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Sind Nationalismus und Patriotismus noch zeitgemäß?

1.234 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Europa, Nationalismus, Patriotismus ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Sind Nationalismus und Patriotismus noch zeitgemäß?

14.12.2017 um 20:01
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Die Frage ist, ob dies tatsächlich ein Fakt ist oder v. a. in dieser Pauschalität doch eher Wunschdenken. Möglicherweise bist du ja "sehr lern- und anpassungsfähig" oder hälst dich dafür, ich dagegen würde mir dies nicht unbedingt so zuschreiben. Fakt ist also, wir sind beides Menschen, aber was stimmt nun?
Zunächst meine ich den Menschen als solches (steht auch deutlich so da), also nicht dich oder mich als Individuum. Das nämlich, und da werde ich dir sicher nicht widersprechen, ist recht träge in seiner persönlichen Entwicklung.
Der Mensch als solches, der sich ja bekanntlich aus gutem Grund "sapiens" nennt, ist hingegen tatsächlich ein Meister der Anpassung, und hat es geschafft jeden auch noch so widrigen Lebensraum auf diesem Planeten für sich zu erschließen, um seine eigene Entwicklung voran zu treiben. Kein einziges uns bekanntes Lebewesen hat es innerhalb von so weniger Generationen je geschafft.

Es ist also ein evolutionäres Faktum, was ich da meinte. Relativ betrachtet, sicher.
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Und selbst wenn, gibt es da eben auch Grenzen.
Auch die halten sich in Grenzen. Kleiner Scherz, aber recht kreativ (sehr wichtig für den Menschen als solches :D ), wie du vllt zugeben wirst. ;)

Grenzen der evolutionären Entwicklung, die sich aber auch über die Generationen verwischen. Es gab schon alle möglichen Gemeinschaftsformen, die sich über eine gewisse Zeit bewährten, und auch immer wieder ablösten, weil ein bestimmter Entwicklungsstand eine andere Lebensweise bedingte. Auch die Wiederkehr zu ursprünglichen Gesellschaften findet sich innerhalb der heutigen Entwicklung, und auch das wird sozusagen am Rande der "normalen" Gesellschaften gerne gelebt. Im Grunde gab es kein Modell, das es noch nicht gab.
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Das heißt, es benötigt durchaus so etwas wie ein kulturelles Konzept, auf dem so ein Staat fußt. Dazu gehört ganz offensichtlich eine wie auch immer geartete gemeinsame Erzählung, eine Historie, die die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen umschließt, gewissermaßen eine gemeinsame Identität, sonst wird es nichts mit einer Solidargemeinschaft, die doch weit über das Umfeld des Einzelnen, die Region etc. hinausgeht. Dies kann unterschiedliche Bezeichnungen haben, eine davon wäre Nationalismus. Die Nation ist sozusagen die Seele eines Staates, die den Geist (die Bevölkerung) und den Körper (die Institutionen) zusammenhält.
Darauf werden übergeordnete, abstrakte Gebilde wie die Nation letztlich reduziert, weil es offenbar Mode wurde, und von der Weltgemeinschaft als momentan etabliertes Modell akzeptiert wird. Wenn man sich die Anfänge der Staaten anschaut, fußen die ersten Gemeinschaften eigentlich nur auf auf banalsten ökonomischen Notwendigkeiten, die irgendwie im Laufe der Zeit von den Beteiligten organisiert und durchökonomisiert wurden. Das ganze Brimborium drumherum ist eigentlich nur romantisches Beiwerk, das im Laufe der Zeit rein gedichtet wurde, um bestimmte politische Ziele zu propagieren, und dafür Menschen emotional zu manipulieren.
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Nur weil der Begriff der Nation in der Vergangenheit für alles mögliche missbraucht wurde, muss das nicht zwangsläufig etwas ganz Schreckliches bedeuten. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Dinge immer einem Prozess des Wandels unterworfen sind und sich auch im Laufe der Zeit verändern können.
Dem stimme ich zu.

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14.12.2017 um 21:43
Zitat von PhilippPhilipp schrieb:Zunächst meine ich den Menschen als solches (steht auch deutlich so da), also nicht dich oder mich als Individuum. Das nämlich, und da werde ich dir sicher nicht widersprechen, ist recht träge in seiner persönlichen Entwicklung.
Der Mensch als solches, der sich ja bekanntlich aus gutem Grund "sapiens" nennt, ist hingegen tatsächlich ein Meister der Anpassung, und hat es geschafft jeden auch noch so widrigen Lebensraum auf diesem Planeten für sich zu erschließen, um seine eigene Entwicklung voran zu treiben. Kein einziges uns bekanntes Lebewesen hat es innerhalb von so weniger Generationen je geschafft.
Ob ich etwas mit "dem Menschen als solches" anzufangen weiß, kann ich nicht sagen, v. a. da es sich hier ja auch nicht um langfristige, evolutionäre Prozesse handelt, denn Staaten können ja mitunter kurzlebig sein. Jemand, der z. B. 1900 in Deutschland geboren wurde und 1995 gestorben ist, kann sein Leben durchaus in drei bis vier verschiedenen Staaten bzw. Staatssystemen verbracht haben ohne je seinen Geburtsort verlassen zu haben; es hat also durchaus etwas mit einzelnen Individuen und deren Anpassungsfähigkeit zu tun und nicht mit der der Art Homo sapiens an sich. Dass die Bundesrepublik schon eine ganze Weile besteht, ist schließlich auch nicht in Stein gemeißelt, offensichtlich hat sie bis heute den Bedürfnissen ihrer Bürger im Großen und Ganzen entsprochen und war fähig, richtig auf die Anforderungen der jeweiligen Zeit zu reagieren. Ob das so bleibt, sei dahingestellt.
Zitat von PhilippPhilipp schrieb:Darauf werden übergeordnete, abstrakte Gebilde wie die Nation letztlich reduziert, weil es offenbar Mode wurde, und von der Weltgemeinschaft als momentan etabliertes Modell akzeptiert wird. Wenn man sich die Anfänge der Staaten anschaut, fußen die ersten Gemeinschaften eigentlich nur auf auf banalsten ökonomischen Notwendigkeiten, die irgendwie im Laufe der Zeit von den Beteiligten organisiert und durchökonomisiert wurden. Das ganze Brimborium drumherum ist eigentlich nur romantisches Beiwerk, das im Laufe der Zeit rein gedichtet wurde, um bestimmte politische Ziele zu propagieren, und dafür Menschen emotional zu manipulieren.
Nach den traditionellen Stammesgemeinschaften entstanden Staaten auf der Basis des Herrschaftsbereichs von Machthabern und entsprechenden aristokratischen Familienbanden. Dies waren die "Reiche", die sich durchaus über mehrere ethnokulturelle Strukturen erstreckten konnten. Der Nationalstaat trat als Modell einer egalitären, bürgerlichen Gesellschaft infolge der Aufklärung in Erscheinung. Von daher ist der Nationalstaatsgedanke als Konsequenz aus dem Untergang der Aristokratien anzusehen, das vermeintliche "romantische Beiwerk" ist schon ein wenig mehr als das, nämlich eine Identität, auf der von nun an freie Bürger ihr staatliches Selbstverständnis etablieren müssen. Das war halt noch einfacher als es lediglich einen Souverän gab, der allein bestimmte, was läuft und dessen Willen alle "Untertanen" gehorsam folgen mussten; in freien demokratischen Gesellschaften gibt es dagegen häufig sogar mehrere Millionen Souveräne und da braucht es eben schon etwas Verbindendes, sonst wird das schwierig.

Das hat m. E. auch nichts mit "Mode" zu tun und ist auch nicht abstrakt, sondern sehr real, da es ja um die Organisation des Zusammenlebens sehr vieler Individuen auf einem Territorium geht und dieses Zusammenleben braucht ganz offensichtlich eine Art Motto, damit es funktioniert. Ethnokulturelle Erzählungen haben sich da doch insgesamt als recht wirksam erwiesen, andere Modelle hingegen, wie z. B. ein "Staat der Werktätigen" o. ä. eher weniger.

Dass all diese Erzählungen manipulierbar sind, zugunsten von Spezialinteressen, will ich nicht bestreiten, offensichtlich benötigt man sie aber dennoch und wenn die Menschen schon so gescheit sind, wie du oben schreibst, dürften sie doch ohne weiteres in der Lage sein, etwaige Manipulationsversuche aufzudecken. Dass es da immer unterschiedliche Ansichten gibt, gehört dazu, der politische Streit ist absolut notwendig und solange keine Meinungen aus welchen Gründen auch immer unterdrückt werden, haben Manipulationen effektiv auch eher kurze Beine. Von daher würde ich das entspannt sehen.


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15.12.2017 um 07:57
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Ob ich etwas mit "dem Menschen als solches" anzufangen weiß, kann ich nicht sagen, v. a. da es sich hier ja auch nicht um langfristige, evolutionäre Prozesse handelt, denn Staaten können ja mitunter kurzlebig sein. Jemand, der z. B. 1900 in Deutschland geboren wurde und 1995 gestorben ist, kann sein Leben durchaus in drei bis vier verschiedenen Staaten bzw. Staatssystemen verbracht haben ohne je seinen Geburtsort verlassen zu haben; es hat also durchaus etwas mit einzelnen Individuen und deren Anpassungsfähigkeit zu tun und nicht mit der der Art Homo sapiens an sich. Dass die Bundesrepublik schon eine ganze Weile besteht, ist schließlich auch nicht in Stein gemeißelt, offensichtlich hat sie bis heute den Bedürfnissen ihrer Bürger im Großen und Ganzen entsprochen und war fähig, richtig auf die Anforderungen der jeweiligen Zeit zu reagieren. Ob das so bleibt, sei dahingestellt.
Du weißt deshalb damit nichts anzufangen, weil du von einer biologischen Evolution ausgehst.
Hier -und da ist der Kontext recht unmissverständlich- geht es um eine soziokulturelle Evolution.
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Nach den traditionellen Stammesgemeinschaften entstanden Staaten auf der Basis des Herrschaftsbereichs von Machthabern und entsprechenden aristokratischen Familienbanden. Dies waren die "Reiche", die sich durchaus über mehrere ethnokulturelle Strukturen erstreckten konnten. Der Nationalstaat trat als Modell einer egalitären, bürgerlichen Gesellschaft infolge der Aufklärung in Erscheinung. Von daher ist der Nationalstaatsgedanke als Konsequenz aus dem Untergang der Aristokratien anzusehen,
Gut, das kann man erstmal so stehen lassen, jedoch immer unter der Berücksichtigung der ökonomischen Notwendigkeiten für jedes Individuum selbst. Diese Notwendigkeiten ergeben sich aus Geographie, Klima, Gruppendynamik und dem soziokulturellen Entwicklungsstand. Folglich ist diese Schlussfolgerung.. :
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:das vermeintliche "romantische Beiwerk" ist schon ein wenig mehr als das, nämlich eine Identität, auf der von nun an freie Bürger ihr staatliches Selbstverständnis etablieren müssen. Das war halt noch einfacher als es lediglich einen Souverän gab, der allein bestimmte, was läuft und dessen Willen alle "Untertanen" gehorsam folgen mussten; in freien demokratischen Gesellschaften gibt es dagegen häufig sogar mehrere Millionen Souveräne und da braucht es eben schon etwas Verbindendes, sonst wird das schwierig.
..meines Erachtens falsch, und zwar dahingehend, dass nicht die Identität ein bestimmtes staatliches Selbstverständnis bedingt, das erst etabliert werden muss, sondern umgekehrt. Die Gruppendynamik innerhalb eines bestimmten Systems zwingt das Individuum in ein bestimmtes Korsett, an das es sich aus ökonomischen Gründen anpassen muss, und das erst schafft im Laufe der eigenen Konditionierung über die ganze Lebensspanne die persönliche Identität. Die kann natürlich als Mem von Generation zu Generation weiter vererbt werden, aber sie ist immer auch ein Produkt der Umstände, und immer der soziokulturellen Evolution unterstellt.

Das verbindende Element hier ist immer die ökonomische Notwendigkeit für ein jedes einzelne Individuum, der Rest ist quasi das Ergebnis aus der ganzen Dynamik innerhalb der jeweiligen Gruppen.

Kurz, die nationale Identität ist viel weniger wichtig, als es einem auf den ersten Blick erscheinen mag. Insbesondere dann, wenn man noch jung und anpassungsfähig ist. Im fortgeschrittenen Alter oder bei Frühvergreisung mag das unter Umständen auch noch mal etwas anders ausfallen.
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Das hat m. E. auch nichts mit "Mode" zu tun und ist auch nicht abstrakt, sondern sehr real, da es ja um die Organisation des Zusammenlebens sehr vieler Individuen auf einem Territorium geht und dieses Zusammenleben braucht ganz offensichtlich eine Art Motto, damit es funktioniert. Ethnokulturelle Erzählungen haben sich da doch insgesamt als recht wirksam erwiesen, andere Modelle hingegen, wie z. B. ein "Staat der Werktätigen" o. ä. eher weniger.
Sicher, es wirkt wirklich. Aber wie? Meines Erachtens ist da eben auch viel Schein und Illusion dabei (neben den tatsächlich wichtigen Verwaltungsaufgaben der politischen Einheit), um dem Bürger irgendein übergeordnetes sinnvolles Ziel zu suggerieren, das ihn besser bei Laune hält, und die alten Strukturen weiter mittragen lässt. Schließlich ergeben sich aus den althergebrachten Strukturen auch viele ökonomische Notwendigkeiten für jede Menge Bürger, und die drängen darauf, dass diese alten Strukturen beibehalten werden.
Viele andere zweifeln aber immer wieder daran. Insbesondere dann, wenn sie sich -auch wieder- ökonomisch benachteiligt sehen, weil ihnen die alten Strukturen eher ein persönliches Entwicklungshindernis sind. Dann verliert häufig der Staat/das Volk seinen Sinn, und man wird vllt ein Reichsbürger, oder ein Gotteskrieger, oder sonst was völlig unorthodoxes, um mal einige Extrembeispiele zu bemühen.

Daran kann man gut erkennen, dass es eben nicht die ureigene geschichtliche Identität war, die den Menschen zu einem mehr oder weniger guten Staatsbürger machte, sondern eben die äußeren Umstände, die wie der Mensch selbst immer und überall nach allen möglichen Seiten variieren können. Für den Staat völlig ohne Ziel, ohne Sinn und ohne irgendeine erkennbare übergeordnete Vernunft.
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Dass all diese Erzählungen manipulierbar sind, zugunsten von Spezialinteressen, will ich nicht bestreiten, offensichtlich benötigt man sie aber dennoch und wenn die Menschen schon so gescheit sind, wie du oben schreibst, dürften sie doch ohne weiteres in der Lage sein, etwaige Manipulationsversuche aufzudecken. Dass es da immer unterschiedliche Ansichten gibt, gehört dazu, der politische Streit ist absolut notwendig und solange keine Meinungen aus welchen Gründen auch immer unterdrückt werden, haben Manipulationen effektiv auch eher kurze Beine. Von daher würde ich das entspannt sehen.
Ich sehe das auch ganz entspannt. Beobachte und mache mir meine Gedanken. ^^


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15.12.2017 um 11:23
Patriotismus ist die Droge für die Doofen, die sich für Gott und Kaiser, Führer, Volk und Vaterland oder zumindest zur "Sicherung deutscher Handelswege", wie ex Ex-Präsi Köhler formulierte, den Arsch wegschiessen lassen. Kostet nichts. Höchstens Leben, wie die Geschichte lehrt.

"Deutschland" ist mir viel zu diffus, um gut oder böse zu sein. Was macht Deutschland aus? Geschichte? Kultur? Sprache? Ein bunter Lappen? Wer ist "deutsch"? Wie hat man dann zu sein?
Was verbindet mich mit einem bayrischen Bergbauern oder einem schwäbischen Konzernchef? Was haben die Krupps und die Krauses gemein? In welcher Welt leben Herr Albrecht und seine Putzfrau wirklich? Bin ich nicht mehr "deutsch", wenn ich Ire werde, Däne oder Chinese? Ist Herr Kryszmanski, dessen Vorfahren vor hundert Jahren aus Polen kamen, deutscher als Herr Öztürk, dessen Eltern vor fünfzig Jahren kamen? Sind sie polnisch? Sind sie türkisch? Sind sie "Deutschland"? Was verbindet sie? Was trennt sie? Was habe ich mit ihnen gemein?

So viele Fragen - da braucht es kein Vaterland, um den Kopf zu verlieren.

Wenn mein dänischer Nachbar seinen Danebrog hisst, dann mag er das tun. Meine erste Frau hatte eine palästinensische Fahne an der Wand. Ja, und ich gebe zu, ich habe oft genug rote Fahnen getragen. Wenn man's braucht...

Inzwischen sind mir Stofffahnen so egal wie Spritfahnen. So lange ich nicht mitsaufen bzw. -flaggen muss.

Das Phänomen, das ich, rein geschichtlich betrachtet, sehe, ist die Tatsache, dass früher das Kapital nationalistisch gesonnen war, das Proletariat hingegen internationalistisch. Heute ist es umgekehrt. Das Kapital ist international aktiv, und der Ex-Proletarier wählt AfD/NPD. Daimler, VW und Postbank werben schon lange auf türkisch und der Malocher ist stolz, ein Deutscher zu sein.

Hinzu kommt ein deutliches Sozialgefälle. Wer ganz unten auf der sozialen Hühnerleiter hockt, dort, wo sie am beschissensten ist, der möchte sich natürlich gern aus seinem eigenen Elend erheben, in dem er jemanden sucht, der noch ärmer dran ist als er selbst, auf den er herab sehen kann, auf den er buchstäblich mit dem Springerstiefeln drauftreten kann, um sich selbst zu erhöhen und sich so wenigstens ein ganz klein wenig als Herrenmensch zu fühlen.

Währenddessen hegt der Besserverdienende seine internationalen Geschäfts- und Sozialkontakte, schickt die Kinder zu Camps internationaler Organisationen, auf Schulen und Universitäten in anderen Regionen Europas oder Amerikas, spendet für die "Dritte Welt", hält sich fremdvölkische Hilfswillige für Haushalt, Garten und Kinderbetreuung, fährt ausländische Autos, trägt ausländische Klamotten, fährt mehrmals im Jahr in ferne Weltgegenden in Urlaub und isst selbstverständlich international.

Warum ist das so? Das wäre die Frage, die mich interessiert.


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Sind Nationalismus und Patriotismus noch zeitgemäß?

15.12.2017 um 12:24
Hier haben wir mal wieder das alte Problem mit grundlegend unterschiedlichen Weltsichten.
Zitat von PhilippPhilipp schrieb:dass nicht die Identität ein bestimmtes staatliches Selbstverständnis bedingt, das erst etabliert werden muss, sondern umgekehrt. Die Gruppendynamik innerhalb eines bestimmten Systems zwingt das Individuum in ein bestimmtes Korsett, an das es sich aus ökonomischen Gründen anpassen muss, und das erst schafft im Laufe der eigenen Konditionierung über die ganze Lebensspanne die persönliche Identität. Die kann natürlich als Mem von Generation zu Generation weiter vererbt werden, aber sie ist immer auch ein Produkt der Umstände, und immer der soziokulturellen Evolution unterstellt. Das verbindende Element hier ist immer die ökonomische Notwendigkeit für ein jedes einzelne Individuum, der Rest ist quasi das Ergebnis aus der ganzen Dynamik innerhalb der jeweiligen Gruppen.
Du bist offensichtlich ein ausschließlicher Anhänger von Marx' "Das Sein bestimmt das Bewusstsein", ich dagegen halte Hegels Ansatz "Das Bewusstsein bestimmt das Sein" für ebenso evident und gehe eher von einer Wechselwirkung der beiden Konzepte aus. Von daher fällt es mir schwer, deiner These von der Vorrangigkeit bzw. Ausschließlichkeit "ökonomischer Notwendigkeiten" und allein daraus resultierender "Konditionierungen" zu folgen. Bestimmt sind ökonomische Aspekte auch ein Faktor, aber aus meiner Sicht eben nur einer unter vielen, vlt nicht einmal ein völlig unerheblicher, aber ganz bestimmt nicht der einzige.

Ein Mensch tut sich nun einmal äußerst schwer damit, seine tradierte Kultur abzulegen, dafür haben wir ja eine ganze Menge Anhaltspunkte, ein alter vlt ein wenig mehr als ein junger, dabei muss man jedoch bedenken, dass Jugend relativ ist, da jeder Mensch halt altert und keiner jüngert. Eine langfristige kulturelle "Evolution" mag es möglicherweise geben, es ist allerdings ganz bestimmt nicht davon auszugehen, dass sich diese innerhalb der Lebensspanne eines Individuums vollzieht, selbst wenn man den teilweise recht schnellen Wandel der äußeren materiellen sowie der ideellen Bedingungen in Betracht zieht. Oftmals ist es hier eher so, dass Menschen mit den rasanten Entwicklungen etwa im Bereich der Technologie gar nicht mithalten können.
Zitat von PhilippPhilipp schrieb:Ich sehe das auch ganz entspannt. Beobachte und mache mir meine Gedanken. ^^
Hmh, ich habe allerdings den Eindruck, dass deine Argumentation darauf abzielt, dezidiert vor nationalen oder ethnokulturellen Konzepten zu warnen. Um mal ein wenig Küchenpsychologie zu betreiben, indem du etwas, das ohne Zweifel existiert, Menschen fühlen sich nun einmal ethnischen bzw. ethnokulturellen Gruppen zugehörig, als reines Hirngespinst, Manipulation etc. abtust, erscheint es mir, dass dir das möglicherweise eher unheimlich ist, was nicht unbedingt ein Gefühl der Entspannung mit sich bringen dürfte. Aber vlt täusche ich mich auch in meinem Eindruck.
Zitat von DoorsDoors schrieb:Das Phänomen, das ich, rein geschichtlich betrachtet, sehe, ist die Tatsache, dass früher das Kapital nationalistisch gesonnen war, das Proletariat hingegen internationalistisch. Heute ist es umgekehrt. Das Kapital ist international aktiv, und der Ex-Proletarier wählt AfD/NPD. Daimler, VW und Postbank werben schon lange auf türkisch und der Malocher ist stolz, ein Deutscher zu sein.
Als Aspekt zwar nicht uninteressant, jedoch kann man durchaus Zweifel daran haben, dass die "Proletarier" früher tatsächlich "internationalistisch" waren, auch wenn die Losung "Proletarier aller Länder…" (noch was aus Marx' Greatest-Hits-Collection) dies suggeriert; die "Großverdiener" aller Zeiten und Länder (wirtschaftliche Eliten, Adel, Klerus etc.) waren jedoch in der Tat schon immer eher auch international unterwegs und zudem meistens auch polyglott.


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Sind Nationalismus und Patriotismus noch zeitgemäß?

15.12.2017 um 12:28
@DerKlassiker

Internationalisiert waren Adel und Kapital schon - nur nach Innen gaben sie sich deutschnational und finanzierten entsprechende politische Kräfte.

Aus einem Beitrag von mir 2011:

Wir "feiern" gerade 200 Jahre Krupp. Der deutsche Kanonankönig verdiente, um nur mal ein Beispiel zu nennen, an beiden Seiten im 1. Weltkrieg mit. Die Deutschen schossen mit Krupp-Kanonen auf Franzosen, was Geld in die Kassen von Krupp brachte. Die Franzosen feuerten auf Deutsche mit Granaten, deren Zünder eine Krupp-Lizenz waren, an der Krupp verdiente.

Das Kapital kennt keine "Kulturen", keine "Vaterländer", keine "Zivilisationen", so lange sich Geld verdienen lässt. Die vorgenannten Begriffe taugen höchstens für Sonntagsreden an das dumme Volk, um es wie willenloses Schlachtvieh auf die Schlachtfelder zu treiben.


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Sind Nationalismus und Patriotismus noch zeitgemäß?

15.12.2017 um 13:08
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Hmh, ich habe allerdings den Eindruck, dass deine Argumentation darauf abzielt, dezidiert vor nationalen oder ethnokulturellen Konzepten zu warnen.
Zumindest vor deren fanatischen Auswüchsen, zugegeben. Das erschöpft sich aber auch nicht in der Nationalismuskritik, sondern nimmt alle fragwürdigen Weltbilder gerne aufs Korn. Hierzu zähle ich auch zB. die Religionen, den Sexismus, den übertriebenen Feminismus, oder auch die bis ins Absurde geführte PC. Bei allen gut gemeinten Anfängen sind manche Auswüchse tatsächlich fürchterlich geworden, was du sicher auch schon festgestellt hattest.
Ich versuche mich hier an einem Mittelweg, und zwar nicht nur politisch, sondern in allen Belangen des Lebens. Der lässt mich zwar -um wieder zurück zum eigentlichen Punkt zu kommen- die Nation als politische Verwaltungseinheit schätzen, und durchaus befürworten, mehr aber auch nicht.

Zu den anderen Dingen die du sagtest würde ich mich gerne meinem Vorredner anschließen.

Insbesondere das, auch wenn es vllt etwas übertrieben klingt..:
Zitat von DoorsDoors schrieb:Das Kapital kennt keine "Kulturen", keine "Vaterländer", keine "Zivilisationen", so lange sich Geld verdienen lässt. Die vorgenannten Begriffe taugen höchstens für Sonntagsreden an das dumme Volk, um es wie willenloses Schlachtvieh auf die Schlachtfelder zu treiben.
..scheint mir ein sehr bedeutender Punkt für die soziokulturelle Entwicklung zu sein, und würde auch meine Theorie der "ökonomischen Vorrangigkeit" belegen. Wobei ich hier das persönliche Kapital eines jeden Menschen etwas weiter gefasst als grundlegende Überlebensnotwendigkeit erachten würde, und nicht nur als Mittel zum Geldvermehren.


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15.12.2017 um 13:19
Zitat von DoorsDoors schrieb:Internationalisiert waren Adel und Kapital schon - nur nach Innen gaben sie sich deutschnational und finanzierten entsprechende politische Kräfte.
Anfang des 20. Jh. war das so, zweifelsohne, damals war eben auch der fein säuberlich kultivierte Nachbarschaftskrieg der europäischen Eliten ganz angesagt.
Zitat von DoorsDoors schrieb:Das Kapital kennt keine "Kulturen", keine "Vaterländer", keine "Zivilisationen", so lange sich Geld verdienen lässt. Die vorgenannten Begriffe taugen höchstens für Sonntagsreden an das dumme Volk, um es wie willenloses Schlachtvieh auf die Schlachtfelder zu treiben.
Hundert Jahre später hat das entsprechende "Schlachtvieh" halt auch eine völlig andere Situation, niemand muss heutzutage konkret fürchten, auf irgendeinem Schlachtfeld in Frankreich zu verbluten, sondern man hat vielleicht viel eher die Sorge, dass Neudeutscher Abdülhamid an der nächsten Ecke das Messer zücken könnte und man dann eben verblutet.
Zitat von PhilippPhilipp schrieb:Theorie der "ökonomischen Vorrangigkeit"
Dies ist nun mal eine Weltsicht, aber möglicherweise nicht die allein gültige, auch wenn es zumindest derzeit häufig so dargestellt wird.


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15.12.2017 um 13:32
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Dies ist nun mal eine Weltsicht, aber möglicherweise nicht die allein gültige, auch wenn es zumindest derzeit häufig so dargestellt wird.
Möglicherweise auch nur eine Modeerscheinung, wie viele andere politische Phänomene? Wir werden es vllt noch erleben, wie die Wandlung weiter geht. Dass es eine geben wird, ist ziemlich sicher. :)


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15.12.2017 um 13:54
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb: sondern man hat vielleicht viel eher die Sorge, dass Neudeutscher Abdülhamid an der nächsten Ecke das Messer zücken könnte und man dann eben verblutet.
Übrigens, wenn wir hier schon solche stereotype Bilder bemühen wollen, hätte auch die kulturelle Nähe zu einem Mittelneudeutschen-Ostbewohner in bestimmten Fällen nicht viel weniger Furchterregendes. Ob einen Abdüllhamid mit seinem Brotmesser traktiert, oder der Ronny mit seinen Springerstiefeln, weil man sein großes Leid nicht ganz so dramatisch sieht wie er selbst, bleibt sich irgendwo gleich. In beiden Fällen blutet man.


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15.12.2017 um 13:55
Zitat von DoorsDoors schrieb:Warum ist das so? Das wäre die Frage, die mich interessiert.
Ja, das ist wirklich eine interessante Frage.

Kapital war schon seit langer Zeit - eigentlich schon seit Beginn des "Kapitalismus", also der maschinellen Massenherstellung von Produkten - international(istisch), das war zur Zeit der Nazis so, das war in der Weimarer Republik so, das war zu Kaisers Zeiten so, das war selbst bei Marx schon so, daher schrieb er ja auch: Proletarier aller Länder (und damit meinte er nicht allein die deutschen Länder), vereinigt euch! Um dem damals schon internationalen Kapitalismus eine internationale proletarische Front entgegenzusetzen.

Womit die Frage, warum es keine proletarische Internationale gibt, sondern ein nationalistisches Prekariat, sich fast schon von allein beantwortet: Um genau dies (proletarische Internationale) zu verhindern. Inzwischen gibt es ja auch kein Proletariat mehr, sondern was einst das Proletariat war, hat sich in 3 auseinander laufende, einstige Unterschichten, inzwischen zu Schichten geronnen, gespalten: Facharbeiter ("obere Unterschicht"), Working Poor (Leih- und Zeitarbeiter, "mittlere Unterschicht") und "Hartzler ("Prekariat"), also quasi die überflüssig Gewordenen, die, anders als einst das Proletariat, dem Kapital nicht mal mehr durch "Arbeitskämpfe" Paroli bieten können, weil der Kapitalist nicht auf sie angewiesen ist. Daher gibt es ja auch keine Organisation der "Loser". Jetzt als vierte Schicht mischen sich noch die "Migranten" dazu.

Zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Entwicklung des Kapitalismus muss es also einen zunächst unbemerkt gebliebenen Bruch im "System" gegeben haben, nach dem "das Proletariat" als potenziell revolutionäre Schicht nicht mehr in Frage kam und die Unterschicht sich ein reaktionäres Weltbild schuf und aufhörte Proletariat zu sein, indem es sich aufspaltete in Facharbeiter und Loser.

Ich weiß nicht, wie es für andere Länder war, sondern kann das nur an der Bundesrepublik halbwegs festmachen: Der Bruch fällt wohl zusammen mit dem Ende des Glaubens an den Wohlfahrtsstaat (Offe) und dem Ende des "Rheinischen Kapitalismus", lässt sich zeitlich also ziemlich gut verorten in die Endphase Brandt, Regierungszeit Schmidt, frühe Kohl-Ära. In den 50er und 60er Jahren, also der Zeit des "Wirtschaftswunders", das in den "Wohlfahrtsstaat" überging, rückte die politische Mitte immer weiter nach links von Adenauer über Erhard und Kiesinger zu Brandt. Die Gewerkschaften konnten vor Kraft kaum laufen und fuhren einen Sieg nach dem anderen fürs "Proletariat" ein bis hin zur 35 Stundenwoche, 13. Monatsgehalt usw., d.h. der Facharbeiter bei VW, Siemens und Daimler konnte sich ohne weiteres ein Eigenheim bauen und war alles andere als arm, er war plötzlich "Mittelschicht" und "unten" gab es gar nichts; die paar Invaliden und Frührentner allenfalls, aber die wurden vom Wohlfahrtsstaat auch ganz gut mitgezogen.

Naja, dann, bereits in der Brandt-Zeit, geschahen einige Dinge gleichzeitig: Man lud "Gastarbeiter" ins Land, weil die Wirtschaft immer noch brummte, aber gleichzeitig gab es den ersten "Ölschock", noch unter Brandt, und dann unter Schmidt den 2., und am Ende der Regierungszeit Schmidt sprach man erstmals von Massenarbeitslosigkeit, als es erstmals den einmillionsten Arbeitslosen gab. Von da an wurde der Sozialstaat sukzessive zurückgefahren und im gleichen Verhältnis bildete sich das Prekariat der Langzeitarbeitslosen. Dieser Prozess wurde dann in der Kohl-Ära durch die Wiedervereinigung und Globalisierung, die von zwei Seiten den Sozialstaat zerfraßen, extrem und eigentlich kaum noch kontrollierbar beschleunigt und flächendeckend. Der Arbeitslose fühlte sich nicht mehr von den Gewerkschaften vertreten, sondern mit seinen Problemen und der Aussichtslosigkeit seiner Zukunft allein gelassen. Die zunehmende Automatisierung kappte immer mehr Arbeitsplätze weg, die, wie im sterbenden Bergbau, nicht mehr durch andere ersetzbar waren. Die Modernisierung schuf das Prekariat der "überflüssigen Existenzen", die sich ein anderes System herbeisehnten, das weit zu den Nazis und in die Zeit noch davor zurück reichte, wo ohne den Proletarier nichts lief ("alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will."). Das war aber die Zeit des Nationalismus, und so erscheint diesen schlichten Gemütern der vordemokratische Nationalstaat als die Lösung aller Probleme. dafür nehmen sie auch gerne das Ende der Demokratie und stattdessen eine Diktatur in Kauf. Solange es ihnen nur besser geht.


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15.12.2017 um 14:17
Zitat von DoorsDoors schrieb:Hinzu kommt ein deutliches Sozialgefälle. Wer ganz unten auf der sozialen Hühnerleiter hockt, dort, wo sie am beschissensten ist, der möchte sich natürlich gern aus seinem eigenen Elend erheben, in dem er jemanden sucht, der noch ärmer dran ist als er selbst, auf den er herab sehen kann, auf den er buchstäblich mit dem Springerstiefeln drauftreten kann, um sich selbst zu erhöhen und sich so wenigstens ein ganz klein wenig als Herrenmensch zu fühlen.

Währenddessen hegt der Besserverdienende seine internationalen Geschäfts- und Sozialkontakte, schickt die Kinder zu Camps internationaler Organisationen, auf Schulen und Universitäten in anderen Regionen Europas oder Amerikas, spendet für die "Dritte Welt", hält sich fremdvölkische Hilfswillige für Haushalt, Garten und Kinderbetreuung, fährt ausländische Autos, trägt ausländische Klamotten, fährt mehrmals im Jahr in ferne Weltgegenden in Urlaub und isst selbstverständlich international.

Warum ist das so? Das wäre die Frage, die mich interessiert.
Ich glaube du ahnst die Antwort auf die Frage bereits. Dem Starken ist es leicht barmherzig zu sein, denke ich. Warum sind junge, gebildete Menschen oft sehr sozial eingestellt? Weil sie innere Stärke besitzen (oder es sich einbilden) in Form von überlegener Bildung. Sie fühlen sich auf der Sonnenseite des Lebens und damit stellt sich Wohlwollen gegenüber dem Leben an sich ein. Das ist ein gutes Gefühl, man fühlt sich so eins mit allen in seiner Bildungsblase und versteht nicht warum nicht alle mitmachen wollen.


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15.12.2017 um 14:24
Zitat von PhilippPhilipp schrieb:Möglicherweise auch nur eine Modeerscheinung, wie viele andere politische Phänomene?
Davon würde ich ausgehen. Ökonomische Dinge haben ohne Zweifel auch immer eine recht hohe Relevanz, darüber zumindest dürften wir einen Konsens haben. Ich halte sie jedoch nicht für allein selig machend; es gibt da eben schon ein wenig mehr, was der Mensch braucht, z. B. so etwas wie eine wie auch immer geartete Gemeinschaft, in der er sich geborgen fühlt, ein Gefühl der Zugehörigkeit, das hat ja nicht zwangsläufig einen ökonomischen Hintergrund.
Zitat von PhilippPhilipp schrieb:Übrigens, wenn wir hier schon solche stereotype Bilder bemühen wollen, hätte auch die kulturelle Nähe zu einem Mittelneudeutschen-Ostbewohner in bestimmten Fällen nicht viel weniger Furchterregendes. Ob einen Abdüllhamid mit seinem Brotmesser traktiert, oder der Ronny mit seinen Springerstiefeln, weil man sein großes Leid nicht ganz so dramatisch sieht wie er selbst, bleibt sich irgendwo gleich. In beiden Fällen blutet man.
Der Unterschied ist jedoch, dass der springerstiefelbewehrte Ronny wohl doch eher ein örtlich begrenztes Phänomen darstellt, mir ist so jemand wie er z. B. noch nie begegnet, gibt's in meiner Gegend offenbar nicht, während Abdülhamid dagegen ja ohne Frage ziemlich mobil ist und somit die Wahrscheinlichkeit, dass er an jeder erdenklichen Ecke steht, deutlich höher ist. Aber lassen wir das hier, ich will nicht derjenige sein, der hier im Thread über Nationalismus/Patriotismus eine Partie "Migrantengewalt - Lichterketten für Deutsche?" eröffnet hat. Ich wollte nur aufzeigen, dass die Bedrohungen, denen sich Leute heutzutage ausgesetzt sehen, sich anders darstellen als als vor hundert Jahren, als man möglicherweise noch in den Krieg ziehen musste.


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15.12.2017 um 14:34
@DerKlassiker

Dass nationalistisches Denken derzeit der Wunsch nach einer homogeneren Geselllschaft (ohne "Fremdkörper") ist, ist ja nichts Neues und ist eher ein Wunschdenken der politischen Rechten. Es verbirgt aber die eigentlichen Ursachen für Nationalismus, die eben, wie weiter oben dargelegt, eigentlich schichtspezifische Klassenfragen und Abtrennung des "Zukurzgekommenen" vom Wohlstand sind. Statt also die Strukturen anzugehen, die für eine extrem ungleiche Verteilung des Wohlstands ursächlich sind, wird eher, weil das einfacher erscheint, nach unten getreten (also gegen die noch Ärmeren und Rechtloseren, wie die Migranten), wie schon einer hier anmerkte.

Nationalismus heute ist also quasi die Sehnsucht nach Rückkehr in einen vorglobalen und vordemokratischen Zustand, also völlig vergangenheitsgerichtet.


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Sind Nationalismus und Patriotismus noch zeitgemäß?

15.12.2017 um 14:39
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Ein Mensch tut sich nun einmal äußerst schwer damit, seine tradierte Kultur abzulegen, dafür haben wir ja eine ganze Menge Anhaltspunkte, ein alter vlt ein wenig mehr als ein junger, dabei muss man jedoch bedenken, dass Jugend relativ ist, da jeder Mensch halt altert und keiner jüngert. Eine langfristige kulturelle "Evolution" mag es möglicherweise geben, es ist allerdings ganz bestimmt nicht davon auszugehen, dass sich diese innerhalb der Lebensspanne eines Individuums vollzieht, selbst wenn man den teilweise recht schnellen Wandel der äußeren materiellen sowie der ideellen Bedingungen in Betracht zieht. Oftmals ist es hier eher so, dass Menschen mit den rasanten Entwicklungen etwa im Bereich der Technologie gar nicht mithalten können
Ich sehe das ähnlich. Man kann das schön an der "Amerikanisierung" vor allem der westlichen Welt veranschaulichen: Es gibt ja nicht die einfache Formel, Amerika machts vor (America first hoho) und alle laufen in die gleiche Richtung. Es hat sich nur ein Amalgam aus europäischen und amerikanischen Lebensweisen gebildet und zwar in Wechselwirkung. Das ergab ein relativ geschlossenes Weltbild, in Konkurrenz mit der UDSSR.
Als sich der Gegenpart verabschiedete, kamen auch immer mehr die "harmonischen Schwingungen" zwischen Europa und USA aus dem Takt.


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15.12.2017 um 14:56
Zitat von RealoRealo schrieb:Nationalismus heute ist also quasi die Sehnsucht nach Rückkehr in einen vorglobalen und vordemokratischen Zustand, also völlig vergangenheitsgerichtet.
Ich denke das hängt mit dem gefühlten Kontrollverlust zusammen, den die sogenannte Globalisierung sugeriert. Mit früher wird eine strenge, aber wenigstens irgendeine lenkende Hand verbunden. Nun fühl man sich dem chaotischen Sturm ausgesetzt, der entfesselten "marktkonformen Demokratie". Dieser Begriff ist für mich mit das Schlimmste das je ein Politiker von sich gegeben hat und damit auch eins der besten, aussagekräftigsten Meme die ich je gehört habe. In zwei Wörtern die Welt und das Unbehagen an ihr.


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15.12.2017 um 14:58
Zitat von RealoRealo schrieb:Nationalismus heute ist also quasi die Sehnsucht nach Rückkehr in einen vorglobalen und vordemokratischen Zustand, also völlig vergangenheitsgerichtet.
Und hier gibt es halt verschiedene Formen. Ich könnte nie im Leben den schwarzen Nationalismus von damals mit heutigem Chauvinismus bzw. aggressivem Nationalismus der Pseudopatrioten und sonstigen Ähnlichdenkenden vergleichen.


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15.12.2017 um 16:05
Zitat von RealoRealo schrieb:Dass nationalistisches Denken derzeit der Wunsch nach einer homogeneren Geselllschaft (ohne "Fremdkörper") ist, ist ja nichts Neues und ist eher ein Wunschdenken der politischen Rechten. Es verbirgt aber die eigentlichen Ursachen für Nationalismus, die eben, wie weiter oben dargelegt, eigentlich schichtspezifische Klassenfragen und Abtrennung des "Zukurzgekommenen" vom Wohlstand sind. Statt also die Strukturen anzugehen, die für eine extrem ungleiche Verteilung des Wohlstands ursächlich sind, wird eher, weil das einfacher erscheint, nach unten getreten (also gegen die noch Ärmeren und Rechtloseren, wie die Migranten), wie schon einer hier anmerkte.
Das ist halt das übliche Mantra der Linken, das geradezu schon im Charakter einer Schutzbehauptung erscheint. Ausgerechnet das linke politische Lager aber hat in der Vergangenheit, sofern es in administrativer Verantwortung war, eher das Gegenteil von sozialem Ausgleich geschaffen. Stattdessen verursachte die politische Linke mit allerlei hochtrabenden aber ebenso offensichtlich dysfunktionalen gesellschaftlichen Experimenten und zuletzt einfach, offenbar aufgrund des ideellen Niedergangs infolge des Endes des Kalten Kriegs, durch dumpfe Unterwürfigkeit unter marktliberale Narrative eher soziale Desolation. Von daher ist es zumindest verständlich, dass viele Leute den Erzählungen aus dieser Ecke keinen Glauben mehr schenken möchten und sich dann eben woanders hin orientieren. Möglicherweise ist eine rein ökonomistische Denkweise, der ja auch die Vorstellung entspringt, dass alles irgendwie sozioökonomisch begründet ist, eben auch nicht der Weisheit letzter Schluss.
Zitat von RealoRealo schrieb:Nationalismus heute ist also quasi die Sehnsucht nach Rückkehr in einen vorglobalen und vordemokratischen Zustand, also völlig vergangenheitsgerichtet.
Das ist deine Sichtweise, ob man das wirklich so pauschal sagen kann, sei dahingestellt und ob das nun vergangenheitsbezogen ist oder nicht spielt m. E. auch weniger eine Rolle; Tatsache ist, es ist ein Phänomen der Gegenwart. Dazu wäre anzumerken, dass schwärmerische Vergangenheitsbezogenheit erstaunlicherweise doch durchaus der Ausgangspunkt einer grundsätzlichen Erneuerung sein kann, die Renaissance wäre da ein Beispiel. Stumpfer, zudem noch von allerhöchster Stelle verordneter Zukunftsoptimismus hat dagegen meist doch eher zu sehr mäßigen Ergebnissen geführt.


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Realo ehemaliges Mitglied

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15.12.2017 um 16:32
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Das ist halt das übliche Mantra der Linken
Es soll bekanntlich auch Soziologen geben. An dieser Stelle müsste ich eigentlich schon aufhören weiter zu lesen, denn es kann nur noch "rechtes Mantra" kommen.
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Ausgerechnet das linke politische Lager aber hat in der Vergangenheit, sofern es in administrativer Verantwortung war, eher das Gegenteil von sozialem Ausgleich geschaffen.
Falsch. Die besten sozialen Verhältnisse ("Wohlfahrtsstaat") hatten wir in den 1970er Jahren, und wer da regierte kannst du bei Wikipedia nachlesen, falls es nicht mehr in Erinnerung ist. Zeitgeschichtliches Wissen wird nicht mehr in der Schule gelehrt?
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb: dumpfe Unterwürfigkeit unter marktliberale Narrative
Seit dem Ende des kalten Kriegs hatten wir 6 Jahre lang eine rotgrüne Regierung, 2 Jahre eine Große Koalition unter SPD-Führung und knapp 20 Jahre CDU-Regentschaft bzw. CDU-geleitete GroKo. Wenn dir also etwas nicht behagt an den Auswirkungen des Globalismus, solltest du dich mit deiner Beschwerde schon an die Richtigen wenden.
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb:Das ist deine Sichtweise
Ich repetiere nur die Grunderkenntnisse der Politologen.
Zitat von DerKlassikerDerKlassiker schrieb: dass schwärmerische Vergangenheitsbezogenheit erstaunlicherweise doch durchaus der Ausgangspunkt einer grundsätzlichen Erneuerung sein kann
Du meinst sowas wie ein "Viertes Reich"? Könnte sein.


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Sind Nationalismus und Patriotismus noch zeitgemäß?

15.12.2017 um 17:31
Zitat von RealoRealo schrieb:Womit die Frage, warum es keine proletarische Internationale gibt, sondern ein nationalistisches Prekariat, sich fast schon von allein beantwortet: Um genau dies (proletarische Internationale) zu verhindern.
Das hat auch andere Gründe. Für internationales Kapital braucht man allenfalls einen Wechselkurs, zur Not noch ein paar Anwälte und Bänker.
Ansonsten ist Kapital recht anspruchslos.

Eine proletarische Internationale müsste sich erst mal international verständigen, dazu muss man Fremdsprachen sprechen. Aber selbst wenn man sich auf eine Sprache einigen könnte, folgen viele andere unterschiedliche Auffassungen vom Leben, dem Universum und dem ganzen Rest.

Das betrifft ja nicht nur eine proletarische Internationale, das funktioniert in anderen internationalen Gruppierungen auch nicht so wahnsinnig gut.


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