FEMEN- Feminismus oder Sexismus?

@tris

Natürlich wird sich nicht jeder Jägersmann auf Grund von blutigen PETA-Protesten freiwillig die Knarre in die Ecke stellen, nicht jedes diktatorische Regime vor nackten Genitalien erzittern. Ein Faschist wird nicht aufhören, Faschist zu sein, wenn man ihm den Schwanz unter die Nase hält. Der reagiert unter Umständen erst ab Argumenten von 9 mm aufwärts.

Es geht bei Protestaktionen nicht unbedingt darum, bei jedem anzukommen. Hätte man das immer gewollt, auch noch den Letzten von seiner Sache zu überzeugen, wären Leibeigenschaft, Sklaverei und Folter nicht abgeschafft worden. es sind immer nur wenige, die eine sache in Bewegung bringen - und nie alle, die bei einer Revolution mitmachen. 1989 in der DDR ist ja auch nicht jeder Montags mitmarschiert.

Es geht darum, auf Missstände aufmerksam zu machen - und wenn sich ein dicker alter Mann wie Ai Weiwei auszieht, um auf Missstände in China hinzuweisen, dann hat das einfach einen höheren Aufmerksamkeitsgrad, als wenn er sich mit einer Kerze in die Fussgängerzone stellt.

Na, für oder gegen was protestiert wohl diese Frau? Und wo?

@Doors

Doors schrieb:Es geht darum, auf Missstände aufmerksam zu machen - und wenn sich ein dicker alter Mann wie Ai Weiwei auszieht, um auf Missstände in China hinzuweisen, dann hat das einfach einen höheren Aufmerksamkeitsgrad, als wenn er sich mit einer Kerze in die Fussgängerzone stellt.

Sicher, es würde mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Aber m.E. mehr darauf, dass er nackt ist als auf die Misstände in China.

Es ging mir nicht darum, dass jeder Faschist innehält und über sein Leben nachdenkt. Es geht um die breite Masse, denen manche Missstände einfach nicht bewusst sind. Und da glaube ich nunmal nicht, dass sich deren Aufmerksamkeit auf die Missstände lenken lässt, indem irgendeine Aktion macht, die zwar Aufmerksamkeit auf sich zieht, aber durch das Übermaß an Aufmerksamkeitsaufsichzieherei die eigentliche Botschaft in den Hintergrund rücken lässt. Der Zielsetzung entsprechend ankommen werden diese Aktionen letztlich nur bei denen, die zum einen sowieso die Meinung vertreten und zum anderen selber auch für diese Aktionen empfänglich sind.

Ich bin gegen das Halten von Tieren mit dem Ziel, ihnen die Haut abzuziehen und sich um den Hals zu legen. Wenn sich rotbemalte PETA-Leute nackt in die Fußgängerzone stürzen, ist mir das aber trotzdem egal.

Oder auch bei dem Photo. Wüsste spontan nicht, gegen was sie protestiert. Nippelzensierende schwarze Balken im Fernsehen? Keine Ahnung.
Wenn sie mir in der Fußgängerzone begegnen würde, würde ich wohl vermuten, dass sie gegen irgendwas protestiert. Gegen was, würde mich aber nicht interessieren. Wieso sollte ich meine Aufmerksamkeit großartig an jemanden verschwenden, der seine Botschaft nicht klar und deutlich zum Ausdruck bringen kann, sondern seine Priorität auf Aufmerksamkeitsheischerei legt?

@tris

Fotoshooting für Armbanduhr-Werbung in Tel Aviv.

Aber gebt's zu - hingeguckt habt Ihr alle! :D

@Doors

Doors schrieb:Aber gebt's zu - hingeguckt habt Ihr alle! :D

Aber nicht auf die Armbanduhr. ;)
Selbes Prinzip. Man sieht eine halb Nackte, aber nicht das Produkt.

@tris

Hätte sie Jeans und T-Shirt getragen, hätten weniger hingeguckt. Die Uhr wäre auch keinem aufgefallen.

@Doors
Sprich: Wenn in beiden Fällen die Uhr gleich wenig beachtet wird, ist es folglich vollkommen irrelevant, ob sie etwas anhat oder nicht. Das extra Ausziehen deswegen ist also überflüssig.

Aber die Leute haben hingesehen. Bei jeder politischen Aktion ist das schon mal der erste Schritt. Alte Agit-Prop-Weisheit:

Erst einmal müssen die Leute stehen bleiben und hinsehen. Dann kannst Du sie ansprechen. Deshalb ist man bei Strassentheater, ob offen oder verdeckt, ja meist auch lauter als bei normaler Unterhaltung.

Wobei man dazusagen muss: Wenn sie dann auf einer Plakatwand drauf ist, macht sie durchaus Werbung für die Marke, der Wiedererkennungswert und das "Davon habe ich schonmal gehört" steigt.

Wenn wir das jetzt auf die FEMEN-Proteste übertragen, trifft das auch zu. Wenn irgendjemand nackt protestiert denkt man sich auch gleich: "Ach, FEMEN, kenn ich".

Aber genauso, wie man bei der Werbung sich zwar noch an die Nackte erinnert und einem zumindest der Markenname bekannt vorkommt, vom Produkt aber keine Ahnung hat, erinnert man sich bei den Protesten auch an die Nackte und wird es mit dem Namen FEMEN in Verbringen, die Botschaft allerdings geht wie das Produkt bei der Werbung.

Der Unterschied ist bloß: Bei Produkt-Werbung ist das egal, da ist die Wiedererkennung der Marke wichtiger als das Produkt. Bei politischen Protesten dagegen sollte aber eigentlich die Botschaft wichtiger sein als der Protestierende.

Doors schrieb:Erst einmal müssen die Leute stehen bleiben und hinsehen. Dann kannst Du sie ansprechen. Deshalb ist man bei Strassentheater, ob offen oder verdeckt, ja meist auch lauter als bei normaler Unterhaltung.

Und die Leute, die tatsächlich stehen bleiben UND für ein gespräch empfänglich sind, kannst du an einer Hand abzählen. Davon sind die meisten Gespräche überflüssig, weil man ja eh an sich der selben Meinung ist. Und der klägliche Rest, der übrigbleibt, bleibt auch hinterher bei seiner vorherigen Meinung.

Erfolg: Werbung für einen selbst, aber keinerlei Werbung für die Sache.

@tris

Protestformen waren und sind immer vielfältig und darauf aus, Aufmerksamkeit zu erregen. Darum trillerpfeift der streikende Verdidaner, darum besetzt der Öko eine Strassenkreuzung, darum sprengt der Guerillero den Präsidentenpalast und darum klingelt der Greenpeacler an der Haustür, darum hungerstreikt der politische Gefangene und darum haut der Antifaschist den Nazi.

Ich kann nach über 40 Jahren eigenen Erfahrungen mit verschiedenen praktizierten politsch motivierten Protestformen nur sagen: Alles, was Aufmerksamkeit auf ein Thema oder eine Organisation, die Sachen zum Thema macht, lenkt, ist zunächst einmal gut und nicht schlecht, um diese Mao Ze Dong-Formulierung zu wählen.

Natürlich kann man sagen: Alle Protestformen unterhalb des bewaffneten Massenkampfes sind Scheisse - solche Leute sind mir hier und andernorts begegnet - aber dann sollte man eben diese Form praktizieren und den anderen ihre Gebetsstürme gegen Atomraketen, Lichterketten gegen Nazis oder Titten gegen Diktaturen lassen. Widerstand muss vielfältig sein, wenn er erfolgreich sein will.

Wenn wir hier über die Unterdrückung in der Ukraine debattieren, über Frauenhandel und sexuelle Ausbeutung, über Frauenfeindlichkeit im Islam etc. - dann haben die nackten Brüste von FEMEN immerhin etwas bewegt.

@Doors

Doors schrieb:Wenn wir hier über die Unterdrückung in der Ukraine debattieren, über Frauenhandel und sexuelle Ausbeutung, über Frauenfeindlichkeit im Islam etc. - dann haben die nackten Brüste von FEMEN immerhin etwas bewegt.

Tun wir das? Bzw. vorallem: Tun es Leute, die es ohne FEMEN nicht getan hätten?

Ohne FEMEN gäbe es diesen Thread hier nicht.

@Doors
Toll... da ist eine Gruppe, deren Ziel es an sich ist, auf Missstände aufmerksam zu machen und was haben sie erreicht? Wir reden über die Gruppe, aber nicht über die Missstände.

Genau das, was ich meinte, die Halbnackt-Aktionen ziehen die Aufmerksamkeit nur auf die Gruppe, die Botschaft geht leer aus. Die könnten auch gar keine Botschaft haben, sondern alles nur aus Jux machen, der Effekt wäre der selbe.

Immerhin gab mir dieser Thread die Möglichkeit, mich über die Geschichte des Nackt-Proteste auszulassen. Dafür bin ich den Mädels dann auch dankbar. :D

@Doors
Dann hat FEMEN es erreicht, zumindest einen Missstand zu beseitigen. ;)

@tris
@Doors
Ob ihr es jetzt glaubt oder nicht, mit den Aktionen von Femen auf der Hannover Messe und in Tunesien wurde erstmals öfter nach Femen wie nach Titten gegoogelt.


http://www.google.com/trends/explore?hl=en-US#q=femen%2C%20titten&cmpt=q



Durch die Aktion von den drei Femenaktivistinnen wissen wir nun auch wie es in den tunesischen Frauengefängnissen zugeht. Ich habe keine Ahnung wie viel Spendengelder in der letzten Zeit gesammelt wurden, aber es hat ausgereicht um für Amina einen Rechtsanwalt zu beauftragen der sie bis zur Gerichtsverhandlung frei bekommen hat.

Free Amina!



Tunesische Femen-Aktivistin nach wochenlanger Haft wieder frei
http://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_64784016/tunesien-femen-aktivistin-amina-sboui-aus-gefaengnis-entlassen.html (Archiv-Version vom 03.08.2013)

@bit

bit schrieb:Ob ihr es jetzt glaubt oder nicht, mit den Aktionen von Femen auf der Hannover Messe und in Tunesien wurde erstmals öfter nach Femen wie nach Titten gegoogelt.

Dass die Aufmerksamkeit auf die Gruppe FEMEN gelenkt wird, habe ich nie bestritten, im Gegenteil. Ich wage bloß zu bezweifeln, dass die Botschaft so durchdringt.

bit schrieb:Durch die Aktion von den drei Femenaktivistinnen wissen wir nun auch wie es in den tunesischen Frauengefängnissen zugeht.

Das hätte ich dir auch vorher sagen können. Und interessieren tut es die meisten aber auch nur am Rande.

bit schrieb:Ich habe keine Ahnung wie viel Spendengelder in der letzten Zeit gesammelt wurden, aber es hat ausgereicht um für Amina einen Rechtsanwalt zu beauftragen der sie bis zur Gerichtsverhandlung frei bekommen hat.

Und da ist auch die Frage, ging es den Spendern tatsächlich um die Missstände oder um FEMEN? Sicher, die Spenden bringen was, egal worum es den Spendern ging. Aber wenn wir jetzt mal davon ausgehen, dass es FEMEN nicht in erster Linie um Spendengelder geht, ist es m.E. schon wichtig, wie die Motivation war. Wenn die Spenden in erster Linie wegen der aktuellen Popularität von FEMEN getätigt wurden, hat sich überhaupt nichts verändert und morgen ist alles schon wieder vergessen.
Ist jetzt natürlich wieder nicht auf die Spender bezogen, die so oder so gespendet hätten, als "natürliche" FEMEN-Fans.

tris schrieb:Dass die Aufmerksamkeit auf die Gruppe FEMEN gelenkt wird, habe ich nie bestritten, im Gegenteil. Ich wage bloß zu bezweifeln, dass die Botschaft so durchdringt.

@tris
Wer Titten sehen will googelt nach Titten. Und wer sich für die Botschaft interessiert googelt nach Femen.

Bit schrieb:
Durch die Aktion von den drei Femenaktivistinnen wissen wir nun auch wie es in den tunesischen Frauengefängnissen zugeht.
Das hätte ich dir auch vorher sagen können. Und interessieren tut es die meisten aber auch nur am Rande.

Du hast es mir und den anderen aber nicht gesagt und alle die es nicht nur am Rande interessierte, mußten erst mal nach Femen googeln. ;)

@bit

bit schrieb:Wer Titten sehen will googelt nach Titten. Und wer sich für die Botschaft interessiert googelt nach Femen.

Und wer einfach nur wissen will, wer genau die nackten Hupfdohlen sind, ohne sich dann aber großartig für die Botschaft zu interessieren, googlet auch nach FEMEN. Insofern: Keine Aussagekraft.

Mal ganz abgesehen davon, dass "Titten" deutsch ist, während FEMEN überall so heißt. Da Google Trends aber sprachraumunabhängig anzeigt, ist dieser Titten-FEMEN-Vergleich absoluter Unsinn.
Außerdem: Jeder, der Titten sehen will, googlet nach "boobs", da gibt es mehr Treffer.

bit schrieb:Du hast es mir und den anderen aber nicht gesagt und alle die es nicht nur am Rande interessierte, mußten erst mal nach Femen googeln.

Hättest mich nur zu fragen brauchen. ;)
Und die, die nach FEMEN gegooglet haben, interessieren sich für tunesische Frauengefängnisse trotzdem kaum. Klar, schrecklich, die armen Frauen, blablablubb. Man weiß auch, wie es in Schlachtbetrieben aussieht und isst trtozdem Chicken Wings. Hat überhaupt keinerlei Auswirkung und die personen- statt botschaftsbezogenen Aktionen (ein Schriftzug auf einer Brust ist nunmal immer das Zweitrangige) ändern daran auch nichts.

Doors schrieb:1989 in der DDR ist ja auch nicht jeder Montags mitmarschiert.

War ja auch mal ausnahmsweise keine Pflichtveranstaltung, außer für die Genossen vom MfS.^^

bit schrieb am 02.08.2013:Ob ihr es jetzt glaubt oder nicht, mit den Aktionen von Femen auf der Hannover Messe und in http://karthago.info/tunesien-im-ueberblick/ wurde erstmals öfter nach Femen wie nach Titten gegoogelt.

Ich würde auch niemals daraus ziehen, dass wirklich die Gruppe auf ein soviel größeres Interesse stoßt. Ist halt eine kurze Fluktuation, wird wieder vorbei gehen. Und dann wird wieder für Monate und Jahre mehr nach Titten gesucht werden. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Filmtipp:

http://www.ardmediathek.de/wdr-fernsehen/frautv/femen-die-radikalste-variante-der-frauenbewegung?documentId=13408382 (Archiv-Version vom 16.10.2013)

Über Viktor Swjazkij wurde eine Doku gedreht.
Was, ihr kennt Viktor nicht? Das ist doch der Mann der hinter Femen steht/stand. Der Ukrainer der neulich so furchtbar zusammen geschlagen wurde.
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5. September 2013 18:39
Enthüllungen über Femen
Putsch der Gedemütigten

Sind die Oben-ohne-Feministinnen von Femen vollkommen diskreditiert? Die Kampforganisation der Frauenbewegung wurde immerhin lange von einem herrisch auftretenden Mann dominiert, wie eine neue Doku belegt. Doch auch gegen diesen "Patriarchen" haben sich die Aktivistinnen schließlich aufgelehnt - mit Erfolg.
http://www.sueddeutsche.de/kultur/enthuellungen-ueber-femen-putsch-der-gedemuetigten-1.1763684

Hier die PK und wenn ihr die brav bis zum Schluß anschaut gibt es auch Möpse zu sehen. ;)