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Mord an Frauke Liebs

92.217 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Entführung, Telefon ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mord an Frauke Liebs

Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 12:08
@Wozzeck
Zitat von WozzeckWozzeck schrieb:Allerdings überrascht es, dass F sich offensichtlich genötigt sah, ihr „Ja“ sofort zu revidieren, ihre dreimalige Antwort „Mama“ von der oder den Personen im Hintergrund aber ‚durchgelassen‘ wurde.
Ja, das ist zunächst überraschend, aber vielleicht hat es Fl, der es ja elend ging, durch die Art der Artikulation geschafft, das als Ausdruck ihrer Verzweiflung nahezulegen.
Wenn es so wäre, würde es dafür sprechen, dass der Täter keinen engeren Kontakt zu FL oder ihren Freunden hatte, denn die Tätigkeit ihrer Mutter als Gymnasialdirektorin war ihrem engeren Kreis vermutlich bekannt.

Allerdings ist es möglich, dass der Täter diese Antworten im Nachhinein doch verdächtig fand und dann im Internet den Zusammenhang herausfand. Das könnte dann der Grund für ihren Tod kurze Zeit später gewesen sein oder eine entsprechende Absicht des Täters verstärkt haben.
Ich habe den Eindruck, dass der Täter nicht fürchten musste, auf dem Radar der Kripo aufzutauchen - sofern es ihm gelang, die Spuren seiner Begegnung mit FL (am Abend der Entführung) zu verwischen und ein frühzeitiges Auffinden von FLs Leiche zu verhindern. Wenn der Täter bemerkt haben sollte, dass es FL gelungen war, einen Hinweis auf ihren Festhalteort zu geben, wäre für ihn vermutlich eine kritische Grenze überschritten gewesen.

Aber es gab eben auch andere Hinweise während des Gesprächs (FLs Angst um ihr Leben, "ich lebe noch", keine weitere Rückkehrankündigung), die auf ein Ende hinzudeuten scheinen.

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18.11.2018 um 12:52
@Kangaroo
Zitat von KangarooKangaroo schrieb:Der Berliner Ring ist relativ dicht an der Driburger. Halte es für gut Möglich dass man in der Berliner Ring Funkzelle eingeloggt ist wenn man sich an der Driburger befindet.
Ich glaube nicht, dass der Täter FL jemals vom Festhalteort telefonieren ließ - das wäre doch außerordentlich riskant gewesen, und für die anderen Industriegebiete hat er ja auch die Mühe und das Risiko einer Fahrt auf sich genommen. Ich nehme daher an, dass alle Anrufe von dem Ort, an dem er Fl gefangen hielt, ablenken sollten.
Aber natürlich könnte er in Unkenntnis der Sendemasten und ihrer Reichweiten von der Driburger Str. in das nahegelegene Industriegebiet gefahren sein.
Du bist ja Paderborner: Hältst Du die Distanz für groß genug? Wäre es nicht leicht gewesen, den Wagen des Täters auch mit einigem Abstand zu verfolgen, weil es auf der Flucht zu wenig Abzweigmöglichkeiten gegeben hätte?

Eine gewerbliche Nutzung ist zwar ideal für einen Aufenthalt am späten Abend, aber für eine Unterbringung auch tagsüber? Ich habe die Vorstellung, dass FL auf einem ländlichen Grundstück festgehalten wurde (Scheune, Bauernhaus etc.), weil es hier keine dichtbebaute Nachbarschaft gab und niemand etwas beobachten und vermutlich auch nicht viel hören konnte.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 13:09
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Ich glaube nicht, dass der Täter FL jemals vom Festhalteort telefonieren ließ - das wäre doch außerordentlich riskant gewesen
Glaube ich auch nicht, aber da fast immer von Gewerbegebiete aus angerufen wurde, kann es sein das vom Gewerbegebiet Driburgerstraße angerufen wurde.

Der Berliner Ring selbst ist eher Privat statt Gewerblich genutzt.
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Wäre es nicht leicht gewesen, den Wagen des Täters auch mit einigem Abstand zu verfolgen, weil es auf der Flucht zu wenig Abzweigmöglichkeiten gegeben hätte?
Ich denke der Täter war sich ziemlich sicher und rechnete nicht mit einer Verfolgungsjagd. Sonst hätte er wahrscheinlich weiterhin von der tiefsten Pampa angerufen. Orte gibt es ja in jeder Richtung genug, selbst wenn er von Nieheim ablenken wollte.

Berliner Ring, Dören, Benhauser Feld .. Liegt zwar am anderen Ende der Stadt aber trotzdem musste man damit rechnen wenn die Polizei informiert war dass relativ zeitnah Verstärkung anrücken würde.

In der Pampa sieht man kaum Polizeiwagen und da brauch Verstärkung verhältnismäßig länger.
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Eine gewerbliche Nutzung ist zwar ideal für einen Aufenthalt am späten Abend, aber für eine Unterbringung auch tagsüber?
Es kommt immer darauf an von was für ein Gewerbliches Gebäude man ausgeht. In einem leeren Gewerbegebäude könnte man durchaus ein Opfer auch Tagsüber verstecken.
Genauso gut wie in einem Lager eines Malers welcher alleine arbeitet. Möglichkeiten gibt es immer, auch wenn sie unwahrscheinlicher sind.

Aber auch deine Idee mit der Scheune oder den Bauernhaus könnte stimmen. Da kommt auch die Ländliche Gegend von Nieheim in betracht oder Lichtenau wo häufig solche Scheunen zu finden sind. Aber ich bezweifel dass Frauke tatsächlich mehrfach so weit durch die Gegend verbracht wurde.
Halte es für wesentlich realistischer dass Frauke in Paderborn festgehalten wurde und denke es war nicht weit von der Anruforte entfernt.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 13:30
Zitat von KangarooKangaroo schrieb:Halte es für wesentlich realistischer dass Frauke in Paderborn festgehalten wurde und denke es war nicht weit von der Anruforte entfernt.
Das Argument kann ich gut nachvollziehen. Allerdings widerspricht es in maßgeblichen Punkten der Fallanalyse. Die Pointe dabei war ja, dass die Anrufe deshalb aus Paderborn kamen, um damit von der ersten SMS abzulenken, die aus dem Umkreis von Nieheim gesendet wurde. Interessant bei dieser Interpretation ist ja, dass es sehr wahrscheinlich ist, a) dass F sich zum Zeitpunkt dieser ersten SMS bereits in Begleitung des späteren Täters befunden hat und b) dass der Täter sich scheinbar bei den späteren Nachrichten über deren Nschverfolgbarkeit im Klaren war, denn deshalb hat er ja jeweils unterschiedliche Standorte gewählt.

Zu dem widerspräche die Annahme, F sei in Paderborn auch festgehalten worden, dem Schluss, dass der Inhalt ihrer Nachricht vom Täter vorfestgelegt worden sei. Denn in diesem Fall wäre es äußerst kontraproduktiv gewesen, F wiederholt sagen zu lassen, dass sie sich in Paderborn befinde. Wenn man also davon ausgeht, F sei tatsächlich in Paderborn festgehalten worden, dann müsste man diese Äußerungen als von F bewusst gesetzte Hinweise verstehen.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 13:45
Zitat von KangarooKangaroo schrieb:Es kommt immer darauf an von was für ein Gewerbliches Gebäude man ausgeht. In einem leeren Gewerbegebäude könnte man durchaus ein Opfer auch Tagsüber verstecken.
Genauso gut wie in einem Lager eines Malers welcher alleine arbeitet. Möglichkeiten gibt es immer, auch wenn sie unwahrscheinlicher sind.

Aber auch deine Idee mit der Scheune oder den Bauernhaus könnte stimmen. Da kommt auch die Ländliche Gegend von Nieheim in betracht oder Lichtenau wo häufig solche Scheunen zu finden sind. Aber ich bezweifel dass Frauke tatsächlich mehrfach so weit durch die Gegend verbracht wurde.
Halte es für wesentlich realistischer dass Frauke in Paderborn festgehalten wurde und denke es war nicht weit von der Anruforte entfernt.
Hanns Martin Schleyer wurde damals von RAF Terroristen in einem grossen Hochhaus bei Köln festgehalten, Wand an Wand mit zig Familien, die keine Ahnung davon hatten. Und während dieser Geiselhaft suchte die ganze Republik intensiv nach ihm.

Damit will ich sagen, Frauke könnte überall festgehalten worden sein. Zwar scheint intuitiv ein abgelegenes Gebäude auf dem Land wahrscheinlicher, aber das muss offensichtlich nicht so sein.
Zitat von WozzeckWozzeck schrieb: Denn in diesem Fall wäre es äußerst kontraproduktiv gewesen, F wiederholt sagen zu lassen, dass sie sich in Paderborn befinde.
Das allerdings scheint mir auch so.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 14:04
@Wozzeck
Zitat von WozzeckWozzeck schrieb:Zu dem widerspräche die Annahme, F sei in Paderborn auch festgehalten worden, dem Schluss, dass der Inhalt ihrer Nachricht vom Täter vorfestgelegt worden sei. Denn in diesem Fall wäre es äußerst kontraproduktiv gewesen, F wiederholt sagen zu lassen, dass sie sich in Paderborn befinde. Wenn man also davon ausgeht, F sei tatsächlich in Paderborn festgehalten worden, dann müsste man diese Äußerungen als von F bewusst gesetzte Hinweise verstehen.
Das halte ich auch für einen wichtigen Einwand. Dass FL ohne Einverständnis des Täter bzw. ohne seinen Auftrag behauptete, in PB zu sein, halte ich für ausgeschlossen. Zumal die Behauptung, in PB zu sein, dreimal auftaucht: am Freitag in der SMS (die, wie ich sicher glaube, vom Täter geschrieben oder zumindest von ihm kontrolliert wurde) und in dem Gespräch mit dem Bruder, und im Gespräch am Samstag, in dem sie merkwürdigerweise diese Aussage noch zweimal (hintereinander) wiederholt.

Samstag, 24. Juni 2006, 14.23 Uhr, Anruf bei Mitbewohner Chris, Gedächtnisprotokoll: "Ich komme nicht so spät zurück. Komme heute Abend nach Hause."
"Bist du verletzt?"
"Nein. Ich bin in Paderborn. Ich bin in Paderborn. Ich bin in Paderborn."

Diese Wiederholung habe ich immer als FLs Versuch verstanden, diese Aussage zu sabotieren. Also Chris stutzig werden und ihn daran zweifeln zu lassen.

Nach meiner Ansicht ist es deshalb, wie Du ausführst, nicht wahrscheinlich, dass sie in PB festgehalten wurde. Allerdings muss man, glaube ich, bedenken: Wenn der Täter sie in PB festgehalten und irgendwelche Gründe gehabt hätte, sie auch von PB aus telefonieren zu lassen, wäre es unsinnig gewesen, PB verschweigen zu wollen.
Durch die Funkzellenauswertung konnte der Standort der Telefonate schnell ermittelt werden. Und gerade wenn man FLs Verschwinden einen freiwilligen und harmlosen Anschein geben wollte, war es im Sinne des Täters, FL ihren gegenwärtigen (und für die Polizei auch ermittelbaren) Aufenthaltsort zugeben zu lassen. (Was aber die Frage aufwirft, ob dem Täter klar war, dass man durch die Funkzellenauswertung ihren Aufenthaltsort auf die jeweiligen Gewerbegebiete eingrenzen konnte, denn diese Orte waren ja nun sehr merkwürdig für Gespräche am späten Abend.)


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18.11.2018 um 14:09
@Rick_Blaine
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Hanns Martin Schleyer wurde damals von RAF Terroristen in einem grossen Hochhaus bei Köln festgehalten, Wand an Wand mit zig Familien, die keine Ahnung davon hatten. Und während dieser Geiselhaft suchte die ganze Republik intensiv nach ihm.
Das stimmt, aber Schleyer wurde in dieser Zeit nicht transportiert. (Nach seinem Tod schon, aber der Transport eine Leiche ist viel einfacher.)


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18.11.2018 um 14:31
@Kangaroo
Zitat von KangarooKangaroo schrieb:Da kommt auch die Ländliche Gegend von Nieheim in betracht oder Lichtenau wo häufig solche Scheunen zu finden sind. Aber ich bezweifel dass Frauke tatsächlich mehrfach so weit durch die Gegend verbracht wurde.
Das bezweifle ich auch sehr. Ich vermute eher einen Ort an der B64, vielleicht zwischen Bad Driburg und Altenbeken. Und ich favorisiere ein ländliches Privatgrundstück, zu dem der Täter einen selbstverständlichen Zugang hatte (auf dem er aber keineswegs wohnen musste).


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 14:57
Gerade habe ich mich gefragt, wieso dieser Fall so wenige Spuren für die Ermittler als Ansatzpunkte aufweist. Dabei muss man sich unweigerlich fragen, ob - neben möglichen Ermittlungsfehlern bzw. ‚rechtstheoretischen Trägheitseffekten’ der Behörden - auch die Intelligenz des Täters bzw. die Raffinesse seines Vorgehens eine maßgebliche Rolle dabei spielen.

(Normalerweise bin ich immer etwas vorsichtig, wenn es um die ‚Genialität‘ und die ‚verbrecherische Intelligenz‘ geht. (Ich denke, in der Regel muss man, auch für das Vorliegen eines ‚verblüffenden‘ Verbrechens, nicht unbedingt von einem hoch intelligenten Täter ausgehen. Ganz einfach deshalb, weil der Durchschnittsmensch in Verbrechen und verbrecherischem Denken ungeübt und auf diesem Gebiet daher leicht zu verblüffen ist.) Aber in diesem Fall sehe ich es inzwischen etwas anders.)

Der Täter hat unglaubliche Risiken auf sich genommen, um F aus verschiedenen Funkzellenbereichen anrufen zu lassen. Das ist kaum zu fassen und lässt mich zumindest für einen Augenblick am Geisteszustand des Täters zweifeln. Allerdings ist das evtl. meinem „box“-Denken geschuldet. Bei näherer Betrachtung wird ja deutlich, dass der Täter mit seiner Dreistigkeit, die schlaue Überlegung umzusetzen, Anrufe von F könnten die Ermittlungen stoppen, tatsächlich das gewünschte Ziel erreichte. Die geringe Spurenlage im Fall hängt sicher eng mit seinen ‚Bluffs‘ zusammen.

Ein weiteres Indiz für sein ausgefeiltes Vorgehen ist der Standortwechsel bei den Anrufen. Das zeigt erneut, genauso wie der Versuch, über die zu erwartenden Ermittlungsergebnisse von Nieheim abzulenken, wie reflektiert der Täter im Umgang mit den wenigen Spuren, die er legte, handelte: Er hinterließ im Grunde nur solche Spuren, deren Interpretationsspielraum er so stark manipulierte, dass sie nutzlos wurden bzw nur noch seinem eigenen Zweck nicht aber der Ermittlungsarbeit dienlich waren. Das gilt schließlich sogar für die Inhalte der Kommunikation: Auch hier gelang es ihm, alle Inhalte soweit vorzugeben, dass kein einziger vernünftiger Hinweis entnommen werden kann - und das bei immerhin 5 Anrufen und 1 (oder zwei/je nach Zählweise) SMS.

Ganz zuletzt ist ihm das sogar noch mit der Leichenablage gelungen. Tatsächlich hat er einen Ort dafür gewählt, der das Auffinden so lange hinauszuzögern geeignet war, dass keinerlei Spuren gefunden werden konnten, die auf den Täter, die Tat oder auch nur die Todesursache Hinweise geben könnten. Und wenn man an dieses Ende denkt, muss man unweigerlich auch an den Anfang denken, der ebenso völlig im Dunkel liegt. Damit ist man aber auch wieder bei der SMS aus dem Raum Nieheim.

Die einzigen beiden Spuren, die der Täter hinterließ und die sich seinem nachträglichen manipulativen Zugriff entzogen, legte er, noch bevor er sich gewaltsam Fs Schicksal bemächtigte: Nieheim und das Fahrzeug, das notwendig war, um in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum zum Ort der ersten SMS zu gelangen. Da sich niemand gemeldet hat, der F entweder dorthin mitgenommen hat, noch jemand, der dort mit ihr zusammen war und etwa ihr Handy wieder aufladen half, muss angenommen werden, dass F mit dem späteren Täter dort hingelangte und sich mit ihm dort aufhielt. Möglicherweise hielt sie sich dort zum Zeitpunkt ihrer SMS sogar in dessen Privathaushalt auf, jedenfalls an einem unauffälligen Ort, der zum einen das Laden des Handys erlaubte und zum anderen F nicht misstrauisch werden ließ, da ihre SMS nicht danach klingt. Nieheim (bzw. 15km Umkreis) ist daher - wie die Fallanalytiker schon annehmen - mE die einzige objektivierbare Spur des gesamten Falls, die der Täter überhaupt hinterließ. Wäre die Tat geplant gewesen, lässt sich aus dieser Betrachtung evtl. schließen, wären ihm auch diese ‚Fehler‘ vermutlich nicht unterlaufen.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 16:17
@Wozzeck
Zitat von WozzeckWozzeck schrieb:Nieheim (bzw. 15km Umkreis) ist daher - wie die Fallanalytiker schon annehmen - mE die einzige objektivierbare Spur des gesamten Falls, die der Täter überhaupt hinterließ.
Ich stimme in vielem mit Deinen (auch gestrigen) Analysen überein, aber hier bin ich anderer Ansicht.

Ich glaube nicht, dass FL freiwillig mit dem Täter nach Nieheim gefahren ist und dort freiwillig die 1. SMS versandt hat.

Aus mehreren Gründen: FL war müde und musste am nächsten Tag früh aufstehen; FL war sehr zuverlässig und wusste, dass Chris, der mit Vorbereitungen auf Uni-Prüfungen beschäftigt war, auf sie warten musste. (Kangoroo hat hier bereits darauf hingewiesen, dass es bei einer Fahrt nach Nieheim so gut wie keinen Umweg bedeutet hätte, an Fls Wohnung vorbei zu fahren, um den Schlüssel zu holen.)

Ich gehe davon aus, dass die Fallanalyse falsch war. ( Ich hatte neulich aus einer Veröffentlichung, die zu einer vom BKA herausgegebenen Forschungsreihe gehört - päpstlicher geht es also kaum - , die Angabe zitiert, dass ca. 20-30 % aller seriös durchgeführten Fallanalysen falsch seien. Andere User haben dann noch weitere, detailliertere und sehr aufschlussreiche Informationen zu diesem Thema geliefert. Es gibt eine grundsätzliche und unvermeidliche Fehleranfälligkeit solcher Einschätzungen, die einfach in der Methodik begründet ist.)

Zu Beginn der Ermittlungen (als diese Fallananlyse erstellt wurde) gab es sehr gute Gründe für die Annahme, der Täter stamme aus FLS engerem Kreis, auf den sich die Kripo dann auch konzentrierte. Man ging davon aus, FL habe diese SMS, weil sie sehr authentisch wirkte, freiwillig geschrieben, und unter dieser Voraussetzung musste FL den Täter besser gekannt haben, weil sie sonst kaum zu einer nächtlichen Fahrt nach Nieheim - zumal unter diesen Umständen - bereit gewesen wäre.

Die Ermittlungen waren sehr aufwendig und gründlich. Sämtliche Leute, zu denen FL Telefon-, Email- oder SMS-Kontakt hatte, wurden überprüft - ohne den geringsten Erfolg. Das ist meiner Meinung nach der stärkste Einwand gegen die Fallanalyse. Außerdem wurden Nieheim (ein ziemlich überschaubarer kleiner Ort) und seine ländliche Umgebung ebenfalls ziemlich gründlich untersucht - ohne jeden Hinweis auf den Täter.

Ich gehe deshalb davon aus, dass FL bereits in PB, und zwar auf dem Nachhauseweg, entführt wurde. Für den wahrscheinlichsten Hergang halte ich, dass FL von dem ihr flüchtig bekannten Täter unverfänglich angesprochen wurde (in der Art wie: scheinbar überrascht "Hallo Frauke, wo kommst Du denn her? …. Ach, Du hast Dir das Fußballspiel angesehen? Wie fandest Du's denn?....Du bist doch müde, ich fahre Dich nach Hause, mit dem Auto ist das für mich ein Umweg von höchstens 2 Minuten."
Auch wenn FL den Täter kaum kannte, er aber ein Bekannter von Freunden war, halte ich es für wahrscheinlich, dass FL einen solchen Vorschlag (nachvollziehbarer Weise) arglos angenommen hätte.

Nach meiner Vorstellung überwältigte der Täter dann irgendwann in Paderborn an einer günstigen Stelle seine Beifahrerin, brachte sie an den für sie vorbereiteten Festhalteort und fuhr schließlich nach Nieheim ( wo eben keine Spuren von ihm oder FL zu finden sein würden), um die SMS zu schreiben (indem er ihre Formulierungen aus dem Gespräch mit ihm aufgriff) und abzusenden.

Das hätte für ihn zwei außerordentliche Vorteile gehabt: Er hätte mit dieser SMS suggerieren können (wie ja dann auch in der Fallanalyse vermutet), das FL freiwillig mitgefahren sei und der "spätere" Täter aus ihrem Freundeskreis stammte.
Vor allem das erste wäre meiner Meinung nach für einen Täter, der FL bereits auf dem Nachhauseweg entführte, wichtig gewesen. Er hätte dort irgendwo auf sie warten müssen, da er ja nicht wissen konnte, wann sie den Pub verlässt. Und nach meiner Meinung hätte ihm diese Wartezeit zum Verhängnis werden können. Irgendwelche Leute müssten diesen wartenden Täter wahrgenommen haben (im Auto sitzend, auf einem Mäuerchen eine Zigarette rauchend oder auf- und abschlendernd)- vollkommen alltägliche und belanglose Wahrnehmungen, die aber schlagartig wichtig geworden wären, wenn dort und zu diesem Zeitpunkt eine Entführung stattgefunden hätte.
Zwar haben die Polizisten in den umliegenden Kneipen nachgefragt, ob FL dort noch an jenem Abend aufgetaucht sei und FLs Angehörige haben Suchplakate aufgehängt, aber es wurde eben (aufgrund der Fallanalyse) keine Entführung auf dem Nachhauseweg vermutet. Deshalb gab es auch keine Zeugenaufrufe für diesen Nachhauseweg.

Wie Du konstatiere ich ein "ausgefeiltes Vorgehen" des Täters. Und dazu würde es eben nach meiner Ansicht nicht passen, wenn er eine solch wichtige echte Spur hinterlassen hätte. Meiner Meinung nach war die Entführung vorbereitet, weil ich es für kaum möglich halte, sie spontan durchzuführen mit anschließendem Festhalten von einer Woche und den Gelegenheiten, mehrfach mit ihr unbeobachtet wegzufahren. Dann aber halte ich es für ausgeschlossen, dass dieser sehr überlegte Täter derartig dumm gewesen sein könnte, einen solchen Hinweis auf sich zu geben. Und außerdem war dieser Hinweis - wie die Ermittlungen zeigten - ja offenbar auch keiner.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 16:41
Ich könnte mir gut vorstellen -- und inzwischen glaube ich daran am ehesten -- dass die SMS aus Nieheim eine Ablenkung sein sollte, also genau umgekehrt als es die Fallanalyse interpretiert hat.

Der Dreh- und Angelpunkt ist, die Motivation hinter den Telefonaten zu verstehen. Welchen Sinn hatten die Anrufe für den oder die Täter? Bisher scheint es ja (nur?) folgende Interpretationsmöglichkeiten zu geben:

1. Freiwilligkeit vortäuschen, um Polizeiaktivität zu verzögern.
2. Sadistisches Katz- und Mausspiel mit Frauke zur Befriedigung des Täters
3. Eine Alibifunktion bei zwei oder mehreren Tätern oder Täterinnen.

Variante 1 scheint mir nicht sehr überzeugend, zumal die Messages eigentlich kaum beruhigen konnten. Immerhin hätte der Täter insofern Erfolg gehabt, weil die Polizei nur sehr begrenzt aktiv wurde.

Variante 2 halte ich für möglich und für wahrscheinlicher als Variante 1. Irritierend ist aber, dass man bei so einer psychopathologischen Täterpersönlichkeit davon ausgehen sollte, dass es weitere ähnliche Verbrechen gegeben haben müsste.

Variante 3 hat für mich einen hohen Stellenwert. Vielleicht durfte Frauke überhaupt nur die eine Woche überleben, weil sie für diese Alibianrufe "benötigt" wurde? Und in diesem Zusammenhang auch die Gefahr immer größer wurde, dass die Telefonate mitgeschnitten werden? War der/die Mittäter(in) aus Fraukes näherem Umfeld?

Ich bin überzeugt davon, dass etwas offensichtliches übersehen wird. Zudem wissen wir nicht, was die Polizei sonst noch so weiss. Man sollte davon ausgehen, dass die Polizei deutlich mehr Erkenntnisse hat, als sie veröffentlich hat. Mich würde z. B. auch interessieren, inwieweit Erkenntnisse der Polizei über die Unschuld von Personen (und es gab ja immerhin fast 1000 verhörte Personen, wenn ich das richtig verstehe) wirklich *sicher* sind. Ob sie etwa nur an einem Alibi hängen o. ä. Aber das werden wir alles nicht erfahren, insofern tappen wir da doch reichlich im Dunkeln.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 16:44
Und wenn Nieheim die eigentlich Ablenkung war. Warum gerade Nieheim? Wusste der Täter vielleicht, dass Frauke einen "Kontakt" dahin hatte ("Schrauber")?


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18.11.2018 um 16:45
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Hanns Martin Schleyer wurde damals von RAF Terroristen in einem grossen Hochhaus bei Köln festgehalten, Wand an Wand mit zig Familien, die keine Ahnung davon hatten. Und während dieser Geiselhaft suchte die ganze Republik intensiv nach ihm.

Damit will ich sagen, Frauke könnte überall festgehalten worden sein. Zwar scheint intuitiv ein abgelegenes Gebäude auf dem Land wahrscheinlicher, aber das muss offensichtlich nicht so sein.
Dazu sollte man sich aber vor Augen führen, dass andere Bewohner des Hauses der Polizei Hinweise gegeben haben, die diese nicht ernst nahm, weil sie es sich wohl selbst nicht vorstellen konnte. Solchen Hinweisen wäre man im Nachhinein sicher nachgegangen, es gab sie aber nicht.
Zitat von WozzeckWozzeck schrieb:Nieheim und das Fahrzeug, das notwendig war, um in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum zum Ort der ersten SMS zu gelangen. Da sich niemand gemeldet hat, der F entweder dorthin mitgenommen hat, noch jemand, der dort mit ihr zusammen war und etwa ihr Handy wieder aufladen half, muss angenommen werden, dass F mit dem späteren Täter dort hingelangte und sich mit ihm dort aufhielt. Möglicherweise hielt sie sich dort zum Zeitpunkt ihrer SMS sogar in dessen Privathaushalt auf, jedenfalls an einem unauffälligen Ort, der zum einen das Laden des Handys erlaubte und zum anderen F nicht misstrauisch werden ließ, da ihre SMS nicht danach klingt. Nieheim (bzw. 15km Umkreis) ist daher - wie die Fallanalytiker schon annehmen - mE die einzige objektivierbare Spur des gesamten Falls, die der Täter überhaupt hinterließ. Wäre die Tat geplant gewesen, lässt sich aus dieser Betrachtung evtl. schließen, wären ihm auch diese ‚Fehler‘ vermutlich nicht unterlaufen.
Wieso Fehler? Er kann genau so gut FL überwältigt, und bereits ins Versteck verfrachtet haben, ehe er weiter Richtung Nieheim fuhr, um die SMS zu versenden. Jedenfalls konzentrierte sich wegen dieser SMS alles auf Nieheim, und man fand dennoch rein gar nichts. Insofern würde ich es eher als kluges, gesteuertes Kalkül des Täters einordnen, denn als Fehler. Auch glaube ich nicht an eine freiwillige SMS, denn ein plausibler Grund, weshalb FL mitten in der Woche noch so weit mit raus hätte fahren sollen, konnte nicht wirklich dargelegt werden. Dass die OFA sich auf Nieheim konzentrierte, war angesichts des anschließenden Wechsels der Standorte nach PB nachvollziehbar. In Anbetracht der (ex post) Ergebnislosigkeit sollte man diesen Schluss aber in Zweifel ziehen. Zudem muss ja noch nicht mal bis Nieheim gefahren worden sein, es reichte, bis hinter Altenbeken auf den Eggegebirgskamm zu fahren.

Wenn also Altenbeken als Festhalteort vermutet würde, wäre es nur bis Dreihausen länger als 15 Minuten Fahrt gewesen, selbst zum Ablageort wäre man schnell gelangt.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 17:06
@birkensee
Zunächst einmal besten Dank für Deine ausführliche Antwort - so wird man schrittweise ein bisschen schlauer!

Dein - oder euer @rayden @redsherlock Szenario scheint mir auch recht schlüssig zu sein, wenigstens ist die Spurenlage so dünn, dass es nicht (wesentlich) weniger wahrscheinlich ist, als das Ergebnis der offiziellen Fallananlyse (die sicher eine Methode ist, die naturgemäß einige Unwägbarkeiten aufweist).

In einem Punkt ist sie aber voraussetzungsreicher, weshalb ich ihr spontan wenigstens nicht vorbehaltlos zustimmen würde. Sie geht von einem vorausgeplanten Tatgeschehen aus. Dagegen spricht für mich zunächst, obwohl der Schluss an sich nicht unberechtigt scheinen mag, dass es meines Wissens keine eindeutigen Hinweise darauf gibt. Das ist mE deshalb problematisch, da die Setzung einer solchen, nicht auf Spuren gründenden Vorannahme auch an der Interpretation dessen, was tatsächlich an Hinweisen vorgefunden wird, nicht spurlos vorübergeht: Eine solche Prämisse fügt auch der Deutung aller weiteren Spuren eine Portion Vorannahme hinzu, sodass man sagen könnte, die Setzung einer unbelegten Vorannahme vervielfältigt sich im Analyseprozess von Indiz zu Indiz. ME besteht dadurch das Risiko, sich von dem, was evident ist (ist diesem Fall zugegebenermaßen nicht sehr viel) allzu weit zu entfernen.

Aber: Es spricht trotzdem viel dafür, den Fall auch anders zu denken, als die offizielle Fallanalyse es tut. Schon allein die Tatsache, auf die ihr euch ja auch bezieht, nämlich dass in Nieheim und Umgebung nun einmal keine Anschlusstreffer zu verzeichnen waren. Vermutlich sollte man den Fall also dringend von allen Seiten aus betrachten und dabei auch die Möglichkeit, die Entführung sei geplant gewesen, nicht außer Acht lassen.

Die Sache mit der Uminterpretierung von evidenten Sachbeweisen aufgrund einer gesetzten Prämisse, lässt sich gut an dem Beispiel des Sendemasts bzw. der ersten SMS betrachten: Geht man nicht von einer geplanten Entführung aus, so müsste man schlussfolgern, F sei freiwillig nach Nieheim mitgekommen und würde selbstständig die SMS versendet haben. Soweit so gut - immerhin gibt die SMS selbst keinen Anlass, um an dieser These zu zweifeln. Geht man aber von einer geplanten Tat aus, so muss man schon manches mehr erklären (wie ihr das ja auch folgerichtig tut): Wieso zB klingt diese SMS so natürlich, wenn der Täter sie verfasste? Wieso überhaupt verfasste er sie und woher wusste er, an wen er sie wenden sollte? Natürlich kann man argumentieren, wie Du@birkensee es tust, dass die notwendigen Informationen aus einem unverfänglichen Gespräch vor der Gewalttat stammen könnten. Aber dafür gibt es eben wieder keinen Hinweis, das Gespräch, wodurch der Täter das notwendige Wissen zum natürlichen Verfassen der SMS erhalten haben soll, ist also eine weitere unbelegte Vorannahme, die man sich durch die anfänglich gesetzte Prämisse einhandelte. Deshalb bin ich etwas skeptisch.

Es gibt aber noch einen zweiten Grund, weshalb ich zunächst nicht davon überzeugt bin, dass die Tat geplant war: Ich bin kein Kriminologe, aber mir scheint, eine geplante Entführung würde man vor allem dann erwarten, wenn das Motiv die finanzielle Bereicherung darstellte. Entführungen zum Zweck der Lösegelderpressung sind wohl in der Regel gut geplante Taten. In diesem Fall scheint das Motiv aber eher ein - im weitesten Sinn - psychologisches/psychopathologisches gewesen zu sein. Dafür spricht nicht viel mehr als die allgemeine Erfahrung und die Tatsache, dass eben kein Geld verlangt wurde - aber immerhin. Ich glaube, Täter, die nachts Frauen von der Straße entführen und dies aus solchen Gründen tun, sind in der Regel Gelegenheitstäter, die zwar mit dem Ziel unterwegs sind oder sein können, eine perfide Phantasie in die Tat umzusetzen, die aber häufig dann spontan zuschlagen, wenn sich ein Zufallsopfer findet. (Ich betone noch einmal, dass ist nur ein persönlicher Eindruck und basiert nicht auf Kenntnis kriminologischer Studien etc., die vielleicht das glatte Gegenteil erweisen!). Mein persönlicher Eindruck ist deshalb, Planung muss man in diesem Fall nicht voraussetzen und es spricht auch kein Hinweis dafür, dass die Tat geplant war. Von den objektiven Beweisen spricht aber auch nichts dagegen: Natürlich ist nicht bewiesen, wer die erste Nachricht absetzte - wenn der Täter die SMS aber fälschte, dann hat er das sehr überzeugend getan.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 17:37
@Wozzeck
Zitat von WozzeckWozzeck schrieb:Eine solche Prämisse fügt auch der Deutung aller weiteren Spuren eine Portion Vorannahme hinzu, sodass man sagen könnte, die Setzung einer unbelegten Vorannahme vervielfältigt sich im Analyseprozess von Indiz zu Indiz.
Damit hast Du völlig recht. Die Fakten sind sehr spärlich, und wenn man versucht, einen Ablauf zu konstruieren, muss man sehr, sehr viel hinzufügen, und die Deutung des Anfangs bestimmt dann natürlich auch die weiteren Deutungen und die wiederum die nächsten. Deshalb nehme ich auch an dieser Diskussion sehr gern teil, weil man dadurch die eigenen Ansichten besser überprüfen und weiterentwickeln kann.
Zitat von WozzeckWozzeck schrieb:Ich glaube, Täter, die nachts Frauen von der Straße entführen und dies aus solchen Gründen tun, sind in der Regel Gelegenheitstäter,
Dieses Verbrechen ist ja auch deshalb so problematisch in seiner Aufklärung, weil es sehr ungewöhnlich ist. Es fehlen Vergleichsmöglichkeiten. Täter, die nachts Frauen überfallen, halten sie dann in der Regel nicht noch eine Woche fest und fahren sie mehrfach zu einem Ort, um sie von dort aus telefonieren zu lassen.

Ein User - Empathie - hat sich hier mal mit sehr interessanten Verweisen auf andere Verbrechen geäußert, aber das waren Serientäter.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 19:36
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Dieses Verbrechen ist ja auch deshalb so problematisch in seiner Aufklärung, weil es sehr ungewöhnlich ist. Es fehlen Vergleichsmöglichkeiten. Täter, die nachts Frauen überfallen, halten sie dann in der Regel nicht noch eine Woche fest und fahren sie mehrfach zu einem Ort, um sie von dort aus telefonieren zu lassen.
Das stimmt. Als ich mich vor längerem zum ersten Mal mit FL beschäftigte, war ich davon überzeugt, dass es sich im Fall des Täters um einen psychotischen Liebeswahn gehandelt habe. Als ich jetzt wieder mitlas, bin ich vermutlich mit dieser Vorannahme herangegangen, sodass ich wahrscheinlich einiges an Möglichkeiten von vornherein ausblende(te). (Deshalb diskutiere ich hier sehr gerne - es hilft, blinde Flecken in der eigenen Betrachtung zu entdecken.)

Ich glaube aber immer noch, dass der Täter eine Stalker-Persönlichkeit haben könnte. So erkläre ich mir das Tatgeschehen. Dazu hier einmal ein paar - zugegeben - recht ungeordnete Gedanken zur Diskussion.

Jemand, der F sicher schon kannte - und dem sie vertraute - begegnete ihr zufällig nachdem sie das Pub verlassen hatte. - Wenn sie wirklich so müde war, dass sie unbedingt nach Hause wollte, dann gelang es dem Täter vielleicht an ihre Gefühle zu appellieren. - Mit der Bitte um Beistand oder Hilfe könnte er F, so wie sie von ihren Angehörigen geschildert wird, durchaus dazu bewegt haben, ihn zu sich nach Hause zu begleiten.

Dieses Szenario erklärt recht zwanglos, wieso F noch spät freiwillig und selbstständig mitkam und auch die Nachricht an C versendete. Der Konflikt wurde ihr erst dann deutlich, als sie - vielleicht schon bald nach der Nachricht - aufbrechen wollte und den Täter an sein (evtl. gegebenes) Versprechen erinnerte, sie nun wieder nach Paderborn zurück zu bringen. Von diesem Augenblick an könnte es dem Täter nur noch darum gegangen sein, um jeden Preis zu verhindern, dass die Zeit mit F endet, bevor die Trennung absolut unvermeidbar sein würde.

Mit diesem Motiv hat er daher von nun an auf Hochtouren improvisiert. Dabei verhielt er sich sehr gerissen, in manchem ist er aber trotzdem klar über das Ziel hinausgeschossen, was auf einen exzessiven Zug hindeutet, der für das entworfene Täterprofil ebenso wie für das gesamte Verbrechen bezeichnend scheint. Selbst die häufigen Kontakte zwischen F und Ihren Angehörigen, die er zu organisieren hatte, sind ja nicht zuletzt jedesmal sehr aufregende und stresshafte Situationen, die sich - mit allen Vor- und Nachbereitungen - vermutlich mindestens über 60 bis 90 Minuten hinzogen und die er sich und F dennoch fast täglich zumutete.

Je nach dem, wer wen dazu überreden musste, war sicher auch der Diskussionsbedarf im Vorfeld der Anrufe groß. Und was geschah in der Zwischenzeit? Es ist schwer vorzustellen, dass F nur betäubt in einem verschlossenen Zimmer lag. Immerhin: Sie konnte an nahezu jedem Tag in der ersten Woche ihres Verschwindens nachweislich sprechen - und zwar auf eine Weise, die es für die Angehörigen bis zu letzt nicht eindeutig erschienen ließ, dass F sich in einer Zwangssituation befand. Schließlich konnten an der (zugegeben skelettierten) Leiche und dem, was von ihrer Kleidung übrig geblieben war (immerhin muss man davon ausgehen, dass sie diese während des gesamten Zeitraums getragen hat), keinerlei Spuren von Gewaltanwendung gefunden werden.

Sagt das etwas darüber, wie man sich die Zeit zwischen den Anrufen und damit die eigentliche Situation, in der F steckte, und den Täter selbst vorstellen muss? Ist es realistisch, anzunehmen, F sei in dieser Zeit häufig alleine verblieben, weggeschlossen und/oder sediert? Oder würde man eher annehmen, dass der Täter ohne Arbeit oder im Urlaub war und deshalb rund um die Uhr bei ihr sein konnte? (Könnte ein Urlaubsende aus Tätersicht die Unvermeidbarkeit der Trennung ultimativ markiert haben?)

Wahrscheinlicher als Drogen und Sedation erscheinen mir Schlaf- und Nahrungsentzug. Ersteres setzt - gerade über den langen Zeitraum - vermutlich medizinische Kenntnisse voraus (und an einen Kollegen aus dem Krankenhaus glaube ich nicht) - zumal F bei Gelegenheit immer wieder fit genug sein musste, um im Sinne des Täters - nicht nur anlässlich der Telefonate - zu funktionieren. Zweitens fügt es sich problemlos in das Bild des Stalker-Szenarios: Dieser Tätertyp würde sich und sein Opfer in einen emotionalen Parforceritt hineinsteigern, der keine Pause kennt. ME war der Täter daher vermutlich auch nahezu ständig bei F. Darum muss es ihm ja wohl gegangen sein - bei ihr zu sein bzw. sie so lange wie möglich bei sich zu behalten - vermutlich in der psychotischen Wahnvorstellungen, ihm könne sprichwörtlich die Quadatur des Kreises gelingen, nämlich er könne F noch von sich und einer gemeinsamen Zukunft überzeugen, die es möglich machen würde, den erzwungenen Beginn ihrer ‚Beziehung’ zu vergessen - dafür mE der ganze Aufwand. Daher die Zugeständnisse, die Telefonate und SMS, die alles plausibilisieren und eine gemeinsame,
vor den Augen der Welt unbelastete Zukunft mit F ermöglichen sollten, daher keine Anzeichen von Gewalt, nicht in der Stimme und nicht am Körper, deshalb auch die Ausfahrten, die er mit ihr wagte, weil er zwanghaft an eine Beziehung glaubte und dabei seine eigenen Gewaltaspekte soweit auszublenden vermochte, dass er vielleicht wirklich zeitweise glaubte, alles in der Hamd zu haben, daher auch Fs Vorsicht und Ambivalenz am Telefon, weil es eben dieser Tätertyp war, den sie glaubte, wie die Mutter es in einem Interview formulierte, „noch drehen zu können“ (sinngemäß), um heil aus der Situation entkommen zu können.

Sie glaubte vielleicht wirklich, ihn noch drehen zu können. Gegebenenfalls der Tätertyp, den ich hier entwerfe, trifft ihn etwa zu, dann hieße dies, dass beide, Täter wie Opfer, wechselseitig versuchten psychologisch aufeinander einzuwirken. Eine emotional anstrengendere Situation als diese, noch dazu über den unglaublichen Zeitraum einer ganzen Woche, die weder Tag noch Nacht gekannt haben dürfte, ist vermutlich kaum vorzustellen. Durch diese dauerhafte Überbelastung ließe sich nicht zuletzt auch Fs beschriebene Teilnahmslosigkeit mE mindestens ebensogut erklären, wie durch Drogen, die, wenn sie sie bekam, jedenfalls keinen toxikologischen Abdruck hinterlassen haben.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 19:49
Zitat von WozzeckWozzeck schrieb:Geht man nicht von einer geplanten Entführung aus, so müsste man schlussfolgern, F sei freiwillig nach Nieheim mitgekommen und würde selbstständig die SMS versendet haben. Soweit so gut - immerhin gibt die SMS selbst keinen Anlass, um an dieser These zu zweifeln. Geht man aber von einer geplanten Tat aus, so muss man schon manches mehr erklären
Auch eine freiwillige SMS hat für mich nicht weniger Erklärungsbedarf: Warum fährt sie noch mit Richtung Nieheim? Was konnte der Grund dafür gewesen sein? Warum holt sie nicht noch eben den Schlüssel von zu Hause, sondern lässt Chris Stunden (nach verlassen des Pubs) weiter warten, ehe sie die SMS schreibt? Warum geht sie in der SMS zwar auf die vorherige Konversation mit Chris ein, aber verliert kein Wort darüber, dass, wieso, oder mit wem sie noch Richtung Nieheim ist? So dürfte es dann ihre Absicht gewesen sein, Chris darüber im Unklaren zu lassen, damit er davon ausgeht, sie sei weiterhin im Pub, bewusste Täuschung also.
Zitat von WozzeckWozzeck schrieb:Jemand, der F sicher schon kannte - und dem sie vertraute - begegnete ihr zufällig nachdem sie das Pub verlassen hatte
So jemand wäre ihr namentlich bekannt gewesen, ob derjenige dann so ein Risiko mit den Anrufen eingegangen wäre? Sie hätte nur seinen Namen aussprechen brauchen, und er wäre geliefert gewesen. Spätestens im letzten Telefonat klingt FL derart desillusioniert, dass jede Hoffnung auf ein gutes Ende dahin schien, und der Ausspruch des Namens wäre die größte Chance auf Rettung gewesen.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 20:08
Vielen Dank für Deine Antwort auf meinen Beitrag. Das was Du in Bezug auf die SMS schreibst, kann ich im Großen und Ganzen nachvollziehen, diesbezüglich:
Zitat von raydenrayden schrieb:der Ausspruch des Namens wäre die größte Chance auf Rettung gewesen.
würde ich aber ergänzen, dass die Nennung dieses Namens auch ihr sicheres und unmittelbares Todesurteil hätte bedeuten können.

Wenn man diese Frage stellt, ob der Name bekannt gewesen sein könne, obwohl F ihn dann im letzten Moment nicht genannt hat, dann muss man mE auch den Konflikt berücksichtigen, wie er sich durch die Möglichkeit der Nennung für F situativ dargestellt hätte:

Einerseits hätte die Nennung evtl. bedeutet, dass der Täter zu einem späteren Zeitpunkt gefasst worden wäre. Ich gebe aber zu bedenken, dass es sicher nicht Fs vorrangiges Ziel gewesen sein kann, an zukünftige Ermittlungsarbeit zu denken, wenn sie sich aktuell in einer unmittelbar lebensbedrohlichen Situation befunden hatte: die Nennung hätte auch ihr augenblickliches Toderurteil bedeuten können! Sie hätte also, so sie den Namen kannte, abwägen müssen und sich dabei sehr wahrscheinlich für den Moment Leben und nicht für die Ermittelbarkeit ihres zukünftigen Mörders entschieden. Zudem hätte sie ja noch vieles anderes, dass die Ermittlungen später erleichtert hätten, sagen können. Das hat sie aber, gemäß derselben Logik, auch nicht getan. Dass sie keinen Namen genannt hat ist daher mE kein schlagendes Argument dafür, dass sie den Namen des Täters auch nicht gekannt hat.

Die Hoffnung stirb - bekanntlich - zuletzt.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 20:52
Zitat von WozzeckWozzeck schrieb:würde ich aber ergänzen, dass die Nennung dieses Namens auch ihr sicheres und unmittelbares Todesurteil hätte bedeuten können.
Natürlich, deshalb habe ich auch insbesondere das letzte Telefonat genannt, welches wie ein Abschied klingt, dazu "das geht nicht, ich lebe noch" auf die Bitte nach Hause zu kommen. Da machte sie sich doch keine großen Illusionen mehr, den Täter noch umbiegen zu können, und dennoch ließ er sie telefonieren, und mehrfach das aus den vorherigen Telefonaten immergleiche Skript verlassen, ohne einzuschreiten, und das Telefonat abzubrechen. Das tut man mE nur in der Gewissheit, dass sie ihn eh nicht verraten konnte.
Zitat von WozzeckWozzeck schrieb:Zudem hätte sie ja noch vieles anderes, dass die Ermittlungen später erleichtert hätten, sagen können. Das hat sie aber, gemäß derselben Logik, auch nicht getan.
Es ist aber doch etwas anderes, den Täter direkt benennen zu können, oder allenfalls sagen zu können:"Werde in einem Kastenwagen/Autokofferraum festgehalten und transportiert, männlicher Täter mit Maske", nur als Beispiel. Wenn nur Letzteres der Fall war, ist es für mich nachvollziehbarer, dass man sich voll und ganz dem Täter fügt, um damit die Hoffnung auf Überleben zu maximieren.


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Mord an Frauke Liebs

18.11.2018 um 22:05
Zitat von raydenrayden schrieb:Das tut man mE nur in der Gewissheit, dass sie ihn eh nicht verraten konnte.
Ich gebe Dir insofern Recht, dass es wirklich schwer vorstellbar ist, sie könnte seinen Namen gewusst aber nicht (auch nicht bei diesem letzten Telefonat) genannt haben. Aber da bleibt die (unerklärliche) Tatsache, dass der Täter mit den Telefonaten (zumal mit ihrer Anzahl) das Risiko einzugehen bereit war, dass F relevantes Wissen mitteilt. Er ist ja auch das Risiko eingegangen, mit ihr das Versteck zu verlassen - und das gleich sechs (?) Mal!? Offensichtlich war er sich seiner Sache sicherer, als es objektiv angemessen war. Ob eine vorgehaltene Waffe ihm diese Sicherheit gab oder ob er entsprechenden psychischen Druck auszuüben vermochte - oder doch Fs Kooperationsbereitschaft und Glaube, an ihre eigenen sozialen und psychologischen Fähigkeiten, den Ausschlag dafür gaben?


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