PrivateEye schrieb am 03.11.2025: Genau, jetzt kommt das große Aber. Gelten denn solche Orte nicht als geheiligt und damit (im geistlich-spirituellen Sinne) als besonders geschützt? Bei diversen Geisteraustreibungen in anderen Häusern werden unerwünschte Hausbesetzer ja auch durch fachkundiges Bodenpersonal des Herrn (oder anderer ähnlicher Auftraggeber) entfernt und ein Hausverbot durchgesetzt. Mal mit mehr oder mal mit weniger guten Erfolgschancen.
Doch, ja. Aber ich erinnere mich an den ersten Toten, den ich sah: Das war mein Großvater, der nach langer Krankheit bei uns im Haus gestorben ist. Ich sah ihn praktisch durch sein ganzes Sterben hindurch. Ich hatte ihn sehr geliebt und daher setzte ich mich auch neben ihn, als er immer wieder schon kleine Atemaussetzer hatte. Am Abend, bevor er starb, war er ziemlich ruhelos und sagte mehrfach seinen vollen Namen - dabei mochte er seinen Vornamen gar nicht und kürzte ihn ab. In dieser Nacht träumte ich, dass er sich nun auf den Weg gemacht hatte. Ich schlich mich also in Opas Zimmer und machte nur im Dunklen die Türe auf und blieb minutenlang stehen und hörte, dass er nicht mehr atmete. Dann ging ich wieder ins Bett. Als ich ihn das nächste Mal sah, war schon die große Frage: Wo ist er nun hin. Gemeinsam mit den existenziellen Fragen: Ist er nun noch irgendwo? Oder nicht? Kann man dieses "es gibt noch was", wenn es noch etas nach dem Tod gibt, selbst steuern. Oder habe ich dann keine andere Wahl?
Ich glaube, das treibt Leute um auf Friedhöfen. Da liegen ja nicht nur gute Menschen. Die Frau, die ihren Mann heimlich vergiftet hat. Der Mörder, der nie gefasst wurde ... vielleicht hat man Angst, dass ihnen der Eintritt in die nächste Welt irgendwie verwehrt wurde und sie nun nachts, genauso heimlich wie im Leben, ihr Unwesen treiben?
PrivateEye schrieb am 03.11.2025:Wie auch immer: Kirchen, Kapellen und Friedhöfe gelten ja allgemein als heiliger Boden. Volksglauben und Sagen etc. vermitteln den Eindruck, das Geister oder besser gesagt "Böses", diese Bereiche, auch gerne mal als Gottesacker tituliert, nicht betreten kann (man ist somit also auch geschützt gegen deren Einflüsse dort).
Kennst du das Gedicht "Türmer" von Goethe? Da finden die Geister ja auch einen Weg, dem Türmer fast zu schaden, obwohl sie die Kirche nicht betreten können (den Friedhof um die Kirche aber schon).
PrivateEye schrieb am 03.11.2025:Ich hoffe ihr könnt meine Verwirrung nachvollziehen. Auf der einen Seite kann Graf Koks keine Kirche betreten, aber aus seinem Sarg in Reihe 12, Grab Nr. 8 kann er locker Nacht für Nacht herein- und herausspazieren. Macht irgendwie keinen Sinn, oder?
Ist das nicht so eine Urangst davor, dass es Dinge gibt, die man sich einfach nicht erklären kann und dass es eine Unterwelt gibt, die einem Schaden kann, ohne dass man davon weiß? Und dass diese Schattengestalten es auch schaffen, in vermeindlich sichere Räume einzudringen und weiter im Verborgenen zu schaden, wie zu Lebzeiten auch?
PrivateEye schrieb am 03.11.2025:Aber das ist ja die Krux dabei. Ein "Heiliger" Ort sollte doch eben ein No-Go-Area für solche Wesen oder Projezierungen sein. Oder läuft das "Heilig" als Schutzverpackung irgendwann ab wenn es nicht regelmäßig erneuert wird?
Kann das Böse so stark sein, dass das Gute davor zurückweicht? Oder kann das Gute einfach beschließen, das Böse einmal machen zu lassen?
Bettman schrieb am 03.11.2025:Vlt. können die Geister ja nicht entkommen weil sie nicht durch die heiligen Mauern und Türen der Kirche fliegen können und quasi eingesperrt sind?
Viele Geister haben in der Vorstellung ja auch nur bestimmte Gemäuer etc. wo sie gesehen werden. Also der Geist sagt nicht "verdammt, nun bin ich tot. Dabei wollte ich auf der Aida noch eine Weltumrundung machen. Das habe ich zu Lebzeiten nicht geschafft, auf nach Hamburg und einchecken ...". Er bleibt ja oft an einem bestimmten Ort.
PrivateEye schrieb am 03.11.2025:Eine gute Frage. Ist es denn durch das regelmäßige bewohnen und beten? Könnte man sich schon irgendwie vorstellen. Quasi wie beim Auto regelmäßig das Motoröl wechseln und die Batterie nachladen. Kümmert man sich nicht, ist irgendwann Schicht im Schacht.
Manche Kirchen oder Kapellen, gerade die in Privatbesitz, zerfallen ja auch. Kostet ja auch eine Stange Geld, sie zu renovieren, wenn z.B. der neue Hausbesitzer nichts damit anfangen kann. Offiziell muss man sie entweihen, aber ob das immer passiert? Lustige Geschichte: Mr Mary war kürzlich geschäftlich im Ausland um ein paar Bands zu hören und zu treffen. Das bedeutet, er ist abends immer unterwegs und er ist bei sowas immer irre geizig, was Hotelzimmer etc. angeht, zudem schläft der Mann wie ein Stein überall. Lange Rede, kurzer Sinn, er buchte in einem Innenstadthostel ein Bett für knapp 50€ die Nacht. Kam mit einem Budgetflug nachts an, der Nightporter hat im gesagt, er schlafe heute Nacht alleine, die anderen Betten seien nicht besetzt: Und er stellte fest: Es war so ein altes Herrenhaus und er schlief in der Kapelle. Er meinte, er fühlte sich sehr unwohl, weil es ihm vorkam, als entweihe er sie nun. Vermutlich haben die neuen Besitzer mit Glauben nichts am Hut und haben da halt vier Betten reingestellt und nutzenden Raum. So unterschiedlich können Sichtweisen sein.
Berryl schrieb am 03.11.2025:Eine Kirche muss nur dann neu geweiht werden, wenn es dort Dinge wie Vandalismus gab, das schätzt aber das örtliche Bodenpersonal ab.Ausserdem können auch einzelne Gegenstände nur betroffen sein, zb. der Altar.
Da sind wir z.B. auch von Horrorfilmen geprägt, wo das Böse das Gute auch in einer Kirche besiegen kann.
Jule schrieb am 03.11.2025:Naja irgendwie wird es ja auch seine Gründe haben, warum Kinder so oft Angst vor Friedhöfen haben. Gerade im Dunkeln...Ich weiß z.B., dass meine im Dunkeln nicht gerne an einem Friedhof vorbei geht. Auf die Frage warum, meinte sie es sei gruselig. Warum sie aber im Hellen darüber gehen kann, konnte sie nicht beantworten.
Als Kind hat man Angst vor dem Tod, weil es so unberechenbar ist, wo diese Leute hingehen, wenn sie ihren Körper verlassen. Daher hast du auch Angst vor Friedhöfen, weil man denkt, diese "habe meinen Körper verlassen" Geister gibt es da ja in riesig hoher Anzahl.
musikengel schrieb am 03.11.2025:mich haben immer die Grabinschriften , die Lebenswege (Geb-Datum-Sterbe.Datum) interessiert und auch oft "schockiert". Ich stand dann auch mal unerwartet an dem Gedenkstein von Zwillingen - also das alles hat mich schon immer sehr bewegt. ich war ja erst 13 Jahre alt. also die Kindergräber - das war schon heftig.
Ja, ich habe im Studium neben dem Friedhof gewohnt - und bin da Sonntagmittag immer mal wieder drüber gelaufen. Hat mich aber irgendwie auch gestresst. Da waren dann Leute, die waren tot und jünger als ich. Da dachte ich auch immer: Wenn es dich nun trifft, was hast du im Leben geleistet? Was hinterlässt du?