mörder, Tadych als willfährigem Gehilfen seines Stiefsohnes und dann auch noch der Exfreund des Opfers, der vermutlich niemanden von allen Beteiligten kennt, aber dem korrupten Colborn zuarbeitet. Das ist der Hauptpunkt, wo ich das Gefühl habe: Das kann man nicht glauben. Sechs bis sieben teilweise völlig unterschiedliche Akteure, die teils unabhängig voneinander zufällig auf ein Ziel hinarbeiten, während alle auf einen Mann hindeutenden Beweise einen vermeintlich Unschuldigen treffen sollen, welcher als einziger die Wahrheit sagt.
Das ist ein guter Moment, einmal an das grundsätzliche Problem zu erinnern, bevor wir uns hier in Einzelheiten wissenschaftlicher Gutachten begeben, die wir vermutlich alle nicht verifizieren koennen.

Es gibt zwei grosse Theorien in diesem Fall.

Die erste ist die Theorie der Anklage:

Avery verabredet sich mit Halbach auf seinem Grundstück, tagsüber. Er nimmt mehrfach Kontakt mit ihr auf, oft dabei mit unterdrückter Telefonnummer. Er gibt später durchaus zu, dass Halbach zur verabredeten Zeit auf seinem Grundstück gewesen ist, das braucht also nicht mehr hinterfragt werden. Im Verlauf des Nachmittags hat Avery Halbach angegriffen und getoetet. Er versucht die Spuren seiner Tat, vor allem die sterblichen Überreste des Opfers und ihr Fahrzeug, zu vernichten bzw. bis zur Vernichtung zu verbergen. Den Koerper des Opfers versucht er zu verbrennen. Das Fahrzeug des Opfers versteckt er zunächst auf seinem Grundstück, was nicht unbedingt dumm ist, denn es steht dort unter hunderten anderer Fahrzeuge. Ausserdem besitzt er eine Fahrzeugpresse und die notwendige Expertise, diese zu bedienen.

Weiterhin besitzt er eine Schusswaffe und hat diese eventuell für die Tat benutzt. Er hat allerdings Spuren hinterlassen.

Er hatte eindeutig die Gelegenheit, die Tat zu begehen, das Opfer kam zu ihm auf das Grundstück, er war zu der Zeit allein, er kann sich auf dem weitläufigen Grundstück relativ unbeobachtet bewegen, genauso wie in der näheren Umgebung, er kennt sich aus. Koerperlich ist er der jungen Frau sicherlich überlegen, zumal er noch das Überraschungsmoment auf seiner Seite hat. Er hatte Zeit und Gelegenheit die Tat vorzubereiten, denn er hat den Termin gemacht.

Ein Motiv ist juristisch nicht notwendig, aber die Anklage nimmt eine sexuelle Motivation an. Avery ist in der Vergangenheit schon negativ gegenüber Frauen aufgefallen, wenngleich er die Tat, für die er einmal verurteilt wurde, nicht begangen hat.

Zur Theorie der Anklage passen nun einige Indizien, deren Existenz kaum bestritten werden kann. Die Verteidigung interpretiert sie jedoch teilweise ganz anders:

1. Er hat den Termin mit Teresa Halbach gemacht
2. Er gibt zu, dass sie zum ausgehandelten Termin auf seinem Grundstück gewesen ist, und dass er zur fraglichen Zeit allein gewesen ist.
3. Halbachs Telefondaten zeigen, dass es mehrere Kontakte zwischen ihm und ihr gab und dass sie zur fraglichen Zeit am fraglichen Ort gewesen ist.
4. Halbachs Fahrzeug wird auf Averys Grundstück gefunden.
5. An Halbachs Fahrzeug werden mehrere Spuren gefunden, die eindeutig Avery zugeschrieben werden können:
a. Seine DNA am Motorhaubenverschluss
b. Sein Blut am Zündschloss
6. Es wird Blut des Opfers im rückwärtigen Bereich des Fahrzeugs gefunden.
7. Der Fahrzeugschlüssel wird in seinem Trailer gefunden
8. Sein Blut wird am Schlüssel gefunden
9. Eine Gewehrkugel mit DNA des Opfers wird in seiner Garage gefunden
10. Es werden Spuren einer intensiven Reinigung in der Garage gefunden
11. Im "burn pit" werden Knochen des Opfers gefunden.

So. Diese Spuren ergeben ein Tatbild, das ohne gedankliche Verrenkungen und vor allem ohne auf dritte Personen, die irgendwie beteiligt sein müssen, schlüssig ist: man kann daraus schlussfolgern, dass er

1. Teresa Halbach auf sein Grundstück gelockt hat
2. Sie ermordet hat - sie ist nachweislich tot -
3. Versucht hat, ihren Körper dort zu verbrennen
4. Ihr Fahrzeug dort bewegt hat.
5. Ihr Fahrzeug dort versteckt hat

Nicht zweifelsfrei erwiesen, aber naheliegend, und vor allem immer noch ohne logische Aporien ist weiterhin die Annahme, dass er zumindest einen Schuss auf sie abgefeuert hat und vor hatte, das Fahrzeug zu vernichten.

Aus weiterhin vorhandenen Spuren kann man schlussfolgern, dass er

6. Eventuell ihre Leiche in ihrem Fahrzeug noch zu einem anderen Ort verbracht hat, bevor er schliesslich das Fahrzeug auf seinem Grundstück versteckte
7. An einem anderen Ort versucht hat, den Grossteil der Leiche zu verbrennen

Weiterhin gibt es neutrale Augenzeugen, die bestätigen, dass am fraglichen Tattag ein relativ grosses Feuer auf seinem Grundstück zu sehen war.

So, all das ergibt ein relativ schlüssiges und eindimensionals Bild. Übrigens hier meine Theorie zu der Knochenproblematik, die inzwischen auch einmal von @jeffersonbridg geäussert wurde:

Wer sich mit dem Verbrennen von Leichen ein wenig auskennt wird wissen, dass dies nicht gerade einfach ist. Lustigerweise spricht Zellners Gutachter in der 10. Folge der 2. Staffel genau davon: es werden sehr hohe Temperaturen über einen relativ langen Zeitraum notwendig, die ausserhalb eines Krematoriums nur selten erreicht werden. Daher ist es sehr schwer, Knochen vollständig zu verbrennen.

Meine Theorie ist nun die, dass Avery zunächst versucht hat, die Leiche in den burn pits auf dem Familiengrundstück zu verbrennen. Dann hat er aber festgestellt, dass

1. Das Feuer so auffällig ist, dass es von unbeteiligten Zeugen gesehen werden kann, was ja auch tatsächlich passiert ist und
2. Die Leiche mitnichten dort spurlos verbrannt werden kann, so dass

Avery den Versuch dort abgebrochen hat und zumindest Leichenteile im Fahrzeug des Opfers in den weitaus abgelegeneren "Gravel Pit" verbracht hat, und dort erneut versucht hat sie zu verbrennen. Dabei kann es auch sein, dass er weitere Gegenstände aus dem Besitz des Opfers dabei hatte, u.a. ihr Mobiltelefon.

Zellner interpretiert die Knochenfunde im "Gravel pit" nämlich ohne jede Begründung ganz einseitig so, dass die Verbrennung erst im gravel pit probiert wurde, und dann durch sinistre Personen Teile der Leiche in den Avery burn pit verbracht wurden. Dafür gibt es aber ganz und gar keine zwingende Notwendigkeit. Genausogut kann die Reihenfolge umgekehrt gewesen sein und dabei noch weitaus logischer sein. Vor allem kommt die Theorie dann ohne die Beteiligung weiterer Personen aus.

Es ist daher irrelevant, ob die Knochenteile nun wirklich Teresa Halbachs Knochen sind oder nicht. Ich gehe davon aus. Selbst wenn man davon ausgeht, ergibt sich also keineswegs, dass das ein entlastender Fakt ist.

Zu der Interpretation der DNA Spuren ist hier von @Seps13 schon viel richtiges geschrieben worden. Unbestritten ist, dass sie existieren. Zellners Interpretation, wie sie entstanden sind, werde ich weiter unter ansprechen.

Es ergibt sich also ein Bild, in dem Opfer und Täter unbestritten zusammentreffen. Unbestritten ist, dass Avery nicht nur die Gelegenheit hatte, die Tat zu begehen, sondern auch das Vermögen.

Zwar hat Avery eine gewisse Bauernschläue an den Tag gelegt, aber hat nicht vermeiden koennen, Spuren zu hinterlassen, die ihn eindeutig mit der Tat in Verbindung bringen. Entgegen Zellners Behauptungen, ist bei keiner Spur bewiesen, dass Avery sie unmoeglich verursacht haben kann. Im Gegenteil: Wissenschaftlich ist es in allen Fällen moeglich.

Das hat die Jury so im Prozess verstanden und daraus den Schluss gezogen, dass Avery die Tat begangen hat. Man erinnere sich, dass Brendan Dasseys "Geständnis" dabei keine Rolle spielte.

Nun schauen wir uns Zellners Theorien an. Leider bringt sie nicht nur eine, sondern ein Konvolut aus mehreren Theorien. Beginnen wir mit der ersten:

Sie möchte uns glauben machen, dass Bobby Dassey Teresa Halbach ermordet hat und dann perfekt alle Spuren auf Steven Avery ausrichtet, ohne dabei auch nur eine einzige Spur zu hinterlassen, die eindeutig auf ihn weist.

Das ist extrem erstaunlich. Ausgerechnet Bobby Dassey, der m.E. nicht gerade den Eindruck eines extrem intelligenten und meuchelmörderisch erfahrenen Menschen macht. Den bräuchte es aber für so eine Theorie:

Ohne darauf vorbereitet zu sein stellt Dassey also auf einmal spontan fest, dass Halbach auf dem Grundstück ist. Spontan beschliesst er, ihr zu folgen, um sie in seine Gewalt zu bringen. Ebenfalls spontan zieht er noch einen Komplizen dazu, Scott T. Es gelingt, Halbach in ihre Gewalt zu bringen, ihr Gewalt anzutun, sie zu toeten. Dann wird die Leiche teilweise verbrannt und dann kommt den beiden Moerdern die glorreiche Idee, die Tat Steven Avery in die Schuhe zu schieben.

Da fangen die Probleme an: Kriminalisten werden bestätigen, dass gerade solche Gelegenheitstäter in der Regel versuchen, Spuren weg von ihnen zu legen, anstatt die Ermittler durch falsche Spuren in ihre Nähe zu bringen. Warum Scott und Bobby eigentlich die Spuren zu den Averys zurüklegen sollen, nachdem sie es ja offensichtlich geschafft haben, die Tat zu begehen, ohne auch nur eine einzige Spur zu hinterlassen, ist eigentlich ein Rätsel. Denn das muss man sich immer wieder vor Augen halten: Nicht eine einzige DNA Spur der beiden wurde irgendwo am Opfer, am Opferfahrzeug oder sonstwo gefunden. Nicht eine Waffe, kein Tatwerkzeug, nichts. Das Verbrechen geschah spurlos.

Lediglich eine zweifelhafte Sichtung des Autos in der Nähe von Scotts Grundstück stellt hier eine Verbindung her. Lediglich die merkwürdigen Gewaltpornos auf dem Familiencomputer der Dasseys stellen die Verbindung Bobbys zu der Tat her. Sonst: Nichts.

Sagenhaft gute Tatausführung kann man da nur sagen.

Und zu allem Überfluss soll nun der an sich nicht sonderlich überbegabte Bobby noch extrem aufwändige falsche Spuren gelegt haben. Er soll nicht nur realisiert haben, dass es notwendig ist, DNA aus der Zahnbürste Stevens zu extrahieren er soll dann auch noch diese mit Blut gemischt haben, das er ebenfalls nur unter extremem Aufwand und zufällig bei Steven fand, alles zusammen soll er dann auch noch am Fahrzeug angebracht haben.

Das aber keineswegs so, wie der allmyerfahrene Täter es gemacht hätte, zum Beispiel an Türgriff, Lenkrad usw des Fahrzeugs. Nein! Der gerissene Bobby kommt auf die Idee, das Ganze am Motorhaubenverschluss anzubringen! Daran denkt jeder Kriminalpolizist doch zu allererst, wenn er nach Spuren des Mörders such, oder???

Wow. Bobby ist ein Genie. Das zeigt sich auch bei der Gewehrkugel. An der befinden sich keine Knochensplitter, aber Opfer-DNA. Und laut Zellner kann ja anscheinend keine Gewehrkugel lediglich durch Weichteile eines Körpers gegangen sein, nein, ohne Knochensplitter kann die Kugel unmöglich getroffen haben und daher auch keine DNA legitim enthalten. Denn Zellner weiss auch, dass es nur diesen einzigen Schuss gegeben haben kann - woher, das fragt man sich. Und der super-intelligente Bobby hat nun auch hier manipuliert.

Hm. Oder auch nicht. Gegen Zellners anfängliche Beteuerung, dass sie der Polizei keine Verfälschung der Spuren unterstellen wolle, tut sie genau das nun das ganze Dokudrama lang. Ihr ist wohl selbst aufgegangen, dass Bobby und Scott das nicht allein können.

Also kommen nun die finsteren Polizisten ins Spiel. Warum diese den armen unschuldigen Avery nun so framen, obwohl sie selbst

1. nichts davon haben
2. ein immenses Risiko eingehen, ihren Job zu verlieren, schadenersatzpflichtig zu werden und eine Straftat begehen
3. den wahren Täter schützen wollen

das wird eigentlich nie klar.

Um es kurz zu machen: Am Ende ist auf einmal Bobby gar nicht mehr der Mörder Nr.1, denn nun kommt auch noch Teresas Ex-Freund Hillegas ins Spiel. Auch er braucht aber unbedingt die Hilfe der finsteren Polizisten, denn auch er allein kann gar nicht diese tollen Spuren legen.

Das alles sollen wir also glauben, wenn wir Zellner folgen, aber die viel logischere Variante der Staatsanwaltschaft, die können wir nicht glauben?

Das kann ich nicht nachvollziehen.

Anzeige
2x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 06:56
@Rick_Blaine
Das ist eine stimmige und angenehm sachliche Zusammenfassung. Daran gibt es nicht viel zu deuteln.

Der Staatsanwalt bezeichnete die Indizienlast als überwältigend. Und das ist sie auch. Aus diesem Grund weise ich gern darauf hin, dass man mögliche Ermittlungsfehler und Fehler, die im Prozess evtl. gemacht wurden, von der Beweislast gegen Avery trennen muss. Er ist nicht unschuldig, weil sie gemacht wurden, sondern er ist der Täter, auf den alles hinweist, obwohl diese Fehler gemacht wurden.

Kritik ist hier also erlaubt, aber sollte ohne Dauerempörung auskommen und den Rahmen nicht sprengen, weil das einfach nicht zum Fall passt.


melden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 07:05
@Seps13

Genau. Man muss bei allem aufpassen, nicht den Wald vor lauter Bäumen aus den Augen zu verlieren. Die häppchenweise präsentierte völlig einseitige Dokudrama-Show verleitet immer dazu.


melden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 07:07
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Das kann ich nicht nachvollziehen.
Ich auch nicht. Du hast auch nochmal gut herausgearbeitet dass die Verschwörer in allen Szenarien nicht nur mit einem Eimer Avery-DNA durch die Gegend gelaufen sein sondern auch in der Lage gewesen sein müssten Spuren zu pflanzen, ohne ihrerseits irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Das dürfte schon die Fähigkeiten durchschnittlicher Landpolizisten übersteigen, auf jeden Fall aber die eines Alternativtäters aus dem Avery-Dassey-Clan.


1x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 07:41
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Ich auch nicht. Du hast auch nochmal gut herausgearbeitet dass die Verschwörer in allen Szenarien nicht nur mit einem Eimer Avery-DNA durch die Gegend gelaufen sein sondern auch in der Lage gewesen sein müssten Spuren zu pflanzen, ohne ihrerseits irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Das dürfte schon die Fähigkeiten durchschnittlicher Landpolizisten übersteigen, auf jeden Fall aber die eines Alternativtäters aus dem Avery-Dassey-Clan.
So ist es. Ich erinnere mich, als das ganze Drama begann, dachte man eigentlich immer nur daran, dass die bösen Dorfpolizisten dort alles inszeniert haben. Man spekulierte ja sogar, dass sie Teresa absichtlich getötet haben, um Avery nun aus dem Verkehr zu ziehen. Von laienhaften Mördern aus dem Familienclan war bis zum "Auffinden" der Gewaltpornos ja nie ernsthaft die Rede.

Zellner selbst allerdings wusste, dass nur wenige vernünftige Beobachter des Falles bereit sein werden, der Polizei eine solche Ungeheuerlichkeit zu unterstellen. Was soll das Motiv sein?

Zivilprozesse um Schadenersatz wegen Fehlern in der Polizeiarbeit kommen immer wieder mal vor. Der einfache Polizist ist daran nicht beteiligt. Und er wird auch nicht für seinen Boss Kopf und Kragen riskieren und einen unschuldigen Menschen umbringen, um einen anderen Unschuldigen so hinter Gitter zu bringen. Und - selbst wenn das vorstellbar wäre, wage ich mal zu behaupten würden auch Polizisten nicht auf die Idee kommen, das Ganze so kompliziert zu veranstalten.

Mir bleibt da immer die Motorhaubenverschlusssache vor Augen: Ich sage, selbst ein Polizist, der irgendwie an Averys Blut gekommen ist, an seine DNA, würde nicht diesen extrem unwahrscheinlichen Ort auswählen, das Blut mit DNA zu platzieren, sondern würde es deutlich da deponieren, wo jeder Journalist es erwarten würde: an Tür, an Sitz, an Lenkrad usw. Und das dann stolz der Presse demonstrieren.

Ein Polizist würde die Spuren so platzieren, dass sie gar nicht erst hinterfragt werden können. Warum auch nicht? Er hat ja die freie Auswahl, er kennt sich aus usw.

Die Avery-Spuren im Fahrzeug sind aber so merkwürdig wenige, an so merkwürdig einzigartigen Stellen, dass es tatsächlich am Ende wahrscheinlicher ist, sie sind dort von Avery selbst unbeabsichtigt und vielleicht unbemerkt hinterlassen worden. Vielleicht hat er gar an weitaus mehr Stellen Spuren hinterlassen, diese aber selbst bemerkt und wieder beseitigt. Das wäre ein Szenario, das viel mehr für die Echtheit der Spuren spricht: der Täter hat versucht Spuren zu beseitigen, aber die eine oder andere übersehen.

Eine Kugel wird gefunden, an einer sehr unzugänglichen Stelle in der Garage, in der sich sonst durchaus Reinigungsspuren befinden. Was ist nun wahrscheinlicher: dass der Täter eine ganze Reihe Spuren beseitigt hat, aber diese eine Kugel übersehen hat, oder dass ein Polizeibeamter oder Zivilist diese einzige Spur platziert hat, mit der Absicht Avery unbedingt zu framen?

Ich vermute, Avery hat die Kugel übersehen. Ich vermute, er hat sogar mehr als einen Schuss abgegeben, vielleicht die andere Kugel(n) gefunden und beseitigt. Diese eine hat er nicht mehr gefunden. Diese Kugel traf eben keinen Knochen, sondern Weichteile des Opfers, bevor sie Holz der Garagenverkleidung traf.

Nachdem die Polizei-mordet-Opfer Theorie sich doch als zu unhaltbar erwies, kam man dann auf die Idee: Ein anderer Täter ermordet Teresa, aber die Polizei legt die Spuren um, damit man Avery dranbekommt.

Hier gelten freilich die gleichen Grundfragen: warum sollte ein oder eher mehrere Polizisten so etwas unsinniges machen? Den Polizisten die ich kenne, und ich kenne viele, wäre ziemlich egal, ob ihr Landkreis nun ein paar Millionen an Avery wegen dessen früheren unrechtmässigen Haft bezahlen soll. Die Polizisten, die ich kenne, legen in erster Linie Wert darauf, ihren sehr gut bezahlten Job nicht zu gefährden, ihre Familie zu beschützen und sich möglichst nicht in die Politik einzumischen.

Aber selbst wenn wir nun solche bösen Polizisten unterstellen, dann wird die Sache sehr kompliziert: sie konnten ja nicht wissen, wann Mörder 1-3 (Bobby, Scott oder Hillegas) Teresa Halbach ermorden. Sie müssen also spontan und ohne grosse Absprache schnellstens handeln, um Avery zu framen. Sie müssen dabei immer Angst haben, dass ein Kollege entweder kalte Füsse bekommt oder, falls gar nicht eingeweiht, etwas mitbekommt. Sie müssen nun nicht nur all die falschen Spuren legen, sie müssen auch extrem sorgfältig die echten Spuren, die auf Mörder 1-3 hinweisen, vernichten.

Auch hier wage ich zu bezweifeln, dass dies unseren Dorfpolizisten so gelingen würde.

Und wie oben schon gesagt, Mörder 1-3 müssen selbst so unglaublich gut sein, dass sie wenn überhaupt nur Spuren hinterlassen, die ihre Polizei-Komplizen leicht vernichten können.

Zelnner betont gerne, dass Avery im ersten Fall wegen einem einzigen Haar freigesprochen werden konnte.

Was wenn Bobby nun ein einziges Haar in Teresas Auto hinterlassen hätte, dass vor der offiziellen Untersuchung nicht entdeckt und beseitigt werden konnte? Würden all diese bösen Polizisten das Risiko eingehen? Zum Glück war Bobby ja so gut, dass er kein Haar verloren hat. Oder?

Guilty beyond a reasonable doubt. Diese "vernünftigen Zweifel" an Averys Schuld möchte Zellner gerne säen. Aber die Szenarien, die sie dafür anbietet, sind in meinen Augen noch viel unvernünftiger.


1x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 07:57
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Die Polizisten, die ich kenne, legen in erster Linie Wert darauf, ihren sehr gut bezahlten Job nicht zu gefährden, ihre Familie zu beschützen und sich möglichst nicht in die Politik einzumischen.
Ist der Job echt so gut bezahlt? Ich glaube nicht dass die mehr als 50000 Dollar im Jahr verdienen und das mit Schichtdienst.


melden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 08:11
In den USA ist Polizist einer der bestbezahltesten Jobs. Gerade wegen der Schichtzulage und den anscheinend unvermeidlichen Überstunden. Hier wo ich wohne, sind um die $ 100,000 die Regel. Das ist mehr als ein Staatsanwalt verdient.


1x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 08:17
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:In den USA ist Polizist einer der bestbezahltesten Jobs. Gerade wegen der Schichtzulage und den anscheinend unvermeidlichen Überstunden. Hier wo ich wohne, sind um die $ 100,000 die Regel. Das ist mehr als ein Staatsanwalt verdient.
Ich weiß nicht wo du wohnst und mir ist auch klar, dass die Polizisten in gut finanzierten Gegenden wie New York City, Washington oder LA 6-stellig verdienen. Aber doch nicht auf dem Land? Auf Netflix läuft derzeit auch "Flint Town", eine Doku über die Polizeiarbeit in einer der abgehängtesten Gegenden in den USA. Es wird zwar nicht explizit erwähnt was die verdienen, aber ich würde wetten dass es nicht mehr als 50000 Dollar im Jahr ist.

Natürlich sind weder Weltstädte noch Failed Cities repräsentativ. Aber ich bezweifle, dass ein Großteil der Gemeinden in den USA ihren Polizisten 100000 Dollar im Jahr zahlen kann.


melden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 08:25
@Rick_Blaine

Die Zahl halte ich für viel zu hoch angesetzt. Da du in USA lebst wirst du es in letzter Konsequenz besser wissen. Aber in DE hört man immer wie schlecht Polizisten in USA bezahlt werden. Und 8000$ im Monat trotz Überstunden für einen einfachen Straßenpolizisten glaub ich nicht. Meinst du evtl. einen leitenden Polizeibeamten? Falls das echt war ist dann erzählen uns die Medien hierzulande echt einen vom Pferd. So nach dem Schema. Regt euch nicht auf liebe einheimische Bullen,den Amibullen gehts noch schlechter.


melden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 08:28
@falstaff
Das ist jetzt für unseren Fall nicht unbedingt relevant, aber glaube mir das ruhig. Dort wo sie weniger verdienen, ist natürlich auch das sonstige Einkommen in anderen Berufen viel weniger. Der Polizeibeamte wird immer noch ein weit überdurchschnittliches Einkommen im Vergleich haben.
In 2016, the average wage for police officers was $62,760 per year or $30.17 per hour, as reported by the U.S. Bureau of Labor Statistics. Police officers work around the clock and wages vary by city and state. For example, California was the highest-paying state where police officers earned $96,660 on average per year, which is well above the average salary police received in other parts of the country. Police officers are essential to public safety, so this career opportunity will keep pace with population growth.
https://work.chron.com/much-money-police-officer-make-weekly-7363.html

Hier haben wir also einen Durchschnittswert von $ 30/Stunde für Polizeibeamte.

Auf alle Berufe in den USA übertragen kommen wir aber nur auf einen Stundenlohn von $ 23. Polizisten verdienen also weit überdurchschnittlich.
Wages in the United States increased to 23.12 USD/Hour in January from 23.05 USD/Hour in December of 2018
https://tradingeconomics.com/united-states/wages

@jeffersonbridg
In Deutschland wird in der Regel unglaublich viel Quatsch über das Leben in den USA geschrieben. :)


melden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 10:58
@Rick_Blaine
zu Deinem Beitrag von heute morgen 4.33 Uhr

Sehr schlüssig...aber :)

am Schlüssel wurde nur seine DNA gefunden soweit ich weiß, kein Blut.
Auch widerspricht das mal dort mal hier verbrennen der Aussage von Eisenberg, das die Knochen NICHT bewegt wurden.
Diese Aussage wurde als korrekt hingenommen, und soweit ich weiß wurden auch keine Tests gemacht bezgl. der Schnittspuren an den Knochen, bitte korrigieren wenn ich falsch liege.

Deswegen finde ich nicht,
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Es ist daher irrelevant, ob die Knochenteile nun wirklich Teresa Halbachs Knochen sind oder nicht. Ich gehe davon aus. Selbst wenn man davon ausgeht, ergibt sich also keineswegs, dass das ein entlastender Fakt ist.
denn die in der GPit gefundenen Knochen dürfte es laut der Staatsanwaltschaft gar nicht geben dann.
Jetzt hat aber diese genau die rausgegeben und damit sind die so gar nicht irrelevant. Alleine schon weil es mitten in einem laufenden Verfahren war, was eindeutig seine Rechte verletzt. Und das ist ja nun nicht die einzige Nummer dieser Staatsanwaltschaft. Ich finde nicht das man das klein reden sollte. Selbst wenn das nur dazu dient einen neuen Prozess zu führen, immerhin könnte man dann mal alles aufdecken und nicht nur ausgesuchte Stücke und entweder er war es oder er war es nicht.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Denn das muss man sich immer wieder vor Augen halten: Nicht eine einzige DNA Spur der beiden wurde irgendwo am Opfer, am Opferfahrzeug oder sonstwo gefunden. Nicht eine Waffe, kein Tatwerkzeug, nichts. Das Verbrechen geschah spurlos.
Meiner Kenntnis nach sind die Knochenreste doch gar nicht auf Fremd-DNA-Spuren untersucht worden?!
Am Fahrzeug wurden Fingerabdrücke gefunden die nicht weiter verfolgt wurden außer das SA und BD nicht Verursacher waren.
Also können diese "theoretisch" von BoD und ST sein. Genauso die männliche DNA am Kennzeichen - nicht weiter untersucht. Warum??

BoD wird unterstellt das er ja nicht der hellste ist, simpel ausgedrückt. SA soll aber so helle und zeitgleich so idiotisch sein das
er alle Spuren von ihr beseitigt in Garage/Trailer, und draußen, denn dort müsste mit Sicherheit Blut von ihr gewesen sein wenn er sie in seine Pit geworfen hat, er hat sie ja immerhin erschossen und zerstückelt, sie woanders verbrannt aber Teile der Knochen wieder mitbringt oder Teile des Telefons, den Wagen aber auf seinem Grundstück lässt, dilettantisch versteckt unter tausenden von anderen Autos, anstatt den gleich zu Schrotten. Wenn er alleine auf dem Grundstück oder in dem Bereich war hätte kein Hahn danach gefragt was er da gerade macht.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:An der befinden sich keine Knochensplitter, aber Opfer-DNA. Und laut Zellner kann ja anscheinend keine Gewehrkugel lediglich durch Weichteile eines Körpers gegangen sein, nein, ohne Knochensplitter kann die Kugel unmöglich getroffen haben und daher auch keine DNA legitim enthalten.
Doch kann sie natürlich, aber dann ist diese Kugel nicht durch den Schädel gedrungen. Und darum ging es doch, es wurde behauptet Kopfschuss und genau diese Kugel ist durch Schädel gegangen. Blut wurde meines Wissens auch nicht an der Kugel gefunden, und zumindest das müsste doch nachweisbar sein wenn so eine Kugel durch Gewebe dringt? Oder Gewebereste an sich? Es wurde nur gesagt "Ihre DNA befand sich drauf".
Das heißt nicht das die nicht da war, aber eben auch nicht das die Kugel vielleicht nicht kontaminiert wurde.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Das alles sollen wir also glauben, wenn wir Zellner folgen, aber die viel logischere Variante der Staatsanwaltschaft, die können wir nicht glauben?
Ich kann immer noch nicht eindeutig sagen er war es oder er war es nicht. Dafür sind dazu zu viele Fragezeichen wo es keine konkrete Antwort drauf gibt. Auf beiden Seiten. Und logisch ist auch die Variante der Staatsanwaltschaft nicht. Es kann eben auch jemand anders gewesen sein. Es kann auch er mit jemand anders gewesen sein, dann verstehe ich aber nicht warum er Brendan darunter leiden lässt.

@Rick_Blaine
Was bedeutet es eigentlich wenn ein Beamter Beweismittel "For safekeeping" aus der Beweissicherung holt? Was ist damit gemeint?
Danke schon mal falls du das beantworten kannst.


3x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 11:43
Die Staatsanwaltschaft war mittlerweile gezwungen einzuräumen, dass die Knochen illegal herausgegeben wurden. Sie räumt ebenfalls ein, dass sie nicht in der Lage ist, zu belegen, dass Suzanne Hagopian, Averys Anwältin 2011, jemals darüber informiert worden ist

zellner2


1x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 11:47
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:Die Staatsanwaltschaft war mittlerweile gezwungen einzuräumen, dass die Knochen illegal herausgegeben wurden. Sie räumt ebenfalls ein, dass sie nicht in der Lage ist, zu belegen, dass Suzanne Hagopian, Averys Anwältin 2011, jemals darüber informiert worden ist
Die Knochen wurden ja an die Familie herausgegeben die sie womöglich bestattet hat. Könnte man da nicht eine Exhumierung durchführen? Oder wurden die Überreste kremiert?


1x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 12:04
Zitat von RoadblockRoadblock schrieb:Meiner Kenntnis nach sind die Knochenreste doch gar nicht auf Fremd-DNA-Spuren untersucht worden?!
Am Fahrzeug wurden Fingerabdrücke gefunden die nicht weiter verfolgt wurden außer das SA und BD nicht Verursacher waren.
Also können diese "theoretisch" von BoD und ST sein. Genauso die männliche DNA am Kennzeichen - nicht weiter untersucht. Warum??
Das ist korrekt, des wegen wäre es essentiell, dass Zellner endlich das gesamte Spurenmaterial überprüfen kann, auch um diese Versäumnisse nachzuholen.
Zitat von RoadblockRoadblock schrieb:am Schlüssel wurde nur seine DNA gefunden soweit ich weiß, kein Blut.
Auch hier hast du recht, auf den Fehler hatte ich @Rick_Blaine aber gestern in einem anderen Post schon hingewiesen.
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Könnte man da nicht eine Exhumierung durchführen? Oder wurden die Überreste kremiert?
Das weiss man derzeit noch nicht, wie da bestattet wurde. Im forensischen Sinn gelten die Knochen auch dann als zerstört, wenn man sie ausgraben könnte, weil man eine gebrochene Beweismittelkette nachträglich nie wieder intakt bekommt, und daher nicht mehr belegen kann, dass welche Spuren man auch immer auf den Knochen findet, bereits 2005 darauf waren; die Knochen können daher nie mehr vor Gericht als Beweismittel benutzt werden. Es ist auch nicht ausreichend gesichert, dass DNA die man extrahieren könnte, nach 8 Jahren unter der Erde noch intakt wäre.


1x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 15:56
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:gebrochene Beweismittelkette

Nun waren diese Knochen ja nicht Teil der Beweiskette, die gegen Avery spricht.

Auch in Bezug auf das Merkmal eines relevanten Verfahrensfehlers, hier Beweismittelvernichtung, ist ja, wie schon mehrmals gesagt, entscheidend, ob ein wichtiges, ein entscheidungserhebliches Beweismittel ausgehändigt wurde. Eines, dessen Untersuchung das Urteil kippen könnte. Was könnte die Untersuchung ergeben? Nehmen wir an, der DNA-Test ergibt, dass es sich um Teresa Halbachs Knochen handelt. Hätte die Jury eine andere Entscheidung getroffen, wenn sie gewusst hätte, dass ein Teil von Teresa Halbachs Knochen in der Städtischen Grube gefunden wurde?

Ich gehe davon aus, dass das ganze Aufhebens um die Herausgabe der Knochen voraussichtlich ohne folgenschweres juristisches Nachspiel verpuffen wird.

1. Es muss sicher sein, dass durch das angestrebte Verfahren auch wirklich neue Ergebnisse zu erwarten sind. Wenn dies nicht der Fall ist, wären weitere Überlegungen bereits deswegen hinfällig.
2. Vielleicht sind auch wieder irgendwelche Beantragungsfristen nicht eingehalten worden.
3. Werden die Beweise, die gegen Avery sprechen, überhaupt berührt? Nein, die Knochen aus der Städtischen Grube wurden ja gerade nicht gegen ihn verwendet.
4. Es geht wie immer nur um den Nachweis des Plantings. Ein Beweis-Planting muss sich aus irgendeinem neuen Beweismittel zwingend ergeben und Rückschlüsse auf ein Planting auch der anderen Beweise zulassen.
Das ist aber nicht der Fall. Es gibt erstens andere denkbare Erklärungen für ein Verteilen der Knochen (s. Ausführungen von @Rick_Blaine
und Ken Kratz, der sich dazu auch geäußert hatte, evtl. wollte Avery auch die Spürhunde ablenken) und infolgedessen ergibt sich gar nicht die zwingende Annahme eines Plantings. Zweitens bleiben die Beweise, die die echte Kette bilden, sowieso bestehen. Dabei erscheint mir Eisenbergs Aussage bei der aktuellen Beurteilung wenig ausschlaggebend zu sein. Auch diese kann revidiert werden und steht nicht in Stein gemeißelt. Evtl. hat er die Leiche halbiert/zerstückelt und so transportiert oder er war eben doch in der Lage, die Knochen zu transportieren.


1x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

19.02.2019 um 17:56
Da ja schon mal danach gefragt wurde, ob man selbst eine potentielle Theorie hat, was passiert sein könnte, würde ich auch gerne meine Version beisteuern, sage aber explizit dazu, dass es eine Hypothese ist und nicht, dass es so und nicht anders war.

Wie es gewesen sein könnte (in Einklang mit den erhobenen Beweisen, die hier zur Genüge zitiert wurden):

Am Wochenende vor dem Tattag nimmt Averys Bruder Earl mit Verwunderung wahr, dass Avery seine Garage von seinem Wagen und größeren Geräten wie dem Schneemobil freiräumt, wofür Earl keine Erklärung finden kann. Angeblich soll SA auch an diesem WE Vorrichtungen installiert haben, um den Polizeifunk abzuhören. Anscheinend wirkt es, als hätte jemand einen Tatort und ein Verbrechen mit einfachen Mitteln grob vorbereitet. In der halbleeren Garage könnte er einfach auf den Boden und den späteren Tatort theoretisch Abdeckfolie geworfen haben und auf den Boden noch eine Decke. Dafür bedarf es keiner Dexter-liken Fähigkeiten, das kann jeder bewerkstelligen, der schon mal eine Zimmerdecke gestrichen hat.

Möglicher Ablauf der Tat:
Er legt sein eigenes Gewehr bereit und muss nur noch warten, bis TH aufs Grundstück kommt. Dort überwältigt er Teresa irgendwo um seinen Eingangsbereich herum (den er ja später angeblich intensiv mit einem Carpet Cleaner gereinigt haben soll). Er könnte die noch lebende TH und ihren Wagen in seine präparierte Garage geschafft haben. Am Ende von was auch immer zieht er ihr die Decke (vllt mit schwarz-weiß-rotem Muster, was die Kugel-Fasern erklären könnte) um den Kopf, schießt, die erste Kugel schlägt im Gemenge als Streifschuss quer und landet zwischen dem Geröll, wo er sie nicht wiederfinden wird. Zwei weitere Schüsse in den Kopf (belegt durch Knochenuntersuchung) beenden ihr Leben. Er könnte dann das tote Opfer in die Decke gewickelt und in den Fond ihres Wagen gelegt haben, was auch mit den Fotos vom Kofferraum und den dortigen Blutspuren in Einklang steht- es sieht aus, als wäre sie eingewickelt gewesen und nur die Haare bzw. der Kopf haben oben herausgeguckt. Er rafft die Folien zusammen und wirft alles mit in den Kofferraum. Dabei gehen ein paar kleinere Tropfen Blut daneben, ansonsten ist die Garage von der Tat unberührt.

Weitere Theorie: Er setzt mit dem Wagen zurück aus seiner Garage und rollt den RAV hinter sein Haus, wo er die Leiche in der Decke samt Folien aus dem Kofferraum in die Feuergrube legt. Circa um halb vier fährt er den Wagen vom Gelände, das Auto soll zu dieser Zeit gesehen worden sein, wie es in westliche Richtung weggefahren ist. Er biegt in die erste Straße links und folgt der Kussroad bis ans Ende, hinein in ein kleines Waldstück, was sich jetzt wieder nur noch 200 Meter von seinem Grundstück befindet. Laut Zellner gab es von dort 2005 noch einen kleinen Weg, der direkt zu Averys Trailer führt. Möglicherweise schließt er da schon da die Batterie kurz, vllt auch erst später, als er nach dem Rundflug der Polizei den Wagen in Panik zurückholt- selbiges gilt für seine Blutspuren, die vermutlich erst später dort landen werden.

An seinem Trailer angekommen wirft er die Technik in die Feuertonne, bekannter Rest des Tages. Er brennt die Feuer ab, holt Brendan zur Hilfe, geht vorm Aufräumen noch duschen und seine Kleidung waschen, dabei ist er wenig kommunikativ und von einer seltsamen Stimmung. Später wird Brendan sowohl den Ermittlern als auch seiner Mutter gegenüber von einer schwarz-rötlichen Flüssigkeit auf dem Boden erzählen, ein gesehener Fakt, der ihn anscheinend nachhaltig zu beschäftigen scheint.

Nach dem Verbrennen der Leiche in der Grube stellt Avery fest, dass die beiden großflächigen Hüftknochen immer noch erkennbar sind, er versucht sie zu zerteilen und beschließt sie später an einem anderen Ort nachträglich zu verbrennen, was auch ihre stärkere Zerstörung (!) als die der anderen Knochen erklären könnte. Das ändert aber nichts am initialen Verbrennungsort.

Nachdem die Polizei das Gelände überflogen hat, wird er nervös, er holt das Auto zurück, entfernt die licence plates, legt die Elektronik lahm, damit man das den Wagen nicht mehr via Bedienung auffinden kann. Während er im Motorraum hantiert, hinterlässt er eine DNA Spur. Beim Parken des Autos fängt seine Wunde an zu bluten, es bleibt eine ähnliche Spur wie auch schon in seinem eigenen Wagen zurück, die Fingerabdrücke (es wurden welche gefunden, diese waren aber nicht verwertbar) wischt er notdürftig weg. Das Auto stellt das größte Problem dar, denn er kann den immer wieder zitierten Car Crusher nicht alleine bedienen und braucht dafür Hilfe. Das ist dann ja auch der stärkste, erste Hint gewesen, der ihn mit dem Verbrechen in Verbindung bringt.

Gestützt wird diese These durch folgende erhobene Beweise: Diverse Zeugenaussagen über sein Benehmen am Nachmittag und am Vortag sowie das mehrfach beobachtete Feuer, die gefundene Kugel mit Teresas DNA und den drei Fasern, die Leiche in der Grube, ihr Besuch bei Avery, gefundene licence plates, der versteckte Schlüssel, der Wagen auf seinem Gelände, seine DNA auf dem Schlüssel, das Blut des Opfers im Fond, das Blut von Avery vorne im Auto, fraglich menschliche Hüftknochen in der öffentlichen Grube, die Garage als Tatort. Sein Gewehr als Waffe zur gefundenen Kugel, Tod wahrscheinlich durch zwei Schüsse in den Kopf, Reinigungsspuren auf einem kleineren Teil des Garagenbodens.
Das einzige, was meine persönliche Theorie darstellt, ist das Abdecken des Bodens und das mutmaßliche Gerangel, in welchem ein Streifschuss daneben ging. Das entspringt ausschließlich meiner eigenen Phantasie und soll keinesfalls heißen: Genauso war es und nicht anders. Alle anderen Dinge sind aber von den Ermittlern bewiesen.

Es gibt auch noch andere Möglichkeiten, zum Beispiel wäre eine andere Theorie bezüglich der Fasern (Rot, Schwarz, Weiß) auf der Kugel, dass sie von Teresas Kleidung stammen könnten: Sie trug angeblich ja schwarze Kleidung, viele Frauen tragen weiße Unterwäsche, dann bräuchte es nur noch ein Oberteil mit Rot darin. Leider ist das nicht mehr genauer untersucht worden oder wir haben zumindest nichts von solchen Ergebnissen erfahren.

Wie gesagt, ich möchte das alles nur als Theorie verstanden wissen. Es wäre aber zu sperrig gewesen alles im Konjunktiv zu schreiben mit vllt, eventuell, möglicherweise, hätte, könnte usw.


1x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

20.02.2019 um 03:24
Zitat von RoadblockRoadblock schrieb:am Schlüssel wurde nur seine DNA gefunden soweit ich weiß, kein Blut.
Das kann sein, sorry. Im Ergebnis ist es das Gleiche.
Zitat von RoadblockRoadblock schrieb:Auch widerspricht das mal dort mal hier verbrennen der Aussage von Eisenberg, das die Knochen NICHT bewegt wurden.
Diese Aussage wurde als korrekt hingenommen, und soweit ich weiß wurden auch keine Tests gemacht bezgl. der Schnittspuren an den Knochen, bitte korrigieren wenn ich falsch liege.
Hier haben wir offenkundig ein Problem. Zellner behauptet, die Knochen wurden bewegt. Ich sehe das in meiner Theorie ebenfalls. Und ich frage, woran genau will man erkennen können, dass sie nicht bewegt wurden? Ich meine mit "bewegt" allerdings in jedweder Form, durchaus vor dem Verbrennen, noch als Körperteile etc.

Ich glaube nicht, dass es sich wissenschaftlich eindeutig nachweisen lässt, dass aufgefundene Knochen nicht noch bewegt wurden seit der Mensch getötet wurde. Man muss hier ja bedenken, was Zellners Experte ganz korrekt sagt: es wurde nur ein Bruchteil der Knochen eines Menschen gefunden. Und Knochen zu verbrennen ist sehr schwierig. Es wurden Knochen an verschiedenen Orten gefunden.

Meiner Ansicht nach spricht das sehr stark für die These, dass die Leiche zerstückelt wurde und man versucht hat, die Teile an verschiedenen Orten zu verbrennen.

In dem Punkt gebe ich Zellner Recht, auch darin, dass höchstwahrscheinlich ist, dass es sich bei den im "gravel pit" gefundenen Knochen um Halbachs handelt. Insofern ist der juristische Streit um das Testen etc. inzwischen völlig irrelevant. Die Staatsanwaltschaft kann stipulieren, dass es sich um Halbachs Knochen handelt, ohne dass das irgendwie entlastend für Avery wirkt. Ich glaube kaum, dass irgendjemand, der an dem Fall beteiligt ist, glaubt, dass diese Knochen nicht Halbachs Knochen sind. Daher ist es völlig überflüssig, daraus dauernd einen sensationellen Fall stilisieren zu wollen. Formal gesehen ist wohl richtig, dass die Staatsanwaltschaft hier einen Fehler gemacht hat, aber für den eigentlichen Fall spielt das keine Rolle. Selbst wenn man nun annimmt, dass Zellner Recht hat und es sich um Halbachs Knochen handelt, ist das in keinster Weise entlastend.
Zitat von RoadblockRoadblock schrieb:Meiner Kenntnis nach sind die Knochenreste doch gar nicht auf Fremd-DNA-Spuren untersucht worden?!
Am Fahrzeug wurden Fingerabdrücke gefunden die nicht weiter verfolgt wurden außer das SA und BD nicht Verursacher waren.
Also können diese "theoretisch" von BoD und ST sein. Genauso die männliche DNA am Kennzeichen - nicht weiter untersucht. Warum??
Fremd-DNA an den Knochen finden zu wollen ist eher ein ungewöhnlicher Ansatz. Hier ging es ja darum überhaupt erst einmal nachzuweisen, dass es Halbachs Knochen sind.

Am Fahrzeug? Wo genau? Das Problem ist, Fingerabdrücke an der Aussenseite eines Fahrzeugs sagen leider nicht viel. Freilich, gäbe es keine anderen Spuren, wären sie interessant. Aber Fingerabdrücke an der Aussenseite wiegen nicht DNA-Spuren im Inneren eines Fahrzeugs auf. Mein SUV steht jeden Tag in der Tiefgarage meines Bürogebäudes. Ich habe keine Ahnung, wer im Laufe des Tages mein Fahrzeug antatscht. Ab und zu sehe ich Fingerabdrücke im Schmutz, was mich dann dazu bringt, dass ich mein Fahrzeug in die Waschanlage fahre. Mehr kann ich daraus nicht schliessen. Es wäre interessant, Bobbys Fingerabdrücke aussen zu finden, aber man müsste immer noch die DNA Stevens im Inneren erklären, bevor die Tatsache entlastend für Steven werden würde.
Zitat von RoadblockRoadblock schrieb:zumindest das müsste doch nachweisbar sein wenn so eine Kugel durch Gewebe dringt? Oder Gewebereste an sich? Es wurde nur gesagt "Ihre DNA befand sich drauf".
Das ist eben der Trugschluss, den Zellner gerne vermitteln möchte. Jeder, der sich mit forensischen Spuren ein wenig auskennt weiss aber, dass das Nicht-Vorhandensein von Spuren kein Beweis ist, dass ein Ereignis nicht stattgefunden hat. Mit anderen Worten: Wenn ich Ede Panzerknackers Fingerabdrücke an der aufgebrochenen Tresortür finde, ist das ein recht gutes Indiz, dass er den Tresor aufgebrochen hat. Wenn ich keine Fingerabdrücke finde, ist das noch lange kein Beweis, dass er es nicht getan hat. Im übrigen sagt Zellners Experte das ungefähr auch, wenn man sich noch einmal das Dokudrama dazu anschaut. Die Experten widersprechen ihr da relativ oft, wenn es um die konklusiven Folgerungen geht.
Zitat von RoadblockRoadblock schrieb:Was bedeutet es eigentlich wenn ein Beamter Beweismittel "For safekeeping" aus der Beweissicherung holt? Was ist damit gemeint?
Danke schon mal falls du das beantworten kannst.
Hm. Safekeeping heisst Sicherstellung, Sicherung. Ich muss umgekehrt fragen: was meinst Du mit "aus der Beweissicherung holen?"
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Eines, dessen Untersuchung das Urteil kippen könnte.
Wie immer, richtig.

@Millali
Ein durchaus schlüssiges Szenario das m.E. weitaus mehr Sinn ergibt, als die wilde Verschwörungstheorie um Bobby, Scott und Hillegas.


1x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

20.02.2019 um 08:47
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Hier haben wir offenkundig ein Problem. Zellner behauptet, die Knochen wurden bewegt. Ich sehe das in meiner Theorie ebenfalls. Und ich frage, woran genau will man erkennen können, dass sie nicht bewegt wurden? Ich meine mit "bewegt" allerdings in jedweder Form, durchaus vor dem Verbrennen, noch als Körperteile etc.
Ich weiß schon was du meinst und stimme dir auch zu im großen und ganzen zu. Ich habe mich da an die Theorie der Staatsanwaltschaft gehalten, wonach sie ja im ganzen auf ASY verbrannt wurde und nirgends anders. Aus eben dem Grund halte ich das nicht für irrelevant weil es, in meinen Augen, der Theorie der Staatsanwaltschaft widerspricht. Ich rede hier nicht von entlastend oder belastend. Sondern nur das es eben "nicht nur" so gewesen sein kann wie KK behauptet.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Fremd-DNA an den Knochen finden zu wollen ist eher ein ungewöhnlicher Ansatz. Hier ging es ja darum überhaupt erst einmal nachzuweisen, dass es Halbachs Knochen sind.
Du sagtest doch, keine DNA-Spuren von BoD oder ST am Opfer, und da nur Knochen von ihr über sind bleiben ja nur diese um untersucht zu werden. Geht ja nicht anders.
Aber es wurde ja auch am Fahrzeug gar nicht erst weiter untersucht zu wem die Fingerabdrücke gehören, wem gehört die DNA am Kennzeichen. Würde sich rausstellen, die gehört nicht SA, auch nicht BD, wäre es ja die Möglichkeit einer Third-Party gegeben, stellt sich raus die gehören einem von den beiden, ein weiterer Beweis für die Schuld. Bleibt die Frage warum dem nicht nachgegangen wurde.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Hm. Safekeeping heisst Sicherstellung, Sicherung. Ich muss umgekehrt fragen: was meinst Du mit "aus der Beweissicherung holen?"
seps13 schrieb:
Ich meine damit, wenn Beweise aus der Verwahrung geholt werden (also schon als Evidence sichergestellt) und in diesem Protokoll einfach nur eingetragen wird "For Safekeeping". Wenn nicht hervorgeht wohin genau die Sachen transportiert werden.
Ist doch in diesen neuen Protokollen aufgetaucht.


2x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

20.02.2019 um 11:13
Ich halte es für sinnvoll, hier noch einmal aus rechtlicher Perspektive zu strukturieren und ein grundsätzliches Verständnis für die aktuelle Situation zu schaffen, um die vielen "Aufreger der Woche" realistisch einschätzen zu können. @Rick_Blaine, du hast es ja schon wiederholt getan, ich fasse auch noch einmal zusammen.
Zitat von RoadblockRoadblock schrieb:Selbst wenn das nur dazu dient einen neuen Prozess zu führen, immerhin könnte man dann mal alles aufdecken und nicht nur ausgesuchte Stücke und entweder er war es oder er war es nicht.
Da müssen wir genau sein. Avery ist rechtskräftig verurteilt. Er will das nicht akzeptieren und möchte, dass sein ganzes Verfahren noch einmal wiederholt wird. Das macht man aber natürlich nicht einfach so, nur weil der Verurteilte das wünscht und der geneigte Netflix-Zuschauer ihm zustimmt. Man macht es auch nicht wegen aufgedeckter Fehler, die auf den Schuldspruch aber keinen Einfluss hatten. Der rechtskräftig Verurteilte muss nun also (netflixunabhängig) seine Unschuld nachweisen oder zumindest derart Zweifel an seiner Schuld säen, dass ein Gericht eine nochmalige Hauptverhandlung für geboten hält. Dafür gibt es bestimmte Voraussetzungen. Da ich mich mit amerikanischem Recht nicht auskenne, beschreibe ich diese analog deutschem Recht und deutscher Rechtsprechung.

Ein Wiederaufnahmeverfahren (bei uns der klassische Fall nach § 359 Nr. 5 StPO) kommt nicht in Betracht, wenn keine neuen Beweise, die geeignet sind, die Unschuld zu beweisen, vorgebracht werden. Die Beweise müssen also neu (und nicht bereits Gegenstand eines früheren Verfahrens gewesen) sein und sie müssen zudem geeignet für den Unschuldsnachweis sein. Diese beiden Voraussetzungen sollten wir im Hinterkopf behalten.

Wie will nun die Verteidigung die Unschuld von Avery nachweisen? Sie muss an die Kernindizien ran. Jeder Wiederaufnahmespezialist sucht als erstes in einem Fall die Kernindizien, die Grundlage für den Schuldspruch waren und versucht, diese anzugreifen.
Kernindizien sind in unserem Fall nachgewiesene DNA- und Blutspuren von Avery im Auto des Opfers. Diese Indizien bekommt die Verteidigung nur weg über den Beweis eines Plantings und dieser Beweis müsste zudem neu sein.

Vor diesem Hintergrund sind die meisten, wenn nicht alle Anträge Zellners zu bewerten. Sind ihre Beweise neu und geeignet, ein Planting zu beweisen?

Der letzte hoch aufgehängte Verfahrensfehler um nicht abgesprochene Knochenherausgabe, Nicht-Dokumentation und fehlende Aktenseiten zum Beispiel - Ist er als Beweismittel neu und geeignet?

Neu ja, aber voraussichtlich nicht geeignet.

Er kann unschädlich gemacht werden, indem das von Avery angestrebte Ergebnis der Untersuchung einfach angenommen (oder stipuliert :) ) wird. Dann wäre der Fehler als solches natürlich zu rügen, könnte aber für Averys Antrag egal sein. An der Stelle kommen die Überlegungen von @Rick_Blaine ins Spiel und man kann bereits jetzt erkennen, welche Möglichkeiten der Erwiderung StA und Gericht haben.
Zitat von RoadblockRoadblock schrieb:Aus eben dem Grund halte ich das nicht für irrelevant weil es, in meinen Augen, der Theorie der Staatsanwaltschaft widerspricht. Ich rede hier nicht von entlastend oder belastend. Sondern nur das es eben "nicht nur" so gewesen sein kann wie KK behauptet.
Das ist tatsächlich ein interessantes und rechtlich gesehen spannendes Argument.

Ich übertrage mangels Kenntnis des lokalen Rechts wieder aus der dt. Rechtsprechung:
Es ist dem Wideraufnahmegericht tatsächlich nicht erlaubt, eine in der Hauptverhandlung getroffene, jedoch unhaltbar gewordene Feststellung einer den Schuldspruch begründenden Tatsache (s. Kernindizien) im Nachhinein durch eine andere zu ersetzen. Die Frage ist nun, ist die Feststellung des Nichtbewegens von Knochen
1. unhaltbar geworden? (meiner Meinung nach zu verneinen, da sie sich auf "nicht mehr ummantelte" Knochen bezog)
2. war diese Feststellung überhaupt wesentlich für den Schuldspruch? (Meiner Meinung nach auch zu verneinen).

Wir können damit festhalten, dass das Beweismittel DNA-Knochenuntersuchung mit neueren Methoden
- neu ist
- ungeeignet ist für die Beweisbehauptung Planting
- nicht zwangsläufig ein wesentlicher Bestandteil des den Schuldspruch feststellenden Tathergangs war, so dass eine Abweichung vom Tathergang, wenn sie denn wirklich eingeräumt werden müsste, folgenlos bleibe.


1x zitiertmelden

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

20.02.2019 um 11:36
Zitat von MillaliMillali schrieb:Anscheinend wirkt es, als hätte jemand einen Tatort und ein Verbrechen mit einfachen Mitteln grob vorbereitet. In der halbleeren Garage könnte er einfach auf den Boden und den späteren Tatort theoretisch Abdeckfolie geworfen haben und auf den Boden noch eine Decke. Dafür bedarf es keiner Dexter-liken Fähigkeiten, das kann jeder bewerkstelligen, der schon mal eine Zimmerdecke gestrichen hat.
Diesen Einfall finde ich sehr überzeugend und eine solche Vorbereitung würde auch das Nichtvorhandensein übermäßiger Spuren, die ja immer wieder eingefordert werden, plausibel erklären. Eine vorbereitete Tat passt übrigens auch zu Brendans Geständnis.


Anzeige

melden