rhapsody3004 schrieb:Geht mir seit einigen Jahren auch so. Sage zu mir, groß irgendwas planen lohnt doch gar nicht, da schon bald alles vorbei sein kann oder durch Krankheit auch nichts mehr gehen würde. Am meisten denke ich da an Krebs.
Kann es. Mir ging es in Kindheit und Jugend gesundheitlich überwiegend nicht gut - auch lange Fehlzeiten von der Schule, die längste war ein Dreiviertel Schuljahr (kurz am Anfang, kurz am Ende des Schuljahres da gewesen). Hatte Ärzte, die bei "wenn ich mal groß bin, will ich..." seufzten. Berufsberatung, die meinte: Berufsbildungwerk.
Finanziell war's auch immer nicht so dolle, um es mal so auszudrücken (Eltern meist arbeitslos, keine finanzielle Unterstützung möglich).
Gerade deshalb habe ich mir aber gedacht: Besser planen. Nicht irgendeinen Ausbildungsberuf nehmen bei dem es dann schnell in die Erwerbsminderungsrente geht, sondern schauen was gute Chancen hat dass ich das auch länger machen kann.
Besser frühzeitig schauen: Wohnung, Nebenjob - und nicht eine Studienplatzzusage und "sch***, das kann ich ja nicht zahlen, muss ich absagen".
Falls es mir nicht liegt, falls es mir gesundheitlich doch zu schlecht dafür geht, falls es mich einmal nicht mehr interessiert: Das ist okay. Ich möchte persönlich aber nicht mir sagen "rückblickend, ich hätte die Gesundheit, die Zeit gehabt, aber ich hab' mich halt nicht getraut". Will mir in so einer Situation eher sagen können "ich habe einiges erlebt, ich habe viel Freude gehabt, ich habe nichts vermisst, nichts verpasst, da brauche ich mich nicht zu grämen - und jetzt muss ich eben schauen mich zu arrangieren".
nairobi schrieb:Diese sorgfältigen Planungen scheinen sich ja ausgezahlt zu haben! 👍
Ich vermute aber, dass nicht immer alles glatt gelaufen ist? Oder?
Glücklicherweise waren es meist nur Kleinigkeiten, die ich so aber auch als solche einschätzen konnte, oder die nicht so relevant waren da noch ein Plan B da war.
Das waren Dinge wie:
- für den Führerschein, den ich an einem Wohnort dringend brauchte, länger gebraucht haben (es fiel mir schwer, bin dann sicher und unfallfrei gefahren, aber zu erlernen sauber zu fahren und andere Verkehrsteilnehmer einzuschätzen fiel mir schlichtweg schwer obwohl ich allgemein ein "guter Lerner" bin)
- x Dinge für die ich mich beworben habe einfach nicht bekommen (mag erstmal als "Schocker" wirken wenn man es gewöhnt ist dass man Stellen sehr leicht bekommt (weil man ggf. leistungsmäßig unter anderen Schülern, Azubis noch heraussticht) und dann auf einmal Absage um Absage kommt); wusste aber durch Kollegen dass es für bestimmte Stellen, Stipendien etc. normal ist, die Chancen relativ gering sind und man es schon eher zwei, drei Jahre in Folge probieren muss; ohne das zu wissen, würde man ggf. schnell "das Handtuch schmeißen"
- Stelle wirkte "auf dem Papier" und beim Vorstellungsgespräch via Telecon super, dann bei Vor-Ort-Vorstellungsgespräch/Probearbeiten "um Himmels Willen!" (es gab Alternativen, hab' die Sache dann gedanklich unter "witzige Anekdoten" eingereiht und sage mir: wenigstens fiel es dann beim Vorstellungsggespräch vor Ort auf, und nicht mitunter sp#ter).
- Schule für den 2. Bildungsweg hat die 13. Klasse auf einmal nicht angeboten da zu wenige Schüler zusammenkamen, musste an eine 20 km entfernt wechseln und kurzfristig nochmal umziehen (machte also die 12. und 13. Klasse an zwei verschiedenen Schulen)
- Zusage für eine Stelle, Immigrationsgesetze in dem Land ändern sich drastisch (gar nicht mal zum Schlechten) und auf einmal viel selbst herausfinden müssen
Es ist nichts Größeres passiert, worunter ich sowas zusammenfassen würde wie: Ausbildung oder Studium abgebrochen oder durchgefallen; gekündigt worden; nach dem Schulabschluss nochmal länger gesundheitlich ausfallen; eine belastende Trennung o.ä.
Ich wäre damit aber wohl auch zurechtgekommen, da ich vom Typ bin "lieber ausprobieren und merken das klappt nicht, als es gar nicht zu versuchen".
Weiß aber auch, dass ohne Planung etliches heikel oder schlichtweg nicht durchführbar gewesen wäre. Bzgl. Ausbildungsberuf war ja selbst der Tipp vom Berufsberater leider nicht "das Gelbe vom Ei" (Bürokauffrau). Andere Sachen später z.B. auch sowas wie Arbeitsvisa (gerade auch als Paar), Vorlaufzeiten für etwas kennen... wären nie ohne Planung gegangen.
Somit: geplant und dann ggf. doch etwas anders ist kein Problem. "Mensch, hätt' ich vorher wissen können" schon.
Die "hat nicht geklappt"-Schocker-Momente waren eher die gesundheitlichen in meiner Kindheit/Jugend. Wenn ich mich z.B. abgemüht habe in der Physio, mit Orthesen etc. (z.B. die "Dinger" anziehen egal ob das Gleichaltrige doof finden), und dann hat das nicht den gehofften Erfolg gebracht und die "nächstheftigere" Behandlungsmethode kam. Oder OP und Krankenhausaufenthalt schön für den letzten Monat des Schuljahrs und die Sommerferien geplant, fand dann so nicht statt und dann dafür im Schuljahr und richtig lange ausgefallen.
Die Tochter einer Kollegin hat seit der frühen Kindheit bereits Rheuma und dadurch waren gewisse Ausbildungen für sie gar nicht möglich. Sie kann z.B. nicht den ganzen Tag stehen.
Das ist mir alles sehr verständlich (kenne auch übrigens jemanden mit Kindheitsrheuma). Auch bei mir fielen sehr viele Berufe weg.
Ich habe eine hochgradige Skoliose mit zusätzlich Fehlbildung der Schultern und Hüften, operativer Versteifung der kompletten Wirbelsäule (außer Halswirbelsäule) und Koordinationsprobleme (schlechte Balance, ungeschickte Grobmotorik). War die überwiegende Schulzeit vom Sportunterricht und auch von vielen Ausflügen befreit. Was beruflich geht: leichte Bürotätigkeit, stehend und sitzend wechselnd, Pausen müssen flexibel genommen werden können (keine Berufe, bei denen man "am Platz bleiben" muss). Hobbymäßig - d.h.: dann ist es okay, wenn ich länger brauche, oder es nur mache wenn es mir gesundheitlich richtig gut geht - schaffe ich manche leichten handwerklichen Tätigkeiten.
Zudem Autismus, Prosopagnosie, Hyperakusis (für mich sind Berufe mit Kunden- oder Patientenkontakt einfach nicht geeignet, z.B. auch zunächst wie mir vorgeschlagen wurde Bürokaufrau; heutzutage kann ich eher mal etwas mit fremden Leuten machen, es wäre aber mit 15/16 Jahren massiv überfordernd gewesen und es fiel auch in Praktika auf dass das nicht geht).
Mein "Pluspunkt" waren sehr gute Schulleistungen trotz Ausfallzeiten, technisches Interesse (sagen wir mal, "Typ Computernerd"), Zuverlässigkeit (die ein potenzieller Arbeitgeber aber natürlich vorab schlecht einschätzen kann, die meisten schreiben dass sie zuverlässig sind
;) ).
Da fielen nach ursprünglich einem Realschulabschluss (ein sehr guter, aber damit kann man eben erstmal nicht studieren) stapelweise Berufe weg: Viele "wechselnd stehend und sitzend, leichte Bürotätigkeit"-Berufe sind kaufmännisch mit Kundenkontakt, und was mir eigentlich "vom Kopf her", von den Interessen her, liegen würde, ging körperlich nicht (Industrie-/Technikberufe wie Mechatroniker, Elektroniker). Studieren wollte ich Physik und/oder Maschinenbau, Wechsel Realschule -> Gymnasium ging in meinem Bundesland nicht und auch nichts nach dem Realschulabschluss, eine Berufsausbildung musste her. Was dann passte: Fachinformatiker. War damals ein neuer Beruf, wurde in der Region einmal als Berufsfachschule (kostete Schulgeld) angeboten, einmal als duale Ausbildung (= wie üblich, mit Ausbildungsvergütung, dafür habe ich mich entschieden nachdem ich eine Zusage für die Berufsfachschule wie auch die duale Ausbildung hatte). Passte dort alles super, Ausbildung hat mir Spaß gemacht und auch mit Chef etc. keine Probleme. (Glück gehabt! Man kann zwar beim Vorstellungsgespräch einiges sehen, aber auch nicht alles.) Mein heutiger Beruf, nur im akademischen Betrieb nach Studium, ist ähnlich.
nairobi schrieb:Das stimmt. Man kann zwar selbst einiges tun, um die Gesundheit zu fördern, aber letztendlich kann man seine Genetik nicht beeinflussen und in sich hineinschauen kann man auch nicht.
Meine Meinung. Meine gesundheitlichen Probleme sind angeboten. Sie wären aber auch sicherlich wesentlich schlechter, wenn ich mich nicht danach richten würde.
rhapsody3004 schrieb:Geht mir seit einigen Jahren auch so. Sage zu mir, groß irgendwas planen lohnt doch gar nicht, da schon bald alles vorbei sein kann oder durch Krankheit auch nichts mehr gehen würde. Am meisten denke ich da an Krebs.
Die Einstellung kann ich durchaus nachvollziehen. Eher geht es mir darum: Um bekannte Risiken etwas herumplanen (sprich: mit einer vorhandenen körperlichen Einschränkung keine Ausbildung machen, bei der ggf. gerade noch die Ausbildung zu schaffen ist, aber Arbeiten im Beruf unrealistisch ist), mir aber auch nichts durch Sorgen vermiesen lassen.
Heikel sehe ich das eher wenn man sich mit etwas abplagt das lange dauert und währenddessen null Freude bereitet, nur für "später mal", dabei auf x Eventualitäten hofft und mit weniger nicht zufrieden sein kann. Hypothetisch: Jemand quält sich mit Nachhilfe und unter Prüfungsangst durchs Ingenieursstudium, mit der Hoffnung auf einen gehobenen Posten mit dem man dann ein Haus kaufen kann um eine Frau zu beeindrucken (so viele Eventualitäten und nur ein Ergebnis wird als zufriedenstellend wahrgenommen). Oder: Jemand arbeitet sich in einem Beruf der keinen Spaß macht mit hohem Verdienst ab, mit dem Ziel, sich (erst) in der Rente etwas zu gönnen und hofft sich dann später den Freundeskreis nachträglich aufzubauen für den zuvor keine Zeit ist (so viele Jahre des Lebens... obwohl derjenige ja sogar viel verdient, sicherlich sich einfach mal etwas gönnen könnte, vielleicht auch beruflich kürzer treten könnte für mehr Freizeit). Sowas finde ich persönlich traurig.