Die "Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus e.V." schreibt dazu:
Indigo-Blauäugigkeit?
Mit ihrem Angebot gelingt es der Esoterik-Szene, verschiedene Bedürfnisse des modernen Menschen aufzugreifen. Sie gibt Ernährungstipps, sie schafft eine esoterische Wohlfühlatmosphäre, und sie spricht Sehnsüchte an. Mit der Indigo-Thematik gelingt es ihr, ein ernstes und weit verbreitetes Problem von Eltern mit verhaltensauffälligen Kindern aufzugreifen. Die Angst vor Psychopharmaka (z.B. Ritalin) im Fall einer ärztlich diagnostizierten „Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung“ (ADHS), das erschütterte Vertrauen in die herkömmliche Medizin, aber auch
der verständliche Wunsch, dass das eigene Kind nicht krank, sondern etwas Besonderes, Außergewöhnliches sein soll – genau an Sehnsüchten setzen die Indigo-Interpretamente von Esoterik-Ratgebern an: Sie bieten neue, dezidiert unwissenschaftliche Diagnose- und Erziehungsmöglichkeiten mit einer esoterisch-weltanschaulichen Unterfütterung. Leitend ist die in der Esoterik nach wie vor verbreitete Erlösungshoffnung des Neuen Menschen, der im Typ der Indigo-Kinder Gestalt gewinnen soll. Auf diese Weise gelingt es der Esoterik, ein Thema zu besetzen, das Eltern, Erziehern und Lehrern viel Kopfzerbrechen bereitet. Die Flut esoterischer Ratgeberliteratur zum Thema weist nicht allein auf deren marktstrategisches Kalkül hin, sondern ist auch ein Indiz dafür, dass im Blick auf das Krankheitsbild ADHS und den Umgang mit ihm nach wie vor großer Aufklärungsbedarf besteht.
Vorrangig geht es dabei nicht um mögliche Erklärungen des Phänomens, sondern vielmehr um das elementare Bedürfnis von betroffenen Eltern, Hilfe und Orientierung im Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern zu erhalten. Kritisch hinterfragt werden muss, ob die gebotenen esoterischen Perspektiven überhaupt geeignet sind, diese Hilfe zu leisten. Besteht hier nicht vielmehr die Gefahr, dass ein ADHS-Krankheitsbild von Indigo-faszinierten Eltern als solches nicht akzeptiert, sondern esoterisch uminterpretiert wird? Mit der Folge, dass fachärztliche Hilfe, die für die Diagnose und weitere Behandlung unerlässlich ist, durch esoterisch motivierte Ressentiments gegenüber Medizin und Psychologie möglicherweise ausgeschlagen bzw. überhaupt nicht zu Rate gezogen wird –
zum Schaden der betroffenen Kinder. Zu befürchten ist, dass Eltern beim Umgang mit ihren Kindern einer narzistischen Aufwertung noch mehr Raum geben, anstatt einer entsprechenden Behandlung und Begleitung unter fachärztlicher Aufsicht zuzustimmen. Für den, der an das Indigo-Phänomen lediglich glaubt, mag darin ein besonderer Zauber innewohnen. Für betroffene Eltern und ihren Kindern kann diese Indigo-Blauäugigkeit jedoch unkalkulierbare Risiken nach sich ziehen. Die Esoterik-Szene schiebt Bedenken beiseite. Mit der Gebrochenheit menschlicher Existenz will und kann sie sich nicht abfinden. Hoffnungsfroh wendet man sich nunmehr der zu erwartenden neuesten Generation zu: den Regenbogen-Kindern. Ihre besondere Aura, deren Farben einen Regenbogen ergeben sollen, steht als Symbol für ein neues Zeitalter: Die Transformation zum Neuen Menschen soll bereits im Gange sein – ein Gedanke, der bereits nachhaltig die sog. New Age-Bewegung der 1980er Jahre geprägt hatte.
Die unkritische esoterische Fortschrittsgläubigkeit kennt keine Grenzen, geschweige denn menschliche Begrenzungen. Es ist kein Wunder, dass die Kleinen aus dem Blick geraten und von den Großen zur Projektionsfläche eigener spirituelle Wünsche und Sehnsüchte missbraucht werden.http://home.arcor.de/eimuc/2006.pdf (Archiv-Version vom 07.09.2012)