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7.299 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Bücher, Lesen, Literatur ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

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15.09.2024 um 13:07
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb am 02.09.2024:H. G. Wells - Die Zeitmaschine
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb am 02.09.2024:Er begegnet kleinen menschenähnlichen Wesen mit einer durchscheinenden Haut (Eloi), die gemeinsam in verfallenen Hallen schlafen, den Tag jedoch nur mit Spielen verbringen.
Da hat Wells die TikTok Generation vorausgesehen.
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb am 02.09.2024:Ein ertrinkendes Eloi-Mädchen wird vom Zeitreisenden gerettet, die anderen interessiert dieser Vorfall nicht. Dieses Mädchen, Weena, wird zur anhänglichen Partnerin des Zeitreisenden, jedoch während eines Ausflugs in einem Wald von den Morlock aufgegriffen.
Die "Zeitmaschine" ist nicht nur ein guter SciFi sondern eine gute Liebesgeschichte.

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englische-maerchen-english-fairy-tales-t
Flora Annie Steel - Englische Märchen
(zweisprachig)
Einige der Märchen sind brutal, z.B. "Henny-Penny"


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15.09.2024 um 22:59
Zitat von parabolparabol schrieb:Einige der Märchen sind brutal, z.B. "Henny-Penny"
Henny-Penny fängt ganz harmlos an:
Es gibt mehrere Versionen der Geschichte, von denen die bekannteste von einem Küken handelt, das glaubt, der Himmel würde einstürzen, als ihm eine Eichel auf den Kopf fällt

Wikipedia: Henny Penny

... Zum Schluss sind dann alle tot


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21.09.2024 um 13:27
9783822803936-de

package-design-in-japan-

package-design-in-japan-
Package Design in Japan (im Taschen Verlag)


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21.09.2024 um 13:36
Theodor Fontane - Effie Briest

Fontane-Effi-Briest

Dies ist wohl der berühmteste Roman Fontanes und vor allem in der ersten Hälfte schreibt Fontane in einem unglaublichen Flow, als er beschreibt, wie die siebzehnjährige Effi Briest in Kessin (dem Pommerschen Swinemünde nachgebildet) sozial verkümmert und von Geisterängsten geplagt ist, die ihr etwa 20 Jahre älterer Gatte Baron Geert von Innstetten durch ein leeres Stockwerk in einem etwas heruntergekommenen Haus mit Geräuschen und Erscheinungen eines Chinesen (es ist nie klar, ob sich Effie das einbildet) befeuert.

Beide sind sehr ehrgeizig und Effie scheint glücklich zu sein, als Innstetten in Berlin eine Ministeriumsstelle erhält. Doch als ihr Kind fällt und in einem Nähschränkchen nach Verband gesucht wird, findet Innstetten Briefe eines Major von Crampas, welche dieser sechs Jahre zuvor an Effie geschrieben hat. Ob sie ein Verhältnis mit ihm hatte, geht nie klar hervor. Innstetten fühlt sich in seiner Ehre gekränkt, tötet Crampas in einem Duell und wirft Effie aus der Wohnung, auch ihre Eltern weigern sich, sie zu sich zu nehmen. So lebt sie Jahre lang in einer kleinen Wohnung in Berlin, bis vor allem ihr Vater diese Situation nicht mehr ertragen kann und Effie zurück ins ländliche Haus ihrer Eltern zurückholt. An Schwindsucht (wohl Tuberkolose) erkrankt, stirbt Effie.

Große Literatur.


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21.09.2024 um 14:00
Arthur Schnitzler - Reigen

Schnitzler-Reigen

Dieses Theaterstück von Arthur Schnitzler aus 1897 wurde zunächst in Privatdrucken an Freunde verteilt und 1903 veröffentlicht. Die erste Wiener Aufführung 1920 war ein Skandal.

In zehn Szenen sehen wir Paare in intimen Situationen, die jedoch aneinander vorbei reden, über andere sprechen und sich schließlich trennen, wobei nie deutlich wird, ob sie den Liebesakt vollziehen werden bzw. vollzogen haben. Von jeder Szene wird eine Person in die nächste übernommen und in der ersten wie letzten Szene ist es eine Dirne. Der Reigen schließt sich.

Eine Beschreibung der zehn Szenen findet sich in meinem Blog.

Arthur Schnitzler - Reigen


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22.09.2024 um 11:54
Christa Wolf - Kassandra

Wolf-Kassandra

In dieser 1983 sowohl in der DDR als auch bei Suhrkamp erschienen Erzählung blickt Kassandra vor ihrem vermeintlichen Tod auf den Troianischen Krieg zurück. Der Text ist aus fünf Gründen schwer zugänglich: die abgehackte Sprache mit vielen unvollständigen Sätzen, die Themen- und Zeitsprünge, die vielen oft erst später vorgestellten Personen, die Voraussetzung von Detailkenntnissen der Überlieferung über den Troianischen Krieg, die versteckten zeitaktuellen Bezüge mit oft Schlüsselcharakter.

Für Kassandra ist der Troianische Krieg ein Männerkrieg. Dass ihr Bruder Paris überhaupt Helena aus Sparta entführt, liegt daran, dass sein Vater Priamos als König von Troia nicht darauf reagiert hat, als seine Schwester von den Griechen entführt worden ist. Die Entführung Helenas ist eine Reaktion auf dieses Nichtstun.
Ein König, der seine entführte Schwester nicht zurückzugewinnen suche, verliere sein Gesicht.
Männliche Gegenpole sind Aineias und der Achill ("das Vieh"). Aineias zieht schließlich mit einer Gruppe von Menschen aus dem zerstörten Troia weg (bei Vergil gründet er Rom), Kassandra bleibt zurück. Aineias wird als sanft und zurückhaltend beschrieben, der bei den ersten Treffen mit Kassandra nicht sexuell verkehren will und seine Männer nicht in den Tod führt, sondern auf den Berg Ida, um zu überleben. Kassandra dazu:
Aineias lebt. Aber muß ein Mann, der lebt, wenn alle Männer sterben, ein Feigling sein? War es mehr als Politik, daß er, anstatt die Letzten in den Tod zu führen, sich mit ihnen auf den Berg Ida, in heimatliches Gelände, zurückzog? Ein paar müssen doch übrigbleiben
Achill hingegen tötet einen Gegner im Friedensbezirk des Tempels von Apoll sowie die Amazonin Penthesilea, deren toten Körper er vergewaltigt.

Der Krieg selbst verändere die Männer, mache sie zu rasenden Kampfmaschinen, die sich Frauen nach Gutdünken nähmen. Griechen wie Troer. Die Frauen Troias ziehen sich in ihre Häuser zurück, erscheinen nicht mehr in der Öffentlichkeit.
... schienen die Männer beider Seiten verbündet gegen unsre Frauen. Entmutigt zogen die sich in die winterlichen Höhlen der Häuser, an die glimmenden Feuer und zu den Kindern zurück.
Und es sind die Frauen, es ist sie selbst, die sich gegen das Abschlachten gefangener Griechen stellt:
Da trat ich, ohne Priesterkleid, in diesen schmalen Zwischenraum, ging ihn, vom heißen Atem der Griechen, von den kalten Messern der Troer gestreift, Schritt für Schritt entlang, von der einen Wand zur andern. Alles still. Hinter mir sanken die Messer der Troer. Die Griechen weinten. Wie liebte ich meine Landsleute.
Paris vertrat mir den Ausgang. Du also, Priesterin, gestattest meinen Leuten nicht, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. - Ich sagte: Nein.
Andererseits sind es die Frauen Troias, die es nicht zulassen, dass Troia sich ergibt:
Lieber kämpfend sterben, als versklavt sein, sagten ihre Frauen ...
Kassandra lehnt einen nationalistisch oder aus Kriegsgegnerschaft begründeten Abscheu gegen Griechen ab. Vielmehr verbringt sie ihre erste Liebesnacht mit dem Griechen Panthoos (Aineias war zu scheu dafür), welche sie so beschreibt:
Panthoos der Grieche tat, als kenne er die Wunde in meinem Herzen nicht; als mache es ihm nichts aus, in dies Herz eine mir selbst fast nicht bewußte, sehr feine, sehr geheime Feindschaft gegen ihn, den Ersten Priester, einzupflanzen.
Mein Griechisch hab ich ja bei ihm gelernt. Und die Kunst, einen Mann zu empfangen, auch. In einer der Nächte, da die frisch geweihte Priesterin beim Götterbild zu wachen hatte, ist er zu mir gekommen. Geschickt, fast ohne mir weh zu tun und beinah liebevoll tat er, wozu Aineias, an den ich dachte, nicht willens oder nicht fähig gewesen war. Daß ich unberührt war, schien ihn nicht zu überraschen, auch nicht, in welchem Maß ich körperlichen Schmerz zu fürchten schien. Zu niemandem, auch nicht zu mir, verlor er je ein Wort über jene Nacht. Ich aber wußte nicht, wie ich Haß und Dankbarkeit gegen ein und denselben Menschen mit mir herumtragen sollte.
Die Zeitbezüge zu sowjetisch-kommunistischen Herrschaftspraktiken sind zum Teil offenkundig. So zum Beispiel, dass diejenigen bestraft werden, die einen Missstand benennen, und nicht diejenigen, die ihn verursachen:
daß wir lieber den bestrafen, der die Tat benennt, als den, der sie begeht ... Sprach in Troia irgendein Mensch von Krieg? Nein. Er wäre bestraft worden.
An anderer Stelle:
Sie leisteten es sich, Mord und Totschlag weniger zu fürchten als die grollende Augenbraue ihres Königs und die Denunziation durch Eumelos.
Dem Seher Kalchas werden vom Königshaus positive Prognosen abgezwungen und dieses sei daher "seherlos". Kalchas ist zu den Griechen übergelaufen:
Das Königshaus hat ihm die günstigen Prophezeiungen abgezwungen.
Kassandra formuliert auch, wie mit einem Mitglied der Elite wie sie selbst gehandhabt wird, wenn es nicht mehr den Richtlinien des Herrscherhauses folgt:
Priamos der König hatte drei Mittel gegen eine Tochter, die ihm nicht gehorchte: Er konnte sie für wahnsinnig erklären. Er konnte sie einsperren. Er konnte sie zu einer ungewollten Heirat zwingen. Dies Mittel, allerdings, war unerhört. Nie war in Troia eine Tochter eines freien Mannes zur Ehe gezwungen worden. Dies war das Letzte. Als der Vater nach Eurypylos und seinem Heer von Mysern schickte, obwohl bekannt war, der wollte mich als Lohn zur Frau, da konnte jeder wissen: Troia war verloren.
Auch der Bruch mit der Rechtsstaatlichkeit im Krieg wird vom König nicht nur hingenommen, sondern mehr oder weniger gefordert:
Priamos erklärte mir, im Krieg sei alles, was im Frieden gelten würde, außer Kraft gesetzt.
Thematisiert wird auch ein Überwachungssystem durch das Königshaus (SED/Stasi?), aber auch die Zwiespältigkeit ihrer, Kassandras, eigenen Person (Christa Wolf selbst war von 1949 bis Juni 1989 Mitglied der SED):
Immer hat es mich gestört, wenn andre mehr über mich wußten oder zu wissen glaubten als ich selbst. ... Worauf sollten sie setzen: auf meinen Hang zur Übereinstimmung mit den Herrschenden oder auf meine Gier nach Erkenntnis.
Der Personenkult wird thematisiert, als Paris Helena nach Troia gebracht hat:
Jubelnd lief das Volk durch die Straßen. Ich sah eine Nachricht zur Wahrheit werden. Und Priamos hatte einen neuen Titel: »Unser mächtiger König«. Später, je aussichtsloser der Krieg wurde, mußte man ihn »Unser allermächtigster König« nennen.
Der Krieg der Griechen (Westen) und Troer (Osten) kann an manchen Stellen durchaus in der Bipolarität des Kalten Kriegs und in seinem wirtschaftlichen Hintergrund (nicht Helena sei das eigentliche Kriegsziel der Griechen) gelesen werden:
Zehn Jahre Krieg. Sie waren lang genug, die Frage, wie der Krieg entstand, vollkommen zu vergessen. ... Red keinen Unsinn, sagte Priamos. Die wollen unser Gold. Und freien Zugang zu den Dardanellen.
Doch wofür steht das hölzerne Pferd der Griechen? Mahnt Christa Wolf selbst an, dass das kommunistische System nicht den westlichen Verlockungen erliegen soll? Dass dies kein Sieg sei?
Der Zusammenbruch kam schnell. Das Ende dieses Krieges war seines Anfangs wert, schmählicher Betrug. Und meine Troer glaubten, was sie sahn, nicht, was sie wußten. Daß die Griechen abziehn würden! Und dieses Monstrum vor der Mauer ste-henließen, das alle Priester der Athene, der das Ding geweiht sein sollte, eilfertig »Pferd« zu nennen wagten. Also war das Ding ein »Pferd«. Warum so groß? Wer weiß. Ebenso groß wie die Ehrfurcht der geschlagnen Feinde vor Pallas Athene, die unsre Stadt beschützte.
Holt das Pferd herein.
Das ging zu weit, ich traute meinen Ohren nicht. Zuerst versuchte ich es sachlich: Seht ihr nicht, das Pferd ist viel zu groß für jedes unsrer Tore.
So erweitern wir die Mauer.
Jetzt rächte sich, daß sie mich kaum noch kannten. Der Schauder, der an meinem Namen hing, war schon verblaßt. Die Griechen haben ihn mir wieder angehängt. Die Troer lachten über mein Geschrei. Die ist verrückt. Los, brecht die Mauer auf! Nun holt doch schon das Pferd! Heftiger als jeder andre Trieb war ihr Bestreben, dies Siegeszeichen bei sich aufzustellen. So wie die Leute, die in irrem Taumel den Götzen in die Stadt beförderten, sahn keine Sieger aus.
Aineias verlässt die Stadt, Kassandra bleibt mit ihren Zwillingen, die ihr zwangsverheirateter Mann Eurypylos in der Hochzeitsnacht, einen Tag vor seinem Tod, gezeugt hat, zurück.


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25.09.2024 um 15:39
Ferdinand von Schirach - Der Fall Collini

Schirach-Collini

Dieser kurze Roman aus dem Jahr 2011 spielt 2001. Im Adlon wird ein 85-jähriger Industrieller namens Jean-Baptiste „Hans“ Meyer ermordet, der Mörder ist der italienische Fabriksarbeiter Fabrizio Collini. Als Pflichtverteidiger wird der junge aufstrebende Anwalt mit besten Referenzen Caspar Leinen bestellt, der den Fall zurücklegen will, da er herausfindet, dass er mit dem Mordopfer in seiner Kindheit bekannt war, mit dessen verstorbenem Enkel gemeinsam in die Schule gegangen ist und mit dessen Enkelin Johanna eine lose, auch sexuelle Beziehung hat. Collini wünscht ihn jedoch weiter als Anwalt, schweigt aber über sein Motiv.

Eine Verfahrenspause nutzt Leinen zum Aktenstudium und da der Mord mit der Wehrmachtswaffe Walther P38 begangen wurde, fährt er zur Ludwigsburger Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. Er findet heraus, dass Meyer während der Besetzung Norditaliens im Raum Genua stationiert war. Collini ist nun bereit zu erzählen. Meyer vergewaltigte seine Schwester und ermordete seinen Vater während einer Vergeltungsaktion der Wehrmacht. Eine Anklage hatte keine Konsequenzen, da Meyer als Mordgehilfe gesehen worden sei und nach einem deutschen Gesetz von 1968 die Taten verjährt seien. 2001 habe er nach dem Tod seiner Tante beschlossen, Meyer zu töten, da er niemanden mehr in der Familie habe, den/die er mit seiner Tat belasten könne.

Die Frage, wie nun Collinis Tat zu beurteilen sei, beantwortet Schirach nicht. Er lässt Collini nach dessen Bericht über die Vergangenheit Meyers Selbstmord begehen.

Neben einigen Seitenhieben gegen die deutsche Justizlandschaft und dem EGOWiG (Gesetzesinfo auf der Wikipedia) kann das Werk an Schulen einen weiteren Lerneffekt bieten: Caspar und Johanna treiben es an einem Hotelfenster im Doggystyle ;)

Die Pornokamera scheint es der deutschen Literatur angetan zu haben. Ist mir in Dschihad Calling (einem Jugendroman) bereits aufgefallen.


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27.09.2024 um 13:28
Wolfgang Böhmer - Hesmats Flucht

Boehmer-Hesmat

Der österreichische Journalist Wolfgang Böhmer hat im Jahr 2002 im Innsbrucker SOS-Kinderdorf einen zwölfjährigen Flüchtling aus der nordafghanischen Stadt Mazar kennengelernt und dessen packende Flucht von Afghanistan über Tadschikistan, Usbekistan, Kasachstan, Russland, die Ukraine, Ungarn und die Slowakei nach Österreich in einem Radiobeitrag der Öffentlichkeit bekanntgemacht und 2008 in Form einer Dokufiktion als Roman veröffentlicht.

Der elfjährige Hesmat beschließt Ende 2000, aus dem von den Taliban regierten Afghanistan nach London zu fliehen, da sein Onkel dort Kontakte habe. Seine Mutter ist an einer Krankheit verstorben, sein Vater, der in den 1980er Jahren dem kommunistischen Regime diente, wurde ermordet. Bei seinem fundamentalistischen Großvater will er nicht bleiben. So plant er mit 7.000 USD, die er vom Verkauf des elterlichen Hauses hat, mit Hilfe eines befreundeten Apothekers die Flucht.

Zu Fuß geht er über den Hindukusch, trifft auf gegen die Taliban kämpfende Mudschahedin, die jedoch auch eine Gefahr darstellen, da viele von ihnen junge Knaben vergewaltigen. Schmuggler und Schlepper, auf die er trifft, können auch Menschenhändler sein. Er befreundet sich mit einem sechzehnjährigen Fahid, mit dem er zunächst dessen wohlhabenden Onkel Hanif in Duschanbe aufsucht, der wiederum die Schlepper nach Moskau organisiert. Mit dem Zug machen sie sich auf den Weg, müssen sich in den Zügen verstecken, werden jedoch in Usbekistan aufgegriffen und landen im Gefängnis. In Kasachstan wird Fahid in einem Schacht zwischen Außen- und Innenwand des Zuges versteckt, worin er elendiglich erstickt. Die Leiche wird aus dem Fenster geworfen. Hesmat überlebt in einer sargähnlichen Kiste. In Russland kommt er wieder ins Gefängnis, doch der organisierende Schlepper hat so große Angst vor Hanif, dass Hesmat wirder freigekauft werden kann.

In Moskau wird er afghanischen Bekannten übergeben, er zahlt Schlepper, um ihn in den Westen zu bringen. In der Ukraine hängen mehrere Flüchtlinge fest, aber dass der Bekannte die zweite Hälfte des Schlepperhonorars erst nach bestätigter Ankunft im Westen bezahlen will, ist für Hesmat eine Lebensversicherung und er wird bis nach Ungarn gebracht, dort jedoch gelegt. Bei einem Zaun in der Nähe von Budapest behaupten die Schlepper, dass dies der Grenzzaun nach Österreich sei. Hesmat signalisiert nach Durchschreiten dieses Zauns, dass er in Österreich sei. Er landet in einem ungarischen Flüchtlingslager, in dem es ihm gut geht, aber eine Flüchtlingsgruppe flieht weiter in die Slowakei, da sie eine Rückabschiebung in die Ukraine befürchten. Von der Polizei aufgegriffen, wird die Gruppe nicht sonderlich daran gehindert, mit Hilfe von Schleppern die winterliche Donau zu überschreiten.

Im österreichischen Auffanglager Traiskirchen fühlt Hesmat sich doppelt bedroht. Einerseits von der nüchternen Bürokratie der Anträge mit der Angst, abgeschoben zu werden, andererseits im Lager selbst, das gefährlicher sei als jedes Gefängnis zuvor, eben weil es kein Gefängnis ist und keine Wächter gibt. Das Lager wird von Banden beherrscht, Frauen und Kinder sind ständig in Gefahr, vergewaltigt zu werden.
In der Nacht versuchten sich die Frauen vor den alteingesessenen Männern zu schützen, draußen patrouillierten Man-ner mit Hunden, während drinnen Tschetschenen mit Messern aufeinander losgingen. Sobald die Türen der Häuser geschlossen waren, ließ jeder seinen Angsten, seinem Hass, seiner Wut freien Lauf. Niemand stellte sich ihnen entgegen, es gab keine Wärter, die die Wehrlosen schützten, keine Einzelzellen, in denen man sicher gewesen wäre.
So flieht er weiter über Wien und Tirol Richtung Italien, wird aber auf der Brennerstrecke im Zug aufgegriffen. In Tirol kommt er in ein SOS-Kinderdorf, wo Wolfgang Böhmer ihn kennenlernt. Mittlerweile sind die Taliban von US-Truppen verjagt und es besteht die Möglichkeit, dass er nach Afghanistan zurück abgeschoben wird. Nach der Radiosendung erhält er vom österreichischen Innenminister Strasser die Genehmigung, in Österreich bleiben zu dürfen.

Die Ausgabe von 2022 schildert weiter, dass Hesmat nunmehr die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, als ausgebildeter Elektrotechniker arbeitet und Familienvater mit zwei Kindern ist.

Schwer zu durchschauen ist, warum die Organisatoren der Flucht (Hesmat ist am Ende seine gesamten Dollar los) große Teile der Fluchtstrecke ihm nachfahren, um ihn aus Schwierigkeiten zu holen. Der Schlepper Bachtabat aus Duschanbe, der sich vor Hanif fürchtet, fährt ihm bis nach Usbekistan nach. Auch Sayyid, der die Flucht von Moskau aus in den Westen mit Hesmats Geld bezahlt, hält bis nach Ungarn Kontakt zu dem Schlepperboss Musa. Dass es auf der ganzen Strecke ein Netzwerk an Schleppern und Drogenkurieren gibt, geht aus dem Buch eindeutig hervor, deren Tiefe wird nicht ausgelotet. Sie ist wohl Hesmat wie auch Böhmer nicht bekannt.


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29.09.2024 um 14:01
Hermann Hesse - Unterm Rad

Hesse-Unterm Rad

In diesem frühen Roman Hesses aus dem Jahr 1903 verarbeitet er seine eigene Schulzeit im evangelischen Seminar der Klosterschule Maulbronn in Schwaben. Im Mittelpunkt steht das Scheitern eines jungen Mannes namens Hans Giebenrath.

Giebenrath ist ein sehr ehrgeiziger Schüler aus einem kleinen schwäbischen Ort und wird beim schwäbischen Landesexamen Zweiter, was ihm einen Platz in der Klosterschule Maulbronn einbringt. Diesen Erfolg hat er sich hart erarbeitet, täglich lernt er bis Mitternacht und auch in den Ferien strebert er Latein, Griechisch und Mathematik. Nur selten geht er seinem einzigen Hobby, dem Angeln, nach. Die Kosten sind eine schwächliche Statur und ständige Kopfschmerzen.

In Maulbronn freundet er sich mit einem exzentrischen und von Dichtung begeisterten Mitschüler namens Hermann Heilner an (wohl ein Alter Ego Hesses, der wie Heilner nach sieben Monaten Maulbronn verlassen hat, um dem Traum eines Schriftstellerlebens nachzugehen). Heilner ist bei den Lehrern nicht gut angeschrieben und dies färbt auch auf Giebenrath ab, dessen Leistungen immer schwächer werden.

Nach einem Jahr verlässt Giebenrath Maulbronn (er wird mehr oder weniger rausgeschmissen) und beginnt in seinem Heimatort eine Schlosserlehre. Auf dem Heimweg von einem Sonntagsbesäufnis mit Arbeitskollegen in einem Nachbarort ertrinkt Giebenrath im Suff in einem Bach. Ob er den Freitod gewählt hat oder ob es ein Unfall war, bleibt offen.

Hesse zeigt einerseits das Scheitern eines besessenen Strebers, der nur dadurch ins Leben zurückfindet, dass er seine ursprünglichen Pläne nicht umsetzen kann, andererseits prangert er mit Giebenrath eine intellektuelle Arroganz gegenüber Handwerkern und Arbeitenden an, die Giebenrath am Ende verliert, indem er den Umgang mit seinen Arbeitskollegen und einem jungen Mädchen sehr schätzt. Dieser kritische Blick auf eine intellektuelle Arroganz ist in späteren Werken von Hesse nicht immer gegeben. Eine Synthese zwischen intellektuellem Streben und erfülltem Leben findet Hesse bei Giebenrath jedoch nicht. Heilner hingegen schafft den Schritt in die bürgerliche Welt.

Beklemmend fast ist die Schilderung, wie viele der Seminaristen im Laufe der vier Jahre Schulzeit in Maulbronn sterben.
Erfahrungsgemäß pflegen sich aus jeder Seminaristenpromotion einer oder mehrere Knaben im Laufe der vier Klosterjahre zu verlieren. Zuweilen stirbt einer weg und wird mit Gesang beerdigt oder mit Freundesgeleite in seine Heimat überführt. Zuweilen macht sich einer gewaltsam los oder wird besonderer Sünden wegen entfernt. Gelegentlich, doch selten und nur in der älteren Klasse, kommt es etwa auch einmal vor, daß irgendein ratloser Junge aus seinen Jugendnöten einen kurzen, dunkeln Ausweg durch einen Schuß oder durch den Sprung in ein Wasser findet.



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29.09.2024 um 14:49
Kirsten Boie - Nicht Chicago. Nicht hier

Boie-Chicago

Ein Gaslighting-Furioso aus dem Jahr 1999. Als Niklas einen neuen Klassenkameraden namens Karl erhält, müssen sie gemeinsam ein Referat in Geschichte erarbeiten. Bei zwei Besuchen stiehlt Karl eine CD und ein CD-ROM-Laufwerk, leugnet jedoch alles ab, er behauptet sogar, er habe es für 100 Mark gekauft. Auch stiehlt er den Pager von Niklas, wirft einen Stock zwischen die Speichen von Niklas' Fahrrad, sodass er zu Sturz kommt, und bedroht diesen mit einem Messer.

Als Niklas' Vater mehrfach Karls Eltern kontaktiert und sein Laufwerk zurückkauft, werfen diese Niklas vor, dass er mit Lügen Karl bezichtige, diese Taten begangen zu haben. Als Rache beginnt Karl einen Telefonterror mit Beschimpfungen und Gewaltandrohungen. Die Polizei lehnt Kassettenaufnahmen der Telefongespräche ab und will stichhaltige Beweise, die nicht vorgelegt werden können. Eine Fangschaltung ist den Eltern zu teuer. Außerdem seien laut Polizei diese Ereignisse Bagatellen und auch teure Anwälte würden nicht helfen, da weiterhin Aussage gegen Aussage stände und Karls Freunde seine Version als Zeugen bestätigen würden. Da helfe auch nicht, dass Niklas' Schwester Karl und Freunde über die Polizei, von der sie vorgeladen wurden und die sie belogen hätten, hat spotten hören.

Auch Niklas' Lehrerin zweifelt an seinen Vorwürfen und seine Eltern sind sich auch nicht sicher, ob Niklas wirklich die Wahrheit sagt, da er ja einmal über eine schlechte Mathe-Note gelogen hätte. Auch der Telefonterror und das Verschwinden ihres Kaninchens aus dem aufgebrochenen Käfig helfen nicht, die Zweifel aus dem Weg zu räumen.

Die Anzeige wegen Telefonterrors wird abgewiesen. Niklas' Gedanken, die den Text rahmen, zeigen seinen Entschluss, Selbstjustiz üben zu wollen. Der Text ist fett gedruckt.
Ich mach ihn tot.
Ich bring ihn um, ich schwör, ich mach ihn tot, ich tret ihm so die Fresse ein, dass er niemals mehr ...
Ich mach ihn tot.
Ich bring ihn um, ich schwör.
Eines der Telefongespräche (Thomas ist der Vater - die Eltern werden mit Vornamen angesprochen):
»... miese kleine Ratte!«, sagt die Stimme. »Für Auswurf wie dich ist kein Platz auf dieser Erde!
Horst du das, Schmutz? Dich haben sie hingekotzt, du bist ein Klumpen Kotze ...«
»So unglaublich«, sagt Thomas müde und spult ein Stück zurück. »Wenn ich es nicht mit meinen eigenen Ohren hören würde ...«
»... haben sie hingekotzt, du bist ein Klumpen Kotze, ein Fäkalienberg, Schmutz, weißt du überhaupt, was das ist? Du musst verschwinden, vom Angesicht der Erde, aus meinem Angesicht, denn ich bin Gott! Hast du mich gehört, Ratte, ich will dich nicht mehr sehen, verpeste mir nicht meine Luft, Gott lässt nicht mit sich spaßen! Und glaube nur nicht, dass ich nicht Ernst mache! Du kleiner ...«
»Nur ein Mal müssten sie sich das anhören bei der Polizei«, sagt Thomas. »Mein Gott. Der Junge ist doch krank.«
Die Lehrerin im Gaslighting-Modus:
»Er hat mich überfallen«, murmelt Niklas.
Er wollte es nicht sagen. Was man nicht beweisen kann, soll man für sich behalten.
»Überfallen?«, ruft Frau Römer. »Wie, überfallen? Zusammengeschlagen? Wie?«
»Mit dem Messer«, sagt Niklas. Er sieht sie nicht an. »Gestern. Darum will ich nicht so gerne.«
»Und da haben deine Eltern nichts gemacht?«, ruft Frau Römer. »Wenn die Geschichte wahr ist ...«
»Karl sagt, es stimmt nicht«, sagt Niklas. »Falls Sie ihn fragen sollten. Vergessen Sie's.«
»Ja«, sagt Frau Römer nachdenklich. »Niklas, warum hat er dich denn überfallen? Erzähl mir das mal.«
Niklas sieht nicht auf.
»Niklas?«, sagt Frau Römer. »Kein Mensch tut so etwas ohne Grund. Da musst du ihm doch zuerst irgendwas ...«
Niklas merkt, dass er gleich schreien wird.
So laut wird sein Schrei sein, dass alle Scheiben zerspringen.
»Vergessen Sie's«, sagt er, »vergessen Sie's doch«, und er wirft den Stuhl hinter sich um, so schnell rennt er aus der Klasse.
Wenn er jetzt nicht gerannt wäre, hätte er sie angebrüllt.
Der Vater im Gaslighting-Modus:
»Noch vor einem Jahr«, sagt Thomas, ohne Niklas anzusehen, »noch vor ein paar Monaten hätte ich dir geglaubt, bedenkenlos. Aber inzwischen ist zu viel passiert. Diese Lügerei wegen der Mathefünf und die Geschichte mit dem Messer.«
Niklas macht die Augen zu. Wegen Karl wird er nicht weinen.
»Der Dauerbrenner Karl!«, sagt Thomas. »Erst die Geschichte mit dem Quix, jetzt das Laufwerk - du bist wohl froh, dass du jemanden hast, auf den du alles schieben kannst?« Niklas ist still. Thomas wird ihm nicht glauben.
Niklas sucht eine Erklärung, warum ihm niemand glaubt:
Er kann Thomas verstehen und vielleicht sogar Frau Römer. Jungen wie Karl kommen in ihrer Welt nicht vor. Es gibt keine Menschen, die gemein sind ohne Grund.
Als Niklas zusammengeschlagen worden ist - was Karls Freund Rocky, der dabei war, leugnet -, glauben das nicht mal seine Eltern (Karin ist die Mutter):
»Zu sehen ist nichts«, sagt Karin und schüttelt den Kopf. »Na, da hast du Glück gehabt. So schlimm kann der Schlag nicht gewesen sein.«
»Doch!«, schreit Niklas. »Ziemlich schlimm, ich bin doch gefallen! Und Rocky hat das ja alles gesehen, Rocky hat ihn doch festgehalten, der hätte mich sonst totgeschlagen!«
»Unsinn«, sagt Thomas. Er sieht unsicher aus.
»Ich will, dass ihr zur Polizei geht!«, ruft Niklas. Seine Stimme klingt schrill. »Ich hab doch einen Zeugen! Und er wollte mich umbringen! Er wollte mich umbringen!«
»Du übertreibst«, sagt Thomas.



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