Wahl in Frankreich 2017, Front National und die Abhängigkeit der EU

venerdi schrieb:Ihr wurden Teile oder der gesamte Hack zugänglich gemacht oder sie hatte auf anderem Weg von den in der Fernsehsendung genannten Behauptungen Kenntnis erlangt.

Es gab zwei "Hacks". Bereits am Mittwoch, dem 03.05. wurden bei 4Chan angebliche Hinweise auf ein Konto Macrons auf den Cayman Islands gepostet. So konnte Le Pen vor der TV-Debatte davon wissen.
https://www.freitag.de/autoren/gunnar-jeschke/ein-macron-leak-zuvielhttp://archive.4plebs.org/pol/thread/124134731/#124134731
Falls sich diese Vorwürfe als zutreffend erweisen sollten, könnten sie Macron sehr schaden. Das Gute ist, dass sie sich überprüfen lassen werden.

Erst am Freitagabend, dem 05.05 wurden dann die bekannten 9 GB "Macronleaks" veröffentlicht. Es handelt sich dabei nach meiner bescheidenen Meinung um wertlosen Datenschrott, der erstens nicht von Macron persönlich stammt, zweitens teilweise steinalt ist, aus Zeiten, in denen Macron noch zur Schule ging, drittens zumindest in Teilen ganz offensichtlich manipuliert wurde, und viertens trotz angestrengter Suche der Schwarmintelligenz bislang nichts wirklich Neues oder Belastendes gegen EM und sein Umfeld enthält. Ich vermute, dass dieser Datenberg in seiner ganzen aufgeblähten Fülle erst so spät veröffentlicht wurde, weil er eben nichts Belastendes enthält, aber vor der Wahl keine Zeit für eine gründliche Analyse bleiben sollte. Der blosse Umstand, dass es da ein "Leak" gegeben hat, sowie allerlei Halbwahrheiten und Gerüchte über dessen vermeintliche Inhalte sollten EM schaden. Interessant ist, dass besagter 9 GB "Leak" sehr intensiv von Figuren der amerikanischen Alt-Right gehyped wurde und immer noch wird. Es würde mich gar nicht wundern, wenn er auch aus dieser Ecke käme.

Ungleich spannender (und möglicherweise auf lange Sicht ungleich wirksamer) ist der Hinweis auf das angebliche Offshore-Konto. Der anonyme Tippgeber mit der lettischen IP-Adresse schreibt sehr gutes Englisch, ist aber offenkundig kein Muttersprachler. Nach meiner laienhaften Einschätzung könnten sein Satzbau sowie gewisse idiosynkratische Fehler (z. B. "I had a little problems with") auf einen spanischen Muttersprachler hinweisen. Hat dazu jemand eine Meinung?
http://archive.4plebs.org/pol/thread/124134731/#124134731

VanDusen schrieb:Ich vermute, dass dieser Datenberg in seiner ganzen aufgeblähten Fülle erst so spät veröffentlicht wurde, weil er eben nichts Belastendes enthält, aber vor der Wahl keine Zeit für eine gründliche Analyse bleiben sollte. Der blosse Umstand, dass es da ein "Leak" gegeben hat, sowie allerlei Halbwahrheiten und Gerüchte über dessen vermeintliche Inhalte sollten EM schaden. Interessant ist, dass besagter 9 GB "Leak" sehr intensiv von Figuren der amerikanischen Alt-Right gehyped wurde und immer noch wird. Es würde mich gar nicht wundern, wenn er auch aus dieser Ecke käme.

Ungleich spannender (und möglicherweise auf lange Sicht ungleich wirksamer) ist der Hinweis auf das angebliche Offshore-Konto. Der anonyme Tippgeber mit der lettischen IP-Adresse schreibt sehr gutes Englisch, ist aber offenkundig kein Muttersprachler. Nach meiner laienhaften Einschätzung könnten sein Satzbau sowie gewisse idiosynkratische Fehler (z. B. "I had a little problems with") auf einen spanischen Muttersprachler hinweisen.

Hört sich ja ziemlich spannend (VT-like) an, und genau aus dem Grund wird es wohl auch nicht ernst genommen.

Wenn man sich mal die Frage stellt, wer hat ein Interesse daran, dass die EU rechtspopulistisch überflutet wird und zebricht, bieten sich eine Reihe von Kandidaten an:

Die europäischen Rechtspopulisten selbst
Russland
die islamische Welt, allen voran Türkei
aus wirtschaftspolitischen Gründen die USA.

China glaube ich eher weniger, die suchen noch nach erinem Verbündeten gegen die USA und hätten als Gegengewicht wohl lieber ein starkes Europa.

Realo schrieb:Die europäischen Rechtspopulisten selbst
Russland
die islamische Welt, allen voran Türkei
aus wirtschaftspolitischen Gründen die USA.

1 und 2 mögen korrekt sein, aber ...
Trump hat zwar Sympathien zu Rechtspopulisten, aber der Rest des politischen US-Establishments braucht eher demokratische Kräfte in Europa ... Mit Rechtspopulisten lässt es sich schlecht verhandeln, vor allem wenn diese ihre nationalen Pfründe 'verteidigen' wollen. Freihandel wäre nicht mehr zu machen ...

Wenn die Türkei wirklich in die EU will, dann sind Rechtspopulisten eher hinderlich. Sämtliche EU-Gelder, die momentan in die Türkei fließen, wären dann auch Geschichte ... 
Ein Großteil der islamischen Welt macht gute Geschäfte mit demokratischen EU-Staaten, das wäre wohl auch nicht mehr der Fall mit Rechtspopulisten ...

Realo schrieb:aus wirtschaftspolitischen Gründen die USA.

nope, auch wenn Trump das vielleicht so sehen mag.

VanDusen schrieb:Ich vermute, dass dieser Datenberg in seiner ganzen aufgeblähten Fülle erst so spät veröffentlicht wurde, weil er eben nichts Belastendes enthält, aber vor der Wahl keine Zeit für eine gründliche Analyse bleiben sollte.

Exakt! @venerdi
Das ist mit Abstand das Naheliegendste!

egaht schrieb am 04.05.2017:ich vermute, ab morgen wird jeder franzose und auch jeder europäer
macron ein lügner nennen dürfen,ohne dafür juristisch belangt werden zu können.

@egaht
(ich hatte Dich vor längerer Zeit schonmal gefragt)
Wann (in welche Zeit) verortest Du bitte "ab morgen" ?

Realo schrieb:Wenn man sich mal die Frage stellt, wer hat ein Interesse daran, dass die EU rechtspopulistisch überflutet wird und zebricht, bieten sich eine Reihe von Kandidaten an:

Es ist vorschnell, die Liste der Verdächtigen auf staatliche Akteure zu beschränken, in diesem Fall ist es wahrscheinlich sogar falsch. Natürlich könnte auch das letztlich ein Täuschungsmanöver sein, aber bei der stümperhaften Vorgehensweise der "Hacker" in diesem Fall spricht alles gegen und nichts für einen staatlichen Angriff. Die erforderlichen Tools kann sich heutzutage jeder besorgen, aber Profis hätten mehr aus diesen Daten gemacht. Profis hätten z. B. die Veröffentlichung angekündigt, einige Teaser aus dem Datenmaterial publiziert, den Datensatz in verschlüsselter Form nebst Filehashes zur Authentifizierung lange vorab als Torrent unters Volk gebracht, und dann zum beabsichtigen Zeitpunkt nur noch das Passwort zur Entschlüsselung veröffentlicht.

Es sind gewissermaßen elementare handwerkliche Grundregeln, die hier nicht beachtet wurden. So kann sich z. B. niemand sicher sein, ob diese 9 GB an Daten, die er oder sie sich heruntergeladen hat, wirklich die 9 GB sind, welche die Hacker veröffentlichen wollten, weil keine Filehashes gepostet wurden. Wenn da jetzt z. B. kyrillische Buchstaben in den Metadaten auftauchen, ist es unmöglich zu sagen, ob diese von Anfang an dort waren.

@VanDusen

hier kannst du nachlesen wie putins hacker vorgehen:

https://documents.trendmicro.com/assets/wp/wp-two-years-of-pawn-storm.pdf

@smokingun

So gehen Putins Hacker ganz bestimmt nicht vor:
http://archive.4plebs.org/pol/thread/123933076/
Die PDF-Dokumente enthalten Metadaten, aus denen sich die verwendeten (teuren) Canon-Kopierer, das modifizierte ursprüngliche Dokument sowie die Identität des Nutzers individuell ermitteln lassen. Davon kannst du dich selbst überzeugen, indem du die PDFs herunterlädst und dir in einem beliebigen Grafikprogramm die EXIF-Daten anschaust.
http://dailywesterner.com/news/2017-05-06/canon-for-macron-the-docs-on-emmanuel-macron-offshore-account-look-too-professional/
Hier gibt es genau zwei Möglichkeiten: Entweder die Metadaten sind gefälscht, womit diese ganze Kiste als Fälschung entlarvt wäre, oder sie sind echt – dann ist der hypothetische Whistleblower auf den Cayman Islands Toast. Vor diesem Dilemma stünde man jedoch nicht, wenn man die Metadaten entfernt oder sie auf irgendwelche 08/15-Werte gesetzt hätte.

So blöd ist niemand, der damit sein Geld verdient. Das war irgendein Trottel, der unfreiwillig seinen Informanten ans Messer geliefert hat und dem dennoch kein Glauben geschenkt wurde, weil es sich um eine JPEG-Datei handelte, die in ein bestehendes PDF-Dokument hinein kopiert wurde, ein Konstrukt, das stark nach einer Fälschung aussah. Dieser Trottel hat auch noch den Nerv, seinen Informanten (in dessen Haut ich jetzt nicht stecken möchte) als "not a technical guy" herabzuwürdigen.

So , jetzt könnten die Belgier uns doch mal bitte das Ergebnis verraten . Ungefähr um diese Zeit haben belgische Fernsehsender vor zwei Wochen die Ergebnisse einer Nachwahlbefragung veröffentlicht . Und in die waren ziemlich genau.

Die belgische Prognose ist da :

Über 60 % für Macron. Die Wahl ist definitiv entschieden.

schtabea schrieb:Die Wahl ist definitiv entschieden.

Umso mehr Grund, jetzt mal Europa endlich richtig aufzubauen:

* Stärkung des EU-Parlaments
* stärkere pol. Zusammenarbeit
* Einigung in der Flüchtlingsfrage, Verteilerschlüssel
* EU-weit politischer Unterricht in den Schulen
* Europaarmee statt Nato
* Umbau der sozialen Sicherungssysteme zu höherer sozialer Gerechtigkeit

bleibt zu hoffen, dass macron's Bewegung auch in den Parlamentswahlen nicht zu kurz kommt, damit er aus einer starken innenpolitischen position heraus reformen ergreifen kann (innerhalb wie europäisch).

schtabea schrieb:Über 60 % für Macron. Die Wahl ist definitiv entschieden.

Ein Sieg des Populisten no. 1. Na, unsere Nachbarn werden sich noch wundern.

Witzig übrigens, wie die Presse mal wieder auf offensichtliche Fake News hereingefallen ist (pöse russische Hacker). Selbst der kreuzbrave HR hat diesen Unsinn nicht geglaubt.

@ElvisP

Welchen unsinn, welcher fake?
Und wo ist macron populist?

@Realo

Die EU muss sich entscheiden : Entweder Vereinigte Staaten von Europa. Oder Rückkehr zu souveränen Staalten mit eigenen Währungen.

@schtabea

Die EU wird sich für nichts von beiden entscheiden sondern sehr sehr lange sehr sehr umfangreiche verträge aushandeln.
Das ist grundsätzlich auch gut so, denn beides wird nicht lückenlos sinnvoll sein.

Ja, es wird ein langer Weg, aber am Ende des Prozesses sollten die USE stehen. Wird wohl noch ein Jahrhundert dauern.

@Realo
Das denke ich nicht. Das funktioniert so in Europa nicht. Wir brauchen mehr zentrale organe, aber eine VSE ist punkt a nicht wirklich zu machen mit osteuropa und punkt b auch gar nicht so wünschenswert.

Wir können mit mehr dezentralisierung stärker sein.

Nachdem das Thema Le Pen nun vorerst abgehakt ist, sollte man in die Zukunft schauen: Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwelche Hacker die Bundestagswahl 2017 zu beeinflussen versuchen werden, würde ich höher als > 50% einschätzen. Die Frage ist nur, wen es treffen wird: FDPleaks oder Schulzleaks? 😈

Der Macron ist ein neoliberaler Heini wie Gerhard Schröder

Um das inhaltliche Programm und die politische Strategie des 39-Jährigen zu verstehen, ist es sinnvoll seine politische Herkunft zu beleuchten. Macron zählte Ende der 1990er Jahre zur Redaktion der Zeitschrift „Esprit“. Die Intellektuellen, die sich dort sammelten, wurden stark von den Schriften des britischen Soziologen Anthony Giddens beinflusst. Sie wollten seine Ideen auf die französische Sozialdemokratie übertragen. Anthony Giddens gilt als intellektueller Vater des „Dritten Wegs“ unter Gerhard Schröder und Tony Blair.

Weniger Rechte für ArbeiterInnen
Wer einen Blick in das etwa 300 Seiten lange Wahlprogramm wirft, sieht dann auch, dass die beiden größten und prominentesten Punkte die Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik umfassen. Dabei sind Parallelen zu Gerhard Schröders Politik offensichtlich.

So plant Emmanuel Macron eine Reform der Arbeitslosenversicherung, welche in erster Linie eine stärkere „Aktivierung von Arbeitssuchenden“ bewirken soll. LeistungsbezieherInnen sollen von den Arbeitsämtern stärker kontrolliert und überwacht, „Aktivierungs- und Sanktionselemente“ in der Arbeitslosenversicherung verstärkt und ausgebaut werden. Zwei abgelehnte Arbeitsangebote oder „mangelnde Intensität der Jobsuche“ sollen fortan ausreichen, damit Arbeitsämter die Arbeitslosenunterstützung vollständig streichen können.

Zudem möchte Macron den Arbeitsmarkt weiter deregulieren und die Rechte von ArbeiterInnen weiter schleifen. Die umstrittene Arbeitsrechtsreform aus dem Sommer 2016, gegen die es monatelange Massenproteste gab, will er noch vertiefen

http://mosaik-blog.at/macron-neoliberal-frankreich-sozialdemokratie/