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Gedichte, die berühren

55 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gedichte, Lyrik, Poesie ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 16:16
Welche Zeilen gehen euch nah, lösen etwas in euch aus?

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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 16:16
UNTEN

Heimgeführt ins Vergessen
das Gast-Gespräch unsrer
langsamen Augen.
Heimgeführt Silbe um Silbe, verteilt
auf die tagblinden Würfel, nach denen
die spielende Hand greift, groß,
im Erwachen.
Und das Zuviel meiner Rede:
angelagert dem kleinen
Kristall in der Tracht deines Schweigens.

- Paul Celan -


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 17:17
Aufgeschnittene Körper, zarte Blumen ... Verse vom Seziertisch, Worte aus dem Anatomiesaal - Gottfried Benn.
Atmosphäre, die den Vorabend des 1. Weltkriegs prägte.
Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt.
lrgendeiner hatte ihm eine dunkelhellila Aster
zwischen die Zähne geklemmt.
Als ich von der Brust aus
unter der Haut
mit einem langen Messer
Zunge und Gaumen herausschnitt,
muß ich sie angestoßen haben, denn sie glitt
in das nebenliegende Gehirn.
Ich packte sie ihm in die Brusthöhle
zwischen die Holzwolle,
als man zunähte.
Trinke dich satt in deiner Vase!
Ruhe sanft,
kleine Aster!



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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 17:19
Denkt Euch, ich habe das Christkind gesehen,
es kam aus der Kneipe und konnte kaum steh'n.
Auf Geschenke braucht ihr nicht zu hoffen,
es hat das ganze Geld versoffen.
Es wankte hin zum Tannenwald
und hatte den Arsch voll Hannen Alt.

Gestern hab ich's wieder getroffen,
und stellt Euch nur vor, es war schon wieder besoffen.
Ich blieb gleich stehen und sprach es an:
Sag, Christkind, wo ist der Weihnachtsmann?
Christkind sprach: "Auf den brauchst du nicht zu hoffen,
der liegt im Wald und ist besoffen."

Gemeinsam gingen wir zum Weihnachtsmann,
mit glasigen Augen sah er uns an.
Er lallte: "Tag lieber Bruder, Tag liebe Schwester,
leckt's mich am Arsch, bald ist Silvester!


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 17:22
Trümmerfelder, wo einst das Leben pulsierte.
Eisenträger ragen wie Stachel gen Himmel.
Ein Meer aus Schutt und Asche überdeckt weite Flächen.
Kein Kinderlachen befreit von der erdrückenden Stille.
Selbst die Vögel liegen mit geschlossenen Augen im Staub.
Die Schnäbel weit geöffnet, qualvoll verreckt am angstvollen Schrei.
Wie zum Spott ignoriert der Wind die bleierne Ruh.

- Heinrich Heine -


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 17:27
Der Erlkönig darf hier nicht fehlen



Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind
Er hat den Knaben wohl in dem Arm
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm
Mein Sohn
Was birgst du so bang dein Gesicht?
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif
Du liebes Kind, komm, geh mit mir
Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir
Manch' bunte Blumen sind an dem Strand
Meine Mutter hat manch' gülden Gewand
Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht
Was Erlenkönig mir leise verspricht?
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind
In dürren Blättern säuselt der Wind
Willst, feiner Knabe, du mit mir gehen?
Meine Töchter sollen dich warten schön
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihen
Und wiegen und tanzen und singen dich ein
Und wiegen und tanzen und singen dich ein
Mein Vater, mein Vater
Und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düsteren Ort?
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau
Es scheinen die alten Weiden so grau
Ich liebe dich
Mich reizt deine schöne Gestalt
Und bist du nicht willig
So brauch' ich Gewalt
Mein Vater, mein Vater
Jetzt fasst er mich an
Erlkönig hat mir ein Leid getan
Dem Vater grauset's (oh-oh, oh-woah, oh-oh-oh)
Er reitet geschwind
Er hält in Armen das ächzende Kind
Erreicht den Hof mit Müh' und Not
In seinen Armen das Kind
War tot


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 17:33
Georg Trakl


1

Vollkommen ist die Stille dieses goldenen Tags.
Unter alten Eichen
Erscheinst du, Elis, ein Ruhender mit runden Augen.

Ihre Bläue spiegelt den Schlummer der Liebenden.
An deinem Mund
Verstummten ihre rosigen Seufzer.

Am Abend zog der Fischer die schweren Netze ein.
Ein guter Hirt
Führt seine Herde am Waldsaum hin.
O! wie gerecht sind, Elis, alle deine Tage.

Leise sinkt
An kahlen Mauern des Ölbaums blaue Stille,
Erstirbt eines Greisen dunkler Gesang.

Ein goldener Kahn
Schaukelt, Elis, dein Herz am einsamen Himmel.


2

Ein sanftes Glockenspiel tönt in Elis' Brust -.
Am Abend,
Da sein Haupt ins schwarze Kissen sinkt.

Ein blaues Wild
Blutet leise im Dornengestrüpp.

Ein brauner Baum steht abgeschieden da;
Seine blauen Früchte fielen von ihm.

Zeichen und Sterne
Versinken leise im Abendweiher.

Hinter dem Hügel ist es Winter geworden.

Blaue Tauben
Trinken nachts den eisigen Schweiß,
Der von Elis' kristallener Stirne rinnt.

Immer tönt
An schwarzen Mauern Gottes einsamer Wind.


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 17:34
@FlamingO
Zum Erlkönig gab es übrigens eine Parodie
Der König Erl
Wer reitet so spät durch Wind und Nacht ?
Es ist der Vater. Es ist gleich acht.
Im Arm den Knaben er wohl hält,
er hält ihn warm, denn er ist erkält'.
Halb drei, halb fünf. Es wird schon hell.
Noch immer reitet der Vater schnell.
Erreicht den Hof mit Müh und Not ---
der Knabe lebt, das Pferd ist tot!
Quelle: Heinz Erhardt


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21.12.2023 um 17:42
@ayAshi

Es musste ja nicht lange dauern, bis jemand mit Heinz Erhardt um die Ecke kommt. :note:


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 17:53

Wer Schmetterlinge lachen hört
Der weiß, wie Wolken schmecken
Der wird im Mondschein
Ungestört von Furcht
Die Nacht entdecken
Der wird zur Pflanze, wenn er will
Zum Tier, zum Narr, zum Weisen
Und kann in einer Stunde
Durchs ganze Weltall reisen
Er weiß, dass er nichts weiß
Wie alle andern auch nichts wissen
Nur weiß er, was die anderen
Und er noch lernen müssen
Wer in sich fremde Ufer spürt
Und Mut hat sich zu recken
Der wird allmählich ungestört
Von Furcht sich selbst entdecken
Abwärts zu den Gipfeln
Seiner selbst blickt er hinauf
Den Kampf mit seiner Unterwelt
Nimmt er gelassen auf
Wer Schmetterlinge lachen hört
Der weiß wie Wolken schmecken
Der wird im Mondschein
Ungestört von Furcht
Die Nacht entdecken
Der mit sich selbst in Frieden lebt
Der wird genauso sterben
Und ist selbst dann lebendiger
Als alle seine Erben



Carlo Karges


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 17:56
Zitat von FlamingOFlamingO schrieb:Welche Zeilen gehen euch nah, lösen etwas in euch aus?
@FlamingO

Mein Freund der Frosch ist tot,
platt liegt er im Klee,
denk ich an die gemeinsamen Stunden,
tut es im Herzen mir weh.


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 18:10
@F.Einstoff

In der dritten Person von sich zu reden, ist die Abstrahierung vom geplagten Ich.
Selbstgespräche haben ihre Funktion in der Stresskontrolle.
So spricht Julius Caesar im Bello Gallico von "Caesar", wenn er sich als erfolgreichen Feldherrn schildert.

Ich verstehe Sie.


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 18:22
Ist Liebe lauter nichts / wie daß sie mich entzündet?
Ist sie dann gleichwol was / wem ist ihr Thun bewust?
Ist sie auch gut vnd recht / wie bringt sie böse Lust?
Ist sie nicht gut / wie daß man Frewd' auß jhr empfindet?
Lieb' ich ohn allen Zwang / wie kan ich schmertzen tragen?
Muß ich es thun / was hilfft's daß ich solch Trawren führ'?
Heb' ich es vngern an / wer dann befihlt es mir?
Thue ich es aber gern'/ vmb was hab' ich zu klagen?
Ich wancke wie das Graß so von den kühlen Winden
Vmb Vesperzeit bald hin geneiget wird / bald her:
Ich walle wie ein Schiff das durch das wilde Meer
Von Wellen vmbgejagt nicht kan zu Rande finden.
Ich weiß nicht was ich wil / ich wil nicht was ich weiß:
Im Sommer ist mir kalt / im Winter ist mir heiß.

Martin Opitz (1597 - 1639)


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 18:35
Zitat von FlamingOFlamingO schrieb:So spricht Julius Caesar im Bello Gallico von "Caesar", wenn er sich als erfolgreichen Feldherrn schildert.
@FlamingO
Das klingt interessant. Den werd ich mir mal anschauen.


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 18:41
Zitat von F.EinstoffF.Einstoff schrieb:Den werd ich mir mal anschauen.
Dann blättern Sie über 2000 Seiten Jahre zurück!


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21.12.2023 um 19:12
Zitat von FlamingOFlamingO schrieb:Es musste ja nicht lange dauern, bis jemand mit Heinz Erhardt um die Ecke kommt. :note:
ich finde er war ein sehr Wortgewandter Künstler


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 19:18
Zitat von ayAshiayAshi schrieb:ich finde er war ein sehr Wortgewandter Künstler
In der Tat.

Apropos: Fehlen da nicht Komma und Punkt? :melden:


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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 19:27
Zitat von FlamingOFlamingO schrieb:Apropos: Fehlen da nicht Komma und Punkt? :melden:
hier ein Komma, da ein Punkt. Bitteschön!


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Doors ehemaliges Mitglied

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Gedichte, die berühren

21.12.2023 um 23:10
@FlamingO


In meinen Augen sind es die Gedichte und die Prosatexte, die Menschen lesen, im Idealfalle sogar zitieren können, die Musik, die Menschen hören, die Bilder oder Filme, die sie mögen, die viel mehr über diese Menschen offenbaren als die Worte, die sie selbst sprechen können oder wollen. Daher beobachte ich diesen Thread mit gesteigertem Interesse.


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Gedichte, die berühren

22.12.2023 um 01:07

Warst mir die mütterlichste der Frauen,
ein Freund warst Du, wie Männer sind,
ein Weib, so warst Du anzuschauen,
und öfter noch warst Du ein Kind.

Du warst das Zarteste, das mir begegnet,
das Härteste warst Du, damit ich rang.
Du warst das Hohe, das mich gesegnet –
und wurdest der Abgrund, der mich verschlang.


Rainer Maria Rilke an Lou Andreas-Salomé




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