Mr.Stielz schrieb am 24.10.2022:Jetzt sind aber alle Bezugssysteme gleichberechtigt; ein jeder darf sich selbst als ruhend definieren; absolute Koordinaten gibt es nicht in diesem Universum. Woher also weiß der ruhende Sack Reis, dass zu seinen Füßen Mutter Erde rotiert?
Das Thema ist ja schon etwas älter, aber ich bin ja neu dabei. Warum also nicht auch meinen Senf dazugeben ...
Bezugssysteme sind nur dann gleichberechtigt, wenn man sie auf translatorische Bewegungen bezieht. Rotatorische Bewegungen sind keinesfalls unabhängig voneinander als ruhend zu betrachten. Das ist schonmal der Gedankenfehler deines Eingangsbeitrages.
Du selber empfindest dich auf der Erdoberfläche nur deshalb in einem ruhenden System, weil die Kräfte die auf dich wirken um dich in die Kreisbahn zu zwingen, sich teils aufheben (zum Teil Gravitation und Fliehkraft), oder so klein sind, dass du sie nicht wahrnimmst (Coriolisbeschleunigung bei langsamer Bewegung). Wichtig aber: Ein rotierendes System ruht nicht!
Nun nehmen wir also mal den Sack Reis und schauen darauf, was mit ihm passiert.
In dem Augenblick, in dem er die Gulaschkanone vertikal nach oben (bezogen auf die Erdoberfläche) verlässt, wirken unterschiedliche Kräfte auf ihn ein:
1. Graviatation: Diese ist bei der Erde zum Erdmittelpunkt (Schwerpunkt) gerichtet. Auch Sonne, Mond und Planeten (sogar Sterne) wirken auf ihn ein - aber durch die Entfernung nur sehr wenig
2. Luftwiderstand: Dieser ist gegen die Anströmrichtung der Luft gegen den Sack gerichtet (Kombination aus Flugrichtung und Windrichtung)
Und das ist es auch schon (Sonnenwind und so einen Kram, lassen wir mal weg).
Was du als Beobachter zusätzlich wahrnimmst ist eine Seitenbewegung des Sacks. Diese wird durch die Coriolisbeschleunigung erklärt. Damit ist aber schlicht der Effekt umschrieben, dass der Sack eine trägheitsbestimmt primär lineare Bahn verfolgt (abgelenkt durch Graviatation und Windlast). Du als Beobachter bewegst durch relativ zum Schwerpunkt der Erde aber in einer Kreisbahn um die Achse der Erde. Der Zenit deiner Beobachtungshemisphäre wandert also weg von dem Sack den du oben beobachtest. Das aber nicht, weil der Sack zur Seite fliegt, sondern weil du als Beobachter deine Blickrichtung permanent änderst. Wolltest du, dass der Sack immer in deinem Zenit bleibt, dann müsstest du ihn zur Seite beschleunigen (in Richtung Zenit). Diese Beschleunigung nennt man (allerdings für die beobachtete Ablenkung) Coriolisbeschleunigung, und die dadurch hervorgerufene Kraft (Kraft = Masse x Beschleunigung) Corioliskraft.
Was dich also verwirrt ist die Tatsache, dass du dich als Beobachter als ruhend definierst, während du auf einer Kugel mit Graviatation und Atmosphäre rotierst. Befreie einen Körper von Gravitation, Windlasten und jeglicher Lagerung/Befestigung, dann kannst du sehen, wie sich ein wirklich "ruhender" Körper von dir wegbewegt.