Link: www.morgenpost.de (extern) (Archiv-Version vom 30.04.2007)aus der Berliner Morgenpost:
Leipzig - Ein verurteiltes Geschwisterpaar,das gemeinsam vier Kinder hat, will den Inzestparagrafen kippen. Das Leipziger Paar werdeBeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einlegen, bestätigte Anwalt JoachimFrömling am Dienstag einen Bericht der "Dresdner Neuesten Nachrichten". Der Paragraf 173sei ein "historisches Relikt" und sei eine Verletzung der Grundrechte, argumentierteFrömling.
Sein 30 Jahre alter Mandant war im November 2005 vom AmtsgerichtLeipzig zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt worden. Seine inzwischen 22Jahre alte Schwester war nach dem Jugendstrafrecht schuldig gesprochen und für ein Jahreinem Betreuer unterstellt worden. Das Oberlandesgericht Dresden bestätigte dieses UrteilEnde Januar. Damit ist es rechtskräftig, und dem Bruder droht erneut die Vollstreckungder Haft.
Derzeit ist der 30-Jährige nach Angaben seines Verteidigers auf freiemFuß. Der Mann war bereits zwei Mal wegen der gesetzlich verbotenen Beziehung verurteiltworden. Das Paar ignorierte jedoch eine frühere Bewährungsstrafe, sodass er ins Gefängnismusste. Für die 22-Jährige ist es aus Altersgründen die erste Verurteilung. Beischlafunter Verwandten ist erst ab 18 Jahren strafbar. Die Geschwister sind nicht zusammenaufgewachsen. Sie hatten sich erst im Jahr 2000 kennengelernt, als der Mann nach seinenleiblichen Eltern forschte. Er war bei Adoptiveltern aufgewachsen. Als die Beziehung derGeschwister begann, war die Frau 16 Jahre. Das Paar hat vier Kinder im Alter von 22Monaten bis fünf Jahren. Die Verteidiger stellten von Anfang an die Strafbarkeit desBeischlafs unter Verwandten infrage und strebten eine Prüfung des Falles durch dashöchste deutsche Gericht an. Weder das Amtsgericht Leipzig noch das OberlandesgerichtDresden sahen aber Gründe für eine Vorlage in Karlsruhe.
Nun geht das Paar denWeg selbst mit einer Verfassungsbeschwerde. Die Frist dafür läuft nach Angaben derAnwälte Ende März aus. Parallel bemüht sich Frömling darum, für seinen Mandanten einenAufschub für die Vollstreckung der Haftstrafe zu erreichen. Der Inzestparagraf istrechtspolitisch durchaus umstritten. In der Kommentarliteratur gibt es Tendenzen, dieVorschrift zu streichen. "Die Regelung ist sehr fragwürdig und zweifelhaft", sagte derrechtspolitische Sprecher der sächsischen FDP-Landtagsfraktion, Jürgen Martens. "ZumSchutz der sexuellen Selbstbestimmung ist er nicht erforderlich", betonte Martens. DasSchwierige an dem Thema sei jedoch, dass die Diskussion sehr emotionsgeladen ist. dpa