Alle tun so, als ginge es ihnen super?

Lilith101 schrieb:Das ist schon klar, aber sollte man nicht das Positive hervorziehen?

In der Tat, hab auch nicht das Gegenteil behauptet. An mir selbst und anderen hab ich beobachtet, dass wir momentan eine erlernte Hilflosigkeit/Abfinden anerzogen haben. Wir sind nicht mutig genug, um uns selber glücklich zu machen.

@NothingM

Ja, stimmt natürlich. Gerade bei Depressionen muss man vorsichtig sein, das ist zu vielschichtig und kompliziert um es nur auf Facebook&Co zurückzuführen.
Dennoch ist es einleuchtend, dass man sich eher langweilig, hässlich und unbedeutend vorkommt, wenn man ständig nur Party-, Reise-,Sportfotos der anderen sieht.

Das alte Sprichwort gilt auch heute: Das Gras des Nachbarn ist immer grüner. Wenn dieser jetzt extra Blumen reinsteckt und fein säuberlich jedes kleinste Unkraut in den Keller packt, verstärkt sich der Effekt.

stanmarsh schrieb:Das alte Sprichwort gilt auch heute: Das Gras des Nachbarn ist immer grüner. Wenn dieser jetzt extra Blumen reinsteckt und fein säuberlich jedes kleinste Unkraut in den Keller packt, verstärkt sich der Effekt.

Das gehört glaub ich zu Neid... aber das ist doch eher eine Charakterfrage oder?

@s.c.d.
Naja erstmal ich gehe nicht raus um meine Sorgen, Frust etc an anderen Menschen rauszulassen, sondern wohl eher damit ich nen klaren Kopf kriege und mich abzulenken auch wenn es nicht immer klappt.

Das nächste wäre die Ausstrahlung. Wenn du ständig deine schlechte Laune mit raus nimmst merken das die Leute normalerweise und werden dir möglicherweise aus dem Weg gehen. Willst du das?

Wenn wir im Alltag alle unsere ganzen depressiven Gedanken mitnehmen würden auch draußen hätten wir eine viel höhere Selstmordrate und viel mehr schwer depressive Menschen.

Bist du depressiv wenn ich fragen darf?

s.c.d. schrieb:Und man selbst denkt sich: Bin ich der einzige, der sich ab und zu Sorgen macht, der sich nicht perfekt fühlt?

Bist du auf keinen Fall.
Ich versuche auch seit einiger Zeit, mein "Pokerface" draußen abzulegen, und mich einfach so zu geben, wie ich mich gerade fühle.
Aber das ist gar nicht so einfach, da uns allen (zumindest den meisten Jungs) eingetrichtert wurde, wir dürften keine Schwäche zeigen.

Ich hab dieses gute Miene zum bösen Spiel machen auch satt.
Fast jeder in dieser Drecksgesellschaft fühlt sich scheiße und kaum einer hat den Mut, es einzugestehen.

Sorgen hat jeder, der eine mehr, der andere weniger.Nur kann man es auch nicht jeden zeigen, da man sich dadurch auch leichter angreifbar macht, es lässt ein Schwach erscheinen wenn man weint, weil man nicht mehr kann.
Und grad auch auf der Arbeit kann ein sowas zum Strick werden, Menschen die nicht Hart genug im Nehmen sind und es zeigen, werden schlichtweg nicht eingestellt. Oder in Serviceberufen, möchtest du bei deiner Party im Restaurant von Kellnern bedient werden die weinen und sich nur beschweren? Das wäre ebenso unpassend, wie gutgelaunte witzereissende Kellner auf einer Beerdigung.
Es ist leider nicht immer möglich seinen Kummer immer und jeden zu zeigen, weswegen ja viele zb Bücher schreiben um sich alles von der Seele zu schreiben oder auch in Musikstücken findet man viel Kummer und Leid. Gibt ja zum Glück noch andere Möglichkeiten seine Sorgen und Ängste abzubauen.
Ich könnte zur Zeit auch nur heulend durch die Welt laufen, trau mich schon gar nicht mehr die Nachrichten anzumachen, weil das Elend mich nachts schon verfolgt, doch leider muss es ja immer weitergehen und wenn man sich nun zuückzieht und nur noch weint, hilft es auch niemanden. :/

@Draiiipunkt0

Draiiipunkt0 schrieb:Aber das ist gar nicht so einfach, da uns allen (zumindest den meisten Jungs) eingetrichtert wurde, wir dürften keine Schwäche zeigen.

Und das ist das was die Gesellschaft besonders scheiße macht, denn dieses "du darfst keine Schwäche zeigen, du bist ein Mann!" ist der Kernpunkt des Mobbings zb. aber auch der Manipulation. Viele tun heute voll auf hart und cool, gehen Wodka trinken um zu zeigen wie cool und hart sie sind, aber dahinter versteckt sich die Angst.
Ist mittlerweile natürlich auch bei Frauen verbreitet, aber die Männer stehen da unter viel höherem Druck.

s.c.d. schrieb:Wenn man durch die Stadt geht und die Leute sieht, denkt man:

Ach, die sind doch alle normal, denen geht es doch gut. Sie verhalten sich angepasst und wirken in Ordnung.

Tatsächlich? Ich sehe in der Stadt meist nur griesgrämige Menschen. Wäre schön, wenn man mehr solch "normalen" Menschen, wie du es beschreibst, begegnen würde.

Ich tue bestimmt nicht so, als ginge es mir super. Aber manchmal muss man gute Miene zum bösen Spiel machen. Ich kann zum Beispiel ganz schlecht mit meiner Vergangenheit abschließen und hinterfrage so viel. Frage mich oft nach dem Warum...

@Venom

Venom schrieb:Und das ist das was die Gesellschaft besonders scheiße macht, denn dieses "du darfst keine Schwäche zeigen, du bist ein Mann!" ist der Kernpunkt des Mobbings zb. aber auch der Manipulation. Viele tun heute voll auf hart und cool, gehen Wodka trinken um zu zeigen wie cool und hart sie sind, aber dahinter versteckt sich die Angst.
Ist mittlerweile natürlich auch bei Frauen verbreitet, aber die Männer stehen da unter viel höherem Druck.

Es geht hier in erster Linie darum, auch jemanden "darzustellen"
Niemand will "ein nichts" sein.

Nur jemand der denkt, ein Mann/eine Frau sein zu müssen, verhält sich auch so.
Jemand der einfach Mensch sein will, wirkt und verhält sich auch menschlich.
Jeder setzt sich diesen Druck selbst aus und/oder wird mitgerissen.
Es gibt nichts, was man sein muss, was man nicht schon ist.
Wenn jemand cool sein will, dann nur, weil er sich uncool fühlt.
Wenn jemand geliebt werden will, dann nur, weil er sich nicht geliebt fühlt.
usw usw.

Ich will immer das sein, was ich nicht bin...

Neulich in der Schlange im Supermarkt:

Hey, wie geht's Dir?

Ach, danke, gut.

Und WARUM???

@s.c.d.
Niemand zeigt sich wie er wirklich fühlt, weil es die Gesellschaft nicht akzeptiert, wenn jemand negative Gefühle zeigt.Es wird weggesehen oder weggehört.
Denn leider gilt das hierzulande immer noch als Schwäche, gerade bei Männern...ich finde das ebenfalls sehr schade.Es wird nicht erlaubt, mal traurig zu sein.
Es scheint, als würde man nur akzeptiert werden, wenn man immer gut drauf ist und seine wirklichen Empfindungen unterdrückt, den vermeintlich Starken spielt.
Etwas zu unterdrücken ist aber nie gut und bald wird der innere Druck immer größer und größer und die Depression ist vorherbestimmt.
Ich selbst gehöre zu den Personen, die ihre Gefühle nie unterdrücken oder verstecken konnten, da ich hochsensibel bin.Das heißt man sieht mir immer an, wie es mir geht.
Ist auch nicht immer ein Vorteil und ich denke, in manchen Situationen sollte man besser ruhig und gefasst sein.
Aber ansonsten würde ich mir wünschen, dass die Menschen offener ihre Gefühle zeigen würden.
Und nein, damit meine ich nicht, dass jetzt alle ständig depressiv heulend durch die Gegend ziehen sollen.Selbstmitleid würde alles noch schlimmer machen.
Es würde schon was bringen, wenn die Leute erstmal registrieren würden, was sie gerade überhaupt fühlen.Viele wissen das nämlich gar nicht...

@s.c.d.
Das Gefühl, das du im EP dargelegt hast, habe ich manchmal auch, wenn ich so durch die kleine Stadt gehe, in der ich wohne. Jeder wirkt normal, manche geschäftig, manche weniger bis gar nicht geschäftig. Nur in wenige traurige Gesichter sieht man, das kann einerseits daran liegen, das Depressive wahrscheinlich gar nicht so gern in die Stadt und unter Menschen gehen, andererseits daran, das jeder Mensch mit Sorgen und Ängsten anderscumgeht und sie unterschiedlich schnell und unterschiedlich produktiv verarbeitet. Hier bist du beinahe schon bei Freuds Psychoanalyse und dem Erklärungsansatz für Neurosen.

s.c.d. schrieb:Wie kann es dann sein, dass so viele Menschen unter Depressionen leiden? Trauen sich diese Menschen nicht, ihre Gefühle nach außen zu zeigen? Wer hindert sie daran? Ich nicht. Ich finde es nicht schlimm, ehrlich zu sein.

Ich persönlich bin zu stolz, um meine Gefühle zu zeigen. In der Hinsicht bin ich ein etwas verschrobener Mensch. Wenn andere Leute (besonders Männer) direkt Gefühle zeigen, z.B. durch Tränen, dann finde ich das vollkommen in Ordnung. Schlimmer ist es, wenn Männer sich stattdessen in die Kneipe hocken und trinken.

Häh? Wer macht auf "super"?

Die Menschen, die ich auf der Straße beim Einkaufen bspw. in der Schildergasse sehe (eine große Einkaufsstraße in Köln) gehen einfach ihres Weges... die sehen weder sehr traurig noch besonders glücklich aus.

Ab und an habe ich mal eine weinende Frau gesehen oder einen wirklich mißgelaunten Typen... oder superkichernde Mädchen, die völlig albern rumrennen... aber DAS waren die totalen Ausnahmen... ansonsten geht jeder seines Weges und zeigt bestimmt keine großen Gefühle auf der Straße.

Ich habe diese "allen geht es super" Geschichte noch nirgends in dieser Häufigkeit beobachten können...

Ich finde eher, dass keiner sich um den anderen schert, was ja auch normal ist... manchmal vermisse ich in Deutschland auf der Straße dieses mediterane Feeling... spontane Lebensfreude auf den Straßen... aber eigentlich könnte ich hier in Deutschland damit nicht so gut umgehen, befürchte ich ;-)... Paßt nicht so richtig hierher...

...und die Depression, die hier auch angesprochen wurde, ist doch ein völlig anderes Thema...

Ich finde, die meisten Menschen sehen eher ausgelaugt und fertig aus. Kein Wunder eigentlich.

Man muss sich halt zu bestimmten Zeitpunkten anpassen, vor allem im Job. Wenn man morgens mit einer Leichenbittermiene im Büro auftaucht, ist der Chef sicher nicht davon begeistert. Deshalb verstellen sich die Leute natürlich vor allem im Job. Im sonstigen alltäglichen Leben kann ich aber beim besten Willen kaum etwas von Menschen sehen, die sich verstellen. Fahr mal eine Weile Bus und Bahn, schau dich gut um und behaupte dann, die Menschen würden glücklich wirken.

wenn ich dir mein leid klage, geht es mir dann besser?
nur leute mit problemen sind eine schlagzeile, wenn nicht über dich gesprochen werden soll, muß es dir gut gehen.

Und wenn sie so tun, ist mir schnurz, denn knapp 100% der Leute denen ich im öffentlichen Leben begegne kenne ich eh nicht und bin daher auch nicht an deren Leben interessiert.
Was würde es mir bringen wenn jeder zweite mir sein Leid klagen würde? Richtig, nix:)

@Laucott

Laucott schrieb:Was würde es mir bringen wenn jeder zweite mir sein Leid klagen würde? Richtig, nix:)

Ganz genau...
Dir würde es nichts bringen...

Aber vielleicht würde es denen was bringen, denen man zuhört.
Viele würden vielleicht einfach nur gerne jemanden haben, der ihnen zuhört.

Du selbst hast davon also nix, außer den dank des Erzählers.

@Koman

Alles richtig was Du schreibst:)
Nur bezog ich mich auf die dargestellte Situation des TE, der da schrieb:

s.c.d. schrieb:Wenn man durch die Stadt geht und die Leute sieht, denkt man:

Ach, die sind doch alle normal, denen geht es doch gut. Sie verhalten sich angepasst und wirken in Ordnung.

Wenn es mir scheisse geht hätte ich natürlich auch gerne einen Zuhörer bei dem ich mich auskotzen kann, aber nicht irgend jemand auf der Strasse der keinerlei Bezug zu meinem Mimimi hat sondern jemand der mich kennt und von dem dem ich weiss das er mir wirklich zuhört.
In der Stammkneipe geht das nicht und auch nicht wenn ich mich in der Fussgängerzone neben "Horst dem Obdachlosen " setze und schon gar nicht wenn ich jedem in der City penetrant mein scheissgelauntes Gesicht präsentiere.
Faktum gehe ich mit neutraler bis lächelnder Mine durch die Stadt und wirke so als "es geht mir super" Mensch auf den TE :)

s.c.d. schrieb:Und man selbst denkt sich: Bin ich der einzige, der sich ab und zu Sorgen macht, der sich nicht perfekt fühlt?

Bist du nicht.

s.c.d. schrieb:Wie kann es dann sein, dass so viele Menschen unter Depressionen leiden? Trauen sich diese Menschen nicht, ihre Gefühle nach außen zu zeigen? Wer hindert sie daran? Ich nicht. Ich finde es nicht schlimm, ehrlich zu sein.

Nur weil man den Menschen, die man oberflächlich in der Öffentlichkeit begegnet, nicht ansieht, dass sie psychisch erkrankt sind, heißt es nicht, dass sie es nicht sind.

Warum soll man seine Probleme in die Öffentlichkeit rumtragen? Was geht es fremde Menschen an, wie mein Wohlbefinden ist?

Wenn Du es nicht schlimm findest, dein Krankheitsbild durch die Welt zu zeigen. Schön und gut. Du bist aber nicht das Maß aller Dinge, das ist nur Pika und genauso wie jeder Andere, hat er seine individuell gesetzte Privatsphäre.