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Pflegenotstand in Deutschland

146 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Pflege, Fachkräftemangel, Gesundheitspolitik ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Pflegenotstand in Deutschland

10.07.2023 um 19:39
@Optimist

Falls es dich interessiert, die Strukturen im Pflegesektor sind komplex und begünstigen ein zersplitterte Gewerkschafts- und Tariflandschaft; dieser Artikel hier listet ein paar Gründe auf:

https://www.sueddeutsche.de/politik/pflege-streiks-pflegenotstand-1.5643218

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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 00:13
@bgeoweh
danke dir :) , dein Link gibt wirklich sehr guten Aufschluss.
Einfach nur traurig alles.
Tatsächlich sind kaum zehn Prozent der Pflegekräfte in einer Gewerkschaft.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Viele Beschäftigte in der Pflege sind für Verdi, die Dienstleistungsgewerkschaft, nur schwer zu erreichen: Beschäftigte, die zum Teil erst seit Kurzem in Deutschland sind und kaum die Sprache beherrschen. Teilzeitkräfte, deren Bereitschaft, sich zu organisieren, generell geringer ist. Belegschaften von Diakonie oder Caritas - immer noch vermitteln kirchliche Träger ihren Beschäftigten, sie dürften keiner Gewerkschaft beitreten. Streiken darf das kirchliche Personal auch nicht.
das ist also u.a. der Knackpunkt.
Sylvia Bühler, im Bundesvorstand von Verdi für Gesundheit und Soziales zuständig, hat zudem im Gesundheitswesen eine verbreitete Haltung bei den Beschäftigten ausgemacht. Sie lautet: "Wir machen etwas gesellschaftlich so Wichtiges, da müssen doch die Politiker und der Staat dafür sorgen, dass wir gute Rahmenbedingungen haben." Vielen sei nicht klar, dass Bezahlung und Arbeitsbedingungen "auch etwas mit ihrer eigenen Kraft und Durchsetzungsfähigkeit zu tun haben".
sehr schade, dass dieses Denken herrscht.
Weshalb wird ihnen aber diese falsche Denkweise durch Publikationen usw. nicht versucht auszureden?
Aber auch das Berufsethos in Pflege- und Gesundheitsberufen erschwert den Arbeitskampf. Bei einem Streik stünden eben "nicht nur Maschinen oder Busse" still, sagt Bühler.
"Es geht in diesen Berufen oft um existenzielle Not", und wenn die Beschäftigten die Arbeit niederlegen, "leiden darunter Menschen, die nicht versorgt werden".
genau das was mir im anderen Thread auch durch den Kopf ging, aber wo ich mich inzwischen von shionoro hatte überzeugen lassen, dass man da mal weniger Rücksicht nehmen dürfte, um längerfristig etwas Besseres erreichen zu können.
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Beispiel Leiharbeit: In praktisch allen anderen Branchen lehnt Verdi die Anstellung von Personal in Fremdfirmen ab, weil sie allzu oft mit Lohndumping verbunden ist. In der Pflege dagegen verdienen Leiharbeitskräfte meist mehr als die Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen. Und sie können rasch wechseln, in eine andere Klinik, ein anderes Heim, wenn sie mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden sind. Das sorgt zunehmend für böses Blut in der Branche, trotzdem mischt sich die Gewerkschaft nicht ein. Warum auch, wenn zumindest ein Teil der Pflegekräfte so bessere Konditionen für sich herausholen kann?
das ist nun auch ein wichtiger Knackpunkt. Wurde vor einiger Zeit auch im Fernsehen angesprochen.
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Ein Flächentarif scheiterte an der katholischen Kirche
Eine weitere Besonderheit der Pflege: die Zersplitterung der Branche in unzählige Interessengruppen und Verbände. Dieser Umstand sowie die Privatisierung des Gesundheitswesens Anfang der Neunzigerjahre haben einen flächendeckenden Tarifvertrag in der Branche verhindert, der letzte große Anlauf scheiterte 2021 am Nein der katholischen Kirche. Das hat zur Konsequenz, dass Verdi oft mit jedem Heim und jedem Krankenhaus einzeln verhandeln muss, erklärt Bühler. Nicht selten brauche es wochenlange Auseinandersetzungen, damit Arbeitgeber überhaupt an den Verhandlungstisch kommen. Deshalb fehlt bei den Protesten oft die Schlagkraft, die Gewerkschaften mit bundesweiten Aktionen ausüben können.
na toll, die Kirche u.a. mal wieder als großer Hemmschuh und natürlich die Privatisierung. Das hätte in solch einem Bereich nicht passieren dürfen, aber leider.
Gesundheitswesen Spürbare Entlastungen für Beschäftigte der Unikliniken
Nordrhein-Westfalen
Spürbare Entlastungen für Beschäftigte der Unikliniken
...
Gotthardt wird das nicht mehr betreffen, er hat nach zwölf Jahren Kampf und Überforderung resigniert. Das ewige Einspringen, die vielen Schichten, irgendwann wurde es ihm zu viel. "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, unter diesen Bedingungen bis zur Rente zu arbeiten", sagt er. Im vergangenen Winter hat er gekündigt - weil er daran gescheitert ist, etwas zu verändern. Anders als die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen, die dem Beruf Jahr für Jahr den Rücken kehren, hat er es zumindest versucht.
schade dass er das Handtuch warf, aber kann man nachvollziehen.
Und traurig dass es wohl kaum Andere gibt, die zum Kämpfen bereit sind.


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 00:32
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Nun würde mich mal interessieren, an alle user hier im Thread die evtl. mit der Pflege zu tun haben, weshalb nicht mal im Pflegesektor gestreikt wird?
Zitat von bgeowehbgeoweh schrieb:Im Pflegesektor wird andauernd gestreikt, es interessiert aber niemanden.
Das Problem ist doch auch, dass da gar nicht wirkungsvoll gestreikt werden kann. So wirkungsvoll, dass es wirklich alle nervt. Wie Wischnewski damals.
Streik bedeutet im Gesundheits- und Pflegesektor eben keine totale Arbeitsniederlegung sondern Besetzung wie am Wochenende. Die Gesellschaft bemerkt allenfalls, dass die Hüft-OP ein paar Tage verschoben wird, den Kliniken fehlen ein Paar Euro - das wars.

Knallharte Arbeitsniederlegung, die die Gesamtgesellschaft treffen würde, würde bedeuten, den ganzen Laden, damit auch die Notaufnahme, den OP, dicht zu machen.
Das erzeugte dann Bilder wie in New York oder Great Britain zu Hochzeiten der Pandemie, als die Leute einfach im RTW vor der Klinik starben.
Und das wäre unethisch.
Dadurch, dass eben immer mindestens Notbesetzung ist, dass immer jemand die Notfall-Wundversorgung macht, operiert, herzkathetert, Opa Erwin auf die Bettpfanne setzt oder ihm auch nur was zu trinken gibt, dadurch sind die Streiks weitaus weniger wirkungsvoll wie z.B. bei der Bahn. Es betrifft die Leute einfach viel weniger.


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11.07.2023 um 00:43
Nachtrag: Weselsky heißt er, der Claus von der GDL.
Das muss Verdrängung sein. :D


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11.07.2023 um 00:52
@Ilian
@Optimist

Aber ich finde daran sieht man doch auch wieder, wie hohl dieses "Streik ja, aber doch bitte nicht auf Kosten der Bürger!" ist.

Wenn man Streikt und die Bürger davon nicht wenigstens im Geiste beeinträchtigt werden, dann zeigen sich die Bürger leider nicht sonderlich solidarisch, z.B. mit den Pflegekräfte.

Streik muss irgendwem wehtun, sonst klappt er nicht, und da hat es die Bahn leichter als die Pfleger.

Es kann aber auch anders gehen, mal als Beispiel:

https://www.sueddeutsche.de/karriere/job-das-ist-ganz-schoen-ernuechternd-1.3791695
Vor zehn Jahren löste die Krankenpfleger-Gewerkschaft Tehy in Finnland fast eine Staatskrise aus: 40 Prozent aller Pflegekräfte des Landes drohten, geschlossen zu kündigen. Erst am Morgen des Stichtags knickten die Arbeitgeber ein - die Gehälter in der Pflege stiegen um eindrucksvolle 20 Prozent.

Von solcher Macht können deutsche Gewerkschaften und Berufsverbände im sozialen Bereich nur träumen. Der Organisationsgrad skandinavischer Pflegekräfte beträgt 90 Prozent und ist damit schätzungsweise zehn Mal so hoch wie in Deutschland. Die Mitglieder der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, der winzigen Kirchengewerkschaft und diverser Berufsverbände sind dabei schon zusammengerechnet.

"Das ist ein typisch deutsches Phänomen", sagt Johanna Knüppel vom BDfK, dem mit rund 22 000 Mitgliedern größten deutschen Berufsverband für Pflegeberufe. Der Hauptgrund sei die Tradition, schließlich sei die Krankenpflege früher Aufgabe von Ordensschwestern gewesen. "Unterschwellig ist das immer noch drin: Pflege gilt als Dienst um Gotteslohn", sagt Knüppel. "Viele Pflegende sagen selbst, dass sie in erster Linie Menschen helfen wollen. Dazu passt es nicht, im Rahmen einer Mitgliedschaft in Berufsverband oder Gewerkschaft für die eigenen Bedürfnisse einzustehen." Für die Arbeitgeber sei das natürlich sehr bequem.
Der niedrige Organisationsgrad in sozialen Berufen und besonders in der Pflege hat auch strukturelle Ursachen: Das typische deutsche Gewerkschaftsmitglied ist ein Mann, der in Vollzeit in einem Großbetrieb arbeitet. In der Kranken- und Altenpflege ist die große Mehrheit der Beschäftigten weiblich, es gibt sehr viele Teilzeitjobs und befristete Stellen und in der ambulanten Pflege fast nur kleine Firmen ohne Betriebsrat, zu denen die Gewerkschaften kaum Zugang finden. Statt kollektiv gegen schlechte Arbeitsbedingungen zu kämpfen, ziehen sich viele Pflegekräfte resigniert zurück: Sie reduzieren ihre Arbeitszeit oder wechseln gleich den Beruf.
Wenn 40% aller Pflegekräfte androhen, geschlossen zu kündigen, dann stirbt dabei niemand, aber wenn das wirklich glaubhaft ist, dann wird vor ihnen eingeknickt werden.
Aber wir haben hier eben auch einen recht geringe Gewerkschaftsquote und müssen erstmal schauen, dass Pfleger überhaupt für moderate Streiks zu gewinnen sind bzw. in Gewerkschaften eintreten und Betriebsräte gründen.


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 05:42
Zitat von shionoroshionoro schrieb:Aber wir haben hier eben auch einen recht geringe Gewerkschaftsquote und müssen erstmal schauen, dass Pfleger überhaupt für moderate Streiks zu gewinnen sind bzw. in Gewerkschaften eintreten und Betriebsräte gründen.
Ein Land, was bis ca. zum Beginn des Währungsumtauschs von der ja so guten alten D-Mark auf den bitterbösen € anscheinend auf Wolke 7 gelebt hat und blind durch die Gegend gelaufen ist, nicht nach links und nach rechts geguckt hat, weil es doch wunderbar genau so funktionierte wie es vor dem € funktionierte, kennt den Aufstand doch gar nicht. Rein geschichtlich gesehen hat nur ein Teil Deutschlands das erkämpft, was ihm zustand, nämlich Familienzusammenführung und Freiheit und das hat bestens funktioniert.

Die Menschen haben anscheinend Angst ihren Job zu verlieren, wenn sie gemeinsam auf die Straße gehen. Arbeitgeber von heute wiegen sich ja immer noch irgendwie in einer Machtposition, diese Sicherheit gibt es aber nicht mehr.


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 06:30
Zitat von shionoroshionoro schrieb:Aber wir haben hier eben auch einen recht geringe Gewerkschaftsquote und müssen erstmal schauen, dass Pfleger überhaupt für moderate Streiks zu gewinnen sind bzw. in Gewerkschaften eintreten und Betriebsräte gründen.
Viel Spaß bei dem Versuch. Da kannste Jahrzehnte versuchen etwas dran zu verändern, ohne das es etwas bringt. Bei kirchlichen Träger ist es grundsätzlich nicht möglich (dritter Weg). Und ohne die läuft in der Pflege nix.


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 08:12
Zitat von Do-XDo-X schrieb:Die Menschen haben anscheinend Angst ihren Job zu verlieren, wenn sie gemeinsam auf die Straße gehen.
dem Artikel nach von @bgeoweh sieht es nicht so aus, als sei DAS der Grund.
Sondern sie haben ein schlechtes Gewissen, die zu Pflegenden unversorgt zu lassen.

Und heutzutage weiß doch sicherlich jede Pflegekraft, dass die AG händeringend Personal suchen.
Nach meiner Erfahrung durch eine Bekannte nützt es gar nichts, bei der Leitung auf Missstände aufmerksam zu machen (z.B. wenn die Pflegekräfte vergessen, Getränke hinzustellen), das stört die Mitarbeiter kein bisschen. Kritik seitens der Angehörigen bringt also rein gar nichts, weil die Mitarbeiter sich sicher fühlen bzw. wissen, dass sie keine Rüge oder gar Kündigung bekommen werden.

Und das ist auch eines der großen Probleme, lt dem Artikel:
Zitat von paxitopaxito schrieb:Bei kirchlichen Träger ist es grundsätzlich nicht möglich
Zitat von paxitopaxito schrieb:Und ohne die läuft in der Pflege nix.
das verstehe ich nicht so ganz. Kann es sein, dass dies hauptsächlich in den alten Bundesländern so ist?
In Sachsen zumindest sehe ich nur wenige kirchliche Träger.

Ich denke, die Privatisierung und dass dann manche sogar noch an die Börse gingen, ist auch ein großer Faktor für die schlechten Pflegebedingungen.


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 08:27
Zitat von OptimistOptimist schrieb:das verstehe ich nicht so ganz. Kann es sein, dass dies hauptsächlich in den alten Bundesländern so ist?
In Sachsen zumindest sehe ich nur wenige kirchliche Träger.
Ja, in der DDR war das natürlich weitgehend staatlich organisiert, und solche Strukturen halten sich.
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Und heutzutage weiß doch sicherlich jede Pflegekraft, dass die AG händeringend Personal suchen.
Bringt dir unter Umständen nicht viel wenn du nicht bereit bist eine größere Entfernung umzuziehen, oft sind die Träger 'Lokalmatadore' mit monopolähnlicher Markstellung.
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Ich denke, die Privatisierung und dass dann manche sogar noch an die Börse gingen, ist auch ein großer Faktor für die schlechten Pflegebedingungen.
Wie gesagt, die Gründe sind zahlreich, der Mindestlohn ist z.B. auch ein Faktor, oder das Fallpauschalensystem. Viele Einzelfaktoren die das Gesamtbild beeinflussen.


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11.07.2023 um 08:31
Zitat von OptimistOptimist schrieb:dem Artikel nach von @bgeoweh sieht es nicht so aus, als sei DAS der Grund.
Sondern sie haben ein schlechtes Gewissen, die zu Pflegenden unversorgt zu lassen.
Ach ja? Und wie erklärst du dir dann das hier?
Zitat von OptimistOptimist schrieb:nützt es gar nichts, bei der Leitung auf Missstände aufmerksam zu machen (z.B. wenn die Pflegekräfte vergessen, Getränke hinzustellen), das stört die Mitarbeiter kein bisschen.
Das widerspricht sich ja irgendwie. Wer macht denn auf diesen ,,brachialen Missstand" aufmerksam, wenn du meinst, dass die Pflegepersonen sich um die zu Pflegenden Gedanken machen würden, wenn die mal auf die Straße gehen und geschlossen um IHR Recht kämpfen würden?


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 08:44
Zitat von Do-XDo-X schrieb:Das widerspricht sich ja irgendwie.
sehe ich nicht so.
Denn die Mehrheit der Pflegekräfte hat diesen Beruf gewählt, weil es ihnen um die alten Leutchen geht, sie haben das Bedürfnis sich so gut wie möglich um diese zu kümmern.

Jedoch ist es so, dass manche davon immer mehr die Kraft und Lust verlieren (wegen dieser permanenten Überforderung) und dann kommt es eben zu diesen und jenen Missständen, dass z.B. nicht genug zu Trinken da steht oder aus Zeitmangel vorm zu Bett gehen die Leute nicht gewaschen werden usw.
Meine Bekannte, die ihre Mutter sehr oft besucht, bekommt das ja alles mit und ich selbst vertrete sie, wenn sie manchmal nicht kann und besuche auch ihre Mutter öfter mal, da bekomme ich also auch Einiges mit.

Ich mache dem Pflegepersonal also keinerlei Vorwurf - somit kein Grund, dass du dich irgendwie angegriffen fühlen müsstest.
Sie können einfach nicht anders was auch vollkommen logisch ist.

In dem Heim wo ich also auch etwas Einblick habe, sind für ca. 40 zu Pflegenden nachts nur 2 Pflegekräfte da.
Manchmal sogar auch tagsüber nur so wenig.
Und die müssen sogar noch in der Küche mit helfen. Das sind doch untragbare Zustände.

Und dann habe ich in meinem Freundeskreis auch einen Pfleger, der gab mir gegenüber mal zu, dass er wegen der ständigen Überlastung mit der Zeit immer gleichgültiger wurde.
Vor ein paar Monaten gab er auf und suchte sich in einer anderen Einrichtung eine Stelle und sagt, dort sei es bissel besser mit den Bedingungen.
Aber es war eine sehr lange Suche und er hat nun einen viel längeren Arbeitsweg.

Und außer denen, für die dieser Beruf noch Berufung ist gibt es auch die Auszubildenden wo man manchen anmerkt, dass sie von Anfang an keine so richtige Lust haben. Vermutlich eben auch wegen der schlechten Bedingungen (quasi ein Teufelskreis).
Es gibt also Solche und Solche.
Zitat von Do-XDo-X schrieb:wenn du meinst, dass die Pflegepersonen sich um die zu Pflegenden Gedanken machen würden, wenn die mal auf die Straße gehen und geschlossen um IHR Recht kämpfen würden?
wie gesagt, es gibt "Solche" und "Solche" und ich kann es mir gut vorstellen, dass manche ein schlechtes Gewissen hätten, die alten Leutchen völlig im Stich zu lassen bei einem Streik.
Denn es ist ja ein Unterschied, ob man seine Arbeit wegen Überlastung nicht gut genug ausführen kann oder ob man gar nicht da wäre.


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 08:46
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Und dann habe ich in meinem Freundeskreis auch einen Pfleger, der gab mir gegenüber mal zu, dass er wegen der ständigen Überlastung mit der Zeit immer gleichgültiger wurde.
'Innere Kündigung' ist halt eine Art wie Menschen mit Burnout und dauerhafter Überlastung umgehen, das ist arbeitspsychologisch ganz gut erforscht. Andere fallen in Depressionen und ähnliches, auch da lässt man tendenziell Dinge schleifen.


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 08:51
Zitat von bgeowehbgeoweh schrieb:'Innere Kündigung' ist halt eine Art wie Menschen mit Burnout und dauerhafter Überlastung umgehen, das ist arbeitspsychologisch ganz gut erforscht.
Das verstehe ich voll, ich verstehe aber beim besten Willen nicht, dass das auf Kosten der zu Pflegenden geht. Ich weiß auch um die miserablen Zustände, aber doch bitte nicht auf Kosten der schwächsten der Gesellschaft?!

Das Familienangehörige hier ihren vollen Beitrag leisten trotz Arbeit, ist unumstritten und gehört genauso beachtet wie jede Pflegekraft!

Es ist grauenhaft ja schon grauenhaft sich vorstellen zu müssen, dass man, wenn mal selber alt ist, nicht mal einen Pflegeplatz bezahlen kann.

Aber Pflegekräfte werden bezahlt! Dass das erforderliche Personal fehlt, ist ja die eine Seite der Medaille, wenn das erforderliche Personal ausbleibt, weil der Chef meint, es geht auch mit dem vorhandenen Personal, dann nützt natürlich auch mehr Geld mal gar nichts. Also wo fängt man an und kämpft um sein Recht. Beim Geld oder beim Personal?


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 08:53
@bgeoweh
ganz genau - einfach nur traurig alles.
Zitat von Do-XDo-X schrieb:Es ist grauenhaft ja schon grauenhaft sich vorstellen zu müssen, dass man, wenn mal selber alt ist, nicht mal einen Pflegeplatz bezahlen kann.
zum einen das. Und zum Anderen, wenn man sich vorstellt, dass man - falls man im Rollstuhl sitzt und diesen vielleicht nicht mal selbst bewegen kann - dann nur noch auf den guten Willen von überlasteten Personal angewiesen ist.
Zitat von Do-XDo-X schrieb:Also wo fängt man an und kämpft um sein Recht. Beim Geld oder beim Personal?
bei Beidem gleichzeitig und zusätzlich bei den Bedingungen würde ich sagen.
Bei Leihkräften gehts doch auch mit besseren Bedingungen.


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 09:04
Zitat von OptimistOptimist schrieb:bei Beidem gleichzeitig und zusätzlich bei den Bedingungen würde ich sagen.
Bei Leihkräften gehts doch auch mit besseren Bedingungen.
Das wäre im Privat-Bereich genauso wünschenswert.
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage, dass dringend im Privat-Bereich die Pflege mehr gewürdigt werden sollte und den Menschen die nötige Zeit gegeben wird, dass sie sich um ihre Angehörigen kümmern können, so wird der Pflegenotstand nämlich kompensiert. Das Pflegegeld ist einfach viel zu niedrig angesetzt, eine häusliche private Pflegekraft wird so mies gewürdigt, dass ich das K....zen kriege!

Wenn ich mir vorstelle, dass eine bezahlt Pflegekraft ihren Tagesplan abarbeiten muss und die vereinbarten Zeiten nicht einmal einhalten kann und so die Angehörigen den Rest erledigen müssen, ist einfach auch mal Feierabend. Ich würde es eher begrüßen, wenn sich eine private Partei nur für pflegende Angehörige herauskristallisieren würde, die für diese Menschen um ihr Recht kämpt.

Es tut mir leid, ich kann nicht nachvollziehen, wenn hier immer davon gesprochen wird, wie gut die Löhne von Pflegepersonal in den letzten Jahren geworden ist, aber dann vergessen wird, einer hilfebedürftigen Person das Wasser ans Bett zu stellen. Da kriege ich einen Hals! Und da muss man mir nicht damit kommen, dass Personal fehlt. Sorry ...


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 09:57
Zitat von OptimistOptimist schrieb:das verstehe ich nicht so ganz.
Kirchliche Träger sind arbeitsrechtlich anders gestellt als private. Streiks werden beim 3. Weg (so nennt sich das Spiel ausgeschlossen). Das @shionoro über Streiks und Gewerkschaften in der Pflege schreibt, ohne auch nur einmal den 3. Weg zu erwähnen der Streiks ausschließt und Gewerkschaften nutzlos macht, naja, keine Ahnung von der Materie.
Unter den gegebenen Umständen ist es völlig utopisch die Pflege mit Gewerkschaften und Streiks irgendwie bessern zu wollen.
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Kann es sein, dass dies hauptsächlich in den alten Bundesländern so ist?
Die Diakonie - evangelischer Träger - dürfte einer der wenn nicht der größte Arbeitgeber in Sachen Pflege in Sachsen sein. Sie betreiben rund 100 Altenheime, 60 Wohnheime und 30 Werkstätten für Menschen mit Behinderung, 17 Hospizdienste und 2 Hospize, 13 Krankenhäuser und Rehaeinrichtungen - allein in Sachsen. Etwa 22.000 Mitarbeiter stark.
Das du die noch nicht wahrgenommen hast wundert mich dann aber schon.


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 11:28
Zitat von Do-XDo-X schrieb:Das wäre im Privat-Bereich genauso wünschenswert.
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage, dass dringend im Privat-Bereich die Pflege mehr gewürdigt werden sollte und den Menschen die nötige Zeit gegeben wird, dass sie sich um ihre Angehörigen kümmern können, so wird der Pflegenotstand nämlich kompensiert. Das Pflegegeld ist einfach viel zu niedrig angesetzt, eine häusliche private Pflegekraft wird so mies gewürdigt, dass ich das K....zen kriege!
das sehe ich ganz genauso.
Zudem ist es ja auch so, dass Angehörige gar nicht immer die Fachkenntnis haben, wie man sich die Pflege erleichtern kann. Fängt bei der Psychologie an, wenn jemand dement ist oder auch bei bestimmten Techniken, wenn man jemanden aus dem Bett aufstehen lassen muss usw. Bei der Kraft geht es weiter, wenn der pflegende Angehörige selbst schon in den Jahren und nicht gerade kräftig gebraut ist usw.
Zitat von Do-XDo-X schrieb:Ich würde es eher begrüßen, wenn sich eine private Partei nur für pflegende Angehörige herauskristallisieren würde, die für diese Menschen um ihr Recht kämpt.
wäre wirklich schön, wird wohl aber leider Utopie bleiben.
Zitat von Do-XDo-X schrieb:Es tut mir leid, ich kann nicht nachvollziehen, wenn hier immer davon gesprochen wird, wie gut die Löhne von Pflegepersonal in den letzten Jahren geworden ist, aber dann vergessen wird, einer hilfebedürftigen Person das Wasser ans Bett zu stellen. Da kriege ich einen Hals! Und da muss man mir nicht damit kommen, dass Personal fehlt. Sorry ...
das verstehe ich auch nicht, zumal solch ein Handgriff gar keine Zeit groß in Anspruch nimmt.
Aber entweder haben die den Kopf zu voll (mit Sorgen) und vergessen es deshalb und/oder es ist ihnen wegen des Frustes mehr oder weniger alles egal?
Zitat von paxitopaxito schrieb:Die Diakonie - evangelischer Träger - dürfte einer der wenn nicht der größte Arbeitgeber in Sachen Pflege in Sachsen sein. Sie betreiben rund 100 Altenheime, 60 Wohnheime und 30 Werkstätten für Menschen mit Behinderung, 17 Hospizdienste und 2 Hospize, 13 Krankenhäuser und Rehaeinrichtungen - allein in Sachsen. Etwa 22.000 Mitarbeiter stark.
Das du die noch nicht wahrgenommen hast wundert mich dann aber schon.
von deinen Aufzählungen gibt es wirklich viele kirchliche Träger, das bekam ich schon mit.
Außer die Altenheime - zumindest in meiner Stadt gibts da so gut wie keine.
Und 100 für ganz Sachsen ist ja dann auch nicht so viel im Vergleich zu den vielen anderen Heimen in anderer Trägerschaft, denke ich mal.


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11.07.2023 um 11:51
Zitat von rhapsody3004rhapsody3004 schrieb am 25.09.2021:Da das aber verfassungswidrig wäre, können wir auch in Zukunft nur auf weiterhin geeignetes Personal aus dem Ausland hoffen
das ist ja auch so ein Punkt.
Vor einigen Wochen hörte ich einen Bericht, dass Pflegekräfte aus Brasilien frustriert waren, dass sie ihre Fachkenntnisse nicht genügend anwenden durften. Wie will man da Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen, wenn diese dann vor solche Hürden gestellt werden?

Dahingehend müsste sich mMn auch etwas ändern, dass Pflegekräfte das was sie in ihrer Ausbildung gelernt haben, z.B. Spritzen, auch anwenden dürfen bzw. nicht immer die Genehmigung von Ärzten einholen müssen, wenn sie mal eine Schmerztablette mehr verabreichen wöllten, weil dem zu Pflegenden die schon gegebenen Mittel nicht ausreichen, er immer noch Schmerzen hat.


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 14:09
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Vor einigen Wochen hörte ich einen Bericht, dass Pflegekräfte aus Brasilien frustriert waren, dass sie ihre Fachkenntnisse nicht genügend anwenden durften. Wie will man da Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen, wenn diese dann vor solche Hürden gestellt werden?
In Brasilien ist „Krankenschwester“ ein Studiengang (technical nurse/nurse), mit dem Job kommt eine hohe Verantwortung und die Möglichkeit weitreichende Entscheidungen zu treffen.
Zusätzlich gibt es Hilfsschwestern / Pflegehelfer und natürlich Hebammen.
Das jemand der einen Master gemacht hat (entspricht 5 Jahre Studium), vielleicht mit Dr. Titel oben drauf, sich als Krankenpfleger im deutschen System etwas veräppelt vorkommt - völlig verständlich.
„Pflege“ ist in den meisten Ländern ein akademischer Beruf. Deutschland hat sich bisher erfolgreich um diese Aufwertung gedrückt.


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Pflegenotstand in Deutschland

11.07.2023 um 14:14
Zitat von grätchengrätchen schrieb am 25.09.2021:Wir Pflegenden warnen seit Jahrzehnten (!) vor dem Pflegenotstand und machen wieder und wieder auf unsere Lage und was Pflegenotstand bedeutet aufmerksam.
Wo ist denn in diesen ganzen Jahrzehnten die Bevölkerung gewesen, wo sind die auf die Straße gegangen um die Verantwortlichen dazu zu zwingen, was zu ändern?
das halte ich auch für einen wichtigen Punkt, dass es anscheinend niemanden in der Bevölkerung interessiert, was da schon seit x Jahren auf uns zu kommt.
Vielleicht sollte sich auch mal die Bevölkerung (in Solidaridät zu den Pflegekräften) auf die Straße kleben? ;)
Zitat von paxitopaxito schrieb:„Pflege“ ist in den meisten Ländern ein akademischer Beruf. Deutschland hat sich bisher erfolgreich um diese Aufwertung gedrückt.
klar, das ist die eine Seite.
Aber die andere eben auch, dass ja die Pflege-Fach-Kräfte nicht mal das machen dürfen, was sie können und gelernt haben. Warum eigentlich nicht, das alleine ist doch auch schon mal eine Abwertung ihres Berufes, finde ich.


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