Tag 5
Der Tag begann mit der Vernehmung des Rechtsmediziners Dr. Bumgarner. Die Jury bekam eine Reihe Autopsiefotos zu sehen. Die Staatsanwältin stellte durch ihre Fragen fest, dass der zweite Schuss Charles Vallow traf, als dieser bereits am Boden lag. Lori versuchte erfolglos den Mediziner dazu zu bewegen, es als möglich zu bezeichnen, dass der Schuss ihn schon getroffen hat, als er noch nicht lag.
Der Sinn der Frage ist einfach zu eruieren: die Staatsanwältin will zeigen, dass der Täter den Tod wollte, denn für reine Notwehr wäre der zweite Schuss nicht notwendig gewesen. Inwieweit das überzeugend ist, ist für die Jury zu entscheiden.
Der nächste Zeuge ist ein Beamter der staatlichen Rentenversicherung, der Betrugsfälle usw. in Hinsicht auf Rentenversicherung, einschliesslich der Hinterbliebenenversicherung bearbeitet. Er sagte aus, dass JJ Vallow knapp $ 2000 (1951) nach dem Tod seines Vaters Charles Vallow zustanden, und dass Lori ebenfalls diese Summe als jenes Kind pflegende Hinterbliebene ihres Ehemanns zustanden, zusammen also knapp $ 4000 im Monat. Den zweiten Teil der Summe, nennen wir sie mal die Pflegepauschale, erhält sie aber nur bis sie wieder heiratet, falls sie das tut. Daher hatte Lori Anspruch auf die beiden genannten Zahlungen bis zu ihrer Hochzeit mit Chad Daybell, danach nur noch auf den direkt an JJ zu zahlenden Anspruch.
Das scheint sehr konfus zu sein, und ich zweifle etwas, dass die Jury das verstanden hat. Lori versucht diese Konfusion durch ihre Fragen zu klären, macht es aber m.E. noch konfuser. Worum es geht ist, dass Lori zunächst die gesamten ca. $ 4000 im Monat als Mutter von JJ bekam.
Tylee bekam ebenfalls eine Hinterbliebenenrente in Höhe von $ 1875.
Hier muss ich die Staatsanwältin kritisieren, denn sie hat erheblich zur Konfusion beigetragen und diese ebenfalls nicht wirklich aufgeklärt. Ich denke, bei der Jury blieb nur das hängen, was bei mir hängenblieb, und das sind die monatlichen ca. $ 4000.
Vermutlich ist das auch nur das, was die Staatsanwältin wollte: bei der Jury die Erkenntnis hervorrufen, dass der Tod von Charles Vallow Zahlungen in dieser Höhe bedeutete. Denn sie hat ja als Motiv durchklingen lassen, im opening statement, dass Lori den Tod ihres Mannes u.a. wegen dem Geld wollte.
Nach vielen Fragen kam dann endlich heraus, dass Lori und Chad die Rentenversicherung nicht informierten, dass diese geheiratet hatten, was bedeutet, dass sie von dem Tag an $ 1975 im Monat zuviel und unrechtmässig erhielt.
Mein Kommentar: das hätte man auch mit viel weniger Konfusion darstellen können.
Die nächste Zeugin war eine Mitarbeiterin der privaten Lebensversicherungsgesellschaft, bei der Lori und Charles jeweils eine Lebensversicherung abgeschlossen hatten.
Charles hatte eine LV in Höhe von $ 1 Million. Die Begünstigte war zunächst Lori. Charles hat aber kutz vor seinem Tod dies geändert und benannte nun seine Schwester als Begünstigte. Lori wusste da aber nichts von. Daher meldete sie nach Charles Tod einen Anspruch an.
Zum ersten Mal verzichtet Lori hier auf eigene Fragen, was m.E. korrekt war.
Der nächste Zeuge ist ein Ballistiker der Staatspolizei von Arizona, in Deutschland mit dem Landeskriminalamt vergleichbar. Keine Überraschung hier: die am Tatort gefundene Pistole hat die beiden Patronen abgefeuert, deren Projektile Charles getötet haben. Lori fragt wieder unnötige Fragen, die Staatsanwältin aber auch.
Die nächste Zeugin ist wieder eine Kriminalbeamtin der städtischen Polizei, vom was man in Deutschland das Morddezernat nennen würde.
Sie beschreibt Loris Verhalten am Tatort als "non-chalant," unemotional, auch als sie offiziell Lori bestätigt, dass ihr Ehemann verstorben ist. Auch dabei hat sich Loris Verhalten nicht geändert. Loris Reaktion allerdings überraschte die Beamtin: "Ja, ich weiss, ich war dabei." Auch während der Fahrt zur Polizeistation, Lori blieb unemotional. Dann werden einige Aufnahmen der ersten Vernehmung gezeigt, damals war die Beamtin noch der Meinung, Lori sei "nur" eine Zeugin, noch keine Beschuldigte.
Lori protestiert, dass immer nur winzige Ausschnitte der Vernehmung gezeigt werden, aber der Richter bügelt das ab. Dies ist das erste Mal, dass ich nicht mit dem Richter übereinstimme, ich lese § 106 AzRE und FRE wie Lori, man hätte die Vernehmung komplett zeigen sollen. Aber der Richter ist der boss. Allerdings hätte Lori ihren Einspruch untermauern sollen, warum dieses Stückwerk unfair ist. Mir ist allerdings auch nicht ganz klar, warum die Staatsanwältin so vorgeht. Ohne die Untermauerung des Einspruchs aber wird ein Revisionsrichter, der sich diesen Teil der Revision anschaut, vermutlich nicht finden, dass dieser Fehler, wenn es einer ist, einen negativen Einfluss hatte.
Die wirklich wichtigen Fragen der Staatsanwältin hätten auch ohne diese Videosnippets gestellt werden können: nämlich die, wie sie die Auseinandersetzung zwischen ihr, dem Bruder und dem Ehemann an diesem Morgen dargestellt hat. Die Staatsanwältin meint wohl, es ist besser, dass die Jury das aus Loris Mund hört. Theoretisch kann das sogar ein taktischer Fehler der Staatsanwältin sein: schliesslich sind zwei der drei Beteiligten tot, und man kennt nur Loris Beschreibung dessen, was sich da abgespielt hat. Durch die Videos kann die Jury aber versucht sein, das als Tatsachenbeschreibung zu verstehen.
Die Zeugenaussage dieser Beamtin kann sehr wichtig sein, denn es geht ja um die Frage, ob der Tod von Charles irgendwie "gewollt", "verabredet," wenn nicht sogar "geplant" war. Ich bin gespannt, wie Lori das Kreuzverhör gestalten wird.
Das Ende des "direct" wäre jetzt ein Moment gewesen, wo ich als erfahrener Verteidiger den Richter gebeten hätte für heute Schluss zu machen, denn es war schon spät am Nachmittag, um dann vermutlich einige Stunden heute Nacht damit zu verbringen, meine Strategie zu planen.
Lori aber beginnt gleich mit ihrem cross und stellt wieder unnötige und leider unsinnige Fragen. Mein Gefühl ist, dass sie damit einen taktischen Fehler begeht, denn sie hat nicht die Erfahrung, die Beamtin hier "anzugreifen." Sie stellt sogar die ein oder andere richtige Frage, aber begnügt sich dann mit der Antwort der Beamtin, ohne diese festzunageln und intensiver zu befragen. Deren Verhalten war nämlich auch nicht unbedingt perfekt. Mal abgesehen davon, dass sie mir unsympathisch vorkommt. Das hätte Lori hier ausnutzen können. Sie aber verheddert sich mal wieder in hearsay. Die Beamtin wirkt während Loris Fragen defensiv, denn sie weiss, dass sie nicht alles richtig gemacht hat. Hier hätte Lori nachhaken sollen. Dann passiert natürlich das, was ein Verteidiger versucht zu vermeiden: der Richter unterbricht die Verhandlung bis zum nächsten Tag, mitten im cross.
Nachdem die Jury entlassen ist, ermahnt der Richter Lori wieder und gibt dann erst eine Rechtfertigung für die Zulassung der einzelnen Videoschnitte. Diese überzeugt mich aber nicht.
Und das war's.
Wie immer hier die Aufzeichnung:

LIVE: Doomsday Cult Mom Murder Case — AZ v. Lori Vallow Daybell — Day Five
Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.