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7.161 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Bücher, Lesen, Literatur ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

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02.07.2022 um 00:54
Schmerzmacher - von Veit Etzold

Plot ist wirklich spannend und gut gewählt, wobei ich Etzolds Schreibstil aber zum Teil sehr überzogen und Effekt hascherisch empfinde.

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02.07.2022 um 10:33
Doch die Sünde ist scharlachrot:

von Elizabeth George

Ein Mann wandert die Küste Cornwalls entlang. Seit Wochen hat er nicht mehr in einem Bett geschlafen, sich gewaschen, sich rasiert. Als er über der Klippe bei Polcare Cove innehält, bleibt sein Blick an etwas Rotem hängen. In der Tiefe liegt ein zerschmetterter Körper. Was zunächst wie ein Unfall aussieht, entpuppt sich als Mord. Und unter den Verdächtigen ist auch der einsame Wanderer: Inspector Thomas Lynley, der nach dem tragischen Tod seiner Frau und seines ungeborenen Kindes sein Heil in der Flucht suchte ...

snde

Wow, 761 Seiten


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02.07.2022 um 13:36
Zitat von fornedifornedi schrieb:Schmerzmacher
Worum geht es da, welches Genre ist das?


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04.07.2022 um 00:26
Ernst Weiß - Franziska

Franziska

Der jüdisch-österreichische Arzt und Schriftsteller Ernst Weiß, gebürtig in Brünn, veröffentlicht 1916 einen Roman einer Musikerin, die aufgerieben wird zwischen Kunst, Selbständigkeit und Liebe.

Franziskas Mutter stirbt 1911 und hinterlässt in einem Dorf im Riesengebirge (heute Grenzland zwischen Tschechien und Polen) drei Töchter. Die ältere Tochter wird Lehrerin, die zweite geht als Dienstmädchen nach Prag, die siebzehnjährige Franziska lässt sich ihr Erbe (160 Kronen, heute wären das etwa 1000 Euro) ausbezahlen und fährt nach Prag, um einer bekannten Sängerin am Klavier vorspielen zu können, nachdem ihre Einkünfte als Klavierlehrerin im Dorf wegbrechen, als der Lebensmittelhändler seine Tochter nicht mehr von ihr unterrichten lässt.

Franziska ist eine akribische Klavierspielerin, die Noten in der Nacht abschreibt, um sie in ihrem Gedächtnis einbrennen zu können. Andererseits ist ihr Spiel sehr von ihrer Gefühlslage abhängig. Sie kann schlecht spielen, aber sie kann konkurrenzlos gut sein. Ihre zweite Probe gelingt so gut, dass sie einen Vertrag mit einem Konzertagenten abschließen kann. Ihr erstes Konzert in Prag war ein Riesenerfolg, ihr zweites in Berlin (nach einer misslungenen Probe) wird von ihrer Förderin Leonore Constanza kommentiert, dass sie Gott nicht weiter herausfordern solle.

Die zweite Ebene des Romans ist die Beziehung Franziskas (einer Schulwarttochter, was im Dorf als "bürgerliche Familie" zählt) zu dem auch aus dem Dorf stammenden arbeitslosen, ebenso elternlosen Techniker Erwin, der in Berlin bei einer Telegraphenfirma gearbeitet hat und von einem Südamerikaauftrag mit Malaria zurückgekommen ist und den Job verloren hat. Nun versucht er sich durch Selbststudium als Erfinder im Radiobereich durchzusetzen.

Erwin ist hin und her gerissen zwischen seiner Berliner Liebe Hedy, einer Stenotypistin, und der intelligenten, schönen, aber spröden Franziska. Immer wieder verlässt er beide, um zur anderen zu fahren, und Hedy droht mit Selbstmord. Beim Berliner Konzert Franziskas wohnt Hedy im selben Hotel, in das Franziska und Erwin ziehen. Hedys 50-jähriger Sugardaddy, ein reicher polnischer Kaufmann, steckt sie vermutlich mit Syphillis an, und am Ende stirbt sie in den Armen Franziskas, während Erwin versucht, Hilfe zu holen. Ob Hedy an Syphillis stirbt oder an Gift, bleibt offen, wie auch das weitere Schicksal Franziskas und Erwins.

Weiß thematisiert in diesem Roman die Abhängigkeit junger Frauen von Männern. Während Hedy anhänglich ist, was Erwin eigentlich von einer Frau wünscht, ist Franziska eigenständig und wünscht unabhängig zu sein. Dies wird bereits zu Beginn des Romans klargestellt:
Ich will in meinem Leben keinen Zwang, aber auch keine romantischen Ideen. Ich brauche niemand. Ich will, daß man mich in Frieden läßt. ... Ich will mit niemand gehen, allein sein, allein bleiben für alle Zeit.
Dennoch ist sie überwältigt von ihrer Liebe zu Erwin:
Sie mußte ihm alles geben, ob er es wollte oder nicht. Liebe, Zeit, Geld, ihre Kunst, Körper, Seele und Zukunft. ... Mit dem ungebrochenen Fanatismus ihrer Jugend wollte sie sich ihn erobern und dann die ganze Welt: sie mußte Egoistin sein, tausendmal mehr Egoistin als bis jetzt. Aber nicht mehr für sich allein, nicht mehr nur für dieses ewig hungrige, ewig unersättliche, erbittert gierige »Ich«, sondern für Erwin und sich zugleich, für sich und für den Menschen, an dem sie mit allen Fasern ihrer starken Seele hing.
Es ist die Krankheit Erwins, die sie anzieht. Krankheit, ein Thema, das den Roman durchzieht. Franziska pflegt Erwin aufopferungsvoll, als er von einer Berlinfahrt zu Hedy mit 40 Grad Fieber zu Franziska zurückkommt.
Erwin mit seiner Kränklichkeit, mit seinem grauen Gesicht, mit seinen matten, aber immer noch schönen Mädchenaugen wühlte Ekel, Sehnsucht, Grauen in ihr auf.
Das Hin und Her sowie die Frage, ob in dieser Dreierbeziehung überhaupt Liebe im Spiel ist (immer wieder äußern die drei, dass sie sich eigentlich nicht lieben würden), stellt Weiß in den Kontext einer verdinglichten Welt, in der Menschen technischen Geräten wie einem Fetisch ihre Liebe zuwenden würden und daher nicht mehr einer zwischenmenschlichen Liebe fähig seien:
Aber es gibt heutzutage gar keine Liebe mehr. Es gibt ja dafür tausend andere Sachen, die man früher nicht gekannt hat. Automobile, Marconitelegraphie (darin ist dein Erwin Meister), Aeroplane, Grammophone, aber Liebe? Vielleicht gibt es noch Menschen, die sich das einbilden ...
Aber auch der Wunsch nach männlicher Dominanz wird durch Erwin personalisiert. So, als er in Berlin Hedy krank sieht:
Gesunken, krank, hilflos, elend, so wie sie jetzt war, so liebte er sie. ... Klebrig, ekelhaft war alles, alles griff nach ihr und ließ sie nie mehr ganz los, allzu nahe drängte sich Kummer, Lust und Elend an sie heran.
Erwin fragt sich, warum er denn eigentlich Franziska nicht liebe, sie sei doch "schön und jung und gut". Mit ihr müsse er doch glücklich werden. Aber er gibt sich die Antwort selbst:
Wäre die Constanza nie nach Prag gekommen, dachte Erwin, dann wäre Franziska das geblieben, was ich bin, wir hätten uns vertragen als zwei gleiche Menschen mit einem mäßigen Einkommen, einer mäßigen Liebe, mit mäßigen Wünschen. Wo sind wir jetzt? Sie ist am Anfang, ich bin am Ende.
Es ist ihr beginnender Erfolg als Pianistin, seine drohende Abhängigkeit, da er selbst sich in einer beruflichen Sackgasse sieht.

Aber: Weiß lässt das Ende offen, und wer 1916 zu dem Roman griff, wusste genau, dass danach der große Krieg folgte und alles ganz anders wurde. Aber wie?

Ernst Weiß war übrigens ein Freund von Franz Kafka und gemeinsam haben sie diesen Roman in Dänemark lektoriert.

Das Dorf, aus dem Franziska stammt und aus dem sie entkommen will, bleibt zwar ungenannt, aber vom Nachbardorf Johannisbad findet sich auf Wikimedia eine Photochrom-Aufnahme aus dem Jahr 1900:

Johannisbad 1900Original anzeigen (4,2 MB)


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04.07.2022 um 11:27
Arno Holz - Ein Tod

Holz-Tod

Diese 1889 entstandene kurze Erzählung ist mehr eine Studie, wie ein naturalistisches Schreibverfahren angewendet werden kann. In einer Studentenbude sind zwei Studenten (Jens und Olaf) mit dem bei einem Duell tödlich verwundeten dritten Studenten (Martin) konfrontiert. Ihre Gespräche bzw. die Aussagen der Zimmerwirtin bilden bis zum Tod Martins den Kern des Textes. Gezeigt werden die Verwirrung bzw. das Überfordertsein in Echtzeit, die Sätze sind nicht konstruiert, sondern der Realtität nachgebildet, abgehackt, oft grammatikalisch falsch. Erzählerische Überleitungen sind streng neutral. Nur das durch Sinne Wahrnehmbare wird geschildert. Es gibt keinerlei Kommentare. Kritik am Duellwesen wird nur durch den Mund der Zimmerwirtin geäußert. Vor- und Nachgeschichte gibt es keine, wir wissen nicht mal, in welcher Stadt das Ereignis spielt.

Mit dieser Schreibform greift Holz (wohl gemeinsam mit Johannes Schlaf) in die Zukunft des Schreibens, in das Genre der Kurzgeschichte, der Short Story.


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04.07.2022 um 18:35
Besuch vom Mars (Wastl 11)

Wastl-11

Das ist wieder mal eine lustige Geschichte. Die Goldmasken haben eine Rakete zum Mars geschickt, um Bodenproben auf die Erde zu holen. Da Ricky beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre den falschen Hebel zieht, landet die Kapsel in einer alten Tempelstadt in Mexiko. Da Konkurrenten die Kapsel stehlen wollen, sausen Wastl und die anderen mit einer Rakete nach Mexiko. Die Konkurrenten werden ausgeschaltet, aber vom Mars kam eine lächelnde kleine Raupe mit, die im Sonnenlicht wächst und den örtlichen Bauern die Maisfelder kahlfrisst. Die nun riesige Raupe ist gegen Gewehr- und Kanonenkugeln immun, diese prallen ab, also wird sie in eine Rakete gesteckt und zum Mars zurückgeflogen, wo sie die kleinen Räupchen verwundert anstarren.


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05.07.2022 um 15:30
@Narrenschiffer

Ah! Der Wastl! Der deutschsprachige Superman. ;)
Du hast jetzt gerade eine jahrzehntelang zurück liegende Erinnerung in mir geweckt. :D


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08.07.2022 um 17:54
Doch die Sünde ist scharlachrot:

von Elizabeth George

Langweilig.

Bei Seite 378 hab ich endgültig aufgegeben.

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In eisiger Nacht:

von Tony Parsons

Ein Schicksal, schlimmer als der Tod

London, an einem frostigen Wintermorgen. Bei einem Einsatz erwartet Detective Max Wolfe ein schrecklicher Anblick: In einem Kühllaster liegen zwölf erfrorene Frauen. Offenbar hatten sie noch versucht, sich aus ihrem eisigen Gefängnis zu befreien - vergeblich. Alles deutet darauf hin, dass sie von Schleusern illegal ins Land geschafft wurden. Doch warum mussten sie sterben? Als man im Führerhaus des Lasters nicht zwölf, sondern dreizehn Pässe entdeckt, schöpft Max Hoffnung: Wo ist die dreizehnte Frau? Lebt sie vielleicht noch? Auf der Suche nach ihr tauchen Max und seine Kollegen tief in die dunkle, gefährliche Welt des Menschenhandels ein - und nicht jeder von ihnen wird lebend zurückkehren ...

nacht


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08.07.2022 um 23:21
Oscar Wilde - Das Bildnis des Dorian Gray

Wilde-Gray

1890 ist dieser Roman von Oscar Wilde erschienen und gilt als einer der ganz großen des Fin de Siècle, der abschätzig als Dekadenzepoche des ausgehenden 19. Jahrhunderts bezeichneten Literatur und Kunst.

Wilde zertrümmert die englische Oberschicht, die er als Ire in Oxford und London kennengelernt hat, am Beispiel seiner Hauptfigur Dorian Gray, eines reichen jungen Schönlings, der unter den Einfluss des Hedonisten und Soziopathen Lord Henry Wotton gerät und sein Leben danach ausrichtet. Lord Henry lernt er als Jüngling im Atelier des Malers Basil Hallward kennen, der - von Grays Schönheit angezogen - ein Porträt von ihm malt. Dieses Bild nimmt Gray zu sich nach Hause, und nachdem er eine junge Schauspielerin, der er die Ehe verspricht, nach einem schlechten Auftritt verlässt und diese sich das Leben nimmt, bemerkt er, dass das Bild grausame Züge annimmt. Gray erinnert sich daran, dass er nach Vollendung des Bilds den Wunsch geäußert hat, das Bild möge altern und er selbst für immer sein jugendliches Äußeres behalten. So ist es auch.

In vielen Oberschichtgesprächen erfahren wir, dass Gray während der nächsten 20 Jahre ein ausschweifendes Leben führt, das nur sein narzisstisches Ego befriedigen will, während er das Bild im Dachboden wegsperrt. Männerfreundschaften zerbrechen, Frauen werden ins Unglück gestürzt, er selbst gibt sich dem Opiumrausch hin, ohne dass sein Äußeres altert, was ihm auch das Leben rettet, als der Bruder der Schauspielerin ihren Tod 18 Jahre später rächen will, aber mit dem Gesicht eines 20-Jährigen nichts anfangen kann. Er denkt, sich geirrt zu haben.

Sein Bild jedoch wird immer mehr zur Fratze, und als er eines Tages Hallward zu sich holt und ihm das Bild zeigt, ermordet er ihn und lässt die Leiche nach einer Erpressung von einem ehemaligen, naturwissenschaftlich gebildeten Freund in Salpetersäure auflösen. Der Freund wird sich das Leben nehmen.

Grays Leben endet nach einem Jagdunfall, der Bruder der Schauspielerin wird versehentlich erschossen, und nach einem langen Gespräch mit Lord Henry, als er mit einem Messer das Bild zerstören will. Seine Diener finden Grays Leiche vor einem Bild, das ihn in seiner jugendlichen Schönheit zeigt, während Grays Gesicht welk, zerfurcht und hässlich ist.

Wilde zerlegt mit Gray den Hedonismus der Oberschicht (vielleicht auch seinen eigenen), einer Schicht, die er "Faulenzerklasse" nennt. Auch wenn das Äußere schön und edel erscheint, die Seele wird durch extremen Egoismus, der andere Menschen nicht wahrnimmt und verachtet, zerfressen.

Wer Action erwartet, ist sicherlich enttäuscht, die Ausschweifungen Grays werden in vielen Gesprächen nur angedeutet, womit das Lesen sich durchaus dahinzieht, da so richtig sich nicht erschließt, worin Grays Vergehen liegen. Der Mord am Maler kommt ziemlich unvermittelt, wonach Wilde jedoch sehr zügig den Roman einem Ende zuführt. Das Anrüchige, das dem Roman zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung anhaftete, liegt wohl eher darin, dass die Leserschaft sich Grays Handeln in ihrer Fantasie ausschmücken konnte.


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09.07.2022 um 11:41
Autoritäre Dynamiken. Alte Ressentiments - neue Radikalität

Autoritaere DynamikenOriginal anzeigen (0,2 MB)

Für die von der Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne) sowie der Otto-Brenner-Stiftung (IG Metall) in Auftrag gegebenen Leipziger Autoritarismus-Studie 2020 wurden im Mai und Juni 2020 2503 Menschen in Deutschland zu verschiedensten Themen befragt, um herauszufinden, wie autoritäres Gedankengut in Deutschland verankert ist. Diese Studie wird seit 2002 zweijährlich unter der Leitung von Elmar Brähler (Mathematiker, Physiker, medizinischer Psychologe und Soziologe) sowie Oliver Decker (Sozialpsychologe) herausgegeben.

Die Studie 2020 ist interessant, da sie bereits zur Zeit der Querfrontdemonstrationen zu den Corona-Maßnahmen durchgeführt wurde, bei denen Mitorganisation und Führerschaft durch Rechtsextreme von einer großen Zahl von Menschen toleriert worden ist.

Bei der Erstellung der Fragen wird den Autoritarismus-Theorien der Frankfurter Schule (Adorne, Horkheimer u.a.) sowie den Kategorien des US-Autoritarismus-Forschers Robert Altemeyer gefolgt.

Hier nun die Fragen und die Ergebnisse für Gesamtdeutschland (S. 35-36):

Aut-Erg-1Original anzeigen (0,3 MB)

Aut-Erg-2Original anzeigen (0,6 MB)

Für Gesamtdeutschland lässt sich ein Trend seit 2002 ermitteln, dass autoritäres, rechtsextremes und antisemitisches Gedankengut in der Bevölkerung abnimmt.

Es werden zwar noch Aufschlüsselungen angeboten, aber selbst die Ergebnisse für die ehemaligen DDR-Gebiete ("Ost") sind wohl aufgrund ihres kleinen Samples schon sehr sprunghaft und statistisch schwer zu erfassen. Eine Aufgliederung nach Alter, Geschlecht, soziale Stellung, Einkommen wird zwar präsentiert, dürfte aber eine zu große Streuungsbreite beinhalten.

Die FAQ zu dieser Studie sowie die Studie als PDF finden sich auf der Homepage der Universität Leipzig (Archiv-Version vom 29.06.2022).


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10.07.2022 um 13:44
Erich Hackl - Abschied von Sidonie

Hackl-Sidonie

1989 erschienen, wurde dieses Buch über ein in Auschwitz-Birkenau verstorbenes Romni-Mädchen zu einem der ersten österreichischen Bestseller des Genres Dokufiktion. Der Erzähler wird zwar als "Chronist" bezeichnet, dennoch fließt seine Haltung zu den Ereignissen immer wieder ein. Inhaltlich hält sich der Roman an Realitäten, es werden auch Dokumente - zum Beispiel Behördenbriefe - wörtlich zitiert.

Der Plot: 1933 wird beim Krankenhaus der oberösterreichischen Stadt Steyr ein Neugeborenes abgelegt, vom äußeren Erscheinungsbild eindeutig eine Romni. Nach einem ersten gescheiterten Versuch, Pflegeeltern zu finden (der Mann lehnt das Mädchen ab), wird Sidonie Adlersburg von der Arbeiterfamilie Josefa und Hans Breirather aus einer kleinen Arbeitersiedlung südlich von Steyr in Pflege genommen, jedoch nicht adoptiert. 1943 wird Sidonie gegen den Willen ihrer Pflegeeltern, die auch für den Widerstand tätig sind, zu ihrer leiblichen Mutter in ein Zigeunerlager nach Hopfgarten in Tirol überstellt und von dort nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie an Typhus stirbt.

Hackl präsentiert eine nach Zusammenbruch der Waffenindustrie in den 1920er Jahren krisengebeutelte Industrieregion mit hoher Arbeitslosigkeit. Etwa die Hälfte der mehr als 20.000 Einwohner erhält staatliche Unterstützung. Krankheiten wie Tuberkolose und Rachitis sind unter Kindern weit verbreitet. Hans Breirather schafft es, in den Steyr-Werken Arbeit zu finden, und er ist in Kontakt mit dem 1933 verbotenen Republikanischen Schutzbund (einer bewaffneten paramilitärischen Teilorganisation der österreichischen Sozialdemokratie), er versucht im Februar 1934 an einem Aufstand gegen die autoritäre Regierung teilzunehmen, der von Armee und Heimwehren (faschistische paramilitärische Organisationen) niedergeschlagen wurde. Im Gegensatz zu vielen anderen Arbeitern schließt sich Breirather nicht den während der Ständestaatsdiktatur illegalen Nationalsozialisten an, sondern hält auch während der deutschen Besatzung Österreichs Kontakt zum kommunistischen Widerstand, wird jedoch nie verraten. In die Wehrmacht wird er nicht eingezogen, da er als kriegswichtiger Arbeiter gilt. Nach dem Krieg wird er als Linkssozialist kurzzeitig Bürgermeister der Gemeinde Sierning (südlich von Steyr).

Sidonie Adlersburg ist am Familiengrabstein in Steyr angeführt.

1943gest-sidonie-adlersburg-grabsteinOriginal anzeigen (0,3 MB)

Von Sidonie sind einige Fotos überliefert, so dieses Portrait aus dem Jahr 1943:

1943-sidonie-adlersburg3

Diese Bilder und mehr auf der Seite der steyrerpioniere.


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10.07.2022 um 19:54
Derzeit dreigleisig unterwegs.

The Daily Stoic
Wie findet man das wahre Glück? Wie lässt sich Erfolg wirklich bemessen? Und wie geht man mit den Herausforderungen des Alltags wie Wut, Trauer und der Frage nach dem Sinn des Ganzen um? Was große Geister wie George Washington, Friedrich der Große, Weltklassesportler oder Top-Performer längst für sich entdeckt haben, liegt mit »Der tägliche Stoiker« erstmals gesammelt vor.

New York Times-Bestsellerautor Ryan Holiday und Stephen Hanselman haben das Wissen der Stoiker in 366 zeitlose Lektionen verpackt und zeigen, dass die Philosophie des Stoizismus nicht nur zeitlos, sondern gerade für unsere hektische und unsichere Zeit ein Segen ist. Weisheit, Mut, Gerechtigkeitssinn und Selbstbeherrschung sowie Gelassenheit lassen sich erlernen und helfen uns, in der zunehmenden Komplexität unserer Welt zu bestehen. Die uralten Weisheiten der Stoiker, gesammelt und kommentiert, unterstützen bei diesen alltäglichen Herausforderungen.
Quelle: https://www.amazon.de/s?k=the+daily+stoic&adgrpid=1192970769068291&hvadid=74560790992973&hvbmt=be&hvdev=c&hvlocphy=127998&hvnetw=o&hvqmt=e&hvtargid=kwd-74560874223767%3Aloc-72&hydadcr=10744_2173584&tag=hyddemsn-21&ref=pd_sl_76f4cyyi8z_e

Da das Buch eher wie so ein Abreißkalender gestaffelt ist, mit einer Lektion pro Datum, lese ich das nicht durchgängig. Die Seiten bestehen je aus einem Zitat eines bekannten Stoikers und einer zugehörigen Ausführung des Autors Ryan Holiday, welcher sich hauptsächlich mit Stoizismus beschäftigt. Mich interessiert das Thema, deshalb hab ichs mir auf Empfehlung eines Freundes geholt. Liest sich sehr gut, sehr wertig umgesetzt und hilft einem manchmal, nicht so schnell einen hohen Puls zu kriegen. Ich mags.

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s-l1600
Seit vielen Jahren überzeugt Dr. Gerd Kommer immer mehr Sparer und Anleger von den Vorteilen einer Geldanlage in Indexfonds und ETFs. Sein Buch gilt seit etlichen Jahren zu Recht als Standardwerk und liegt inzwischen in der völlig überarbeiteten und erweiterten 5. Auflage vor. Eine Website zum Buch ergänzt die Informationen. Leser erhalten also nicht nur den neuesten Stand zu allen zentralen Aspekten der Vermögensbildung und den besten Anlagemöglichkeiten, sondern auch Zugriff auf ein Tool, das ihnen dabei hilft, die Konzepte und Empfehlungen auch umzusetzen.
Quelle: https://www.hugendubel.de/de/buch/gerd_kommer-souveraen_investieren_mit_indexfonds_und_etfs-30642189-produkt-details.html?adCode=132Q20X31N11A&utm_source=bing&utm_medium=cpc&utm_campaign=09_Shopping_B%C3%BCcher&utm_term=4575892533599977&utm_content=B%C3%BCcher

Hauptsächlich lese ich dieses Buch derzeit. Mein Fokus liegt in den letzten Jahren ohnehin auf Lektüre aus dem Finanzbereich. Das Buch gehört wohl eher zu den Basics zum passiven Investieren. Sehr zu empfehlen für jeden, der an dem Thema interessiert ist. Gibt's im Übrigen auch in abgespeckter Form für Einsteiger.

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cover.doOriginal anzeigen (0,3 MB)
Die Wahrheit über die Lüge

»Das war ich nicht«, »Ich stand im Stau«, »Die Rente ist sicher« - bis zu 200-mal am Tag werden wir belogen, sind aber nicht in der Lage, Lügen auch als solche zu erkennen, sondern verlassen uns stattdessen auf unseren ahnungslosen Bauch, um herauszufinden, ob andere ehrlich sind. Jack Nasher, Psychologe und Jurist, zeigt auf eindrucksvolle Weise und anhand von vielen Beispielen, wie man in kürzester Zeit Lügen durchschauen und die Wahrheit herausfinden kann. Ungelogen!
Quelle: https://www.hugendubel.de/de/taschenbuch/jack_nasher-durchschaut-16846028-produkt-details.html?adCode=132Q20X31N11A&utm_source=bing&utm_medium=cpc&utm_campaign=09_Shopping_B%C3%BCcher&utm_term=4575892533599978&utm_content=B%C3%BCcher

Mir steht nicht immer der Kopf nach Finanzliteratur, daher lese ich parallel dazu meist noch etwas weniger schwere Kost. Ich mag die Bücher von dem Nasher. Er hat einen sehr übersichtlichen, knackigen Stil ... sehr kurzweilig. Hatte bei jedem Buch von ihm bisher das Gefühl schlauer als vorher zu sein, vom Inhalt bleibt auch schon nach einmaligem Lesen viel hängen. Ich arbeite bei solchen Büchern aber auch mit Markierungen und streich mir wichtige Passagen an. In regelmäßigen Abständen nehme ich die Bücher dann wieder mal aus dem Regal und um den Inhalt aufzufrischen. Seit den Büchern von Dale Carnegie hab ich mir das angewöhnt.

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Für unterwegs im Audible momentan:

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Zwei weise Männer, eine Botschaft

Sie sind zwei der bedeutendsten Leitfiguren unserer Zeit: Seine Heiligkeit der Dalai Lama und Erzbischof Desmond Tutu. Obwohl ihr Leben von vielen Widrigkeiten und Gefahren geprägt war, strahlen sie eine Freude aus, die durch nichts zu erschüttern ist.

Im Buch der Freude vereinen die "Brüder im Geiste" ihre immense Lebenserfahrung und die Weisheit ihrer Weltreligionen zu einer gemeinsamen zentralen Erkenntnis: Nur tief empfundene Freude kann sowohl das Leben des Einzelnen als auch das globale Geschehen spürbar zum Positiven wandeln. Unabhängig von allen Herausforderungen und Krisen, mit denen wir täglich konfrontiert werden, können wir diese Energie in uns entfalten und weitergeben. So wird die Freude zur Triebkraft, die unserem Dasein mehr Liebe und Sinn verleiht - und zugleich Hoffnung und Frieden in unsere unsichere Welt bringt.
Quelle: https://www.hugendubel.de/de/ebook_epub/dalai_lama_desmond_tutu_douglas_abrams-das_buch_der_freude-26256222-produkt-details.html?s24clid=4a3fd647-c475-414d-8a76-04e0fc1362c3&utm_campaign=pd&utm_medium=pdm&internal-rewrite=true&utm_source=sh

Hör ich aber nur etappenweise und häng' da auch schon seit ein paar Wochen dran. So richtig motiviert bin ich da momentan nicht, weiter zu hören, obwohl mich sowohl der Dalai Lama als auch Desmond Tutu ziemlich interessieren. Das Buch handelt vom letzten Treffen und den geführten Dialogen der beiden spirituellen Freunde. Tutu ist mittlerweile verstorben. Man bekommt eine neue Perspektive auf die Persönlichkeiten, erfährt, dass selbst die beiden noch regelmäßig wütend werden ... und wie sie damit umgehen. An sich inspirierend, ich denke als gedrucktes Buch wäre es mir dennoch zu trocken.


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11.07.2022 um 14:52
Ray Bradbury - Fahrenheit 451

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Ray Bradbury hat diesen dystopischen Roman 1953 veröffentlicht und der Text ist komplexer als die klassische Verfilmung von Francois Truffaut mit Oskar Werner und Julie Christie in den Hauptrollen, die vom Setting in den 60er Jahren angesiedelt ist.

Die Handlung spielt in einer Großstadt an der Westküste der USA und das Land steht vor einem dritten Atomkrieg. Alle Häuser sind mit feuerfesten Schutzschichten gesichert, das Leben der Menschen wird von interaktivem Fernsehen und von Radio dominiert. Aggression wird befördert, für den Autoverkehr gibt es keine Höchstgeschwindigkeiten, sondern Mindestgeschwindigkeiten. Verkehrstote werden in Kauf genommen. Literatur und wissenschaftliche Werke sind verboten, Bücher werden aufgespürt, deren Besitzer verhaftet.

Die Feuerwehren sind umfunktioniert worden, da keine Brände mehr ausbrechen können, zu Einheiten, die nach Anzeigen Bücher aufspüren und verbrennen. Zur Unterstützung gibt es Roboter mit spinnenartigen Beinen, die "Hunde" genannt werden. Sie spüren anhand von Geruchssignaturen Verdächtige auf und lähmen bzw. töten sie mit Betäubungs- und Giftspritzen. In den Spritzenwagen befindet sich kein Wasser, sondern Kerosin als Brandbeschleuniger, die Feuermänner (im Original firemen) sind mit Flammenwerfern ausgestattet.

Was Truffaut nicht umgesetzt hat, sind die audiovisuellen Technologien. Es gibt keine Fernsehgeräte mehr, sondern die Wände selbst werden zu Bildschirmen, und das Ziel ist, dass vier Wände zu Bildschirmen werden (Preis: etwa ein durchschnittlicher Jahresgehalt). Es werden interaktive Serien ausgestrahlt, bei denen die Bewohner selbst Teil werden und deren Darsteller sie als "Familie" in die eigene Wohnung einbauen. Mittels Deep Fakes werden die Zuseher direkt und mit Namen angesprochen. Die Handlungen sind inhaltsleer und bestehen nur mehr aus bedeutungslosen Kommunikationshülsen. Radio wird per drahtlosen Ohrstöpseln empfangen. Gesendet wird Unterhaltungsmusik. Informationen werden über Radio- und Fernsehen nur mehr in Einzelsätzen übertragen, so wird zum Beispiel angekündigt, dass demnächst der Krieg beginne. Hintergründe werden der Bevölkerung nicht übermittelt.

Hauptfigur ist der dreißigjährige Feuermann Guy Montag. Seine gleichaltrige Frau Mildred ist mediensüchtig, lässt sich von einer dreiseitigen Fernsehwand (ihr Traum ist die vierte Wand) sowie den Radiostöpseln dauerberieseln und kann nur mehr mit einer hohen Dosis an Schlafmitteln zur Ruhe kommen. Wir lernen sie kennen, als Guy wegen einer Überdosis Schlafmittel den Notdienst rufen muss, der mit Hilfe eines vollautomatisierten Schlauches ihren Magen auspumpen und ihr Blut austauschen muss. Dies sei aufgrund der hohen Fallzahlen Routine, erfährt Guy. Mildreds einziger Sozialkontakt sind Frauen aus dem Wohnviertel, die sich zu Fernseh-Sessions mit ihren jeweiligen "Familien" treffen.

Der Roman steigt ein, als Guy von einem Arbeitstag mit der U-Bahn nach Hause kommt und auf dem Weg von der Station zu seiner Wohnung ein 17-jähriges Mädchen namens Clarisse trifft, mit ihr zu reden beginnt, und die ihn in den nächsten Tagen über Natur und ihre offensichtlich belesene Familie erzählt, die ihre Freizeit mit Sprechen verbringt. Der Kontakt reißt wieder ab, Clarisse wird laut Gerücht von einem rasenden Auto getötet. Doch in Guy ist etwas geweckt worden.

Bei einem der nächsten Einsätze verbrennt sich eine alte Frau gemeinsam mit ihren Büchern selbst, was in Guy einen Schock auslöst. Er selbst hat bereits seit Längerem von den Einsätzen immer wieder Bücher mitgehen lassen und in einem nicht benötigten Kamin versteckt. Er nimmt Kontakt mit einem emeritierten alten Professor für englische Literatur namens Faber auf, der Kontakt zu einer Dissidentengruppe außerhalb der Stadt hat. Mittels eines Funkohrstöpsels bleiben sie in Kontakt.

Guy ist noch immer so aufgekratzt, dass er bei einer Fernsehsitzung seiner Frau mit ihren Bekannten ihnen ein Gedicht vorliest und outet, dass er Bücher besitzt. Mildred zeigt ihn an, Guy ist beim Einsatz gegen sich selbst dabei, brennt seine Wohnung nieder. Als sein Kommandant Beatty ihn mit gezogener Pistole verhaften will, verbrennt ihn Guy mit seinem Flammenwerfer wie auch den attackierenden "Hund" und flieht zunächst zu Faber. Dort wechselt er Kleider, Geruchsspuren werden beseitigt und Faber weist ihm den Weg zu den Dissidenten, die südlich der Stadt an einem Fluss entlang einer alten Bahnstrecke siedeln. Guy kann die Verfolger abschütteln, indem er sich den Fluss entlangtreiben lässt, und stößt auf die Gruppe der Dissidenten, welche aufgrund eines tragbaren Fernsehgeräts bereits wissen, wer er ist. Sie nehmen ihn auf, und er kann auf dem Bildschirm mitverfolgen, wie in einem anderen Stadtteil ein einsamer Spaziergänger von Polizeieinheiten ermordet und als Guy Montag ausgegeben wird. Im Anschluss erfährt Guy, dass sie eine Gruppe Intellektueller sind, die mit Hilfe von Mnemotechniken gelesene Bücher auswendig wiedergeben können, und dass in vielen Dörfern des Landes Ihresgleichen lebt, in der Hoffnung, nach Ende des Regimes die so gerettete Literatur wieder drucken zu können.

Während des Gesprächs sehen sie, dass feindliche Flugzeuge Atombomben auf die Stadt abwerfen. Nach Abflauen des Druckwellensturms machen sie sich auf den Weg Richtung Stadt, um helfen zu können.

Damit endet der Roman, der mit dem Atomkrieg einen Cop-Out hat, aber viel Raum zum Reflektieren bietet. Am interessantesten sind die beiden Gespräche Montags mit seinem Kommandanten Beatty, einem fanatischen Bücherverbrenner, der jedoch in seinen Gesprächen ständig Zitate aus Büchern einbaut.

Es ist Beatty, der Guy offenbart, dass das Handbuch über die Geschichte der Feuerwehren falsch ist, in dem dargestellt wird, dass bereits im Unabhängigkeitskrieg gegen England die Feuerwehren die Aufgabe hatten, englische Bücher zu verbrennen und Benjamin Franklin der erste Feuermann gewesen sei. Dies ist wohl eine Anspielung ans Wahrheitsministerium Orwells.

Noch interessanter sind Beattys Ausführungen darüber, wie es zum Buchverbot gekommen ist. Beatty stellt eine Verbindung zu der immer größer und heterogener gewordenen Massengesellschaft, in welcher der soziale Frieden durch divergierende Meinungen in Gefahr ist, und Literatur wie diskursive Wissenschaft sind eine Quelle divergierender Meinungen. Es benötige Massenkultur (Sport, Großveranstaltungen, Massentourismus) als sozialen Kitt.

Beatty im Wortlaut (gekürzt, in Reihenfolge adaptiert):
Je größer die Bevölkerung, um so mehr Minderheiten. Sieh dich vor, daß du den Hundefreunden nicht zu nahe trittst, oder den Katzenfreunden, den Ärzten, Juristen, Kaufleuten, Geschäftsleitern, den Mormonen, Baptisten, Quäkern, den eingebürgerten Chinesen, Schweden, Italienern, Deutschen, Iren, den Bürgern von Texas oder Brooklyn, von Oregon oder Mexiko.

Farbige nehmen Anstoß an ›Klein Sambo«. Man verbrenne es. Den Weißen ist Onkel Toms Hütte ein Dorn im Auge. Man verbrenne es.

Nur die Bildergeschichten ließ eine Leserschaft, die auf ihrem Geschmack bestand, gnädig am Leben. Und die dreidimensionalen Schönheitsmagazine, versteht sich. Da hast du's, Montag. Es kam nicht von oben, von der Obrigkeit. Es fing nicht mit Verordnungen und Zensur an, nein! Technik, Massenkultur und Minderheitendruck brachten es gottlob ganz von allein fertig. Dem verdanken wir es, wenn unser Dauerglück heute ungetrübt bleibt, wenn wir Bildergeschichten lesen dürfen, Lebensbeichten oder Fachzeitschriften.

Man beschäftige Leute mit Wettbewerben - wer am meisten Schlagertexte kennt oder Hauptstädte aufzählen kann
und dergleichen. Man stopfe ihnen den Kopf voll unverbrennbarer Tatsachen, bis sie sich zwar überladen, sich aber doch als "Fundgrube von Wissen" vorkommen.

Vergiß vor allem nicht, Montag, wir sind die Glückshüter, du und ich und die andern. Wir stemmen uns gegen die wenigen, die mit ihrem widersprechenden Dichten und Denken den Leuten vor dem Glück stehen.
Doch ist dem in Realität nich so. Die Gesellschaft wird als extrem aggressiv dargestellt, Jugendliche sind zum Beispiel nächtens in schnellen Autos unterwegs und machen Hetzjagd auf Fußgänger, welche die Straße überqueren. So entkommt Guy bei seiner Flucht nur knapp einer Jugendgruppe, die mit 200 km/h auf ihn zurast. Clarissa ist vermutlich auf solche Weise ermordet worden. Die Polizei kümmert dies nicht.

Als Gegenstimme zu Beatty ist aus dem Mund Clarissas ihr Onkel zu vernehmen, der über die sportlichen Massenveranstaltungen Folgendes äußert:
Wie soll einer der ortseigenen Mannschaft zujubeln, wenn er kein Programm hat und keine Namen kennt? Er weiß nicht einmal. was für Trikots die Leute tragen, wenn sie auf den Spielplatz hinaustraben.
Letztlich ist es eine entwurzelte Gesellschaft, die vorgestellt wird, und nicht die harmonische Traumgesellschaft, die Beatty kommuniziert. Und Bradbury legt durchaus einen Finger auf Wunden einer Massengesellschaft, die nicht wie bei Orwell von einem totalitären Regime beherrscht wird, sondern deren Illiberalität aus sich selbst gespeist wird. So gibt es auch noch Wahlen, doch die Wählbarkeit ist von fernsehästhetischen Gesichtspunkten geprägt. So ist der aktuelle Präsident groß, sportlich, einnehmend, sprachgewandt. Sein Gegenkandidat war klein, dick, abstoßend, sprachgehemmt. Inhalte spielen keine Rolle mehr.

Um den Vergleich zu Orwells 1984 aufzugreifen: Während Orwell die Mechaniken und Tiefenstrukturen totalitärer Regime thematisiert, so finden wir bei Bradbury eine Gesellschaft, die nicht so unbekannt erscheint. Sie ist näher an unserer und hält uns noch immer einen Spiegel vor.

Quelle der Zitate: Ausgabe des Heyne-Verlags (1977), Übersetzung von Fritz Güttinger


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11.07.2022 um 15:22
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb:Sie ist näher an unserer und hält uns noch immer einen Spiegel vor.
Sehe ich auch so. Das einzige, das ich finde, das in dem Roman hoffnungslos "veraltet" dem Zeitgeist, in dem er entstand, geschuldet ist, sind die Geschlechterrollen. Der Mann geht arbeiten, sie, die Gattin, bleibt zuhause, obwohl es keinen besonderen Grund (zB Kinder) dafür gibt. Es gibt auch unters einen Kollegen, soweit ich mich noch erinnere, keine Frauen. Auch der Fürsprecher der Intellektuellen ist männlich.
So weit Bradury´s düstere Zukunftsvisionen erstaunlich hellsichtig waren, die Geschlechterrolle saß wohl so tief in ihm drin, dass er sie in keinster Weise hinterfragte und revidierte.


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11.07.2022 um 15:45
Zitat von off-peakoff-peak schrieb:Das einzige, das ich finde, das in dem Roman hoffnungslos "veraltet" dem Zeitgeist, in dem er entstand, geschuldet ist, sind die Geschlechterrollen.
Das ist aber typisch, und ich kenne das aus meiner Familie auch. Dass eine Frau arbeitet, war auch unter den Arbeitenden so, war eine Art Schande für den Ehemann.

Andererseits möchte ich das Bradbury nicht vorhalten, da er ja genau diese Gesellschaft aufs Korn nimmt. Und mit Clarissa ist die junge Stimme der Vernunft weiblich. Nur lässt Bradbury sie sterben. In Truffauts Verfilmung übernimmt sie die Rolle des Faber (den es im Film nicht gibt) und sie weist Montag zu den Dissidenten am Fluss. Dass diese Gesellschaft immer noch männlich ist, kann man Bradbury vorwerfen, aber selbst die "68er" waren fünfzehn Jahre später letztlich immer noch männlich dominiert.

Mich stören am Roman eher die Cop-Outs und dass Bradbury zu viel reingepackt hat. Das Atomkriegsszenario ist zwar typisch für die 50er Jahre, trägt aber letztlich wenig bei, außer dass mit den zerstörten Städten eine neue Gesellschaft entstehen kann. Damit kreiert Bradbury letztlich wiederum eine dystopische Lösung, die nicht unbedingt erstrebenswert ist. Vor allem, da er seine Gesellschaft ja an den Verfolgungen der McCarthy-Ära gestaltet hat.

Andererseits: Bradbury war kein Orwell, der seine Werke bis ins kleinste Detail zur Perfektion gebracht hat. Das ist aber keine Schande, denn Orwell war einer der ganz Großen, die es nur selten gibt. Und vor allem die Medienzukunft, die Bradbury vorstellt, hat mich schon beeindruckt.

Bis gestern kannte ich nur die Verfilmung von Truffaut, die ich sehr mag, und habe das Buch gestern abend zum ersten Mal und in einem Durchgang gelesen.


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11.07.2022 um 18:49
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb:Dass eine Frau arbeitet, war auch unter den Arbeitenden so, war eine Art Schande für den Ehemann.
Das ist aber etwas, dass sich in der Zukunft, in der der Roman ja spielen soll, drastisch geändert hat.
Und würde die Dame arbeiten, dann hätte sie sich längst die vierte TV Wand leisten können. ;)


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12.07.2022 um 07:58
Blutfjord

von W.J. Krefting


Ein Freizeitcamp wird für drei Jungen aus der Oberschicht zum Albtraum: Während die Gruppe ein paar unvergessliche Tage in den Bergen um den Milford Sound verbringt, schneidet ein Zyklon die entlegene Region vollends von der Außenwelt ab. Kurz zuvor ist ein psychisch kranker Mörder aus einer forensischen Klinik geflohen und in der Gegend gesichtet worden.

Bald spült der Fjord die erste Leiche ans Ufer und eine Handvoll panischer Touristen verschanzt sich im nahen Besucherzentrum. Hilfe von außerhalb ist nicht zu erwarten und so wird der australische Polizist Trevor Gordon zu ihrer einzigen Hoffnung. Gordon will in Neuseeland eigentlich einen Schicksalsschlag verarbeiten, dann taucht eine weitere Leiche auf und er muss handeln. Der Ermittler hegt den Verdacht, dass mehr hinter den Todesfällen steckt als ein bestialischer Serientäter und tatsächlich stößt er auf ein vergessenes Geheimnis aus der Vergangenheit. Gordon bleibt nicht viel Zeit, dem Mysterium auf den Grund zu gehen, denn niemand weiß, wie viele Menschen noch sterben müssen und jeder könnte der nächste sein. Was verbirgt sich hinter den Toten am Fjord?


blut


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12.07.2022 um 09:36
1657611206752 0 20220712 092811Original anzeigen (4,7 MB)

:)


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13.07.2022 um 09:20
Schuld und Sühne
Ich hab gerade das Gefühl, dass ich mehr Klassiker lesen sollte.


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14.07.2022 um 07:52
Stirb schön

von Peter James


Als Tom Bryce die brutale Szene auf seinem Computer sieht, glaubt er noch an einen besonders harten Erotikthriller. Denn vor laufender Kamera wird eine junge Frau ermordet. Doch als er am nächsten Morgen in der Zeitung das Foto der jungen Frau erkennt, weiß er plötzlich, warum die CD, die er durch Zufall im Pendlerzug von London nach Brighton einsteckte, so brisant ist. So brisant, dass er jetzt auch um sein Leben und das seiner Familie fürchten muss.

stirb


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