Wird die Gesellschaft immer unfreundlicher?

schluesselbund schrieb am 07.01.2018:Die Festtage sind vorbei. Das neue Jahr hat begonnen. Glückwünsche, frohe Weihnachten, und ein gutes neues Jahr ging durch die Lande.

Bald beginnen die Festtage erneut...
Also ich kann sagen: ich finde es schon doof, wenn zu solchen Gelegenheiten über WhatsApp und sonstige Messenger diese nervigen Filmchen gesendet werden, oft total kitschig, und dann bekommt man sie auch noch zig Mal...

Immerhin hat der Absender aber an einen gedacht und es nett gemeint.
Daher finde ich es angebracht, mich zeitnah zu bedanken und die guten Wünsche zu erwidern. Diese schrecklichen Filmchen lösche ich. Die würde ich nie weiterleiten. Grusel...

schluesselbund schrieb am 07.01.2018:Es ist das Netz die Foren das Allmy. Da habe ich 11 Freunde auf der Liste. Amüsant und spannend begegnete man sich in vielen Diskussionen. Schreibt PN über welche Dinge auch immer. In diese blanke Welt sendete ich froh Weihnachte und ein gutes neues Jahr. Dank und Antwort bekundeten gerade mal 4.

Man muss bedenken, nicht jeder ist täglich online und manchmal sieht man auch erst später, dass man eine Nachricht bekommen hat. An Feiertagen sind viele vollends mit der family beschäftigt.
Das würde ich also nicht überbewerten.

Und "Freunde" im Internet sind halt auch keine Freunde in Deiner realen Umgebung. Das kann man nicht gleichsetzen.

nairobi schrieb:Immerhin hat der Absender aber an einen gedacht und es nett gemeint.

Teils teils..ich spreche da mal von mir. Ich habe die früher auch immer versendet, aber nicht gezielt "ah, dem muss ich noch was nettes wünschen und sie fehlt noch". Ich bin da einfach die Liste durch und habe alle gewählt.
Freundlich gemeint war es natürlich, aber nicht gezielt auch an jede einzelne Person gedacht.

Handhabe ich mittlerweile anders. Zu den Feiertagen wünsche ich das online nur den Menschen, die ich mag und wo ich keine Gelegenheit habe, sie zu treffen an diesen Tagen.

Auf Arbeit oder wenn man dann in ein Geschäft geht, da wünscht man das ja schon eher aus Gewohnheit. Glaube nicht, dass es da jeder aufrichtig meint.


Und allgemein; ja, ich denke die Gesellschaft wird immer unfreundlicher. Immer seltener wird einem geholfen, wenn die Hilfe offensichtlich ist. Fragt man wie es einem geht, wird meist mit "gut" geantwortet. Wie es wirklich aussieht, da machen sich nur noch selten Menschen die Mühe.
Ich erlebe es auch täglich auf Arbeit, ein Danke ist da so gut wie nichts mehr wert.

Zum Thema Weihnachtsfilmchen. Das illustriert das Problem: Die Gesellschaft wird schnelllebiger und oberflächlicher. Ich freue mich riesig, wenn ich an Weihnachten einen persönlichen Gruß bekomme - irgendwelcher Art. Aber wenn ich nur ein in 1 Sekunder weitergeleiteten Film bekomme, verstopft das nur mein Whatsapp.

MissMary schrieb am 17.10.2022:Ich freue mich riesig, wenn ich an Weihnachten einen persönlichen Gruß bekomme - irgendwelcher Art

Genau und zum Geburtstag usw. ebenso. Wer sich nicht die Zeit für persönliche Zeilen nimmt, aber Zeit hat etwas im Internet rauszusuchen oder gar weiterzuleiten - der bekommt von mir auch nichts mehr an (Glück)Wünschen.

Bekanntschaft und Freundschaft will gepflegt sein. Von daher sind persönliche Schreiben sehr wichtig

Ich als alter Sack kurz vor der Haltbarkeitsgrenze frage mich allerdings immer wieder:

Wann soll "die Gesellschaft" (also Du und ich) denn bitte freundlicher gewesen sein? Für eine Jahreszahl wäre ich dankbar und gern auch darüber, wie sich das denn anno dunnemals geäussert haben soll.

Unfreundlicher und kälter. Das denke ich schon. Wobei ich da auch regionale Unterschiede in D feststelle.

Scarbi schrieb:Wobei ich da auch regionale Unterschiede in D feststelle.

Wo ist es denn besonders "kalt" und wo besonders "warm"?

@Doors

Hier in München ist es kalt. Die kühlen Nordlichter sind warmherziger. Sie haben auch andere Prioritäten und sind nicht so auf Oberflächlichkeiten fixiert. So meine persönlichen Erfahrungen

Scarbi schrieb:Hier in München ist es kalt. Die kühlen Nordlichter sind warmherziger.

Das zu pauschalisieren wäre nicht korrekt. Ich denke, das beruht allein auf persönlichen Erfahrungen. Da einzuteilen in Süden und Norden oder noch Westen und Osten ist eventuell auch eher Schubladendenken?!
Verwandtschaft von mir hat jahrelang in der Nähe von München gelebt und die Mensche die uch dort kennengelernt habe, waren alles andere als kalt.
Kommt doch auch darauf an, wie das Elternhaus war und welche Werte einem mitgegeben wurden.

Scarbi schrieb:Sie haben auch andere Prioritäten und sind nicht so auf Oberflächlichkeiten fixiert.

Welche Prioritäten wären denn das?

@joleen

Bitte richtig lesen:

Scarbi schrieb:So meine persönlichen Erfahrungen

Dankeschön

@Scarbi

joleen schrieb:das beruht allein auf persönlichen Erfahrungen

Was hab ich da wohl geschrieben? :D

Deswegen ja meine Frage was du denkst, welche Prioritäten das wären?

Es ist immer problematisch, wenn man persönliche Erfahrungen zu Verallgemeinerungen hochrechnet. Dann ist man schnell im Reich der Vorurteile:

Ich bin einmal in Frankreich von einem extrem unfreundlichen Kellner extrem langsam bedient worden. Zwei Jahre später ist mir ähnliches noch einmal wiederfahren.
Daraus könnte ich den Schluss ziehen: Alle Franzosen sind langsam, alle Kellner sind unfreundlich. Ob ich mit dieser Erwartungshaltung noch mal nach Frankreich fahren möchte? Oder überhaupt ein Restaurant betreten? Weiss man doch: Kennt man einen, kennt man alle!

Scarbi schrieb:Hier in München ist es kalt. Die kühlen Nordlichter sind warmherziger

Kann ich so eigentlich nicht bestätigen.

Doors schrieb:Weiss man doch: Kennt man einen, kennt man alle!

Ein gutes Beispiel für "Schubladendenken". Wenn wir unsere Urteile so automatisch fällen, dass wir uns dessen nicht mehr bewusst werden, verwechseln wir unsere subjektive Sicht mit der Realität.

@nairobi

Der Einfache macht es sich gern einfach. Dabei hilft eben dieses Schubladendenken.

Mhm...meiner Erfahrung nach, Ja, schon.

Ich glaube die Gründe dafür - so vielschichtig & komplex sie auch sind - lassen sich mMn in der Deprivation des Individuums infolge der poststrukturalistischen Diskurstheorie verorten, während jener die kausale Funktion der sozialen Rolle in ihrer sich selbst überlassenen Autonomie in konterrevolutionärer Weise über die reminiszenten Dogmen der neufeudalistischen Etikette hinausgewachsen ist, die sich auch mit einer neokratischen, aufgeklärten & überbürokratisierten Auffangbewegung und suggerierter Antizipation von der demokratischen Basis nicht beruhigen wollen.

Es brodelt im Kessel und je enger der Versuch erfolgt, diesen Kessel mit Experten zu deckeln, die nicht aus dieser autonomen Bewegung stammen, desto höher kocht es. Den beobachtbaren Rechtsruck, die Verrohung, den rauer werdenden Ton kann mMn auch keine "einfache Seele" aus Hamburg kippen. Die Authentizität zum guten Willen ist verloren gegangen und so wird auch potentiell jeder "Fremde" zum Anzweifelbaren, den es mit Ellenbogen anzugehen gilt. Das Bescheidene daran ist, dass es insbesondere in Europa bereits ähnliche Zustände gab - mehrmals sogar, wenn man es genau nimmt.

Was bei uns sehr zunimmt, ist das Ignorieren von Respekt von persönlichem Besitz - kann ein lokales Problem sein.

Wir haben beispielsweise einen Landwirt, der vor einiger Zeit begonnen hat, auf den "Halloween Zug" aufzuspringen und Kürbisse anzupflanzen. Das hat er nun wieder eingestellt, er berichtete, dass zunehmend Kürbisse einfach vom Feld geklaut wurden - konfrontierte er die Diebe, wurde er nicht selten bedroht. Oft war keine Einsicht, dass es nicht okay ist, einzubremsen und einen mitzunehmen "Sie haben doch so viele ...".

Wir wohnen auf einem Dorf, es gibt zwei Möglichkeiten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die nahe Stadt zu kommen. Mit einer Bedarfshaltestelle (Zug), die außerhalb in einem Industriegebiet liegt, oder dem Bus, der die Hauptstraße entlangfährt. Gerade die Zugbedarfshaltestelle ist ablegen, daher wurde vor Jahren ein schöner, überdachter Fahrradständer hingebaut und jahrelang ging es ziemlich gut, einfach hinzuradeln, Zug zu nehmen, ... Es gibt nun so viele (sinnlose) Sachbeschädigungen an den Fahrrädern (aufschlitzen der Räder, Diebstahl von Reflektoren), dass das nun nicht mehr geht.

Beruflich kann ich mich nicht beschweren, da habe ich zu 95 % nette und zuvorkommende Kollegen. Im öffentlichen Raum, wo man sich meist anonym bewegt, beobachte ich aber schon gewisse Fehlentwicklungen, allen voran Egoismus und Rücksichtslosigkeit. Beispiel gestern beim Einkaufen: Verkäuferin an der Fleischtheke sagt freundlich "Guten Tag, was darf es sein?" und die Kundin nur "Ich kriege 6 Rouladen". Einen Augenblick später am SB-Brötchen-Regal ging es einer anderen Kundin offenbar nicht schnell genug, wie ich meine paar Brötchen mit der Zange in die Tüte packte und so schob sie sich direkt neben mich, um sich zu bedienen. Mal 10 Sekunden warten war zu viel verlangt. An der Kasse rücken die Leute so dicht auf, wie es nur geht. Wenn ich einen Einkaufswagen dabei habe, wird dieser daher nach hinten als Abstandshalter genutzt. Dieses demonstrative "Ich Ich Ich" ist schon extrem nervig. Bei einem Aufenthalt in Norwegen und dem Einkauf dort im Geschäft ist mir das dann erst richtig aufgefallen, wie unfreundlich es bei uns zugeht. So eine nordische Gelassenheit an einem Samstagmorgen trotz vollem Supermarkt... herrlich.