Verstorbene noch einmal ansehen?

Bundeskanzleri schrieb am 10.01.2022:Das ist wirklich krass. War also das ganze Haus dadurch tabu?

Ja, es fühlte sich einfach entsetzlich fremd an, die Haustür war aufgebrochen und die rannten da in der Wohnung rum, haben Fotos gemacht etc. ich wollte das nicht mitkriegen.

@Shiiva
Ach so, ich hatte das erst so verstanden, dass du wegen deiner Mutter nicht mehr reinwolltest.
Polizei und Co entweihen so einen Ort ja ganz schnell mit ihrer Präsenz, wie du schreibst, so fremd eben.

Ist sie denn keines natürlichen Todes gestorben?

Bundeskanzleri schrieb:Ist sie denn keines natürlichen Todes gestorben?

Plötzlicher Herztod, aber trotzdem Fotos etc.

Shiiva schrieb:Plötzlicher Herztod, aber trotzdem Fotos etc.

Wie wurde das festgestellt? Gab es eine Leichenöffnung?

Ich würde gerne die Leiche sehen.
Einfach auch, weil ich mir sehr für Leichen interessiere. Tod generell.

@Devexa

Warst du denn schon auf einer Beerdigung? Das ist doch oft üblich, dass man den Verstorbenen in einem eigenen Raum ansehen kann.
Allerdings müssen wohl die Angehörigen einverstanden sein, soweit ich weiß.

@Bundeskanzleri
Ja war ich, aber da war ich glaube 10 Jahre alt oder jünger sogar... Weiß nicht.
Jedenfalls war es nicht so.

@Devexa

OK, mit 10 macht man sich sicher auch nicht einfach selbständig in die Aufbahrung auf den Weg. (auch wenn es das gegeben hätte)

Ich muss sagen, ich finde das schon auch spannend, soll nicht pietätlos klingen, aber es ist eben ein abschließender Eindruck von dem Gestorbenen. Und es ist wie etwas letztes Geheimnisvolles, was man eben kaum zu sehen bekommt.

@Bundeskanzleri
Finde es ebenfalls spannend. Habe sogar mal überlegt bei einem Bestattungsunternehmen ein Praktikum zu machen. Aber bin mir da noch nicht sicher.

@Devexa

Das war mal eine zeitlang sehr begehrt. Da kamen dann solche Pathologieserien im Fernsehen und das eine Bestattungsunternehmen bei uns in der Nähe konnte sich vor Anfragen von Schülern nicht mehr retten, die da ihr Pflichtpraktikum machen wollten :D
Also warum nicht mal probieren.

Man denkt immer, es ist ein Tabu, aber irgendjemand muss die Arbeit machen und es gehört auch einiges dazu, das solide und seriös zu machen.

Ich finde es gut, wenn die Leute auch an diesen Stellen ihren Job gerne machen.

Bundeskanzleri schrieb:irgendjemand muss die Arbeit machen und es gehört auch einiges dazu, das solide und seriös zu machen.

Ich finde es gut, wenn die Leute auch an diesen Stellen ihren Job gerne machen.

Ich finde, dass das eine sehr wichtige Arbeit ist. Dafür muss man bestimmte Eigenschaften haben. Ein Praktikum ist glaube ich der beste Weg, um festzustellen, ob einem das liegt oder nicht.

Ich habe in meinem Leben genügend Sterbende und Tote gesehen. Die wenigsten davon "am Stück" und sanft entschlafen. Die überwiegende Anzahl zerfetzt, verbrannt und schlicht und einfach qualvoll verreckt.

Auch was Todesfälle in der Familie angeht, so habe ich mir einige davon angesehen, beispielsweise meine Mutter, die in meinen Armen starb. Auch meine älteste Schwester. Manchmal wird einem auch abgeraten, sich Verstorbene anzusehen. Als mein älterer Bruder mit dem Auto verunglückt war, riet der Bestatter ausdrücklich davon ab, ihn noch einmal ansehen zu wollen. Dann gibt es eben auch noch die Fälle, wo es einfach auf Grund der Umstände nicht möglich ist. Wo meine erste Frau in Beirut bestattet wurde (wenn überhaupt) weiss niemand - oder will es nicht wissen. Angeblich unter einem Parkplatz.

Früher war der Umgang mit Toten "lockerer", wenn man sich mal ein Beinhaus (Karner) anschaut, in dem die Schädel und Knochen zu geschmackvollen Mustern gestapelt sind, und der Schädel fein säuberlich mit Namen und Geburtsdatum versehen ist, damit man Omma auch wiederfindet im Gewühl.

Ich glaube, dass die Bedürfnisse der Trauernden extrem unterschiedlich sind. Auf der einen Seite glaube ich, dass es einigen gut tut ihre verstorbenen Zugehörigen zu betrachten. Ich habe aber auch schon von einem Bericht gehört, wo von Jemanden die Mutter verstorben ist, während die angehörigen Verreist waren. Dort haben die meisten die Verstorbene lebend erlebt und danach nur noch im Sarg.

Cherymoya schrieb am 17.03.2022:Ich glaube, dass die Bedürfnisse der Trauernden extrem unterschiedlich sind

Das erlebe ich auch genau so. Ich selbst hielt die Hand meines Vaters bis zum Ende. Dass der Anblick durch den Krebsverlauf natürlich nicht dem in den tollen Erinnerungen entsprach ist wohl klar. Meine beiden Schwestern konnten die letzten 2 Tage schon nicht mehr rein zu ihm. Ob sie es bereuen, weiss ich bis heute nicht. Er war offiziell nicht mehr bein Bewusstsein, ich denke da aber immer anders. Erstens glaube ich, man konnte ihm noch beistehen und 2. Ist es mein Bedürfnis gewesen bei ihm zu sein und alles bis zum Ende zu begleiten.

Ein Richtig oder Falsch gibt es da wohl nicht.

Wenn ein Baby stirbt, gibt es diese Frage eigentlich kaum, ob man sich sein Kind nochmal ansehen will.
Da hat sich schon der Gedanke durchgesetzt, dass fast alle Betroffenen berichten, dass ein Abschied vom toten Kind das Geschehene begreifbar macht und auf längere Sicht die Trauer erleichtert.

Oft sind die Eltern eh dabei, wenn es während oder nach der Geburt passiert.

Es gibt auch Familien, die beschäftigen sich noch eine ganze Weile mit dem toten Kind, kleiden es an, haben es um sich, die Geschwister sind manchmal dabei.

Auch wenn das Kind noch im Mutterleib verstirbt, ist oft der Wunsch da, es zu sehen, zu halten, zu riechen, zu fotografieren.

Viele Mütter, die das nicht erleben konnten, wünschen sich das später, das Kind gehalten zu haben oder einfach Bilder im Kopf zu haben.
Es gibt dafür auch manchmal Fotografinnen, die im Falle eines toten Babies ins KH kommen und Fotos machen.

Können auch mal Ehrenamtliche sein.

Bei uns war es so, dass ich meine Tochter noch kurz halten konnte, aber sie sehr schnell abgeben musste, weil ich so höllische Schmerzen hatte. Einige Tage später wollte/ sollte ich sie mir nochmals ansehen, aber da war sie schon "weg", ich hatte kein Gefühl zu dem Körperchen.
Dafür habe ich ein oder zwei Fotos, die meine Mutter in meinem Auftrag gemacht hat. Die habe ich bis heute und hin und wieder "begegnen" sie mir und mir wird ganz warm :lv:

Der Todestag meines Vaters jährt sich in ein paar Tagen zum ersten Mal. Mir hat es wirklich sehr geholfen seinen Tod zu begreifen, indem ich ihn nochmals gesehen habe und mich ganz bewusst von ihm verabschieden konnte. Es war in dem Moment sicher, dass ich ihn das letzte Mal überhaupt sehen werde und ich habe mich ganz bewusst darauf eingelassen.
Ich bin generell ein sehr haptischer Mensch, deshalb war es für mich auch eine Selbstverständlichkeit, dass ich ihn nicht nur sehen, sondern auch fühlen wollte, um zu be"greifen", dass er tot ist.
Mir hat das bei der Trauerbewältigung sehr geholfen.

Bei meiner Schwiegermutter war es ähnlich, ich habe zusammen mit ihrer Pflegerin freiwillig dabei geholfen, sie her zu richten, noch bevor der Bestatter überhaupt vor Ort war. Sie starb zu Hause und es war ein letzter Dienst, den ich ihr erweisen konnte. Auch damals war es für mein eigenes Begreifen wichtig, sie nochmals berühren zu können, auch um erkennen zu können, dass die Person, so wie man sie kannte, nicht mehr vorhanden ist.

Bundeskanzleri schrieb am 12.03.2022:Warst du denn schon auf einer Beerdigung? Das ist doch oft üblich, dass man den Verstorbenen in einem eigenen Raum ansehen kann.

Meinst du? Der Sarg steht ja meistens mit Blumen geschmückt in der Aufbahrungshalle. Von da wird er dann zum Grab getragen. Ich bin mir nicht sicher, ob man da die Leiche vorher einfach angucken kann.

EnyaVanBran schrieb:Der Sarg steht ja meistens mit Blumen geschmückt in der Aufbahrungshalle. Von da wird er dann zum Grab getragen. Ich bin mir nicht sicher, ob man da die Leiche vorher einfach angucken kann.

Ja, während der Feier. Bei uns gibt es vorher so Aufbahrungsräume, da kann man gucken.
Wenn die Angehörigen zustimmen.

@Bundeskanzleri
Hm, okay, möglich dass es so etwas auch bei uns gibt, wenn man es extra wünscht, aber gefragt wurden wir (Angehörige, die die Beerdigung mit der Bestattung planen) aber auch nie. Mag sein, dass so etwas nicht von jedem Unternehmen angeboten wird.

@EnyaVanBran
Hättest du deinen Vater sonst nochmal gerne gesehen?
Ich glaube, du hast hier schon was geschrieben gehabt, oder?

Manche haben den Angehörigen ja auch vor der Beerdigung im KH oder zuhause schon begleitet und gesehen.