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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

83 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Seele, Bewusstsein, Illusion ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

18.04.2025 um 22:04
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Mein Bewusstsein bzw. der Bewusstseinsinhalt ist das einzige, was mir direkt zugänglich ist.
Nein, "zugänglich" ist etwas, mit dem man interaktiven Austausch durchführen kann - z.B. ein Tisch.
Bei "zugänglich" findet ein Kennenlernen statt und anschliessend kann eine Beschreibung aufgestellt werden.

Bei Qualia kommt nichts davon vor.
Bei Qualia hast du nur so etwas wie eine "korrekte Reaktion" zur Verfügung, wobei du nicht falsch reagieren kannst.
Ein Kennenlernen findet nicht statt und ein Beschreiben oder ein "Einordnen in die Welt" ist nicht möglich - deshalb ja der Begriff "Phänomen".
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Wenn ich nun aber genau die Existenz dieses Bewusstseinsinhalts bzw. das Erleben desselben anzweifle, dann verneine ich meinen primären Zugang zur Welt.
Nein, du verdächtigst die Welt lediglich nicht, zusätzliche Phänomenalexistenzen zu enthalten.
An deinen Reaktionen auf die Welt ändert sich deshalb nichts - du hast ja das Nervensystem, das nichts anderes macht, als zu reagieren.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Ich halte es da nach Descartes. In dem Moment, wo ich überzeugt davon bin, Qualia zu haben, empfinde ich ja auch etwas.
Das ist falsch, denn Überzeugung ist eine nicht-abweichende Reaktion.
Eine Korrektheit lässt sich davon nicht ableiten.

Schau dir diese "schrägen Linien" an.
Laut deinem "Existenz-Argument" möchtest du nicht an der langgezogenen Schräge auf der Bildfläche zweifeln, denn du hast einen "Zugang zu genau dieser Schräge".
Diesen Fall kannst du aber überprüfen und auf der Bildfläche ist keine langgezogene Schräge.
Auf der Bildfläche ist durchaus etwas und es hat auch etwas mit Schräge zu tun. Du erreichst aber mit deiner Reaktion keine nachhaltige Korrektheit.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Wenn ich nachts in den Sternenhimmel schaue, dann sehe ich eigentlich nicht die Sterne, die tausende Lichtjahre entfernt sind, sondern im Prinzip nur das Abbild in meinem Kopf.
Aha, dein behaupteter "Zugang zur Welt" soll also nur ein "Zugang in deinen Kopf" sein.
Dem "eliminativen Materialismus" gegenüber bestehst du auf einen unzweifelhaften Zugang zur Welt und in deinem Konzept entsorgst du diesen Zugang und behauptest den Zugang in deinen Kopf.
Sorry, wenn ich eine farbige Oberfläche sehe, dann verorte ich die farbige Oberfläche eindeutig positioniert in der Welt und mit "Abbild in meinem Kopf" hat das nichts zu tun.
Woher nimmst du diese "Abbild in meinem Kopf"-Erfindung?
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Aber selbst wenn ich mich täusche, ist da immer noch eine Ausprägung.
Es hat nichts mit "Täuschen" zu tun und deine Reaktion findet ja wirklich statt - du hast hierzu ein Nervensystem.
Wenn du es also auf die "Einsicht" reduzierst, aktiv zu sein, dann ist das nirgendwo eine Sensation, denn das kann man ja feststellen.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Wie gesagt, das ist eine philosophische Diskussion.
Du führst die Diskussion philosophisch.
Das Übergehen eines offenen Punktes, wenn es um Wahrnehmung, also Reaktion geht, ist schon ein sehr gewagter Schritt und das mit "Abbildung in meinem Kopf" genauso - da bist du reichlich glaubend unterwegs.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

18.04.2025 um 23:46
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Nein, "zugänglich" ist etwas, mit dem man interaktiven Austausch durchführen kann - z.B. ein Tisch...
Nein, es ist deshalb zugänglich, weil ich es "erlebe". Weil ich Zugriff darauf habe. Es ist quasi ein Austausch mit mir selbst, ein innerer Dialog. Der Tisch ist nur indirekt über mein Bewusstsein zugänglich - auf Basis der Sinneseindrücke.

In sofern ist auch deine Aussage bzgl. der "zusätzlichen Phänomenalexistenzen" falsch. Da ist nichts "zusätzlich", sondern es ist primär das, was meine Welt ausmacht. Die Inferenz ist das, was darüber hinausgeht. Dass hier offenbar ein Missverständnis vorliegt, zeigt auch dein Beispiel mit der optischen Täuschung. Die Tatsache, dass ich es "falsch" wahrnehme (keine schrägen Linien), zeigt eben gerade nicht, dass ich überhaupt nichts wahrnehme. Denn nein, ich kann durchaus am Inhalt von etwas zweifeln, aber nicht daran, dass da überhaupt ein Inhalt ist, in dem Moment, wo ich darüber nachdenke.

Da liegt vermutlich auch dein Missverständnis bezüglich der Aussage "Abbild in meinem Kopf". Wenn du eine farbige Oberfläche siehst, dann siehst du im Prinzip nur Licht einer bestimmten Wellenlänge, das vom Objekt reflektiert wird. Die Interpretation davon, z.B. die Interpretation, dass es ein roter Tisch ist, also auch die Farbwahrnemung, findet in deinem Kopf statt. Die Linien auf dem Bildschirm sind gerade, sie sehen aber schräg aus, weil sich das Gehirn etwas daraus "bastelt". Das heißt nicht, dass dieser Zugang korrekt ist. Optische Täuschungen zeigen doch genau das - nur da ist immer noch "jemand", der gerade darüber nachdenkt.

Und damit sollte sich auch das hier auflösen.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Du führst die Diskussion philosophisch.
Das Übergehen eines offenen Punktes, wenn es um Wahrnehmung, also Reaktion geht, ist schon ein sehr gewagter Schritt und das mit "Abbildung in meinem Kopf" genauso - da bist du reichlich glaubend unterwegs.
Unsere Position unterscheidet sich hier, entgegen meiner ursprünglichen Annahme, fundamental.
  • Ich behaupte, Qualia existiert und nicht nur die Überzeugung davon, da mein ganzes Bewusstsein (incl. Qualia) für mich primär ist. Es ist das, was ich erlebe und mir den Zugang zur Welt ermöglicht. Dieser kann durchaus falsch sein, aber ich erlebe es trotzdem. Und es gibt erstmal keinen Grund, daran zu glauben, dass mein Erleben ansich Illusion ist
  • Du behauptest, wenn ich dich richtig verstehe, dass Qualia bzw. "geistige" Eigenschaften nicht existieren (siehe Wikipedia: Eliminativer Materialismus) und wir uns quasi einer Illusion hingeben. Es gibt lediglich Reaktionen des Nervensystems und die "Einbildung" Qualia zu haben.


Nun ist es so, dass der Eliminative Materialismus Anhänger hat, aber noch mehr, die es ablehnen, u.a. oben genannten Gründen. Wenn ich "reichlich glaubend" unterwegs bin, dann gilt das sicherlich auch für dich :)


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

19.04.2025 um 09:53
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Nein, es ist deshalb zugänglich, weil ich es "erlebe". Weil ich Zugriff darauf habe. Es ist quasi ein Austausch mit mir selbst, ein innerer Dialog.
Du erfindest dir hier die Position eines Analyse-Werkzeugs.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Denn nein, ich kann durchaus am Inhalt von etwas zweifeln, aber nicht daran, dass da überhaupt ein Inhalt ist, in dem Moment, wo ich darüber nachdenke.
Auf diese Weise kann lediglich begründet werden, dass die Aktivität des Menschen irgendwo ablaufen muss und dass sie nicht beliebig ist.
Es ist kein Beweis für eine Phänomenalexistenz.

Auf Basis eines Wunsches rufen sich Philosophen zum Analyse-Werkzeug der eigenen Vorgänge aus - eine komplett abgedrehte Erfindung, das hat nichts mit der Realität zu tun.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Die Linien auf dem Bildschirm sind gerade, sie sehen aber schräg aus, weil sich das Gehirn etwas daraus "bastelt".
"etwas daraus bastelt"?
Diese nicht-vorhandene Qualität in der Aussage ist das Resultat einer Vorgehensweise, bei der man entlang von Wünschen und Erfindungen unterwegs ist.
Du hättest ja hier die Gelegenheit gehabt, etwas Sinnvolles anzugeben.
Leider ist jetzt völlig offen, welche Aufgabe du dem Nervensystem/Gehirn zuschreibst, was unter "Basteln" zu verstehen ist und wie es nach dem "Basteln" weitergehen soll.
Versuch mal hierzu Konkretes anzugeben.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Unsere Position unterscheidet sich hier, entgegen meiner ursprünglichen Annahme, fundamental.
Ja natürlich, das hat ja bereits deine Drucker-Anspielung gezeigt - ich habe oben sofort darauf reagiert.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Du behauptest, wenn ich dich richtig verstehe, dass Qualia bzw. "geistige" Eigenschaften nicht existieren (siehe Wikipedia: Eliminativer Materialismus) und wir uns quasi einer Illusion hingeben. Es gibt lediglich Reaktionen des Nervensystems und die "Einbildung" Qualia zu haben.
Fürs Protokoll: du bist derjenige, der mit den Begriffen "Illusion" und "Einbildung" arbeitet, nicht ich.

Das Ganze ist keine Schwarz/Weiss-Problematik à la "entweder es gibt das Geistige oder es gibt rein gar nichts".
Das Nervensystem/Gehirn erfindet keine Weltzusammenhänge, sondern der selbstlernende Akteur strebt nach der plausibelsten Reaktion (im Sinne von Nachhaltigkeit) zu dem, was er von der Welt zur Verfügung hat (dazu gehört auch, was er von sich selbst zur Verfügung hat).

Bei "farbigen Oberflächen" sieht der Akteur nicht Licht einer bestimmten Wellenlänge, sondern er versucht zur Enwirkung durch Lichtdurchstrahlen (insbesondere dem Verlauf dieser Einwirkung) plausibel zu reagieren, was letztlich einem "Schliessen auf dasjenige hinter dieser Einwirkung" entspricht.
"Licht/Strahlung an sich" wird nicht gesehen und spielt nur über die (Belastungs-)Effekte auf den Akteur eine Rolle.
Dass dort Licht auf ihn einwirkt, kann der Akteur aus seinem Selbstlernvorgang nicht erschliessen.

Er kann auch nicht erschliessen, dass "Wärme auf der Haut" genauso Strahlungseinwirkung ist. Weil er bei dieser Einwirkung zudem anders beteiligt ist, verwaltet er ganz andere Umstände.

Die Begriffe "Illusion" und "Einbildung" sind also bereits dahingehend problematisch, dass sie eine Richtungslosigkeit und Falschheit suggerieren.
Mit einem Selbstlernvorgang auf Basis von Plausibilitäten kann "lokale Korrektheit" erreicht werden, da geht es dann nicht um "Illusion" und "Einbildung".

Die Überzeugung vom "Sehen von farbigen Oberflächen" ist durchaus richtig zu dem, was der selbstlernende Akteur zur Verfügung hat - zu einer interaktiven Analyse der Welt, bei der man vor allem den Akteur und seine Umstände aus der Rechnung heraus nimmt, nicht.
Dort haben die Oberflächen keine "Farbeigenschaften", sondern "Strahlungsveränderungseigenschaften".
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Nun ist es so, dass der Eliminative Materialismus Anhänger hat, aber noch mehr, die es ablehnen, u.a. oben genannten Gründen.
Hinweise auf die Anzahl der Leute, die eine Einstellung teilen, ist typisch für glaubende Menschen.
Es geht hier nicht um das "Folgen einer Modeerscheinung", sondern darum, sinnvoll zu analysieren und die Problemstellung "wie funktioniert Wahrnehmung über die Nervenzellen eines selbstlernenden Akteurs?" zu lösen.

In der Wissenschaft kann ein einzelner Forscher Korrektheit erreichen und alle anderen müssen folgen - nicht dem Wunsch kommt hier die Hoheit zu, sondern der Realität.

An deinen Aussagen erkennt man, dass keinerlei Streben nach dem Lösen des offenen Punktes "wie Nervenzellen Funktionalität erreichen" vorhanden ist.
Du ersetzt diese Analyseaufgabe einfach mit "das ist nicht relevant" und am Ende kommt "bastelt" heraus.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

19.04.2025 um 11:16
@ShakaZulu2

Man hat es dir damals im Qualia als Scheinproblem Thread ja schon erläutert (Qualia, ein Scheinproblem?). Beispielsweise @Noumenon, dessen Beiträge ich damals sehr gut fand. Und ich habe es hier wieder versucht. Die Argumente haben sich seitdem ja nicht geändert, es ist auch nicht origineller geworden.

Qualia ist etwas, was wir alle "erleben". Du stellst dich nun hin und verneinst meinem Verständnis nach dessen Existenz (nach u.a. Dennet), während du gleichzeitig die Philosophen kritisierst, welche diese Idee für unsinnig halten. Dein anbringen der optischen Täuschungen zeigen das deutlich. Bei einer optischen Täuschung wird der Inhalt "falsch" interpretiert. Dennet nutzt dies, um zu zeigen, dass wir uns auch bezüglich Qualia täuschen können. Hier liegt aber ein grundsätzliches Missverständnis vor, denn selbst in so einem Fall ist da noch eine subjektive Erfahrung. Wenn du dir mit dem Hammer auf den Finger haust, dann tut das subjektiv weh.

Natürlich haben wir für das "Erleben" nur die Innenperspektive. Genau das ist doch das Problem bei der Sache. Ich bin faktisch mein einziges Analyse-Werkzeug für meine Innenperspektive. Nun aber so zu tun, als würde das Problem überhaupt nicht bestehen, kann man genauso als "Wunsch" werten. Siehe z.B. hier. Man versucht, Qualia irgendwie in das eigene Weltbild zu pressen - das hat aber erstmal nichts mit der Realität zu tun (im Übrigen stammen die Begriffe "Einbildung" und "Illusion" nicht von mir, sondern sie werden im Rahmen des eliminativen Materialismus durchaus verwendet, auch von u.a. Dennet).

Wir können hier noch viel diskutieren. Ich glaube, da prallen 2 Welten aufeinander und das hat nichts damit zu tun, wie ich bestimmte Begriffe vewende. Wenn ich z.b. schreibe "basteln", dann um von dem genauen Ablauf zu abstrahieren, weil er für die Fragestellung, ob es Qualia nun "echt" gibt, oder nicht, in meinen Augen völlig bedeutungslos ist (daher ist dein "offener Punkt" mir bei dieser Frage auch egal). In sofern glaube ich nicht, dass wir hier weiterkommen und das schöne an philosophishcen Diskussionen ist ja, dass sie im Prinzip oft auch nicht zu einem eindeutigen Ergebnis kommen.

In sofern: Wenn keine neuen Argumente kommen, gibt es für mich hier nicht mehr viel zu sagen. Der eliminative Materialismus verneint etwas, was alle Menschen täglich direkt erleben. Was ihren Alltrag prägt, ihren Zugang zur Welt etc. Das kann man machen. Dann sollten aber auch die Argumente sehr gut sein. Und das sehe ich hier nicht.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Hinweise auf die Anzahl der Leute, die eine Einstellung teilen, ist typisch für glaubende Menschen.
Es geht hier nicht um das "Folgen einer Modeerscheinung", sondern darum, sinnvoll zu analysieren und die Problemstellung "wie funktioniert Wahrnehmung über die Nervenzellen eines selbstlernenden Akteurs?" zu lösen.

In der Wissenschaft kann ein einzelner Forscher Korrektheit erreichen und alle anderen müssen folgen - nicht dem Wunsch kommt hier die Hoheit zu, sondern der Realität.

An deinen Aussagen erkennt man, dass keinerlei Streben nach dem Lösen des offenen Punktes "wie Nervenzellen Funktionalität erreichen" vorhanden ist.
Du ersetzt diese Analyseaufgabe einfach mit "das ist nicht relevant" und am Ende kommt "bastelt" heraus.
Noch ein Hinweis dazu. In meinen Augen definierst du dir hier selbst eine "Analyseaufgabe", die aber für die Grundfrage, ob Qualia subjektiv existiert oder nicht, ohne Bedeutung ist. Die Gründe habe ich genannt. Den Vorwurf nehme ich daher gelassen hin.
Und ja, natürlich kann ein einzelner Forscher unser Weltbild umkrempeln, wenn die Argumente gut sind. Das ist in der Geschichte immer wieder mal passiert. Wenn aber die meisten Philosophen eine Idee ablehnen, dann sind womöglich die Argumente nicht so stark, wie manche es gerne hätten. Zumindest ist dann die a priori Wahrscheinlichkeit dafür, dass man selbst auf dem Holzweg ist, halt größer als umgekehrt. Man kann das mit guten Argumenten auflösen (so funktioniert Wissenschaft) - nur die sehe ich, wie gesagt, hier nicht.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

19.04.2025 um 18:41
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Wir können hier noch viel diskutieren. Ich glaube, da prallen 2 Welten aufeinander und das hat nichts damit zu tun, wie ich bestimmte Begriffe vewende. Wenn ich z.b. schreibe "basteln", dann um von dem genauen Ablauf zu abstrahieren
Nein, du lieferst nichts wogegen man prallen könnte.
Du solltest etwas zu "das Gehirn bastelt etwas daraus" vorlegen und aus dem langen Text den du geschrieben hast, ist diese kurze Sequenz alles, was dazu kommt.
Deine Behauptung "basteln" wäre "eine Abstraktion von einem genauen Ablauf" ist sonderbarer Unfug.
Dass du nicht auf das Nervensystem eingehen möchtest, hat den einfachen Grund, dass du da keinerlei Phänomenalexistenz ins Spiel bringen kannst.
Du gehst nicht auf die Realität ein, weil du damit deinen Wunsch nicht erfüllt sehen kannst.
Damit liegst du auch vollkommen richtig, denn ausser Reaktion "bastelt" das Nervensystem rein gar nichts.
Bleibt man bei der Realität, dann arbeitet man mit Reaktion. Will man das nicht tun, dann hat man nichts mit Realität am Hut.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Wenn keine neuen Argumente kommen, gibt es für mich hier nicht mehr viel zu sagen.
Sorry, du konntest noch nicht einmal meine Rückfrage zu "basteln" beantworten, also spar dir diese Theatralik.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie blank "philosophisch Interessierte" bei diesem Thema sind.
Da kann ich nur sagen, man muss sich mehr um das Nervensystem kümmern - es gibt keinen anderen Weg.
Vermutlich stören sich viele Philosophen geradezu daran, dass der Körper ein Nervensystem hat - "naja, die Realität ist oftmals erbarmungslos".


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

19.04.2025 um 19:32
@ShakaZulu2

Du hast Recht, da prallt nichts aufeinander, weil deine Ausführungen am Kern der Thematik vorbeigehen.

Ich kritisiere den eliminativen Materialismus, also die philosophische Position, dass Qualia (subjektives Erleben) nicht existiert bzw. nur eine "Überzeugung" (andere sagen Illusion, Täuschung etc.) wäre. Statt darauf einzugehen, weichst du auf eine rein neurophysiologische Beschreibungsebene aus - als herrschte Einigkeit, dass dies ausreichend sei. Nur: Das Nervensystem (Außenperspektive) umfasst die funktionalen Abläufe und Korrelationen von Reizen, Reaktionen etc. - aber es erklärt nicht notwendigerweise, warum und wie subjektives Erleben (Innenperspektive) zustande kommt.

Ich verstehe ja, dass es für dich womöglich befriedigender wäre, alles rein über eine Außenperspektive erklären zu können. Darauf basiert ja auch der eliminative Materialismus, man will dieses Problem des subjektiven Erlebens wegrationalisieren, weil es ansonsten irgendwie nicht so richtig passt. Aber genau das steht ja zur Debatte - Glückwunsch, du hast gerade das Qualiaproblem entdeckt. Denn die "Phänomenalexistenz" ist doch bereits im Spiel, das ist unsere Innenperspektive, direkte Erfahrungen. Und die Erklärung des EM, um diese los zu werden, ist ist eher dürftig und in meinen Augen widersprüchlich.

Ich gebe es daher gern zurück:
Es ist immer wieder erstaunlich, wie blank "philosophisch Interessierte" bei diesem Thema sind.
Ein Kompromiss zur Güte: Ich befasse mich mit dem Nervensystem und du schaust dir das Qualiaproblem nochmal genauer an. Denn offensichtlich stören sich manche Philosophen geradezu daran, dass wir eine "Innenperspektive" haben, die objektiv nur schwer greifbar ist - "naja, die Realität ist oftmals erbarmungslos".


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

20.04.2025 um 00:56
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Man hat es dir damals im Qualia als Scheinproblem Thread ja schon erläutert (Qualia, ein Scheinproblem?). Beispielsweise @Noumenon, dessen Beiträge ich damals sehr gut fand. Und ich habe es hier wieder versucht. Die Argumente haben sich seitdem ja nicht geändert, es ist auch nicht origineller geworden.
Ja, erinnere mich dunkel an die damalige und relativ ergebnislose Diskussion. Kann auch sein, dass mir damals irgendwann einfach die Zeit fehlte, um mich weiter und intensiver an der Diskussion zu beteiligen.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Im Gehirn kommt es nicht zu "Bewusstsein", auch nicht "plötzlich".
Im Nervensystem/Gehirn kommt es zu Reaktionen, und zwar auf eine noch nicht geklärte Art - genau das ist der entscheidende Punkt.

Suchst du von aussen im Nervensystem nach einer Farbe oder einem Farberleben, also nach einem Phänomen, dann wirst du so etwas nicht finden.
Nehmen wir mal an, du würdest es finden (wie auch immer das vorliegen können soll), dann würdest du fragen "ja und jetzt?" - du würdest dich fragen, wie es von dort aus weitergehen soll, als "wer" hierauf "wie" reagieren können soll.
=> Egal wie du die Konstellation anordnest, am Ende dreht es sich um eine Suche nach Reaktion.

Reaktion ist aber nun genau das, was man im Nervensystem ganz unaufgeregt vorfindet.
Und die dortige Reaktionsart kennst du nicht - es ist also offen, ob sich nicht genau in den dortigen "materiellen Prozessen" die gesuchte Reaktion abspielt.
Soweit ich deinen Standpunkt richtig verstehe, bestreitest du nicht, dass Phänomene wie Farbwahrnehmung oder Schmerzempfinden tatsächlich existieren. Du würdest jedoch argumentieren, dass diese Phänomene nichts anderes sind als neuronale Prozesse - vielleicht vergleichbar mit maschinellem Lernen, welches ein tatsächlicher, aber rein funktionaler Vorgang ist. Dieser Prozess läuft vollständig auf physischen Grundlagen ab und stellt nichts ontologisch Eigenes dar, das zusätzlich zu den zugrundeliegenden physikalischen Prozessen existiert. Analog dazu sind "Bewusstsein", "Qualia", "Farbwahrnehmung" oder "Schmerzerleben" nur Beschreibungen bestimmter neuronaler Reaktionen, die allerdings keine zusätzlichen Phänomene darstellen, sondern lediglich Ausdruck physikalischer Prozesse und neuronaler Reaktionen im Gehirn sind.

Bleiben wir vielleicht mal beim häufig genannten Beispiel des Schmerzerlebens. Angesichts der rasanten Entwicklungen im Bereich KI und humanoider Robotik - z.B. Chinas geplante Nutzung humanoider Roboter in der Altenpflege und Japans Fokus auf chirurgische Roboter - ist das folgende Gedankenexperiment sicher verständlich und keineswegs abwegig. Stellen wir uns einen chirurgischen Roboter vor, der einen Patienten mit Locked-in-Syndrom operieren soll. Der Patient ist vollständig bewegungsunfähig, kann keine Laute von sich geben oder sich in irgendeiner Weise äußern, was es dem Roboter erleichtert, seine Arbeit ohne Störungen durchzuführen - auch wenn die Operation für den Patienten noch so schmerzhaft und qualvoll ist.

Das Locked-in-Syndrom mag in diesem Zusammenhang zwar eine spezielle Form der Beeinträchtigung sein, aber auch ein anderer Patient, der nur bestimmte Reaktionsmuster wie motorisches Zucken oder irgendwelche Lautäußerungen zeigt, könnte für den chirurgischen Roboter irrelevant sein. Der Roboter könnte in beiden Fällen das Schmerzempfinden als ein bloßes Reaktionsmuster des Nervensystems betrachten und darauf basierend in seiner Arbeit fortfahren, ohne dies als ethisch bedeutsam einzustufen. Und genau hier stellt sich die entscheidende Frage: Wenn Schmerz tatsächlich nur eine Reaktion auf neuronale Prozesse ist, was unterscheidet dann das "Leiden" eines Menschen vom Blinken einer Warnleuchte?

Ein chirurgischer Roboter könnte ein neuronales Aktivitätsmuster oder Verhalten zwar als "Schmerz" erkennen, aber warum sollte er dieses Muster anders behandeln als etwa Zittern, Husten oder Pupillenerweiterung? Was macht gerade dieses Reaktionsmuster ethisch relevant? Warum sollte der Roboter ausgerechnet Schmerz als eine Reaktion behandeln, die eine moralische Konsequenz wie die Verabreichung eines Anästhetikums nach sich zieht? Es könnte sich für den Roboter als völlig ausreichend herausstellen, den Patienten ruhigzustellen, rein mechanisch (bspw. mittels Gurten) zu fixieren, damit er seine Arbeit ungestört ausführen kann.

Wenn Schmerz nur ein funktionales Reaktionsmuster ist, warum sollte es dann falsch sein, jemanden bei vollem Bewusstsein zu operieren, solange er ruhiggestellt wird? Das zentrale Problem hier ist, dass der Reduktionismus in deinem Weltbild keine moralische Relevanz für bestimmte Reaktionen ableitet. Wenn alles, was wir als "Schmerzerleben" bezeichnen, lediglich eine Reaktion des Nervensystems ist, gibt es keine objektive Grundlage für die Annahme, dass diese Reaktion eine ethische Konsequenz erfordert - wie etwa die Behandlung mit Schmerzmitteln.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

20.04.2025 um 10:54
Zitat von JorkisJorkis schrieb:"Überzeugung" (andere sagen Illusion, Täuschung etc.)
Langsam, "Überzeugung" ist ein Begriff der Reaktion.
Es ist der Umstand, dass ein flexibles Reaktionssystem zu einer "(fortgesetzten) Eindeutigkeit rund um einen Zusammenhangsaufbau" findet.
"Überzeugung" ist ein elementarer Begriff für die Wahrnehmungsvorgänge eines selbstlernenden Akteurs, zumindest wenn es um Gehirnzellen geht.
"Überzeugung" ist der direkte Hoheitsbereich des Nervensystems. Da braucht niemand mit "Korrelation" anzukommen.

Es gibt keinen Grund "Überzeugung" mit "Ilusion" und "Täuschung" in einen Topf zu werfen.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Nur: Das Nervensystem (Außenperspektive) umfasst die funktionalen Abläufe und Korrelationen von Reizen, Reaktionen etc. - aber es erklärt nicht notwendigerweise, warum und wie subjektives Erleben (Innenperspektive) zustande kommt.
Oje, jetzt bist du wieder ganz am Anfang. Da hast du behauptet "es ginge/geht auch ohne...".
Ich wiederhole: aktuell ist unbekannt, wie es ein Nervenzellsystem schafft, Funktionalität herzustellen.
Es ist unbekannt, wie das Nervensystem Überzeugungen ausbildet und dabei zu einer Funktionalität kommt.

Es ist nicht akzeptabel, bei einer derartigen Unbekannten zu behaupten "es ginge/geht auch ohne...".
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Darauf basiert ja auch der eliminative Materialismus, man will dieses Problem des subjektiven Erlebens wegrationalisieren
Da solltest du nochmal "Patricia Churchland" anhören (Video in meinem obigen Beitrag), denn das "Eliminieren" soll sich nur sprachlich für die Forscher ergeben, die sozusagen herausfinden, um was es wirklich geht.
Es geht also (zumindest bei den "Churchlands") um ein wissenschaftliches Erklären, nicht um ein Wegrationalisieren.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:weil es ansonsten irgendwie nicht so richtig passt
Bei "nicht passt" musst du vorsichtig sein, denn es geht hier nicht um ein gleichwertiges Vorliegen.
Das Nervensystem ist vorliegend, während alles, wofür du Phänomenalexistenz behaupten möchtest, immer nur innerhalb der Reaktion eines Einzelnen eine Rolle spielt.

Bei "Phänomenalexistenz" geht es nicht um ein Vorliegen, sondern lediglich um ein "eine Rolle spielen". Das ist ein enorm wichtiger Unterschied, der ruhig in allen Aussagen berücksichtigt werden darf - da sollte niemand Schmerzen bekommen.

Mit deinem "nicht so richtig passt" versuchst du erneut (wir hatten das ja bereits) eine Aufgabenstellung unterzuschieben, um die es gar nicht geht.

Wenn du mit "Phänomenalexistenz" starten möchtest, dann ist das deine Entscheidung, aber du kannst sie nicht mit der Wirklichkeit begründen.
In der Wirklichkeit gibt es den Körper samt Nervensystem und die dortigen Möglichkeiten bilden den Rahmen, in dem man solange analysiert, bis man es im Griff hat.
Das ist aktuell nicht der Fall, und zwar an der exakt entscheidenden Stelle: der Frage, wie Funktionalität (über das Ausprägen von Überzeugung) erreicht wird.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

20.04.2025 um 12:34
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Langsam, "Überzeugung" ist ein Begriff der Reaktion.
Es ist der Umstand, dass ein flexibles Reaktionssystem zu einer "(fortgesetzten) Eindeutigkeit rund um einen Zusammenhangsaufbau" findet.
"Überzeugung" ist ein elementarer Begriff für die Wahrnehmungsvorgänge eines selbstlernenden Akteurs, zumindest wenn es um Gehirnzellen geht.
"Überzeugung" ist der direkte Hoheitsbereich des Nervensystems. Da braucht niemand mit "Korrelation" anzukommen.

Es gibt keinen Grund "Überzeugung" mit "Ilusion" und "Täuschung" in einen Topf zu werfen.
Diese Begriffe werden aber so verwendet, wenn es um den eliminativen Materialismus geht. Nun kannst du kritisieren, dass sich die Leute nicht eindeutig ausdrücken. Am Ende zielt es aber dennoch in dieselbe Richtung - oder wie siehst du das? Mal ganz konkret. Ich fühle Schmerz. Existiert dieser Schmerz als Schmerz, oder sind es nur Nervensignale, die mir diese "Illusion vermitteln"? Verstehe ich den eliminativen Materialismus falsch?
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Oje, jetzt bist du wieder ganz am Anfang. Da hast du behauptet "es ginge/geht auch ohne...".
Ich wiederhole: aktuell ist unbekannt, wie es ein Nervenzellsystem schafft, Funktionalität herzustellen.
Es ist unbekannt, wie das Nervensystem Überzeugungen ausbildet und dabei zu einer Funktionalität kommt.

Es ist nicht akzeptabel, bei einer derartigen Unbekannten zu behaupten "es ginge/geht auch ohne...".
Das habe ich nicht behauptet. Ich habe gesagt, dass es augenscheinlich ohne geht (siehe Chalmers Argumentation etc.). "Es geht auch ohne" war deine Paraphrasierung, ich habe das nicht korrigiert, weil ich es nicht als wichtig angesehen habe. Das "es geht auch ohne" wäre ein Argument gegen den Materialismus allgemein. Ich halte das für prima facie valide (weil ich die Innenperspektive für "real" ansehe und damit generell das Problem, dass zwischen Innnen- und Außenperspektive eine Lücke ist) und meine, dass es eine philosophische und keine neurophysiologische Frage ist.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Da solltest du nochmal "Patricia Churchland" anhören (Video in meinem obigen Beitrag), denn das "Eliminieren" soll sich nur sprachlich für die Forscher ergeben, die sozusagen herausfinden, um was es wirklich geht.
Es geht also (zumindest bei den "Churchlands") um ein wissenschaftliches Erklären, nicht um ein Wegrationalisieren.
Habe ich mir angesehen. Ich habe in den letzten Tagen auch die Zeit genutzt und mehr über den eliminativen Materialismus gelesen. Versteh mich nicht falsch. Ich sage nicht, dass es unwichtig ist, das Nervensystem zu verstehen etc. Ich zweifle aber daran, dass wir hier eine vollständige Antwort erhalten, weil immer die Innenperspektive fehlt. Die Kritik ist eben stets ähnlich. Man versucht, diese Innenperspektive als eigenständig zu negieren, um das Problem zu vermeiden.

Ich sehe das nämlich anders - und das meinte ich auch damit, dass hier Welten aufeinander prallen. Ich muss in meinen Augen sogar mit der Phänomenalexistenz starten, weil dies das Einzige ist, was für mich direkt erlebbar ist. Für mich ist das meine einzige Wirklichkeit. Den Rest "erleben" wird als Inferenz durch die Brille unserer Erfahrungswelt. Funktionale Prozesse sind uns letztlich nur als Veränderungen in unserem Erleben zugänglich. Das sind philosophisch 2 verschiedene Grundpositionen und ich kann akzeptieren, dass wir da nicht auf einen Nenner kommen. Das versuche ich zu sagen. Eine Erklärung bezüglich Nervensystem würde diese Grundannahme nicht ändern.

Übrigens: Ich finde es gut, dass wir nun mehr sachlich sprechen können.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

20.04.2025 um 16:45
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Soweit ich deinen Standpunkt richtig verstehe, bestreitest du nicht, dass Phänomene wie Farbwahrnehmung oder Schmerzempfinden tatsächlich existieren.
Was meinst du damit?
  • ... dass (existierende) Farben eine Wahrnehmung auslösen?
  • ... dass (existierender) Schmerz eine Wahrnehmung auslöst?


Soll es im Nervensystem zu einer Farbproduktion kommen, so dass die fertigen "Farbteile" wahrgenommen werden können?
Soll es im Nervensystem zu einer Schmerzproduktion kommen, so dass die fertigen "Schmerzteile" wahrgenommen werden können?
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Du würdest jedoch argumentieren, dass diese Phänomene nichts anderes sind als neuronale Prozesse
...
Analog dazu sind "Bewusstsein", "Qualia", "Farbwahrnehmung" oder "Schmerzerleben" nur Beschreibungen bestimmter neuronaler Reaktionen, die allerdings keine zusätzlichen Phänomene darstellen, sondern lediglich Ausdruck physikalischer Prozesse und neuronaler Reaktionen im Gehirn sind.
Wieder muss ich zurückfragen:
Soll da eine Art "Homunkulus" im Kopf sitzen, der mit "neuronalen Prozessen" konfrontiert wird und diese dann für Phänomene hält oder was für eine Szene baust du hier auf?
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:stellt nichts ontologisch Eigenes dar, das zusätzlich zu den zugrundeliegenden physikalischen Prozessen existiert
Eine Ontologiehaltung nehme ich nicht ein - ich bin kein Anhänger eines Ismus.
Wenn du mich zum "eliminativen Materialismus" zählst, weise ich darauf hin, dass selbst die "Chruchlands" sagen, dass dies eine problematische Formulierung ist und sie lieber keine Formulierung gewählt hätten.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Was macht gerade dieses Reaktionsmuster ethisch relevant?
Ich kann mich nur fortgesetzt wundern.
Soll die Funktion von Nervensystemen darin bestehen, dass Muster angeschaut werden?

Du kreierst explizit den Roboter, der sich Muster anschaut.
Das ist die Erfindung einer Aufgabenstellung, bei der ein unbeteiligter (aber dennoch "vollständiger") Akteur einen rudimentären Beobachtungsvorgang durchführt und nach einem sehr simplen Wenn-Dann-Motto entscheiden soll.

Das Beobachten von lustigen Mustern ist definitiv nicht das Kriterium zum "Herstellen von Funktonalität über Nervenzellen".
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Warum sollte der Roboter ausgerechnet Schmerz als eine Reaktion behandeln, die eine moralische Konsequenz wie die Verabreichung eines Anästhetikums nach sich zieht?
Was hält dich davon ab, deinen Rollenentwurf des "Roboters" selbst einzunehmen?
Den "Schmerz" des anderen Lebewesens, egal wie phänomenal existent du ihn verankern möchtest, bekommst du nicht mit.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Wenn Schmerz nur ein funktionales Reaktionsmuster ist
Versuch mal die Gleichsetzung "Schmerz=funktionales Reaktionsmuster" nicht durchzuführen.

Vielleicht als Anregung:
Bei Wahrnehmung, zumindest wenn sie über Nervenzellen realisiert ist, werden die Zusammenhänge der eingehenden Impulse verwendet, um eine plausible Reaktion zu demjenigen durchzuführen, das die Impulse verursacht hat.
Wenn du nun aber direkt den Impuls zu "dem Unbekannten" erklärst (also "Impuls=das Unbekannte"), um das es gehen soll, dann machst du einen Fehler - lustig anzuschauen, aber zu nichts zu gebrauchen.
Die Nervenzellaktivität ist sozusagen der (möglichst sinnvolle) Umgang mit den Zusammenhängen des Unbekannten, von dem eine Einwirkung stammt, wodurch es dann wie ein konkretes Etwas verwaltet wird (konkret im Sinne zu dem, was zur Verfügung steht).
Die Reaktion passt dann zu dem was einwirkt (zumindest im Umfang der Einwirkungen, was natürlich lange nicht den Gesamtumfang darstellen muss).
Zu keiner Zeit taucht "das Unbekannte" direkt im Nervensystem auf. "Schmerz" befindet sich nicht im Nervensystem.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Das zentrale Problem hier ist, dass der Reduktionismus in deinem Weltbild keine moralische Relevanz für bestimmte Reaktionen ableitet.
Sorry, ich führe keinerlei Reduktionismus durch.
Du denkst bem Nervensystem an die simple Wenn-Dann-Reaktion eines Computers/Roboters, aber genau damit liegst du falsch.

Wenn das Nervensystem einen fortgesetzten Hintergrund-Erschliessungsvorgang zu den Einwirkungen vornimmt und das "so entworfene Verhalten" wiederum einwirkt, dann wird letztlich ein Umgang mit abstrakten Verhaltensanteilen entstehen müssen.
Dann wird so etwas wie "Moral" als "das Unbekannte" hinter der Einwirkung verwaltet. Es entsteht ein Verhalten „so als ob da eine Bezugsgrösse wäre“.
Philosophen werden dann irgendwann mit Ontologie um sich werfen, dabei steckt lediglich eine spezielle Art von Reaktion dahinter, aus der sich dann „abstrakte Reaktionseinteilungen“ ergeben.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

20.04.2025 um 21:02
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Diese Begriffe werden aber so verwendet, wenn es um den eliminativen Materialismus geht. Nun kannst du kritisieren, dass sich die Leute nicht eindeutig ausdrücken.
Die Formulierung "eliminativer Materialismus" ist tatsächlich Schrott und ich habe das ja auch bereits dadurch einzuordnen versucht, dass ich das Video von "Patricia Churchland" verlinkt habe.
In einem anderen Video sagt sie zurecht, dass sie damals gar keinen Ismus-Begriff angeben hätten sollen, aber man war einfach niemand, wenn man keinen Ismus gestartet hat - wie auch immer, es ging mehr um eine Modeerscheinung, als um Verstand.

Die Angaben zu "eliminativer Materialismus" sehen für mich eher wie Rahmeneinschätzungen aus, die dann jeder Dichter und Denker je nach Radikalitätsbedarf auffüllt.

Im Zentrum steht einfach die Idee, dass der Mensch anders funktioniert, als er es für sich (in seiner Reaktion) verwaltet.
Erweitert wird dies im "eliminativen Materialismus" durch einen Konsequenzanspruch: "zukünftig werden (manche?) mentale Begriffe von den Forschern durch die eigentlich vorliegenden Umstände ersetzt".

Sehr radikale Leser dieser Rahmeneinschätzungen deuten dies als "Ablehnung der mentalen Einteilungen" - Motto: "es gibt nichts, dass dieses Zeug rechtfertigt".
Tatsächlich bieten die Rahmeneinschätzungen Platz für ein Spektrum, denn aus dem Konsequenzanspruch folgt in keiner Weise, dass die mentalen Begriffe reine Erfindungen, sozusagen Phantasiekonstrukte sind.

Ich habe versucht, es vorsichtig auf den Punkt zu bringen mit der Fragestellung: "Ist es das Phänomen XYZ, das die Überzeugung vom Vorliegen des Phänomens XYZ auslöst?"
Beispiel: "ist es eine langgezogene Schräge auf dem Papier, die die Überzeugung vom Vorliegen der langgezogenen Schräge auf dem Papier verursacht?" (siehe "schräge Linien")
Wer diese Frage mit "Ja" beantwortet, gehört sicher nicht zum "eliminativen Materialismus".
Wer diese Frage mit "Nein" beantwortet, gehört aber nur dann zum "eliminativen Materialismus", wenn er die Konsequenzbehauptung mitträgt.

Ich habe oben bereits geschrieben, dass das Gehirn/Nervensystem nichts erfindet und genau in dieser Hinsicht erwarte ich eine Erklärung durch die Forscher.
Ob die Forscher dann die mentalen Begriffe ersetzen, ist mir reichlich egal - insofern gehöre ich nicht dem "eliminativen Materialismus" an.
Ich denke, die Lösung wird so aussehen, dass die "mentale Einteilung" die sich im Nervensystem bildet, auf festem Boden steht, d.h. sie ist sehr gut und sie ist angebracht.
Dennoch beantworte ich die obige Frage selbstverständlich mit "Nein".

Den Begriff "Überzeugung" verwende ich für meinen Ansatz und meine Haltung rechne ich (wie gesagt) nicht zum "eliminativen Materialismus".
Ich bezweifle, dass der Begriff "Überzeugung", so wie ich ihn oben angegeben habe, von den Anhängern des "eliminativen Materialismus" benutzt bzw. auch nur ansatzweise so verwendet wird, wie ich das mache.
Wenn ich also das Wort "Überzeugung" verwende, dann ist nicht "Illusion" und nicht "Einbildung" gemeint, sondern ein Vorgang, der sich direkt im Nervensystem ergibt.
D.h. mein Begriff "Überzeugung" muss von keinem Forscher (im Sinne des "eliminativen Materialismus") verändert werden.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Ich fühle Schmerz. Existiert dieser Schmerz als Schmerz, oder sind es nur Nervensignale, die mir diese "Illusion vermitteln"?
Die Überzeugung vom Vorliegen/Ablaufen einer schmerzenden Körperstelle ist die plausibelste Reaktion auf die eingehenden Zusammenhänge der entsprechenden Situation.
Dass hier ein schmerzender Körperteil vorliegen soll, ist ein Schliessen auf den Hintergrund zu den eingehenden Nervensignalen.
D.h. nicht die Nervensignale sind der Schmerz, sondern sie sind der Anlass, um auf ihren Ursprung "den Schmerz" zu schliessen.
Der "Schmerz" ist sozusagen das Phantom im Hintergrund, von dem nur ausgegangen wird ("Überzeugung") weil dies das Naheliegendste ist.
Hier sind wir auch bei deiner Einschätzung, dass es keinen zwanghaften Grund gibt, dass Phänomene im Spiel sein müssen.
Doch, den gibt es, und zwar liegt er in der Strategie, die plausibelste Reaktion zu finden, denn diese Methode ergibt, dass ein selbstlernender Akteur auf die vermeintliche Ursache seiner Situation schliesst.
Die erschlossene Ursache ist damit immer dasjenige, das für den wahrnehmenden Akteur im Hintergrund liegt.
Die Farbe in einer gesehenen farbigen Oberfläche muss für so einen Akteur die "Ursache" für seine Situation sein, aber er kann "die Farbe" nie wirklich erreichen - das geht prinzipiell nicht, denn er schliesst ja nur darauf.

Was dir bei deiner Einschätzung (dass es bei materieller Realisierung keinen zwingenden Grund für Phänomene geben soll) nicht klar ist, ist dass die Methodik in der Wahrnehmung der entscheidende Faktor ist.
Die Methodik in der Wahrnehmung ist das, womit es in einem Nervensystem zu Funktionalität kommt.
Genau dieser Punkt ist offen.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:weil ich die Innenperspektive für "real" ansehe und damit generell das Problem, dass zwischen Innnen- und Außenperspektive eine Lücke ist
Natürlich bist du von der Realität der "Innenperspektive" überzeugt, denn dein Erschliessen kann nirgendwo anders hinführen, als eine konkrete "Innenperspektive" zum Ausgangspunkt eines Teiles deiner Vorgänge zu machen.
Poetisch gesprochen, kannst du dir auf Basis deiner Wahrnehmungsmöglichkeiten deine Situation gar nicht anders erklären, als durch eine "Innenperspektive", also ist sie für dich da und du hast keine andere Reaktion zur Verfügung.
Du bist relativ zu deinen Wahrnehmungsmöglichkeiten kein freier Akteur, sondern du funktionierst entlang einer Wahrnehmungsstrategie.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:und meine, dass es eine philosophische und keine neurophysiologische Frage ist.
Genau hier irrst du dich, denn die Methode der Wahrnehmung, ist exakt das, was die Nervenzellen durchführen.
Ich habe schon relativ detailliert beschrieben, wohin die Reise geht und all das (also das Finden der plausibelsten Reaktion) muss man im Nervensystem vorfinden können, denn, wie ich geschrieben habe: das Nervensystem erfindet nichts.
Versuch mal Qualia nicht als Problem, sondern als den eigentlichen Hinweis auf die Methode der Wahrnehmung zu verwenden.
"Qualia" stellen kein zu lösendes Problem dar, sondern die offene Frage lautet: wie erschliesst sich ein Mensch seine Qualia-Überzeugung - und hierbei steht das Nervensystem im Zentrum.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

20.04.2025 um 22:07
@ShakaZulu2

Ok, das heißt deine Haltung entspricht nicht genau dem, was eliminative Materialisten behaupten würden. Das ist ok - Ich werde hier nicht mehr nachhaken. Konzentrieren wir uns auf die anderen Punkte, weil sich darin vermutlich der Dissens erschöpft.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Hier sind wir auch bei deiner Einschätzung, dass es keinen zwanghaften Grund gibt, dass Phänomene im Spiel sein müssen.
Doch, den gibt es, und zwar liegt er in der Strategie, die plausibelste Reaktion zu finden, denn diese Methode ergibt, dass ein selbstlernender Akteur auf die vermeintliche Ursache seiner Situation schliesst.
Ich sehe das anders. Chalmers legt das in meinen Augens sehr gut dar:
Youtube: David Chalmers - Does Consciousness Defeat Materialism?
David Chalmers - Does Consciousness Defeat Materialism?
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Ich glaube, dass hier nicht ganz klar ist, was das Qualiaproblem beschreibt. Du behauptest ja im Prinzip (korrigiere mich, wenn ich falsch liege), dass genau dieses "Erleben" notwendige Folge der Verarbeitung des Nervensystems ist. Aber: Der Bruch findet von der Außenperspektive zur Innenperspektive statt. Es ist einfach nicht "greifbar", wieso ein materieller Prozess "plötzlich" fühlt. Die reine Funktion könnte augenscheinlich auch ohne diesen zusätzlichen Aspekt stattfinden. Genau daran scheiden sich aber die Geister. Du vertrittst die Position, dass dies nicht der Fall ist. Das "nein", "doch", "nein" müssen wir nicht fortführen. Das ist nichts neues, sondern im Prinzip schon sehr lange kontrovers (siehe Wikipedia: Qualia).
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Natürlich bist du von der Realität der "Innenperspektive" überzeugt, denn dein Erschliessen kann nirgendwo anders hinführen, als eine konkrete "Innenperspektive" zum Ausgangspunkt eines Teiles deiner Vorgänge zu machen.
Poetisch gesprochen, kannst du dir auf Basis deiner Wahrnehmungsmöglichkeiten deine Situation gar nicht anders erklären, als durch eine "Innenperspektive", also ist sie für dich da und du hast keine andere Reaktion zur Verfügung.
Du bist relativ zu deinen Wahrnehmungsmöglichkeiten kein freier Akteur, sondern du funktionierst entlang einer Wahrnehmungsstrategie.
Richtig. Ich sehe hier aber keinen Widerspruch. Meine Aussage ist epistemischer Natur. Mir bleibt lediglich meine Innenperspektive, um mir die Wirklichkeit zu erschließen (diese Perspektive ist im Prinzip auch nicht besonders neu und in meinen Augen mehr oder weniger Konsens). Eine ontologische Aussage wäre es nun, wenn ich daraus etwas ableite. Der Idealist würde sagen, "alles ist Bewusstsein". Der Solipsist "alles ist mein Bewusstsein", der Panpsychist "Bewusstsein und Materie sind beide primär" und der Materialist "Bewusstsein entspringt der Materie" usw. (kein Anspruch auf formale Korrektheit). Das ist mir nun erstmal egal, denn meine Kritik hier ist auch rein epistemisch.

Du schreibst
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Eine Ontologiehaltung nehme ich nicht ein - ich bin kein Anhänger eines Ismus.
Aber genau das sehe ich nicht bei klar ontologischen Aussagen wie
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:In der Wirklichkeit gibt es den Körper samt Nervensystem und die dortigen Möglichkeiten bilden den Rahmen, in dem man solange analysiert, bis man es im Griff hat.
Auch wenn du es nicht so nennen magst, ist das materialistisch geprägt. Du setzt praktisch diesen Punkt ontologisch schon voraus. Nun kann man das tun. Ich halte jedoch dagegen - aus epistemischer Sicht ist nicht gewährleistet, dass wir hier überhaupt Erfolg haben (selbst wenn die Welt im Kern materialistisch wäre). Phänomenalexistenz ist gerade deshalb entscheidend, weil wir die Wirklichkeit nur durch sie erfahren können. Alles, was wir über das Nervensystem und seine Funktionsweisen wissen, ist bereits über Erfahrung / Erleben vermittelt. Eine Analyse, die vorgibt, „die Wirklichkeit“ unabhängig davon zu fassen, verkennt, dass sie selbst in diesem Rahmen stattfindet. Wir werfen quasi mit Hilfe unserer Innenperspektive einen Blick von außen auf dieselbige.

Nun kann man natürlich (ganz im Sinne des EM) sagen, dass dieses Erleben ja nur eine Begleiterscheinung oder Ausdruck der Wahrnehmung im Nervensystem ist etc. Aber im Endeffekt ist es eben sehr eindrücklich, weil wir Qualia ja "erleben". Das ist für mich ein "Glaubenssprung" (ich meine mich zu erinnern, dass du diesen Begriff selbst mal verwendet hast). Nicht nur, muss ich ontologisch ein Primat von Materie (oder etwas, das nicht Bewusstsein ist) voraussetzen. Ich muss sogar noch meine eigene Qualia in Frage stellen, die meinem "Ich", den Zugang der Welt erst ermöglicht.

Wie gesagt, das ist eine philosophische Diskussion und als solche gehe ich nicht davon aus, dass man sich in diesen Punkten einig ist. Der Austausch ist trotzdem interessant.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

20.04.2025 um 22:29
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Soweit ich deinen Standpunkt richtig verstehe, bestreitest du nicht, dass Phänomene wie Farbwahrnehmung oder Schmerzempfinden tatsächlich existieren.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Was meinst du damit?
Damit ich deinen Standpunkt besser nachvollziehen kann, wollte ich einfach nur noch einmal nachhaken, ob wir uns zumindest dahingehend einig sind, dass sich hinter "Farbe" und "Schmerz" (oder "Farb- bzw. Schmerzempfinden") reale Phänomene verbergen (was auch immer im Detail dahinterstecken mag). Mir ging es an dieser Stelle also weniger um die Frage, wie Farb- oder Schmerzempfinden zustande kommen, sondern darum, ob es diese Phänomene aus deiner Sicht überhaupt gibt.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Soweit ich deinen Standpunkt richtig verstehe, bestreitest du nicht, dass Phänomene wie Farbwahrnehmung oder Schmerzempfinden tatsächlich existieren. Du würdest jedoch argumentieren, dass diese Phänomene nichts anderes sind als neuronale Prozesse - vielleicht vergleichbar mit maschinellem Lernen, welches ein tatsächlicher, aber rein funktionaler Vorgang ist. Dieser Prozess läuft vollständig auf physischen Grundlagen ab und stellt nichts ontologisch Eigenes dar, das zusätzlich zu den zugrundeliegenden physikalischen Prozessen existiert. Analog dazu sind "Bewusstsein", "Qualia", "Farbwahrnehmung" oder "Schmerzerleben" nur Beschreibungen bestimmter neuronaler Reaktionen, die allerdings keine zusätzlichen Phänomene darstellen, sondern lediglich Ausdruck physikalischer Prozesse und neuronaler Reaktionen im Gehirn sind.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Wieder muss ich zurückfragen:
Soll da eine Art "Homunkulus" im Kopf sitzen, der mit "neuronalen Prozessen" konfrontiert wird und diese dann für Phänomene hält oder was für eine Szene baust du hier auf?
Wie gesagt ging es mir hier in diesem Absatz zunächst um die Klärung, ob ich deinen Standpunkt überhaupt richtig verstanden habe.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Eine Ontologiehaltung nehme ich nicht ein - ich bin kein Anhänger eines Ismus.
Auch ohne sich einem "Ismus" zu verschreiben, hat man in der Regel eine Haltung dazu, ob bestimmte Phänomene wie Geister, Engel, Dämonen oder eben machinelles Lernen, subjektives Erleben, Schmerz, Qualia, Bewusstsein etc. pp. reale Phänomene sind oder nicht.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Was macht gerade dieses Reaktionsmuster ethisch relevant?
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Ich kann mich nur fortgesetzt wundern.
Soll die Funktion von Nervensystemen darin bestehen, dass Muster angeschaut werden?

Du kreierst explizit den Roboter, der sich Muster anschaut.
Das ist die Erfindung einer Aufgabenstellung, bei der ein unbeteiligter (aber dennoch "vollständiger") Akteur einen rudimentären Beobachtungsvorgang durchführt und nach einem sehr simplen Wenn-Dann-Motto entscheiden soll.

Das Beobachten von lustigen Mustern ist definitiv nicht das Kriterium zum "Herstellen von Funktonalität über Nervenzellen".
Langsam. Ich greife in diesem Zusammenhang mal folgendes Statement von dir auf:
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Suchst du von aussen im Nervensystem nach einer Farbe oder einem Farberleben, also nach einem Phänomen, dann wirst du so etwas nicht finden.
Wenn wir "von aussen im Nervensystem" keine Farbe und kein Farberleben finden, dann gilt dies sicherlich auch für Schmerz (oder Schmerzerleben). Daher meine Frage: Wenn dem Phänomen "Schmerz" (oder "Schmerzerleben") gar keine objektiv nachweisbare Existenz zukommt, warum sollte es dann bspw. falsch sein, jemanden bei vollem Bewusstsein zu operieren?
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Was hält dich davon ab, deinen Rollenentwurf des "Roboters" selbst einzunehmen?
Den "Schmerz" des anderen Lebewesens, egal wie phänomenal existent du ihn verankern möchtest, bekommst du nicht mit.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es sich bei "Schmerz" (oder "Schmerzerleben") um ein reales Phänomen handelt und kenne darüber hinaus auch seine qualitative Dimension (d.h. ich weiß, wie sich Schmerzen anfühlen), ein chirurgischer Roboter hingegen nicht (jedenfalls nicht notwendigerweise).
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Versuch mal die Gleichsetzung "Schmerz=funktionales Reaktionsmuster" nicht durchzuführen.
Kann ich gerne tun, nur stellt sich - zumindest für mich - dann immer noch die Frage, worüber wir bei "Schmerz" oder "Schmerzerleben" genau reden.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Vielleicht als Anregung:
Bei Wahrnehmung, zumindest wenn sie über Nervenzellen realisiert ist, werden die Zusammenhänge der eingehenden Impulse verwendet, um eine plausible Reaktion zu demjenigen durchzuführen, das die Impulse verursacht hat.
Wenn du nun aber direkt den Impuls zu "dem Unbekannten" erklärst (also "Impuls=das Unbekannte"), um das es gehen soll, dann machst du einen Fehler - lustig anzuschauen, aber zu nichts zu gebrauchen.
Die Nervenzellaktivität ist sozusagen der (möglichst sinnvolle) Umgang mit den Zusammenhängen des Unbekannten, von dem eine Einwirkung stammt, wodurch es dann wie ein konkretes Etwas verwaltet wird (konkret im Sinne zu dem, was zur Verfügung steht).
Die Reaktion passt dann zu dem was einwirkt (zumindest im Umfang der Einwirkungen, was natürlich lange nicht den Gesamtumfang darstellen muss).
Zu keiner Zeit taucht "das Unbekannte" direkt im Nervensystem auf. "Schmerz" befindet sich nicht im Nervensystem.
Sehr interessante Gedanken. Und wenn ich dich richtig verstehe, betrachtest du Schmerz nicht als etwas, das einfach mit einem Reiz, einem funktionalen Reaktionsmuster oder neuronalen Zustand gleichgesetzt werden kann, sondern eher als etwas, das aus der Weise hervorgeht, wie das Nervensystem auf Einwirkungen reagiert, ohne dass das, was einwirkt, selbst im Nervensystem "auftaucht"...? Mich interessiert in dem Zusammenhang: Würdest du sagen, dass Schmerz - als Phänomen - real ist, also tatsächlich erlebt wird (auch wenn seine genaue Herkunft unbestimmt bleibt)? Oder hältst du Schmerz für eine Art funktionale Modellbildung ohne phänomenale Realität?
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Du denkst bem Nervensystem an die simple Wenn-Dann-Reaktion eines Computers/Roboters, aber genau damit liegst du falsch.

Wenn das Nervensystem einen fortgesetzten Hintergrund-Erschliessungsvorgang zu den Einwirkungen vornimmt und das "so entworfene Verhalten" wiederum einwirkt, dann wird letztlich ein Umgang mit abstrakten Verhaltensanteilen entstehen müssen.
Dann wird so etwas wie "Moral" als "das Unbekannte" hinter der Einwirkung verwaltet. Es entsteht ein Verhalten „so als ob da eine Bezugsgrösse wäre“.
Philosophen werden dann irgendwann mit Ontologie um sich werfen, dabei steckt lediglich eine spezielle Art von Reaktion dahinter, aus der sich dann „abstrakte Reaktionseinteilungen“ ergeben.
So wie ich dich verstehe, ist das Nervensystem deiner Meinung nach also ist kein simpler Reiz-Reaktions-Apparat, sondern quasi eine sich fortlaufend modellierende "Reaktionsstruktur", die Bedeutungen aus "Einwirkungen" erzeugt. Phänomene wie "Schmerz" oder "Farbe" sind in diesem Modell also keine real existierenden Entitäten, sondern abstrakte Reaktionsformen, quasi ein "So-tun-als-ob-Theater". Oder anders ausgedrückt: Hinter Phänomenen wie Schmerz oder Farbe stecken keine eigenständigen Entitäten, sondern funktionale Strukturen, die im Nervensystem so verarbeitet werden, als ob es dahinter konkrete Dinge gäbe, d.h. es gibt Schmerz oder Farbe nicht im Sinne eines realen, subjektiven Erlebens, sondern nur Verhaltensmuster und Reaktionen, die wie Schmerz oder Farbe erscheinen. Falls ich deinen Standpunkt diesbezüglich überhaupt korrekt verstehe: Würdest du dann sagen, dass all das, was wir gemeinhin als "Erleben" bezeichnen, bloß ein Nebeneffekt oder eine Illusion dieser Reaktionsstruktur ist? Oder anders gefragt: Gibt es subjektives Erleben? Oder ist das quasi nur ein Scheinprodukt einer funktionalen Dynamik?


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

21.04.2025 um 20:31
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Ich sehe das anders. Chalmers legt das in meinen Augens sehr gut dar:
Schreib mal auf, was dir dabei am besten gefällt (hab ich ja beim "Churchland"-Video auch gemacht)
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Du behauptest ja im Prinzip (korrigiere mich, wenn ich falsch liege), dass genau dieses "Erleben" notwendige Folge der Verarbeitung des Nervensystems ist.
Nein, es müssen die Einwirkungen eines aktiven Körpers erfolgen und vom Nervensystem des Körpers mit der dortigen Methode verwaltet werden.
Die Überzeugung eines Erlebens läuft ab, weil dies plausibel für die Körpersituation ist.
Wie immer: das Nervensystem erfindet nichts - es findet nur die passende Reaktion: Überzeugung des Körpers "ich erlebe".
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Es ist einfach nicht "greifbar", wieso ein materieller Prozess "plötzlich" fühlt.
Das geschieht ja auch nicht - beim "eliminativen Materialismus" behauptet dies glaube ich niemand. Also ich behaupte es jedenfalls nicht.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Die reine Funktion könnte augenscheinlich auch ohne diesen zusätzlichen Aspekt stattfinden.
Hier musst du aufpassen, denn du springst von "materieller Prozess" zu "Funktion".
Zur "Funktion" gehört das, was das Nervensystem durchführt. Da sind wir nicht mehr bei materieller Prozess, sondern bei Reaktion und, weil es ein Nervensystem ist, bei Überzeugung.
Du kannst das Nervensystem eines menschlichen Körpers nicht davon abhalten, eine zum aktiven Körper passende Reaktion aufzubauen.
Da der Körper ständig seine inneren Signale ins Nervensystem einspeist, ist die naheliegendste Überzeugung "zu fühlen", denn es geschieht ja tatsächlich.
Wieder: das Nervensystem erfindet nichts.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Mir bleibt lediglich meine Innenperspektive, um mir die Wirklichkeit zu erschließen
Nein, weder ist das Konzept des Zweifelns und Übrigbleibens sinnvoll, noch "bleibt dabei die Innenperspektive übrig".
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Der Idealist würde sagen, "alles ist Bewusstsein".
Naja.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Der Solipsist "alles ist mein Bewusstsein"
Diese Leute sind sehr angenehm - man hört nie wieder was von ihnen.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:der Panpsychist "Bewusstsein und Materie sind beide primär"
Was ist dann das Sekundäre?
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Materialist "Bewusstsein entspringt der Materie"
Nö, man schaue sich nur die Anästhesie an, dann kann man das hier vergessen.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Phänomenalexistenz ist gerade deshalb entscheidend, weil wir die Wirklichkeit nur durch sie erfahren können. Alles, was wir über das Nervensystem und seine Funktionsweisen wissen, ist bereits über Erfahrung / Erleben vermittelt. Eine Analyse, die vorgibt, "die Wirklichkeit" unabhängig davon zu fassen, verkennt, dass sie selbst in diesem Rahmen stattfindet.
Man benötigt hierbei Wahrnehmung und Überzeugung aber doch nicht Phänomenalexistenz.
Schon bei einem Tisch kann nur im übertragenen Sinn auf Existenz geschlossen werden. Über die Wahrnehmung kommen wir nur an Wechselwirkungen heran.
Die Idee, dass hinter diesen Wechselwirkungen eine Existenz "lauert", ist leider nur Weltbild.
Manche Physiker sprechen nicht mehr von Existenz, sondern von sich überlagernden Feldeffekten.
Wie man hier die Phänomenalexistenz ausrufen können möchte, ist mir schleierhaft.
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Ich muss sogar noch meine eigene Qualia in Frage stellen, die meinem "Ich", den Zugang der Welt erst ermöglicht.
Du musst deine Überzeugung nicht infrage stellen, diese läuft tatsächlich ab.
Die Frage ist nur, durch was kommt sie zustande.
Du tust hier so, als wäre klar, dass "Qualia" die Überzeugung "von Qualia" auslöst. Woher willst du das wissen?
Zitat von JorkisJorkis schrieb:Wie gesagt, das ist eine philosophische Diskussion
Du sagst das jetzt schon so oft, dass es mir komisch vorkommt.
Auf welche Konsequenz möchtest du hinaus?
Ist es ein Freifahrtschein für "Ich kann es denken, also ist es real"?


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

21.04.2025 um 20:31
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es sich bei "Schmerz" (oder "Schmerzerleben") um ein reales Phänomen handelt
"Schmerz" ist leider nur ein abstrakter Begriff.

Was genau meinst du?

Mache es konkret:

Beispiel 1: ein Mensch tritt auf einen Reissnagel, also Fusssohle wälzt sich über spitzem Gegenstand ab.
Was ereignet sich ab diesem Moment, wann genau kommt es wo zu welchem Phänomen (laut deinem Wissen, deiner Erfahrung)?

Beispiel 2: ein Mensch hat enorme Zahnschmerzen, weil in seinem Gehirn ein Blutgefäss in unmittelbare Nähe eines Nervenverlaufes gewachsen ist und nun, bei entsprechendem Blutdruck den Nerv auslöst (d.h. von den Zähnen kommt keine Einwirkung, da ist alles in Ordnung).
Was läuft hier ab, wann genau kommt es wo zu welchem Phänomen (laut deinem Wissen, deiner Erfahrung)?

Beispiel 3: nach der Amputation schmerzt das nicht mehr vorhandene Bein.
Was läuft hier ab, wann genau kommt es wo zu welchem Phänomen (laut deinem Wissen, deiner Erfahrung)?

Beispiel 4: ein Mensch quält sich zerstörerisch und findet es toll.
Was läuft hier ab, wann genau kommt es wo zu welchem Phänomen (laut deinem Wissen, deiner Erfahrung)?
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:ich weiß, wie sich Schmerzen anfühlen
Wie ist denn dieses Anfühlen realisiert und was genau weisst du?
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Oder hältst du Schmerz für eine Art funktionale Modellbildung ohne phänomenale Realität?
Fragen dieser Art ergeben erst Sinn, nachdem du den abstrakten Begriff "Schmerz" in Bezug auf eine konkrete Situation erläutert hast.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

21.04.2025 um 21:15
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Schreib mal auf, was dir dabei am besten gefällt (hab ich ja beim "Churchland"-Video auch gemacht)
Er beschreibt die Probleme der unterschiedlichen Varianten, incl. Materialismus und warum das "Problem des Bewusstseins" tatsächlich eins ist (wobei es im Video nur angedeutet wird, die Literatur dazu ist ausführlicher).
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Hier musst du aufpassen, denn du springst von "materieller Prozess" zu "Funktion".
Zur "Funktion" gehört das, was das Nervensystem durchführt. Da sind wir nicht mehr bei materieller Prozess, sondern bei Reaktion und, weil es ein Nervensystem ist, bei Überzeugung.
Du kannst das Nervensystem eines menschlichen Körpers nicht davon abhalten, eine zum aktiven Körper passende Reaktion aufzubauen.
Da der Körper ständig seine inneren Signale ins Nervensystem einspeist, ist die naheliegendste Überzeugung "zu fühlen", denn es geschieht ja tatsächlich.
Wieder: das Nervensystem erfindet nichts.
Das ist ja alles schön und gut. Es fehlt trotzdem der Sprung hin dazu, dass dieses "Fühlen" tatsächlich auch mit Qualia verbunden ist und nicht nur rein funktional abläuft. Ich verstehe, dass du hier anderer Ansicht bist, aber wie bereits oben gesagt: Diese Argumentation überzeugt mich nicht. Und ich glaube wirklich, dass wir hier schlichtweg an irgendeiner Stelle unterschiedlich "abbiegen" und daher die Position des anderen als unplausibel betrachten.

Sorry für das argumentum ad populum - aber zumindest bin ich dann in guter Gesellschaft, wenn es schon falsch ist. Denn die meisten Philosophen teilen diese Einschätzung. Heißt nicht, dass es richtig ist.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Was ist dann das Sekundäre?
Frag am besten den Panpsychist.
Panpsychismus [...] ist eine metaphysische Theorie der Philosophie, der zufolge alle physischen Objekte neben physikalischen auch geistige Eigenschaften besitzen, die nicht aufeinander zurückgeführt werden können.
(Wikipedia: Panpsychismus)
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Nö, man schaue sich nur die Anästhesie an, dann kann man das hier vergessen.
Hat damit nichts zu tun. Siehe
Der Materialismus ist eine philosophische Position, die behauptet, dass alle Dinge aus Materie bestehen und dass grundsätzlich alle Phänomene aus materiellen Interaktionen resultieren, einschließlich Geist und Bewusstsein.
(Wikipedia: Materialismus).
Wenn im Materialismus das Gehirn nicht funktioniert, gibt es auch kein bewusstes Erleben. Widerspricht der Anästhesie ja nicht.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Man benötigt hierbei Wahrnehmung und Überzeugung aber doch nicht Phänomenalexistenz.
Schon bei einem Tisch kann nur im übertragenen Sinn auf Existenz geschlossen werden. Über die Wahrnehmung kommen wir nur an Wechselwirkungen heran.
Die Idee, dass hinter diesen Wechselwirkungen eine Existenz "lauert", ist leider nur Weltbild.
Manche Physiker sprechen nicht mehr von Existenz, sondern von sich überlagernden Feldeffekten.
Wie man hier die Phänomenalexistenz ausrufen können möchte, ist mir schleierhaft.
In dem Moment, wo ich etwas "fühle", von mir aus den Tisch vor mir anfasse, ordne ich diesem Gefühl eine Existenz zu. Wenn ich mir den Kopf daran stoße, schmerzt es. Mir ist demnach schleierhaft, wie man eben diese Phänomenalexistenz nicht akzeptieren kann, denn ihr kommt epistemisch für mich ein höherer Stellenwert zu, als eine abstrakte Außenwelt (niemand sieht "überlagernde Feldeffekte" an sich). Aber dazu auch siehe oben. Was wir hier diskutieren ist alles "nur" Weltbild.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Du musst deine Überzeugung nicht infrage stellen, diese läuft tatsächlich ab.
Die Frage ist nur, durch was kommt sie zustande.
Du tust hier so, als wäre klar, dass "Qualia" die Überzeugung "von Qualia" auslöst. Woher willst du das wissen?
Eigentlich sage ich nur, dass für mich alles über Qualia läuft, weil jeder "Kontakt" mit der Außenwelt ein "Erleben" beinhaltet.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Du sagst das jetzt schon so oft, dass es mir komisch vorkommt.
Auf welche Konsequenz möchtest du hinaus?
Ist es ein Freifahrtschein für "Ich kann es denken, also ist es real"?
Nein. Eigentlich möchte ich dahingehend sensibilisieren, dass du hier mit einer starken Überzeugung auftrittst. Wir diskutieren aber nicht darüber, ob ein Wasserstoffatom ein oder zwei Elektronen besitzt, sondern eine metaphysische Frage, die eben (auch) auf Annahmen beruht, die man so nicht final klären kann. Eine philosophische Diskussion eben.

Die Frage für mich ist nicht, was real ist (ontologisch), sondern wovon ich gut begründet ausgehen kann, dass es real ist (epistemisch).


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

22.04.2025 um 17:23
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:"Schmerz" ist leider nur ein abstrakter Begriff.

Was genau meinst du?
Ich meine das unangenehme Gefühl, welches mit dem Begriff "Schmerz" in Verbindung gebracht wird. Aber netter Versuch, der nur leider genau das verfehlt, worum es hier geht, dass sich nämlich subjektive Erlebnisgehalte mentaler Zustände (Qualia) wie etwa Schmerz gerade nicht vollständig auf eine objektivierbare Beschreibung herunterbrechen lassen.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Mache es konkret: [...]
Naja, sind ja durchaus interessante Beispiele, also gehen wir das mal in Ruhe durch.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Beispiel 1: ein Mensch tritt auf einen Reissnagel, also Fusssohle wälzt sich über spitzem Gegenstand ab.
Was ereignet sich ab diesem Moment, wann genau kommt es wo zu welchem Phänomen (laut deinem Wissen, deiner Erfahrung)?
In diesem Fall ist recht unstrittig, dass es zunächst einen klaren äußeren Reiz gibt. Gewebe wird verletzt, Schmerzrezeptoren feuern, elektrische Signale laufen über das Rückenmark und ins Gehirn. Im Rückenmark erfolgt eine Reflexreaktion (z. B. Rückzug des Fußes) und im Gehirn leitet der Thalamus die Signale weiter an den somatosensorischen Cortex (Lokalisation des Schmerzes) und die limbischen Areale (emotionale Bewertung). Diese Abläufe kann man beschreiben und mehr oder weniger auch objektiv beobachten (zumindest prinzipiell). Was sich nicht vollständig daraus ableiten lässt, ist hier das subjektive Schmerzerleben, welches mit den hier skizzierten Abläufen einhergeht: Das "Wie es sich anfühlt, auf einen Reißnagel zu treten". Dieses "Anfühlen" ist nicht mit der bloßen Signalleitung gleichzusetzen, sondern das phänomenale Resultat, welches im Erleben bewusst wird. Ich weiß dann also, dass Schmerz verursacht wurde, nicht weil ich eine Reaktion sehe oder mir jemand sagt, dass ich mich schmerzhaft verhalte, sondern allein dadurch, dass ich ihn fühle.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Beispiel 2: ein Mensch hat enorme Zahnschmerzen, weil in seinem Gehirn ein Blutgefäss in unmittelbare Nähe eines Nervenverlaufes gewachsen ist und nun, bei entsprechendem Blutdruck den Nerv auslöst (d.h. von den Zähnen kommt keine Einwirkung, da ist alles in Ordnung).
Was läuft hier ab, wann genau kommt es wo zu welchem Phänomen (laut deinem Wissen, deiner Erfahrung)?
In diesem Fall liegt der Ursprung des Schmerzes im Gehirn, nicht im Zahn. Dennoch wird der Schmerz als Zahnschmerz erlebt. Das zeigt: Schmerz ist nicht einfach die direkte Reaktion auf eine lokale Ursache, sondern ein phänomenales Erlebnis, welches entstehen kann, sobald bestimmte neuronale Bedingungen erfüllt sind, selbst wenn diese Bedingungen nicht passend zur vermeintlichen Reizquelle erscheinen. Daraus folgt: Das Erleben von Schmerz ist nicht dasselbe wie seine Ursache, die Zahnschmerzen entstehen durch neurale Fehlinterpretation. Die Qualia sind real, selbst wenn die Ursache irreführend ist. Die Ursache ist bspw. durch physikalische Prozesse beschrieben, wie das Drücken eines Gefäßes auf einen Nerv. Aber das phänomenale Erleben ("wie sich das anfühlt", also als "Zahnschmerz") ist etwas, das nicht in diesen physikalischen Beschreibungen enthalten ist, d.h. es ist nicht einfach identisch mit der Ursache oder dem funktionalen Ablauf, es ist zwar damit verknüpft, aber geht darüber hinaus.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Beispiel 3: nach der Amputation schmerzt das nicht mehr vorhandene Bein.
Was läuft hier ab, wann genau kommt es wo zu welchem Phänomen (laut deinem Wissen, deiner Erfahrung)?
Ja, gerade Phantomschmerz ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Schmerz nicht mit physischer Schädigung gleichzusetzen ist. Nach Amputation bildet sich bspw. an der Nervenstumpf­stelle oft ein sogenanntes neuromatöses Gewebe ("Neurom"), in dem Nervenfasern fehlgeleitete oder spontan anhaltende elektrische Impulse generieren können. Diese Impulse werden zum Gehirn geleitet und dort als Schmerz wahrgenommen, obwohl kein entsprechender Reiz (z. B. eine Verletzung) vorhanden ist. Das amputierte Bein existiert nicht, aber das Gefühl von Schmerz existiert sehr wohl. Das Schmerzerleben ist real, obwohl das Objekt der Reizung fehlt. Das zeigt: Schmerz ist kein direktes Abbild von Realität, sondern ein Bewusstseinsinhalt, der auf bestimmten Aktivitätsmustern beruht, aber nicht vollständig durch sie erklärbar ist.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Beispiel 4: ein Mensch quält sich zerstörerisch und findet es toll.
Was läuft hier ab, wann genau kommt es wo zu welchem Phänomen (laut deinem Wissen, deiner Erfahrung)?
Hier wird deutlich, dass Schmerz nicht immer negativ bewertet wird, aber das ändert nichts an seiner Erlebensqualität. Der Schmerz wird als Schmerz erlebt, auch wenn er positiv bewertet bzw. in einem bestimmten Bedeutungsrahmen eingebettet wird. Das ist wie bei einer Achterbahnfahrt bzw. dem "Nervenkitzel": Angst wird erlebt, auch wenn sie Spaß macht. Entscheidend ist: Das subjektive Erleben bleibt real, seine Bewertung ist wandelbar. Aus dem Beispiel folgt auch, dass Erleben und Interpretation zwei verschiedene Ebenen sind, während Erleben nicht bloß auf die Interpretation reduzierbar ist.

Alle vier Beispiele unterscheiden sich letztendlich in Ursache, Kontext und Bewertung. Schmerz ist aber nicht gleich Nervenreiz, nicht gleich Verhalten, nicht gleich Modellbildung. Schmerz ist subjektives Erleben, das sich im Bewusstsein manifestiert. Und zwar auch dann, wenn es keine äußere Ursache gibt. Genau dieses Erleben ist das, worum es hier gerade geht. Dass es nicht vollständig lokalisiert, erklärt oder gemessen werden kann, mindert nicht seine Realität, sondern macht es gerade zu einem philosophisch zentralen Problem, dem sog. Qualiaproblem.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:ich weiß, wie sich Schmerzen anfühlen
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Wie ist denn dieses Anfühlen realisiert und was genau weisst du?
Durchaus berechtigte Frage, wobei du hier zwei verschiedene Dinge nebeneinander stellst, die man unbedingt auseinanderhalten sollte:

1. Das "Anfühlen von Schmerz" ist zunächst phänomenales Erleben - etwas, das sich unmittelbar in der Erfahrung zeigt: Ich fühle Schmerz. Das ist keine Theorie, keine Hypothese, keine Modellbildung, es ist schlicht das, was es heißt, Schmerz zu haben.

2. Die Frage "Wie ist dieses Anfühlen realisiert?" ist eine ontologische oder neurophysiologische Anschlussfrage, die nach den Bedingungen oder Ursachen dieses Erlebens fragt. Diese Frage ist offen und genau deshalb spricht man auch vom Qualiaproblem oder dem "hard problem of consciousness".

Und wenn ich bspw. sage, dass ich weiß, wie sich Schmerz anfühlt, dann äußere ich ein introspektives Wissen erster Person: Ich weiß, wie es ist, Schmerz zu empfinden. Dieses Wissen ist nicht davon abhängig, dass ich dir sagen kann, wie dieses Erleben realisiert ist. Ich kann bspw. auch die Farbe Rot erkennen, ohne zu wissen, wie Farbwahrnehmung genau entsteht oder worum es sich bei der Farbe Rot eigentlich handelt. Genauso verhält es sich mit Schmerz.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Oder hältst du Schmerz für eine Art funktionale Modellbildung ohne phänomenale Realität?
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Fragen dieser Art ergeben erst Sinn, nachdem du den abstrakten Begriff "Schmerz" in Bezug auf eine konkrete Situation erläutert hast.
Super, bin auf deine Antwort gespannt.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

23.04.2025 um 09:59
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Aber netter Versuch, der nur leider genau das verfehlt, worum es hier geht, ...
Nicht so schnell.

"Schmerz" ist ein abstrakter Begriff.
"Schmerz" ist kein etwas, das irgendwo herumhängt.
"Schmerz" ist verortet.
"Schmerz" ist poetisch und gemeint ist eigentlich "konkret (dramatisch) belastete Körperregion".

Es ist "der Körper, der sich anfühlt", nicht "der Schmerz".
In Schmerzsituationen wird die Form der Belastung über das Körpergefühl verstanden.
Eine dumpfe Einwirkung wird anders verstanden, als eine stechende Einwirkung. Beide Einwirkungen werden exakt in Bezug auf den Körper verortet.
Es gibt auch unspezifische Verortung, wenn "einfach alles am Körper belastet ist".

Genau diese Konkretisierung (neben anderen Details) hätte ich von dir in deinen Antworten auf meine Beispiele erwartet.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Was sich nicht vollständig daraus ableiten lässt, ist hier das subjektive Schmerzerleben, welches mit den hier skizzierten Abläufen einhergeht: Das "Wie es sich anfühlt, auf einen Reißnagel zu treten". Dieses "Anfühlen" ist nicht mit der bloßen Signalleitung gleichzusetzen, sondern das phänomenale Resultat, welches im Erleben bewusst wird. Ich weiß dann also, dass Schmerz verursacht wurde, nicht weil ich eine Reaktion sehe oder mir jemand sagt, dass ich mich schmerzhaft verhalte, sondern allein dadurch, dass ich ihn fühle.
Der kleine Analyseschritt von oben hat hoffentlich verdeutlicht, dass es um den Körper geht.
Der Körper verfügt über einen gigantischen Umfang an Sensoren, durch die eine Abgrenzung zur Aussenwelt detailliert (an manchen Stellen mehr Details als an anderen) vorliegt bzw. erschlossen werden kann.
Ein heranwachsendes Lebewesen durchläuft (noch im Mutterleib bzw. "Ei") einen Bewegungs-Trainingsablauf der eine Körper-Umwelt-Interaktion darstellt, sodass sowohl die Abgrenzung als auch die Volumenzusammenhänge des Körpers erschlossen werden können (es wird noch mehr erschlossen, aber belassen wir es mal hierbei).

Ein Nervensystem, das nach einer plausiblen Reaktion zu all diesen Umständen strebt, hat keine andere Möglichkeit, als den Körper als ein konkret abgegrenztes aktives Volumen zu verwalten, wobei automatisch eine Perspektive enthalten ist, denn die Zusammenhänge der Sensoren sind alle vom Körper nach aussen gerichtet.
Der Körper ist in diesen Zusammenhängen der Mittelpunkt von allem und über den Körper geht es zur Aussenwelt, für die kein entsprechender Einblick vorliegt.
Dass sich der Körper "subjektiv anfühlt", ist also unmittelbar der Körpersituation geschuldet - die Zusammenhänge sind sozusagen im Verlauf der Nervenimpulse aus der Körperoberfläche enthalten, sobald der Körper interaktiv mit einer Umwelt umgeht.

"Subjektives Anfühlen" ist somit kein sensationell neuer Weltanteil, sondern eine Überzeugung, die exakt zur Situation des Körpers passt.
Es ist sozusagen eine Art "Lösung", für ein Problem, dass sich einem körperlich eigenständigen Akteur stellt.

Kommt es nun zu einer Belastung auf den Körper, dann wird diese von eigens dafür vorhandenen Rezeptoren erkannt. Als Beispiel kann der Körper Gewebeverletzungen über eigene zusätzliche Impulse verwalten.
Der Impuls aus einer Gewebeverletzung steht dabei nicht für sich, sondern ist eingebettet in die Impulse aus dem ganzen Körper (sprich es sind viele Impulse unterwegs), d.h. der "Impuls aus der Verletzung" steht letztlich in konkretem Bezug zum Körpervolumen.
Der Körper verwaltet exakt, wo etwas geschieht.
Lösen die Rezeptoren in einer bestimmten Verteilung (sowohl räumlich als auch zeitlich) aus, dann ergibt sich in Verbindung mit den bereits vorhandenen Körper-Ausdehungs-Zusammenhängen die Gelegenheit, exakt den Ort und die Form der Belastung zu verwalten.

Hier gilt wieder:
Ein Nervensystem, das nach einer plausiblen Reaktion auf all diese Umstände strebt, hat keine andere Möglichkeit, als den Körper als "in einer bestimmten Form an einer bestimmten Stelle belastet" zu verwalten.
Wie zuvor ist auch hier das "subjektive Anfühlen einer belasteten Körperregion" eine Art "Lösung", für ein Problem, dass sich einem derart mit Sensoren und Rezeptoren ausgestatteten Akteur stellt.

Beide sogenannte "Phänomene" (das "subjektive Anfühlen des Körpers" und das "subjektive Anfühlen einer belasteten Körperregion") sind passend zu den Möglichkeiten, die sich aus den Nervensystem-Ausstattungen des Körpers ergeben.

Wichtig:
Der Körper durchläuft ein explizites Trainingsprogramm (im Mutterleib bzw. „Ei“), bei dem die Möglichkeiten der Nervensystem-Ausstattungen integriert werden. Das ist ein Lernprogramm.

D.h. es gibt sowohl Ausstattung, als auch Trainingsprogramm, um zu Fähigkeiten zu kommen.
Die "Phänomene" (wenn man es so bezeichnen möchte - ich bleibe da lieber beim Begriff "Überzeugung") als Lösung für Probleme rund um das Eigenleben des Körpers sind nicht einfach da, sondern sie werden erlangt (Trainingsprogramm) und insbesondere können sie erlangt werden (Ausstattung).

Nimm diese Betrachtungen mal auf und versuche nochmal über die 4 Beispiele zu verdeutlichen, wo, wie, wann die Phänomenalexistenzen ins Spiel kommen.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:In diesem Fall liegt der Ursprung des Schmerzes im Gehirn, nicht im Zahn.
Keine Frage, Beispiel 2 hat es in sich. Es liegt in der Luft, dass das Eis für Phänomenalexistenz hauchdünn ist (aus meiner Sicht gibt es da schon kein Eis mehr).

Die Verortung der belasteten Körperregion wird vom Patienten eindeutig durchgeführt: die Zahnregionen.
Vermutlich hat der Patient den Mund geöffnet und versucht, die Zähne möglichst Kontaktfrei zu halten.

Mit den obigen Betrachtungen ist nun bestimmt klar, was passiert: "mitten" auf einigen Rezeptorbahnen (es wird nicht nur eine einzige gewesen sein) entstehen plötzlich Impulse und das Nervensystem kann in der Reaktion auf diese Situation nur die einstudierte Relevanz der Impulse auf eine bestimmte Körperregion verwenden.
Das Nervensystem hat keine Möglichkeit die Entstehungsposition des Impulses zu bestimmen oder zu kontrollieren.

Wichtig dabei ist:
Die Impulse aus den Rezeptoren führen nur dadurch zu einer plausiblen Anschlussreaktion, weil im Nervensystem einstudiert ist, in welchem Körperzusammenhang sie stehen.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:ein phänomenales Erlebnis, welches entstehen kann, sobald bestimmte neuronale Bedingungen erfüllt sind
Gehen wir hier mal langsam vor.
die "neuronalen Bedingungen" sind (wie oben dargelegt) nicht einfach direkt die Impulse der Rezeptoren, sondern mindestens die Einbindung der Impulse in die Zusammenhänge aus den anderen Körpersignalen.
Die Einbindung wiederum liegt dadurch vor, dass das Nervensystem durch ein Trainingsprogramm des Körpers, auf den Körper "geprägt" wurde.
Für das "phänomenale Erleben" muss das Nervensystem mindestens die Einbindung aktiv durchführen, denn ohne Durchführen liegt die Einbindung nur als Potenzial in der bautechnischen Konstellation des Nervensystems vor. Poetisch: „das Verständnis, was da gerade unterwegs ist, ergibt sich dadurch, dass das Nervensystem entlang seiner aktuellen Situation arbeitet“.

Für die Behauptung einer Phänomenalexistenz (laut deiner Formulierung "entsteht" diese, weshalb man sie vermutlich "Kurzzeit-Phänomenalexistenz" nennen sollte) wird somit die Durchführung der Einbindung benötigt (ich hoffe dir ist klar, wie verteilt im Nervensystem diese Durchführung stattfinden kann).

Aufgabe - Bring die Phänomenalexistenz-Entstehung mal in Bezug zum aktiven Nervensystem auf den Punkt:
wie, wo, wann, was, und nicht zu vergessen: durch was?

Hierbei solltest du beachten, dass jegliches Detailverständnis eines Systems (aus dem eine umfassende Beschreibung möglich wäre) komplizierter ist, als das System selbst.
Wenn du also irgendwo, irgendwie eine Fähigkeit hinterlegst, aus dem Nachvollziehen der Nervensystemvorgänge eine Phänomenalexistenz entstehen zu lassen, dann wird im Grunde das Nervensystem nicht benötigt, denn die von dir behauptete Fähigkeit ist komplexer als das Nervensystem.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Die Qualia sind real, selbst wenn die Ursache irreführend ist
Du behauptest also:
Entstehende Phänomenalexistenzen, die eine verortete Körperbelastung enthalten, die nicht vorliegt und schon gar nicht "dort".

Das ist an mehreren Stellen problematisch, und zwar dramatisch.

Die Behauptung einer "Entstehung von Existenz" ist etwas, das man ("bisher") in der Realität nicht vorfindet.
Im besten Fall verwendest du hier lediglich eine poetische Formulierung und meinst etwas anderes.

Was du als "irreführend" bezeichnest ist nichts weniger als ein eindeutiger Widerspruch in der Realität.
In der Existenz also einer Realitätsverankerung soll ein qualitativ konkreter Umstand vorliegen, der sich als falsch herausstellt.
Die Realität soll sozusagen das Thema verfehlen.

Mir ist klar, dass du dies durch die Flucht "nur in das Erleben existiert" versuchst, zu verharmlosen, aber du kannst nicht entsorgen, dass in der Realität der Entwurf einer "qualitativ-erfundenen Körperregionsbelastung" verankert sein soll, während gleichzeitig in der Existenz exakt dieser Körperregion keine Belastung vorliegt (wichtig: ich verwende hier den Begriff "Existenz", lieber wäre mir "Wechselwirkungen", aber egal).
Du behauptest so etwas wie eine Unabhängigkeit im Sinn von Existenz, die zum Widerspruch führen in der Realität kann.

Im Grunde behauptest du eine Existenz, deren Vorhandensein ein Fehler innerhalb der Existenzkonstellation ist.
Das hätte dramatische Auswirkungen auf den Begriff "Tatsache" und dem Begriff "Realität" erginge es nicht besser.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Aber das phänomenale Erleben ("wie sich das anfühlt", also als "Zahnschmerz") ist etwas, das nicht in diesen physikalischen Beschreibungen enthalten ist, d.h. es ist nicht einfach identisch mit der Ursache oder dem funktionalen Ablauf, es ist zwar damit verknüpft, aber geht darüber hinaus.
Naja, anstatt zu erklären, wechselst du hier zur Nicht-XXXX-Strategie.
Du weisst selbst, dass du damit nichts gesagt hast, insbesondere da ich ja ganz bestimmt nicht behaupte, dass es auf physikalische Beschreibungen ankommt.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Das Schmerzerleben ist real, obwohl das Objekt der Reizung fehlt.
Das Erleben ist verortet und dreht sich um eine Stelle, die im qualitativen Widerspruch zum Erleben steht.
Du möchtest auf Basis von Reizung, Existenz entstehen lassen, die den Hintergrund der Reizung enthält.
In der Realität kann eine Reizung aber viele Hintergründe haben, sodass du letztlich Widerspruch in der Realität verankerst.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Das zeigt: Schmerz ist kein direktes Abbild von Realität, sondern ein Bewusstseinsinhalt, der auf bestimmten Aktivitätsmustern beruht, aber nicht vollständig durch sie erklärbar ist.
Du verwendest hier den Begriff "Aktivitätsmuster", als ob es der abschliessende Sinn des Nervensystems wäre, Muster auszuprägen.

Keine Frage, es kommt im Nervensystem zu einer Verteilung (zumindest, wenn man das Nervensystem unter dem Aspekt einer auffälligen chemischen Situation betrachtet -> bildgebende Verfahren) aber die Entstehung dieser Verteilung und insbesondere die Zusammengehörigkeit der "Aktivitätsinseln" sind in der Neurowissenschaft offene Fragen (-> "Bindungsproblem").
Du müsstest also mindestens das Bindungsproblem lösen, damit du irgendetwas auf "dem Muster" beruhen lassen könntest.
Jetzt willst du ja zusätzlich noch eine Phänomenalexistenz entstehen lassen, d.h. nach dem Überwinden des Bindungsproblems musst du klären, wer, welchen Überblick und welche Anschlussfähigkeiten haben soll.

Mit Phänomenalexistenzen führst du letztlich eine Explosion der Problematiken und eine Explosion der Komplexität ein.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Hier wird deutlich, dass Schmerz nicht immer negativ bewertet wird, aber das ändert nichts an seiner Erlebensqualität. Der Schmerz wird als Schmerz erlebt, auch wenn er positiv bewertet bzw. in einem bestimmten Bedeutungsrahmen eingebettet wird.
Geht es in einer Schmerzsituation dann um zwei Phänomenalexistenzen, zum einen um die "Phänomenalschmerzexistenz" und zum anderen um die "Phänomenalbewertungsexistenz"?
Können Phänomenalexistenzen nebeneinander stehen, gibt es Interaktion oder Interkausalität usw. usf.?

Noch eine interessante Anschlussfrage:
Wer ist das eigentlich, der den Phänomenalexistenzen begegnen und davon berichten können soll?
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Erleben und Interpretation zwei verschiedene Ebenen sind, während Erleben nicht bloß auf die Interpretation reduzierbar ist.
Ist die Interpretation "dieser schmerzende Fuss ist einfach nur geil, ja Baby gibs mir" nicht qualitativ?
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Schmerz ist aber nicht gleich Nervenreiz, nicht gleich Verhalten, nicht gleich Modellbildung.
Erinnerst du dich, dass du mir derartige Gleichsetzungen nicht vorwerfen musst, da ich sie nicht mache?
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Schmerz ist subjektives Erleben, das sich im Bewusstsein manifestiert.
Das ist aber jetzt sehr poetisch, oder?
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Dass es nicht vollständig lokalisiert,
Stopp, der Patent erlebt seinen konkret belasteten Mund.
Was ist das anderes, als eine Lokalisierung?
Der Patient hat sein Erleben ja überhaupt nur darüber zur Verfügung (poetisch), dass es verortet ist.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:1. Das "Anfühlen von Schmerz" ist zunächst phänomenales Erleben - etwas, das sich unmittelbar in der Erfahrung zeigt: Ich fühle Schmerz. Das ist keine Theorie, keine Hypothese, keine Modellbildung, es ist schlicht das, was es heißt, Schmerz zu haben.
Nein, "Anfühlen von Schmerz" ist eine Abstraktion, denn "es fühlt sich dabei immer der Körper in einer konkreten Region konkret belastet".
Ich bin gespannt, ob du es immer noch anders siehst.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:2. Die Frage "Wie ist dieses Anfühlen realisiert?" ist eine ontologische oder neurophysiologische Anschlussfrage, die nach den Bedingungen oder Ursachen dieses Erlebens fragt. Diese Frage ist offen und genau deshalb spricht man auch vom Qualiaproblem oder dem "hard problem of consciousness".
Verstehst du "hard problem of consciousness" als deine Hausaufgabe und welche Fortschritte machst du?
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Ich kann bspw. auch die Farbe Rot erkennen, ohne zu wissen, wie Farbwahrnehmung genau entsteht oder worum es sich bei der Farbe Rot eigentlich handelt.
"Farbe" ist abstrakt und steht für "das Sehen einer farbigen Oberfläche".
Jetzt können wir alles analog zu "Schmerz" durchspielen und am Ende wirst du wieder Probleme mit dem Begriff "Tatsache" bekommen, denn das qualitative Auftreten farbiger Oberflächen ist verortet, aber genau dort ist keine farbige Oberfläche.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

23.04.2025 um 13:21
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:"Schmerz" ist ein abstrakter Begriff.
Wie auch immer du darauf kommst. Wenn man sich die unterschiedlichen Definitionen von "abstrakter Begriff" anschaut, zählt Schmerz eigentlich genau nicht darunter. Klar, bei deiner ganz persönlichen Sicht auf die Welt, mag das dann irgendwie hinhauen. Aber es zeigt erstmal nichts wenn du behauptest Schmerz sei abstrakt, wenn er dann abstrakt ist, wenn man deinen Gedanken folgt.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:"Schmerz" ist verortet.
Nein, Schmerzen können sowohl generalisiert als auch rein psychisch auftreten ohne konkrete Lokalisation. Außerdem sprechen wir da besser von der Lokalisation des Schmerzempfindens. Der Schmerz selbst ist nicht (immer) ident mit dem Schmerzempfinden.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:"Schmerz" ist poetisch und gemeint ist eigentlich "konkret (dramatisch) belastete Körperregion".
Eben nicht, weder ist Schmerz "poetisch" noch lässt er sich derart reduzieren. Weder ist es notwendig eine konkrete Körperregion, noch ist diese zwingend belastet oder gar dramatisch belastet. Deine eigenen Beispiele zeigen genau das, taucht man etwas tiefer in die Schmerzforschung ein wird das noch viel deutlicher.
Es gibt einfach einen elementaren Unterschied zwischen "Schmerz" als Inhalt eines Bewusstseins und "Schmerz" als neurologischem Prozess. Natürlich hängt beides eng miteinander zusammen, aber es ist nicht ident, es lässt sich nicht ineinander übersetzen.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Es ist "der Körper, der sich anfühlt", nicht "der Schmerz".
In Schmerzsituationen wird die Form der Belastung über das Körpergefühl verstanden.
Eine dumpfe Einwirkung wird anders verstanden, als eine stechende Einwirkung. Beide Einwirkungen werden exakt in Bezug auf den Körper verortet.
Das ist einfache eine absolute Verkürzung des Phänomens Schmerz, eine Verkürzung die ja von dir gewollt ist - damit aus dem Phänomen ein rein körperliches Geschehen machen kannst. Aber damit bleibst du eben alles schuldig, was du bringen müsstest, eine Übersetzungsleistung von einem ins andere und wieder zurück.


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Eliminativer Materialismus. Ist Bewusstsein nur eine Illusion?

23.04.2025 um 17:37
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Gehen wir hier mal langsam vor.
die "neuronalen Bedingungen" sind (wie oben dargelegt) nicht einfach direkt die Impulse der Rezeptoren, sondern mindestens die Einbindung der Impulse in die Zusammenhänge aus den anderen Körpersignalen.
Die Einbindung wiederum liegt dadurch vor, dass das Nervensystem durch ein Trainingsprogramm des Körpers, auf den Körper "geprägt" wurde.
Für das "phänomenale Erleben" muss das Nervensystem mindestens die Einbindung aktiv durchführen, denn ohne Durchführen liegt die Einbindung nur als Potenzial in der bautechnischen Konstellation des Nervensystems vor. Poetisch: „das Verständnis, was da gerade unterwegs ist, ergibt sich dadurch, dass das Nervensystem entlang seiner aktuellen Situation arbeitet“.

Für die Behauptung einer Phänomenalexistenz (laut deiner Formulierung "entsteht" diese, weshalb man sie vermutlich "Kurzzeit-Phänomenalexistenz" nennen sollte) wird somit die Durchführung der Einbindung benötigt (ich hoffe dir ist klar, wie verteilt im Nervensystem diese Durchführung stattfinden kann).

Aufgabe - Bring die Phänomenalexistenz-Entstehung mal in Bezug zum aktiven Nervensystem auf den Punkt:
wie, wo, wann, was, und nicht zu vergessen: durch was?

Hierbei solltest du beachten, dass jegliches Detailverständnis eines Systems (aus dem eine umfassende Beschreibung möglich wäre) komplizierter ist, als das System selbst.
Gut, du sagst zunächst, dass es für die Entstehung phänomenalen Erlebens einer aktiven "Einbindung" neuronaler Prozesse bedarf und diese Einbindung wiederum auf ein vorangehendes Trainingsprogramm zurückgeht, durch welches das Nervensystem "auf den Körper geprägt" wurde. Das klingt zwar zunächst wie eine Erklärung, ist aber bei näherem Hinsehen eher eine metaphorische Beschreibung, reine Poesie, wenn du so willst. Du sagst nicht, wie das phänomenale Erleben entsteht, sondern unter welchen funktionalen Bedingungen es deiner Ansicht nach auftreten darf. Dass du die Begriffe "Phänomenalexistenz" oder "Kurzzeit-Phänomenalexistenz" in Anführungszeichen setzt und ihre Gültigkeit an die aktive Durchführung eines Einbindungsvorgangs knüpfst, zeigt, dass du ein beobachtbares Verhalten (oder funktionale Zustände) mit dem Erleben selbst verwechselst. Damit verschiebst du das Problem, statt es zu lösen. Denn warum führt eine solche Einbindung zu einem Erlebnis? Warum bleibt sie nicht einfach ein funktionales Muster, so wie auch in einem Roboter bestimmte Signale eingebunden und verarbeitet werden? Warum tut es dann dort nicht weh?
Genau das ist der entscheidende Punkt: Die funktionale Beschreibung erklärt, wie ein System auf Reize reagiert, aber nicht, warum es sich für dieses System "nach etwas anfühlt". Du kannst die "Prägung" des Körpers durch neuronales Lernen noch so ausführlich beschreiben, wirst damit aber keine Erklärung für das Qualitative des Erlebens liefern.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Wenn du also irgendwo, irgendwie eine Fähigkeit hinterlegst, aus dem Nachvollziehen der Nervensystemvorgänge eine Phänomenalexistenz entstehen zu lassen, dann wird im Grunde das Nervensystem nicht benötigt, denn die von dir behauptete Fähigkeit ist komplexer als das Nervensystem.
Dieser rhetorische Einwand ist ein netter Trick, aber kein Argument. Er suggeriert eine mystische "Komplexitätsgrenze", die kein Erklärungsansatz überschreiten darf, ohne sich selbst ad absurdum zu führen. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall: Wenn ich eine phänomenale Komponente anerkenne, dann erweitere ich nicht das System, sondern nehme schlicht ernst, was das System tut. Ich erkläre nicht das Nervensystem durch etwas Komplexeres, sondern konstatiere, dass bestimmte Konstellationen im Nervensystem offenbar mit einem Erleben einhergehen, welches nicht durch seine Funktionalität erschöpft ist.

Du beschreibst zwar Voraussetzungen, bietest aber keine Begründung. Du nutzt funktionale Metaphern, verweigerst aber die Frage, warum eine bestimmte funktionale Dynamik phänomenales Erleben hervorrufen soll. Das ist für eine ontologische Eröterung letztlich unzureichend.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Die Qualia sind real, selbst wenn die Ursache irreführend ist
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Du behauptest also:
Entstehende Phänomenalexistenzen, die eine verortete Körperbelastung enthalten, die nicht vorliegt und schon gar nicht "dort".

Das ist an mehreren Stellen problematisch, und zwar dramatisch.

Die Behauptung einer "Entstehung von Existenz" ist etwas, das man ("bisher") in der Realität nicht vorfindet.
Im besten Fall verwendest du hier lediglich eine poetische Formulierung und meinst etwas anderes.

Was du als "irreführend" bezeichnest ist nichts weniger als ein eindeutiger Widerspruch in der Realität.
In der Existenz also einer Realitätsverankerung soll ein qualitativ konkreter Umstand vorliegen, der sich als falsch herausstellt.
Die Realität soll sozusagen das Thema verfehlen.

Mir ist klar, dass du dies durch die Flucht "nur in das Erleben existiert" versuchst, zu verharmlosen, aber du kannst nicht entsorgen, dass in der Realität der Entwurf einer "qualitativ-erfundenen Körperregionsbelastung" verankert sein soll, während gleichzeitig in der Existenz exakt dieser Körperregion keine Belastung vorliegt (wichtig: ich verwende hier den Begriff "Existenz", lieber wäre mir "Wechselwirkungen", aber egal).
Du behauptest so etwas wie eine Unabhängigkeit im Sinn von Existenz, die zum Widerspruch führen in der Realität kann.

Im Grunde behauptest du eine Existenz, deren Vorhandensein ein Fehler innerhalb der Existenzkonstellation ist.
Das hätte dramatische Auswirkungen auf den Begriff "Tatsache" und dem Begriff "Realität" erginge es nicht besser.
Okay, so schwierig ist das doch nicht. Was ich behaupte, ist: Schmerz (Qualia) ist real. Und auch das noch zur Erinnerung: Mit Schmerz meine ich das äußerst unangenehme Gefühl, welches von fühlenden Wesen (Menschen) mit dem Begriff "Schmerz" verbunden wird. Und bevor du wieder meinst, "Schmerz" sei ein abstrakter Begriff: 'Schmerz' mag - als Wort - ein abstrakter Begriff sein, aber das, worauf er sich bezieht, ist es nicht. Die Empfindung ist primär, der Begriff sekundär. Auch Tiere empfinden Schmerz – ganz ohne Worte, ganz ohne abstrahierende Begriffsbildung. Das Erleben kommt zuerst.

Du wirfst mir nun aber vor allem auch vor (Behauptung), ich würde eine "Entstehung von Existenz" behaupten. Dabei beschreibe ich nichts anderes als eine phänomenale Gegebenheit: Dass Menschen Schmerz erlebt werden - sogar dann, wenn die vermeintliche Quelle dieses Schmerzes gar nicht aktiv ist (dein Beispiel mit dem Zahnschmerz).

Du versuchst nun in einem zweiten Schritt, diesen Umstand irgendwie als einen "Widerspruch in der Realität" zu brandmarken, aber das ist ein Kategorienfehler: "Realität" setzt du mit einer physikalisch korrekten Lokalisation von Reizursachen gleich. Und wenn das Erleben nicht mit dieser physikalischen Ursache übereinstimmt, dann erklärst du das Erleben selbst für "problematisch" oder gar "nicht real". Und hier liegt dein Denkfehler: Das Erleben selbst (Zahnschmerzen) ist real, auch wenn es sich in der Ursache irrt. Wenn jemand Zahnschmerzen empfindet, fühlt er sie tatsächlich (und täuscht sich nicht etwa darüber), auch wenn die Ursache im Hirnstamm liegt. Das ist kein Widerspruch in der Realität, sondern eine Täuschung innerhalb eines realen Systems, ganz analog zu einer optischen Illusion: Ich kann zwei Linien als schräg zueinander sehen, obwohl sie parallel sind. Das Sehen täuscht mich zwar über die Realität, aber das "getäuscht werden" selbst ist ebenfalls real.

Dein funktionalistisch verkürzter Realitätsbegriff ist damit grundsätzlich zu eng. Wenn wir all das aus der Realität ausschließen wollten, was in sich widersprüchlich, irreführend oder kontextabhängig ist, müssten wir auch Erinnerungen, Halluzinationen, Träume und Vorstellungen aus der Realität entfernen, also wesentliche Teile des mentalen Lebens.

Was du als "poetische Behauptung" abtust, ist also in Wirklichkeit die präziseste Beschreibung der erlebten Wirklichkeit, die wir haben. Deine Angst vor dem vermeintlichen "Widerspruch in der Realität" verrät eher, dass dein Realitätsbegriff mit dem Phänomenalen nicht umgehen kann und es deshalb lieber in den Nebel der metaphorischen "Verwaltung" verbannt.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Aber das phänomenale Erleben ("wie sich das anfühlt", also als "Zahnschmerz") ist etwas, das nicht in diesen physikalischen Beschreibungen enthalten ist, d.h. es ist nicht einfach identisch mit der Ursache oder dem funktionalen Ablauf, es ist zwar damit verknüpft, aber geht darüber hinaus.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Naja, anstatt zu erklären, wechselst du hier zur Nicht-XXXX-Strategie.
Du weisst selbst, dass du damit nichts gesagt hast, insbesondere da ich ja ganz bestimmt nicht behaupte, dass es auf physikalische Beschreibungen ankommt.
Amüsant, dass du mir "nichts sagen" vorwirfst, während ich doch aber lediglich auf den Punkt hinweise, der in deinen funktionalen Beschreibungen fehlt: das Wie-es-sich-anfühlt. Zu sagen, dass Erleben "verknüpft" ist mit neuronalen Abläufen, aber nicht darauf reduziert werden kann, ist keine Flucht, sondern der Hinweis auf den berühmten blinden Fleck. Und wenn du diesen Punkt nicht erklären willst oder kannst, ist das ja in Ordnung, aber dann nenn' es halt auch so.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Das zeigt: Schmerz ist kein direktes Abbild von Realität, sondern ein Bewusstseinsinhalt, der auf bestimmten Aktivitätsmustern beruht, aber nicht vollständig durch sie erklärbar ist.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Du verwendest hier den Begriff "Aktivitätsmuster", als ob es der abschliessende Sinn des Nervensystems wäre, Muster auszuprägen.

Keine Frage, es kommt im Nervensystem zu einer Verteilung (zumindest, wenn man das Nervensystem unter dem Aspekt einer auffälligen chemischen Situation betrachtet -> bildgebende Verfahren) aber die Entstehung dieser Verteilung und insbesondere die Zusammengehörigkeit der "Aktivitätsinseln" sind in der Neurowissenschaft offene Fragen (-> "Bindungsproblem").
Du müsstest also mindestens das Bindungsproblem lösen, damit du irgendetwas auf "dem Muster" beruhen lassen könntest.
Jetzt willst du ja zusätzlich noch eine Phänomenalexistenz entstehen lassen, d.h. nach dem Überwinden des Bindungsproblems musst du klären, wer, welchen Überblick und welche Anschlussfähigkeiten haben soll.

Mit Phänomenalexistenzen führst du letztlich eine Explosion der Problematiken und eine Explosion der Komplexität ein.
Ich muss das Bindungsproblem nicht lösen, um das Problem des subjektiven Erlebens zu benennen, es genügt aufzuzeigen, dass dein funktionalistisches Modell daran vollständig vorbeigeht. Du beschreibst die Verwaltung körperlicher Zustände durch das Nervensystem, aber wo in dieser Beschreibung entsteht das, was wir erleben? Dass sich etwas nach "Zahnschmerz" anfühlt, ist kein Funktionseintrag, keine Überzeugung, keine Einbindung, sondern qualitative Gegebenheit. Das ist, als wolltest du erklären, was Rot ist, indem du sagst: "Da ist eine Wellenlänge von 700 nm." Das ist korrekt im physikalischen Sinne, aber es erklärt nicht, wie es sich anfühlt, Rot zu sehen. Dieses qualitative Moment, die phänomenale Farbe, ist nicht in der Wellenlänge enthalten. Genau so wenig ist das Schmerzgefühl in den Rezeptorimpulsen enthalten. Dein "Modell" beschreibt allenfalls Bedingungen und Prozesse, aber das subjektive Empfinden bleibt ein blinder Fleck.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Hier wird deutlich, dass Schmerz nicht immer negativ bewertet wird, aber das ändert nichts an seiner Erlebensqualität. Der Schmerz wird als Schmerz erlebt, auch wenn er positiv bewertet bzw. in einem bestimmten Bedeutungsrahmen eingebettet wird.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Geht es in einer Schmerzsituation dann um zwei Phänomenalexistenzen, zum einen um die "Phänomenalschmerzexistenz" und zum anderen um die "Phänomenalbewertungsexistenz"?
Können Phänomenalexistenzen nebeneinander stehen, gibt es Interaktion oder Interkausalität usw. usf.?

Noch eine interessante Anschlussfrage:
Wer ist das eigentlich, der den Phänomenalexistenzen begegnen und davon berichten können soll?
Ich behaupte nicht, dass es zwei "Phänomenalexistenzen" gäbe, die irgendwie in Interkausalität treten müssen. Ich weise lediglich auf einen simplen Umstand hin, den jeder introspektiv bestätigen kann: Schmerz ist zunächst eine Erfahrung, eine empfundene Qualität. Diese kann im weiteren Verlauf bewertet oder in einen Bedeutungsrahmen eingebettet werden (wie etwa beim sog. "Ritzen" bei manchen Jugendlichen), aber das ändert nichts an ihrem phänomenalen Charakter.

Wer das erlebt? Nun, die Frage nach dem Selbst ist zweifellos tief, aber sie enthebt dich nicht der Notwendigkeit, die phänomenale Ebene ernst zu nehmen. Du versuchst offenbar, auf ein vages "Wer ist eigentlich das Ich?" ausweichen, um zu vermeiden, über den Elefanten im Raum zu sprechen: Dass Schmerz nicht einfach eine physikalisch verwaltete Belastung ist, sondern eine bewusst erlebte Qualität.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Erleben und Interpretation zwei verschiedene Ebenen sind, während Erleben nicht bloß auf die Interpretation reduzierbar ist.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Ist die Interpretation "dieser schmerzende Fuss ist einfach nur geil, ja Baby gibs mir" nicht qualitativ?
Nein. Scharfes Essen (o.ä.) ist und bleibt in seiner Qualität scharf, wie man das bewertet, ob man scharfes Essen mag oder nicht mag, ist 'n anderes Thema.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Schmerz ist aber nicht gleich Nervenreiz, nicht gleich Verhalten, nicht gleich Modellbildung.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Erinnerst du dich, dass du mir derartige Gleichsetzungen nicht vorwerfen musst, da ich sie nicht mache?
Ja, aber was du unter "Schmerz" zu beschreiben versuchst, ist bei näherem Hinsehen gar nicht Schmerz, sondern lediglich die (korrekte) "Verwaltung von Belastungsinformationen" innerhalb eines sensomotorischen Systems. In deiner Darstellung ist Schmerz keine erlebte Qualität, kein subjektiver Zustand, sondern ein Funktionselement der Körperorganisation, ein "Verarbeitungsergebnis" neuronaler Signale. Damit beschreibst du aber nicht Schmerz, sondern die Ursache, die Struktur oder die Reaktionslogik, die mit Schmerz zusammenhängen können, aber den Schmerz selbst nicht ausmachen. Daher: Schmerz ist nicht gleich Nervenreiz. Schmerz ist nicht gleich Verhalten. Schmerz ist auch nicht gleich Bewertung. Schmerz ist - wenn überhaupt - eben das, was sich wie Schmerz anfühlt. Und solange diese fühlbare Dimension in deiner Darstellung nicht auftaucht, sprichst du über etwas anderes, über alles Mögliche, nur eben nicht Schmerz. Wer also Schmerz auf bloße "Verwaltung körperlicher Belastung" reduziert, beschreibt keine subjektive Erfahrung, sondern eine logistische Leistung des Nervensystems. Das Problem der Phänomenalität hast du damit nicht gelöst, sondern bloß kaschiert, um nicht zu sagen ignoriert.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Schmerz ist subjektives Erleben, das sich im Bewusstsein manifestiert.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Das ist aber jetzt sehr poetisch, oder?
Wenn für dich schon die nüchterne Feststellung, dass Schmerz ein subjektives Erleben ist, als 'poetisch' gilt, dann liegt das Problem vielleicht weniger in der Sprache als vielmehr in der Weigerung, sich mit der Realität bewussten Erlebens auseinanderzusetzen. Phänomene wie Schmerz entziehen sich der rein funktionalen Beschreibung nicht deshalb, weil wir uns poetisch vergreifen, sondern weil sie in ihrer Natur nicht vollständig in funktionale oder mechanistische Termini übersetzbar sind.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:1. Das "Anfühlen von Schmerz" ist zunächst phänomenales Erleben - etwas, das sich unmittelbar in der Erfahrung zeigt: Ich fühle Schmerz. Das ist keine Theorie, keine Hypothese, keine Modellbildung, es ist schlicht das, was es heißt, Schmerz zu haben.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Nein, "Anfühlen von Schmerz" ist eine Abstraktion, denn "es fühlt sich dabei immer der Körper in einer konkreten Region konkret belastet".
Ich bin gespannt, ob du es immer noch anders siehst.
Im Gegenteil: Das Anfühlen von Schmerz ist gerade keine Abstraktion, sondern das unmittelbare, subjektive Erleben, das der Abstraktion vorgelagert ist. Noch einmal:

Die Empfindung ist primär, der Begriff sekundär. Auch Tiere empfinden Schmerz – ganz ohne Worte, ganz ohne abstrahierende Begriffsbildung. Das Erleben kommt zuerst.



Und wenn ich bspw. sage: Ich habe Schmerzen, dann ist das keine Theorie, keine Verortung, kein Körpermodell, sondern schlicht die Benennung eines Zustands, der sich mir phänomenal aufdrängt. Erst in einem zweiten Schritt kann ich diesen Schmerz mit einem Ort am Körper, einer vermuteten Ursache oder einer Funktion in Verbindung bringen. Aber diese Zuschreibungen (bspw. es fühlt sich an wie Zahnschmerz oder es sticht im Fuss) sind sekundäre Deutungen. Das primäre Phänomen ist Schmerzerleben.

Wenn du also sagst, es sei immer eine "konkrete Region konkret belastet", dann beschreibst du bereits eine Interpretation, ein kognitives Modell. Genau das ist die eigentliche Abstraktion, nicht das ursprüngliche Erleben selbst.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:Verstehst du "hard problem of consciousness" als deine Hausaufgabe und welche Fortschritte machst du?
Details siehe hier:
Wikipedia: Hard problem of consciousness
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Ich kann bspw. auch die Farbe Rot erkennen, ohne zu wissen, wie Farbwahrnehmung genau entsteht oder worum es sich bei der Farbe Rot eigentlich handelt.
Zitat von ShakaZulu2ShakaZulu2 schrieb:"Farbe" ist abstrakt und steht für "das Sehen einer farbigen Oberfläche".
Jetzt können wir alles analog zu "Schmerz" durchspielen und am Ende wirst du wieder Probleme mit dem Begriff "Tatsache" bekommen, denn das qualitative Auftreten farbiger Oberflächen ist verortet, aber genau dort ist keine farbige Oberfläche.
Spielt keine Rolle, wie du es sprachlich umschreibst. Auch ein Farbsensor "sieht eine farbige Oberfläche", aber er empfindet sie nicht als Rot. Und genau da beginnt das Problem der Qualia.


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