Diese hätte ich nicht besser formulieren können, daher Vollzitat:
speziell als Antwort für
@HeurekaAHOI @DamageControl "Wir brauchen Experten statt Populisten
Von Michael Kröger
Haben Sie Lust, sich mit staatlichem Beschaffungswesen, grenzüberschreitenden Serviceleistungen oder Urheberrechten zu beschäftigen? Mit Feinheiten des Gesundheitsheits- und Pflanzenschutzes oder des Energie- und Rohstoffhandels?
Genau diese Themen sind es, die die Delegierten von EU und den USA zum Auftakt der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen beschäftigen. Schon bald sollen sie die ersten Passagen für einen gemeinsamen Vertragsentwurf liefern.
Die Experten haben eine schwierige Aufgabe. Jedes Wort im Vertrag muss abgewogen sein, denn schon ein Halbsatz kann aus einem Gewinn einen herben Verlust machen. In jedem Verhandlungsabschnitt müssen sich Juristen mit Ökonomen, Technikern oder Pharmaexperten abstimmen.
Ein Ort eignet sich dafür ganz gewiss nicht: Der öffentliche Marktplatz - ganz gleich, ob auf der Straße, in Diskussionsforen oder auf Debattenplattformen. Hier regieren Populisten, deren Ziele oft genug im Dunkeln liegen und selten am Gemeinwohl ausgerichtet sind. Sie locken die Massen mit scheinbar einfachen Wahrheiten. Dem komplizierten Geben und Nehmen bei der Suche nach einem Kompromiss aber werden sie nie gerecht.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Lebensmittelhygiene: Ein Hähnchen, das im Chlorbad entkeimt wird, mag den Europäern den Appetit verderben, doch aus Sicht der Amerikaner schadet es weder dem Geschmack noch der Gesundheit. Umgekehrt wenden die Amerikaner sich mit Ekel ab, wenn es um Rohmilchkäse geht. Sie vermuten eine Gesundheitsgefahr durch Listeriosebakterien, die wiederum die Europäer für unbegründet halten. Wer recht hat, können am besten Experten beurteilen, die sich keine Sorgen darüber machen müssen, ob ihnen durch Zugeständnisse Marktanteile verloren gehen.
Das Gleiche gilt für Zulassungsverfahren für Arzneimittel: Jedes Medikament muss die strenge Prozedur mit geringen Abwandlungen sowohl in Amerika als auch in Europa hinter sich bringen. Eine einheitliche Regelung würde auch Verlierer schaffen, nämlich jene, die durch die bestehenden Hürden im eigenen Land geschützt sind. Sollten sie auf Mitmachplattformen die Möglichkeit bekommen, die Risiken möglichst dramatisch zu beschreiben und damit die Massen gegen eine sinnvolle Regelung aufzubringen?
Das Freihandelsabkommen wird - wenn es denn gelingt - kein Konvolut aus der Feder von ökonomiefixierten Technokraten sein, sondern die kulturellen und weltanschaulichen Eigenheiten der Partner berücksichtigen. Das garantieren die von den Regierungen formulierten Leitlinien, die auch von der Diskussion in der Öffentlichkeit und der Arbeit der einzelnen Lobbygruppen geprägt sind.
Die Prozesse sind eingeübt und legitimiert - warum sollte man jetzt auf sie verzichten? Zumal die Interessenvertreter von Kritikern und Befürwortern gleichermaßen eingebunden sind. Am 16. Juli stehen ihnen die Unterhändler das erste Mal Rede und Antwort.
Dass es sinnvoll ist, die komplizierten Verhandlungen zunächst den Experten zu überlassen, zeigt die Europäische Union selbst. Die Grenzen fielen, weil sich visionäre Politiker einst über Bedenken der überwiegenden Zahl ihrer Landsleute hinweggesetzt und das Projekt vorangetrieben haben. Ihnen verdanken wir den beispiellosen Wohlstand und Jahrzehnte des Friedens in Europa.
Es spricht also alles dafür, die Emissäre von EU und den USA erst einmal machen zu lassen. Und sich nicht schon von Beginn an im Kleinklein zu verkämpfen."