Vorletzte Nacht träumte ich vom ortsnahen Spital und meinen Ärzten. Der Chirurg hält seinen Arztbericht kurz und bleibt in der Prognose und in seiner Art weiterhin bedächtig. Er ist sehr verschwiegen und schreibt nicht zu viel in den Arztbericht, sondern nur verkürzt das Wesentliche. Bei ihm muss man Luftlesen können, wie die Japaner sagen. Er ist nicht so direkt in seiner introvertierten Art.
Da ist der Angiologe schon ganz anders, wobei auch er seinen Arztbericht nicht mit unnötigen Angaben überfüllt, weil das aus seiner Sicht nicht dorthin gehört. Er denkt da sehr pragmatisch und überlegt sich, wie er mir besser helfen könnte im Rahmen seiner ärztlichen Möglichkeiten. Er macht sich wie der Chirurg so seine Gedanken, verhält sich aber in der Kommunikation auch vorsichtig, als wäre ich ein rohes Ei, das sonst zerbricht.
Tatsächlich sehe ich mich nun in einer „Lymphdrainage-Maschine“, zusammen mit zwei Eiern, eines davon roh, das andere gesotten. Als das rohe Ei nach mehreren Runden aufzubrechen beginnt, verlasse ich die Maschine. Danach mache ich draußen meine Bewegungsrunden, dies in krankenschwesterlicher Begleitung einer älteren Frau mit Frisurstil meiner Mutter, die durchblicken lässt, dass sie mich immer noch für bewegungsfaul hält, was mich innerlich verletzt.
Vom Angiologen erfahre ich, dass er auch etwas religiös ist. Er interessiert sich offenbar für eine neuartige Religionsgruppe, die sehr tolerant sein soll. Ich selbst hielt mich mit religiösen Aussagen bisher zurück. Mein Konsens mit dem Angiologen ist wie ein Buch, das ich ihm passend gegeben habe, ohne direkte religiöse Aussagen zu treffen. Trotzdem schwingt das als Teil meiner Persönlichkeit mit rein, was der Angiologe irgendwie ahnt.
Nur der Pflegefrau gegenüber erwähnte ich etwas von meinen Wahrträumen. Vielleicht hat sie es dem Angiologen mitgeteilt, denn mit dem kann sie sehr gut, während sie meinen introvertierten Chirurgen spürbar weniger schätzt.
Ich fühle mich wirklich wie ein rohes Ei und will nicht verletzt werden. Deshalb bleibe auch ich sehr vorsichtig bei den Ärzten, damit sie nichts sagen oder tun, was mich verletzen könnte.
Außerdem besteht ein fachlicher Konflikt zwischen dem Angiologen und dem Chirurgen. Ich pflichte zwar dem Angiologen bei, glaube aber, den Chirurgen, mit dem ich gut kann, mit der Zeit umstimmen zu können.
Ich zeige den Ärzten gegenüber meine bestehende Verletzlichkeit, damit sie mich nicht verletzen, denn gerade das könnte ich jetzt nicht gut verkraften.
Bisher spürten sie das und verhielten sich vorsichtig mir gegenüber. Auf der anderen Seite nehme ich immer wieder die klinische „Maschinerie“ des Spitalbetriebs wahr, weshalb ich letztlich doch allein kämpfen muss.
Von daher hat die Frau, die mich bewegungsfaul nannte, Recht, dass ich mit meiner Leistung noch mehr hochfahren muss, auch wenn kaum jemand nachvollziehen kann, wie groß meine Leistung bereits ist angesichts meiner Schmerzkrankheit.
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