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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

80 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Menschen, Deutschland, Geschichte ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

03.09.2020 um 14:51
Zitat von FiernaFierna schrieb:Die Entkopplung von der Historie führt dann zwar folgerichtig zu der banalen Frage, ob man denn nun mit "Tätern" genauso nach rechtsstaatlichen Gegebenheiten verfahren müsse wie mit "Opfern" und man kann sich natürlich auch besonders moralisch vorkommen, diese mit "Ja" zu beantworten, denn man möchte ja nicht selbst wie ein "Täter" dastehen, jedoch ist es in solchen Debatten dann ganz symptomatisch - gerade in Deutschland - sich mit den Perspektiven von Opfern überhaupt nicht zu befassen.
danke fuer deine wohltuende kommentierung und aufgliederung all dessen wie es um die angeblich harmlose kriegerwitwe wirklich stand.
leider habe ich vor sehr vielen jahren alle dokumente meiner eltern vernichtet, weil ich abschliessen wollte. abertausende von damaligen arbeitssklaven, die auch fuer die erbarmungslose lina arbeiten mussten, bekamen nicht nur niemals "entschaedigungen", sondern wurden im gegenteil zusaetzlich bestraft. viele der so schoen umschriebenen "zwangsarbeiter" (es ging ja nicht "nur" um arbeit) durften nach dem krieg nicht mehr zurueck in ihre alte heimat, da mittlerweile dort der kommunismus herrschte und die der ansicht waren, man haette sich lieber erschiessen lassen sollen, als fuer den deutschen zu arbeiten. sie wurden also zur unerwuenschten person degradiert (wie mein vater) oder verschwanden direkt in sibierischen bergwerken.

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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

03.09.2020 um 20:31
Zitat von AlteTanteAlteTante schrieb:Fraukie schrieb:
Dennoch sollte man sich durchaus überlegen ob man davon auch uneingeschränkt Gebrauch machen möchte.

So ist es. Aus obigen Gründen. Wie gesagt: Es kommt auf das Thema an. Wenn man zum Schweigen aufgefordert wird
Ich sehe zwischen dem Hinweis, dass eine emotionsgeladene Atmosphäre eine sinnvolle Diskussion erschwert und der "Aufforderung zum Schweigen" einen erheblichen Unterschied zumal ich eine Aufforderung zum Schweigen in jeder Diskussion unmöglich und inakzeptabel finde zumindest dann, wenn wir hier nicht von einer Meinungsäußerung sprechen die in die Rechtsgüter Anderer eingreift.
Zitat von AlteTanteAlteTante schrieb:Fraukie schrieb:
Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass emotionsgeladene Argumentationen in der Regel weniger Menschen erreichen als eine sachliche Diskussion es tut.

Ist das wirklich so?
Ja, "meiner Erfahrung nach" kommt eine sachliche Diskussion "in der Regel" weiter als eine Emotionsgeladene.
Aber "meiner Erfahrung nach" und "in der Regel" sind eben auch eine deutliche Abgrenzung von "Ist immer und überall so."
Anderer Leute Erfahrungen können davon abweichen und tun es üblicher Weise auch zumindest hier und da, aus dem einfachem Grund, das wir ja nicht in einer Petrischale leben.

Ich persönlich würde mich in einer Welt in der sachliche Diskussionen immer und überall "funktionieren" sehr wohl fühlen, aber es ist nicht möglich Erfahrungen zu übertragen und das ich mich damit wohlfühlen würde kann leider auch keines Wegs in auch nur annähernd ausreichendem Umfang sicherstellen, dass Andere sich mindestens genauso wohl fühlen müssen wie meiner einer.
Deswegen bin ich lieber froh, dass es sich bisher für mich bewährt hat, das meint aber eben auch, dass ich im Hinterkopf halten muss, dass es eben nicht immer und überall auch so laufen muss bzw nicht für jeden so angenehm ist wie für mich selbst.
Zitat von AlteTanteAlteTante schrieb:Mehr Sachlicheit wäre in der Tat wünschenswert. Aber viele Leute scheinen gar keine Sachlichkeit zu wollen.
Da gebe ich Dir definitiv Recht. Schwierig ist hier für mich oft die Unterscheidung:
"Ist jemand unsachlich, weil er emotional so tief drin steckt, dass er das gewisse Maß an Distanz, das ein sachliches Gespräch benötigt nicht mehr herstellen kann?"
oder
"Argumentiert jemand mutwillig unsachlich, weil er ganz gezielt beabsichtigt zu provozieren oder sich über seine Gesprächspartner zu erheben und beides auf sachlicher Ebene sehr viel schwieriger bis unmöglich ist."

Im ersteren Fall kann man nur versuchen zu erörtern "wie tief die Kugel liegt" um irgendwie einzuschätzen, ob und auf welche Weise man ein Gespräch überhaupt weiter führen kann ohne Salz in Wunden zu streuen.

Mit Leuten die unsachlich werden um zu provozieren oder damit versuchen sachliche Argumente "abzuwehren" vermeide ich jedes Gespräch für das ich nicht bezahlt werde.
Zitat von AlteTanteAlteTante schrieb:Die wollen, dass die ganze Welt ihre Gefühle und Gedanken für das Wichtgste auf der Welt hält und sich bemüht, ihre Wünsche zu erfüllen.
Das macht dem Umgang grundsätzlich sehr schwierig... vor allem weil solche Menschen ja auch nur zu gern dazu neigen ihre Ansichten mal eben um 180° zu drehen nur weil ihre eigene Position
Dein Beispiel:
Zitat von AlteTanteAlteTante schrieb:zum Beispiel Sachzwänge (wie bei Corona die Gefahren für Risikogruppen) zu bedenken sind, für eine Zumutung.
erinnerte mich da z.B. an jemanden, der im einen Moment noch "Pft, was interessieren mich die alten und krankheitsanfälligen Nachbarn, meine Kumpels und ich müssen halt zu 10. durchs Treppenhaus trampeln wenn man im Garten feiern will.." patzte..
Da wurden schön die Augen verdreht, bei der Frage ob man da nicht ggf an die Gesundheit/das Sicherheitsbedürfnis der 80 jährigen Dame die einen Stock unter ihm lebte hätte denken müssen.
Wenige Wochen später wurde bei seiner Mutter Leukämie diagnostiziert und auf einmal war der Postbote, der es wagte ohne Handschuhe die Klingel zu berühren schon auf einer Stufe mit einem Serienkiller.

Bei sowas hilft mir tatsächlich nur die Frage "sachlich oder nicht?" bei der Einschätzung ob ich mit dieser Person diskutieren möchte, denn der Standpunkt kann am Nachmittag schon ein ganz Anderer sein als morgens und dann hat die ganze Welt still zu stehen und sich daran zu orientieren.
Zitat von FiernaFierna schrieb:In Anbetracht der Tatsachen bzw historischen Gegebenheiten - die hier augenscheinlich niemand kennt und es auch offenbar niemand für nötig empfindet, sich damit zu beschäftigen - wirken solche Worte schon hochgradig zynisch.
Ich denke da sitzt Du einem Irrtum auf.
In die Köpfe der anderen Diskussionsteilnehmer kann ich nicht reinschauen, aber da ich ungern irgendetwas unterstelle (schon gleich gar nicht nur weil ein Standpunkt von meinem Eigenen abweicht) bleibe ich bei dem Eindruck, dass der Großteil der Schreiber sich nicht nur sehr wohl für den historischen Hintergrund interessiert, sondern sich auch das notwendige Hintergrundwissen angeeignet hat.

Die Annahme, dass ein vergleichbarer Wissensstand auch zwangsläufig zu vergleichbaren Ansichten führen muss und unterschiedliche Meinungen nur auf "Unwissen" oder gar "Desinteresse" beruhen können halte ich für einen Irrtum.

Für mich persönlich führt grade eine umfangreiche Beschäftigung mit den historischen Hintergründen dazu, dass ich extrem oft zwar durchaus wahrnehme und "würdige", dass Menschen zwar in "bester Absicht" argumentieren, wenn sie den Wunsch äußern die Bestrafung irgendeines Täters habe im Grunde nur "möglichst hart" auszufallen.

Aber dass ich die Motive hinter dieser Forderung nachvollziehen kann ändert nichts daran, dass es mir erhebliche Sorgen bereitet, wenn diese Forderungen ohne (teils erhebliche) Abweichungen von rechtsstaatlichen Prinzipien beinhalten.
Denn ich sehe in solchen Abweichungen dann keine "Genugtuung für ein Menschenmenge", ich sehe "Gefahr für Alle".

Wie @rhapsody3004 anmerkt sind wir nicht sicher davor, dass sowas nie wieder passiert.
Mit "kleinen Änderungen des Feindbildes" und hoffentlich mehr Widerstand.
Aber mir gibt es keine Sicherheit, wenn ich daran denke, wie viel dann davon abhängt ob dieser Widerstand wirklich genug ist.
Mir wäre es am Liebsten, wenn ich das niemals rausfinden muss und das geht meiner Ansicht nach nur, wenn genug Menschen sich klar machen welche "Startbedingungen" bereits vermieden werden müssen und Dinge wie "Willkür" und "Rechtsbeugung um ein Exempel zu statuieren." stehen da recht weit oben auf meiner "Liste".
Zitat von FiernaFierna schrieb:Die Entkopplung von der Historie führt dann zwar folgerichtig zu der banalen Frage, ob man denn nun mit "Tätern" genauso nach rechtsstaatlichen Gegebenheiten verfahren müsse wie mit "Opfern"
Das ist in beiden "Einzelfaktoren" Ansichtssache, also sowohl bei der Frage ob es überhaupt um eine "Entkopplung von der Historie" geht als auch bei der Annahme die Frage danach ob und unter welchen Bedingungen rechtsstaatliche Prinzipien vor einem Rückfall in vergangene Fehler schützen können als "banal" bezeichnet werden sollte.

Ich empfinde die Frage nach der Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit und danach wie weit er auf dem Papier existieren kann und ab welchem Punkt die Menschen ihn auch leben müssen als alles andere als "banal".

Auch ist eine "Entkopplung von der Historie" in meinen Augen nicht nur unmöglich.
Viel mehr ist es grade bei der Betrachtung der "historischen Bedeutung", die es meiner Ansicht nach so wichtig macht weitere Aspekte aus zahlreichen Blickwinkeln zu beleuchten.
Die Geschichte lehrt uns so Vieles und u.A. eben auch, dass das "Damoklesschwer: Geschichte wiederholt sich." sehr schwer "abzusichern" ist bzw die Abwendung dieser Wiederholung mehr braucht als die Betrachtung von einem Gesichtspunkt.
Ich kenne recht viele Lehrer und wann immer die Gespräche darauf kommen zeichnet sich eine Sache ab:
Schüler für das Thema "DDR, Mauerfall usw" zu interessieren ist schon seit einer ganzen Weile je nachdem wo in Deutschland man sich befindet oft erschreckend schwer.
In diesem Fall reden wir von kaum 30 Jahren.

Das Vorgehen:
"Wir arbeiten das Geschehene auf, schaufeln die Fakten rund um all das Grauen in die Köpfe unserer Schüler und bringen ihnen auf diese Weise bei, dass es ihnen wichtig sein sollte ihren Teil zu tun, dass sowas nie wieder passiert."
Die "Ernährung" von Wachsamkeit, das Bewusstsein, dass Freiheit ein Privileg ist das nicht selbstverständlich daher kommt ausschließlich oder vornehmlich durch die Vermittlung historischer Tatsachen..
Das kommt nicht ohne "Ablaufdatum" daher.
Die Zeit läuft weiter, die Schrecken der Vergangenheit wird für kommende Generationen immer weniger greifbar werden und die Annahme, das man das verhindern kann indem man sich auf den historischen Aspekt und irgendwie auch auf "Abschreckung durch die Berichte von Grausamkeit" verlässt erscheint mir ein Fehler zu sein.
Prävention hat immer schon mehr gefordert als historische Bildung und die "Kosten" werden nicht geringer werden.
Spätestens wenn die "bloße Existenz historische Tatsachen" an Durchschlagskraft verliert müssen andere, zusätzliche Aspekte her, warum nicht schon vorher?

Soziologische Fragen:
"Wie konnten aus normalen Menschen derart kaltblütige Verbrecher werden?"
"Wie viele Menschen müssen denn nicht mal anfeuern, sonder "nur" wegschauen, die Augen schließen usw, dass sich sowas ausbreiten kann?"
"Bis zu welchem Punkt wäre eine vergleichbare Entwicklung noch durch Widerstand der eigenen Bürger zu stoppen?"
Empfinde ich als hochgradig bedeutsam und hier kommt eben auch eine Überschneidung von Soziologie, rechtlichen Grundlagen und der Frage "Was genau macht einen Rechtsstaat aus?" ins Spiel z.B.
"Warum ist es so wichtig Menschenrechte festzulegen, die nicht verwirkt werden können, egal was derjenige angestellt hat?"
und eben auch:
"Welche Gefahr geht davon aus, wenn Tätern irgendwelche Rechte abgesprochen werden ohne, dass die rechtlichen Grundlagen das im Grunde hergeben?"

Diskussionsansätze, die nicht nur auf historischen Tatsachen beruhen, sondern diese Tatsachen mit einbinden, sie in ein "größeres Ganzes" einordnen und auch als Beispiele dafür heranziehen was hier eigentlich auf dem Spiel steht.

Es geht nicht nur um "Schuld und Sühne" sondern um "Wie war das möglich?" um es in der Zukunft abzuwehren.
Und in einem Gerichtsverfahren geht es nicht nur um das Konto einer Täterin und darum ob und womit sie "davon" kommt.

@rhapsody3004
Hat es sehr gut formuliert:
Zitat von rhapsody3004rhapsody3004 schrieb:Nein, das tschechische Urteil war nicht gerechtfertigt. Man wollte lediglich ein Exempel statuieren und hat mehr nach Moral an Stelle von Recht und Gesetz geurteilt. Etwas was kein Gericht tun darf.
Viele Leute empfinden es als "Genugtuung", wenn mit einem Täter härter verfahren wird als Recht und Gesetz es eigentlich zulassen.
Dabei sollte für jeden mit einem Mindestmaß an historischer Bildung sehr klar sein was für eine Gefahr davon ausgeht.

Willkür
von denunzierendem Nachbarn, über die Polizei bis hin zu sämtlichen gerichtlichen Instanzen.
Schauprozesse
bei denen es gar nicht mehr um Recht und Gesetz ging, sondern darum Exempel zu statuieren, der einen Masse zu geben was sie will und die Andere abzuschrecken.
Fehlende Grundrechte
die Möglichkeit einem Menschen sämtliche Rechte abzusprechen, solange es nur dem Zweck den man erreichen mag dient..

All das gehörte von Anfang bis Ende zu dem Werkzeugen dieses dunklen Kapitels.

Durch jede Rechtslücke zu schlüpfen oder gar Rechte zu beugen um ein Urteil zu erreichen bei dem ein gewisser Anteil der Bevölkerung mit "Genugtuung" belohnt wird kommt mit einem verdammt hohem Preisschild daher.

Die Einen "suhlen" sich in der Genugtuung für den Moment und die anderen erschrecken vor der Gefahr für die Zukunft jedes Einzelnen.
Zitat von FiernaFierna schrieb:Klar, muss für die "Täter" auch Recht gesprochen werden....ob das bei den Opfern stattgefunden hat, interessiert aber niemanden.
Das es zwischen Rechten und Schuldspruch für den Täter und der Frage nach dem Unrecht das dem Opfer getan wurde sowohl "Schnittpunkte" gibt als auch Aspekte die unabhängig voneinander zu betrachten sind hat nichts mit "Desinteresse" zu tun, sondern damit das Rechtssprechung und das Verhängen einer Strafe in einem Rechtsstaat genau das sein müssen und können. Um "Rache" darf es niemals gehen.

Fragst Du in jedem Mordprozess was es denn überhaupt zu diskutieren gibt, bei einem Täter, der nicht "nur" in das Recht auf körperliche Unversehrtheit seines Opfers eingegriffen sondern das Leben sogar beendet hat und das manchmal sogar auf qualvolle Art und Weise?

Oder können wir uns darauf einigen, dass ein Rechtsstaat nur dann existieren kann, wenn es bei der Beachtung der Rechte und der Bestrafung eines Täters Grenzen gibt, die nicht überschritten werden können, ganz egal was der Täter sich hat zu Schulden kommen lassen.
Das es ab einer gewissen Grenze keine Rolle mehr spielen darf was irgendwer als Genugtuung empfindet.

Die Tatsache, dass auch ein Täter Rechte haben muss die zu wahren sind hat nichts aber auch gar nichts mit Desinteresse am Opfer zu tun.

"Im Namen des Volkes" darf nicht "Auge um Auge" heißen oder rechtfertigen.
"Ein Täter verwirkt all die Rechte, die er seinem Opfer genommen hat." ist etwas zu dem es niemals kommen darf.

Grade unser historischer Hintergrund sollte uns lehren, dass Recht und Gesetz sich niemals auf das Niveau von Rache oder "Gebt der Meute was sie will" herablassen darf, ganz gleich was individuelle Moralvorstellungen als Genugtuunge empfände:
Zitat von rhapsody3004rhapsody3004 schrieb:Meine Moralvorstellungen hätten ihr etwas anderes gewünscht, aber diese sind nicht maßgeblich. Moral ist stets von Recht und Gesetz zu trennen.
Wer irgendetwas davon hat, der darf gerne in Gedanken darin schwelgen, was er gerne als "Strafe" gehabt hätte.
Das ist scheinbar durchaus menschlich und sollte unbedenklich sein, solange das Bewusstsein dafür, dass "Recht und Gesetz" höhere Richtlinien haben müssen nicht verloren geht.
Zitat von FiernaFierna schrieb:Da hier offenbar der Irrglaube vorliegt, es handle sich um irgendeine Art....Hartz 4,
Eigentlich wird nur genau anders herum ein Schuh draus:
Würde hier davon ausgegangen, dass es sich um eine "Grundsicherung" handeln würde, dann gäbe es diese Diskussion in dem Sinne gar nicht.
Die Frage ob eine Grundsicherung gestrichen werden kann würde mit "Nein" beantwortet und der hier stattfindenden Diskussion würde die Grundlage fehlen.

Nur die Tatsache, dass die Leute die hier diskutieren sehr wohl wissen, dass es hier um höhere Bezüge geht lässt die Fragen:

"Ist es in Ordnung solche finanziellen Ansprüche zu kappen obwohl die rechtliche Grundlage das mindestens in Zweifel zieht?"
bzw
"Ist es in solchen Fällen wirklich eine tolle Idee ggf bis hin zur ganz offenen Rechtsbeugung zu gehen um etwas durchzusetzen, dass rechtlich betrachtet nicht durchzusetzen wäre, moralisch aber von vielen Leuten ausdrücklich erwünscht ist?"
"Geht nicht eine viel größere Gefahr für jeden davon aus, wenn ein Rechtsstaat eher zu Gunsten von Rachegelüste und Genugtuung urteilt, statt im Sinne von Recht und Gesetz?"

überhaupt aufkommen.

Allgemein gesprochen:
Damit, dass jemand mit Geld aus Lug und Betrug, aus Mord und Versklavung in den Sonnenuntergang reitet, weil trotz dem Versuch das vor Gericht zu verhindern die rechtliche Grundlage, Beweismittel oder sonstwas für ein anderes Urteil leider nicht ausgereicht hat.
Damit kann ich persönlich leben. Ist nicht schön und nicht fair, aber so ist das Leben manchmal.

Wird dann aber vor Gericht "was nicht passt wird passend gemacht" gespielt und es wird irgendwie ein Urteil aus dem Hut gezaubert das sich zwar moralisch "schön und fair" darstellen lässt aber am Ende vom Tag einfach mal mehr Rechtsbildung und Willkür war, die vom Gericht, Teilen des Volkes usw gebilligt wurde..

Das macht mir dann Sorgen und zwar erhebliche Sorgen.

Im Vergleich zu dieser Besorgnis erscheint mir das ungute Gefühl, dass da jemand mit irgend etwas "davon gekommen" ist, mit dem er in einer perfekten Welt nicht hätte davonkommen dürfen, als komplett irrelevant.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

03.09.2020 um 20:49
@Fierna

Auch für Dich die Fragen, die ich an derElch stellte und warum ich denke, das man nicht nur den Fall von einer L.H. gesondert sehen sollte, sondern auch die anderen Fälle denen genauso die Witwenrente oder Waisenrente verweigert wurde. Worunter Witwen deren Männer keinesfalls alles kleine Gefreite waren

Darum nochmals meine Einwände und Frage nach diesen Frauen und Witwen;
Zitat von velvetdreamvelvetdream schrieb:Siehe die Verweigerung der Witwenrente an den Witwen und Waisen vom z.B. 20.Juli 1944.



So wurde aus diesen Gründen kurz nach Kriegsende ein Hilfswerk gegründet, das die Familien - Witwen und Waisen - der beteiligten Männer finanziell unterstützte und Hilfe bot, da die Witwen keine Rente zugesprochen wurden. So wurde z.B. einer Witwe erst 1960 eine Hinterbliebenerente anerkannt. Was wenige wissen,die Rehabilitierung von Widerständlern, wurde erst 1998 geschafft. Der Witwe hat man gesagt, aufgrund das ihr Mann Selbstmord gemacht habe, das alleine ist schon Hohn und Verspottung der Witwe.

Oder das Wissen um diese Fakten machen es mir schwer L.H. zu beklagen oder zu sagen, das es eine falsche Entscheidung ist oder war
Auch in Entschädigungsverfahren, auf die noch einzugehen sein wird, war immer wieder ein sehr eng gefasster Begriff des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus zu erkennen. Jenen Menschen etwa, die wir heute wegen ihrer Hilfe für von der Deportation bedrohte Juden als "Stille Helden" ehren, wurde in den 1950er Jahre die Anerkennung versagt: "Deshalb ist auch der Verkehr mit jüdischen Menschen, der Abschluss von Geschäften mit ihnen oder in ihrem Interesse wie auch die ihnen gewährte persönliche Hilfeleistung und Beratung, sei es im Rahmen des Berufs, sei es auf Grund persönlicher Freundschaft, kein Widerstand gegen den Nationalsozialismus, da solche Taten nicht geeignet sind, ein Regime zu unterhöhlen."[13] Mit anderen Worten: Menschen, die verfolgten Juden geholfen hatten, stand weder eine Entschädigungszahlung noch eine laufende Renten- oder Beihilfenzahlung zu.
Quelle: https://www.bpb.de/apuz/186870/der-20-juli-1944-in-der-fruehen-bundesrepublik
Sind diese Frauen und Kinder weniger ärmer als eine Lina Heydrich oder weniger berechtigt? Sind sie es nicht wert, das man sie in diese Diskussion einbezieht? Denn alleine Lina Heydrich als Einzelbeispiel darzustellen, entspricht nicht den Fakten.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

03.09.2020 um 21:32
Zitat von FraukieFraukie schrieb:Allgemein gesprochen:
Damit, dass jemand mit Geld aus Lug und Betrug, aus Mord und Versklavung in den Sonnenuntergang reitet, weil trotz dem Versuch das vor Gericht zu verhindern die rechtliche Grundlage, Beweismittel oder sonstwas für ein anderes Urteil leider nicht ausgereicht hat.
Damit kann ich persönlich leben. Ist nicht schön und nicht fair, aber so ist das Leben manchmal.
es gibt so etwas wie "rechtsfrieden", den du bei deinen unpersoenlichen betrachtungen komplett ausklammerst.
mag sein, dass du mit der ausklammerung leben kannst. ob das aber auch fuer andere gelten soll, die betrofffener als du es sind?

da hat der jude, die kz-opfer, die medizinischen versuchskaninchen bei mengele und co., der arbeitssklave und der gefolterte kriegsgefangene gefaelliigst seine seine gefuehle aussen vorzulassen, weils einem doch laestig beruehrt, oder wie?
da sind die gefuehle der entsetzten vergewaltigungsopfer zwar verstaendlich, haben aber bei der "urteilsfindung" nichts zu suchen?

gerichtsverhandlungen dienen nicht etwa nur dazu, einem toten buchstaben zu folgen, sondern genau diesen rechtsfrieden in und fuer die gesellschaft herbei zu fuehren. und mitunter braucht es auch emotionale beruehrung, um zu anderen paragraphen oder entscheidungen zu kommen.

in dem wunderbaren buch "ein mann" der autorin oriana fallaci kommt genau das zur sprache. der gefolterte griechische widerstandskaempfer wird als zeuge gegen die militarjunta vor gericht geladen. und er sagt, dass er weiss, dass seine schilderung nichts hilft, aber im saal zu stehen und als freier mann diesen verbrechern ins gesicht schauen und seine anklagen hervorbringen zu koennen, versoehnt ihn mit der gesellschaft.

es braeuchte viel mehr schilderung des menschlichen leides, um die versteinerten herzen so mancher rein sachlichen betrachtungsvertreter aufzuweichen und frieden herzustellen. dann bei allen darf eines nicht vergessen werden, jedes urteil soll eben diesen alles verbindenden rechtsfrieden wiederherstellen. egal ob diebstahl oder massenmord. es geht um mehr als strafe.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

03.09.2020 um 21:53
Zitat von FraukieFraukie schrieb:Viele Leute empfinden es als "Genugtuung", wenn mit einem Täter härter verfahren wird als Recht und Gesetz es eigentlich zulassen.
Dabei sollte für jeden mit einem Mindestmaß an historischer Bildung sehr klar sein was für eine Gefahr davon ausgeht.
Hier muss ich allerdings noch sagen, dass ich vorgestern ausschließlich nach unseren Maßstäben geurteilt habe und nach diesen erschien mir ein Lebenslänglich entgegen meiner Moralvorstellung als unverhältnismäßig, da man der Heydrich höchstens Beihilfe vorwerfen konnte, zumindest bzgl. Mord und auch nur nach meinem Kenntnisstand über diese Nazibraut, was ich von ihr weiß.
Bei ihrem Mann hingegen wäre lebenslänglich absolut gerechtfertigt gewesen.
Und die Beihilfe zwingt Richter dazu nach 49 StGB milde walten zu lassen und nicht genauso zu bestrafen wie die Haupttäter. Das bestimmt 27 StGB.

Das muss allerdings nicht für tschechisches Recht gelten. Vielleicht kennt tschechisches Recht gar nicht solche Unterschiede und Beihelfer/Gehilfen werden genauso wie Haupttäter bestraft. Dann wäre das Urteil zumindest nach tschechischen Maßstäben gerechtfertigt gewesen.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

03.09.2020 um 22:15
Zitat von happyislahappyisla schrieb:es gibt so etwas wie "rechtsfrieden
Rechtsfrieden, allgemein gesprochen, bedeutet aber auch sich mit geltendem Recht abzufinden und dieses anzuerkennen, auch wenn es moralisch weh tut.

Geltendes Recht (sowohl strafrechtlich als auch auf zivilrechtlicher Ebene) erlaubt nicht immer einen gerechten Ausgleich für begangenes Unrecht, auch wenn man sich das noch so sehr im Herzen wünschen würde.
Dieses wenigstens zu tolerieren und im wahrsten Sinne des Wortes loslassen zu können, ist auch eine Form von Rechtsfrieden.

Rechtsfrieden schaffen zu wollen darf nicht dazu führen geltendes Recht auszuhebeln, denn dann würde kein Rechtsfrieden mehr herrschen.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

03.09.2020 um 23:17
Zitat von rhapsody3004rhapsody3004 schrieb:Dieses wenigstens zu tolerieren und im wahrsten Sinne des Wortes loslassen zu können, ist auch eine Form von Rechtsfrieden.

Rechtsfrieden schaffen zu wollen darf nicht dazu führen geltendes Recht auszuhebeln, denn dann würde kein Rechtsfrieden mehr herrsch
satz a) stimme dir zu
satz b) nicht "aushebeln", aber fuer die zukunft rechtlich veraendern/anpassen.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

04.09.2020 um 00:00
Zitat von velvetdreamvelvetdream schrieb:Auch für Dich die Fragen, die ich an derElch stellte und warum ich denke, das man nicht nur den Fall von einer L.H. gesondert sehen sollte, sondern auch die anderen Fälle denen genauso die Witwenrente oder Waisenrente verweigert wurde. Worunter Witwen deren Männer keinesfalls alles kleine Gefreite waren
Ich nehme mal an, die Frage wolltest du @Fraukie stellen, denn warum du sie mir stellen könntest, kann ich mit beim besten Willen nicht erklären.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

04.09.2020 um 00:30
Ich finde das völlig absurd es hier als den Untergang des Rechtsstaates darzustellen, wenn die Frau ihre Rente nicht bekommt.

Letztlich ist eine Rente das Ergebnis eines Gemeinschaftsvertrages. Und es steht der Gemeinschaft zu, diese Rente zu verweigern, wenn jemand gegen den Gemeinschaftsvertrag verstößt.

In der Praxis wird das beispielsweise dadurch angewendet, Leuten weniger zu zahlen, die weniger in den Topf eingezahlt haben.

Dass man die Grenzen nicht auch bei Schwerverbrechern setzen könnte, in diesem Fall geht es um die Rente für einen Völkermörder, ergibt sich aus keinem rechtsstaatlichen Prinzip.

Nun mag es ein Gesetz geben, dass diese Sachen regelt und eventuell moralisch fehlgeleitet ist. Das passiert bei Gesetzen manchmal und daher gibt es in einem Rechtsstaat die Möglichkeit Gesetze vor Gericht zu hinterfragen. Die Frage ob es moralisch fehlgeleitet oder angemessen ist, ist allerdings selber ein Diskussionsthema.

Das Gesetz und seine Folgen als moralisch angemessen zu deklarieren, weil es existiert, ist erstens ein Zirkelschluss und zweitens nicht durch rechtsstaatliche Prinzipien gedeckt.

Aus meiner Sicht ist ein Gefüge, dass Täter alimentiert und die Opfer ignoriert nicht moralisch und sollte entsprechend angepasst werden.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

04.09.2020 um 07:34
@Rick_Blaine
Tolles Posting von dir, ich schließe mich komplett an!

Ich habe das hier eine Weile verfolgt und mir überlegt, wie ich es schreiben soll...

Da ich ein 'Nachzugler' - Sohn eines im 3.Reich aktiven Anhängers der Ideologie war, kenne ich dieses Klima der mangelhaften Aufarbeitung (das hätte ich allerdings anders genannt) ganz direkt aus dem elterlichen Haushalt meiner Kindheit.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

04.09.2020 um 07:46
Zitat von happyislahappyisla schrieb:satz b) nicht "aushebeln", aber fuer die zukunft rechtlich veraendern/anpassen.
Dem stimme ich wiederum zu. Die meisten Gesetze sind zum Glück nicht in Stein gemeißelt, sondern lassen sich reformieren. Und komplett neue Rechtsgrundlagen werden auch immer wieder geschaffen bzw. verabschiedet und dann erlassen, obwohl das oftmals ein langwieriger Prozess ist. Insbesondere, wenn Uneinigkeit herrscht.

So lässt sich auch Rechtsfrieden erzielen, wenn Altes reformiert oder Fehlendes komplett neu erschaffen wird.

Ps.
Und selbstverständlich müssen alle Gesetze stets verfassungskonform sein.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

04.09.2020 um 08:00
Übrigens streite ich überhaupt nicht ab, dass insbesondere eine konservative Partei damals auf dem rechten Auge blind gewesen ist. Auch unser erster Bundeskanzler neigte zur Blindheit auf dem rechten Auge.

Ändert kann man das jetzt allerdings auch nicht mehr. Für die Zukunft können wir vieles nur versuchen besser zu machen. Wir als Volk als auch unsere Gesetzgebung. Im Rahmen des Zulässigen versuchen es besser zu machen.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

04.09.2020 um 18:08
Fraukie schrieb (Beitrag gelöscht):Da stimme ich Dir eben uneingeschränkt zu.
Die Tatsache, dass bei diesen Entschädigungszahlungen eine Menge schief gelaufen ist (um es milde auszudrücken) ist ein vollständig anderes Thema und hier nicht nur OT, sondern auch unangebracht, weil man diesem Thema bei der eigentlichen Fragestellung dieses Threads gar nicht noch zusätzlich gerecht werden konnte.
Die Frage wie mit den Opfern im Vergleich zu den Tätern umgegangen wird ist in Bezug auf die Frage nach der Moralität dieser Vorgehensweise hochrelevant und keineswegs Offtopic.

Moralität entsteht aus dem Kontext und kollektiven gesellschaftlichen Erwartungshaltungen und Gerechtigkeit ist eine Frage des Ausgleiches.

Sicherlich wären die moralischen Einwände dagegen aus der Sicht, dass man die Gesellschaft heilen möchte und das Recht nicht gleich Rache ist, komplett andere wenn man die Opfer mit Geld überschütten würde und bei den Tätern stark darauf achten würde, wer überhaupt was verdient um dann an dem Punkt anzukommen, dass man die Täter nicht verhungern lassen oder in Kollektivhaft nehmen sollte.

Hier geht es immerhin um die Verteilung begrenzter Ressourcen. Da die Frage welche Menge dieser Ressourcen bei den Opfern und welche bei den Tätern landet als offtopic zu betrachten ist grenzenlos absurd.


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Lina Heydrich - Ein Nachkriegsdeutsches Kapitel

05.09.2020 um 00:18
EinElch schrieb:
So. Nun zu den Fragestellungen:

1. Ist dieses Urteil juristisch wasserdicht?

2. Ist dieses Urteil moralisch einwandfrei?

3. Ist das tschechische Urteil zu rechtfertigen?
Konentrieren wir uns noch einmal auf die Fragestellungen:

1. Ja. Der Gesetzgeber war es, also Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, die 1950 das Gesetz erlassen haben, welches die Grundlage der Entscheidung ist.

2. Das ist eben höchst umstritten, allerdings ist die Fragestellung dann etwas falsch, denn man sollte dann fragen, ob das Gesetz moralisch einwandfrei ist.

3. Das scheint inzwischen zum Nebenthema geworden zu sein, so lasse ich das mal unbeantwortet.

Also, zu 1 gibt es nicht mehr viel zu sagen. Zu 2 um so mehr:
Fierna schrieb (Beitrag gelöscht):Die Legitimität von Gesetzen/Verfassungen/Rechtsgrundlagen ergeben sich nicht aus ihrer schlichten Existenz.
Damit öffnest Du die Tür freilich sperrangelweit für allerlei Diskussion, aber das Thema ergibt sich eben aus Frage 2 oben.

Man kann natürlich nun sagen, wie das gerade heutzutage sehr häufig vertreten wird, ein Gesetz ist dann gerechtfertigt, wenn es dem Willen des Volkes, ausgedrückt durch seine gewählten Repräsentanten entspricht. Man lehnt dann, recht formaljuristisch, jede weitere Begründung in Moral, in Geschichte, in Tradition, in Religion und so weiter ab. Wie gesagt, das ist eine Sichtweite, die heute oft vorkommt. Eventuell benutzt man dann noch einen diffusen Gleichheitsgrundsatz mit dem man rechtfertigt, dass alle gleichbehandelt werden müssen und man gerade keine moralischen Unterschiede anlegen darf. Wenn man dann davon ausgeht, dass alle Menschen gleiche Bedürfnisse haben, welche der Staat befriedigen muss, spräche das für eine Versorgung der Täter.

Man sollte sich klarmachen, dass dies heutzutage die Regeleinstellung ist. Ein einfaches Beispiel genügt: auch ein verurteilter Kindermörder wird heute nach Absitzen seiner vergleichsweise kurzen Strafe das Anrecht auf seine erarbeiteten Rentenbezüge haben, seine Witwe sowieso und so weiter.

In unserem Fall hier scheint heute aber eine andere Beurteilung mehrheitsfähig zu sein: Dem NS-Täter wird eine Unwürdigkeit statuiert. Diese ergibt sich besonders aus der vermeintlichen Gleichstellung mit seinen Opfern.

Nun könnte man das auf zweierlei Art und Weise lösen: man zahlt beiden eine Versorgung und legt fest, dass ein Opfer immer grundsätzlich mindestens den gleichen Betrag erhält, oder mehr, aber niemals weniger als ein Täter oder seine Hinterbliebenen. Das wäre gesetztestechnisch durchaus möglich und würde manche Probleme der Realität, in welcher die Opfer weniger oder gar keine Versorgung erhielten, lösen.

Oder aber man sagt: Opfer und Täter sind nicht nur nicht gleich, sondern es existiert ein so himmelweiter Unterschied, dass ich es gar nicht vertreten kann, im gleichen Zusammenhang, also der Versorgung, von beiden zu reden. Ich will, dass der Täter auch im Punkt der Versorgung sanktioniert wird, dass herausgestellt wird, dass sein Verhalten moralisch so abscheulich ist, dass er auf keinen Fall eine Versorgung in dem Mass verdient, wie ein unbescholtenes Kriegsopfer.

Das geht also in die Richtung, welche @Fierna oben vom BSG zitiert und verlinkt hat: es geht um die Würdigkeit des Empfängers staatlicher Versorgung.

Das ist ein Werturteil. Auf den ersten Blick spricht das Grundgesetz dagegen, das den Gleichheitsgrundsatz so betont. Auf den zweiten Blick aber stimmt das gar nicht: Das Grundgesetz fordert nicht, alle gleich zu behandeln. Es fordert, Gleiche gleich zu behandeln. Das verstehen viele nicht, aber es ist so. Und das Grundgesetz behauptet von sich selbst, eine moralische Basis zu haben. Hier kommen wir auf @Fierna s Frage zurück.

Die Präambel bezieht das Verfassungswerk auf eine religiöse Grundlage, die freilich geschichtlich gesehen die christliche Grundlage ist. Das wird heute auch gern verdrängt, ist aber so. Und aus der aus christlicher Sicht gebotenen Betrachtung haben damals die Verfasser des Grundgesetzes den Artikel 1 formuliert, den heute viele kennen, wenn sie auch sonst keine Ahnung vom GG haben: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Und das ist das Interessante und Ungewöhnliche: Aus dieser Grundlage heraus kann es durchaus korrekt und sogar verpflichtend sein, dass der Staat vor seinem Handeln überprüft, ob es diesen unausgesprochenen und ausgesprochenen Werten entspricht, oder, wie hier im konkreten Fall, ob er eine "Wertigkeitsprüfung" anstellen darf, bevor er Versorgungsbezüge auszahlen darf. '

Diese Ermächtigung, die ich bejahe und die in § 1a BVG ja nun endlich angewandt wurde, ist freilich nicht ganz unproblematisch. Generell ist man sicher eher beruhigt, wenn sich der Staat auf eine neutrale Position zurückzieht und keine moralischen Wertungen vornimmt. Hier aber, und in einigen anderen Positionen, ist meiner Meinung nach gerade aus Art. 1(1) GG die Pflicht erwachsen, das Versorgungsrecht von Tätern und Opfern anders zu gestalten, als das 1950 geschah: in einer Weise, welche die Würde der Opfer nicht noch weiter beschädigt hätte.


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