Deutsch eine Fremdsprache in Deutschland?
06.11.2008 um 14:40
Ich bin Tag für Tag, beruflich wie privat von "Multi-Kultur" umgeben.
Bei der Gelegenheit: Es gibt z.Zt. etwa 90 "türkischstämmige" MandatsträgerInnen in deutschen Parlamenten.
Um dem Klischee des arbeitsscheuen kriminellen "Türkenpacks", das einige hier oft und gern pflegen, mal etwas zu entgegnen, empfehle ich den nachstehenden Artikel aus der "Zeit":
Nie mehr Migrations-Ali
Von Susanne Gaschke | © DIE ZEIT 21.08.2003 Nr.35
Hier zu Hause, hier erfolgreich: Die neue türkischstämmige Mittelschicht. Vier Porträts
Rebell. Verrottender Altbau, blätternde Farbe, die Wohnung eine Sperrmüllhöhle. Das Chaos ist allerdings liebevoll zusammengestellt: Bilder in unterschiedlichen Stadien der Vollendung, Manuskripte, Abwasch, baumelnder Ethno-Kitsch. Roter Plüschbezug auf dem Klo, offenkundige Verachtung für verbürgerlichte Putzstandards. Künstlerbehausung!, schreit diese Wohnung.
Hier lebt Feridun Zaimoglu, Bestsellerautor, 38. Eine bestechende Idee machte ihn vor Jahren bekannt: Im Stadtteil Gaarden seiner Heimatstadt Kiel sprach er mit Rappern, Zuhältern, Kleinkriminellen, Arbeitslosen – den „randständigen“, aber gleichzeitig, wie Zaimoglu sagt, „virilen“ und „vitalen“ Jungmännern der türkischen Gemeinschaft. Er ließ sie reden über Gott und ihre Weltsicht und suchte nach einer adäquaten Übertragung ihres wilden Sprachgemischs ins Deutsche. Genial (und extrem marktgängig) war der Name, den Zaimoglu für das Idiom erfand: Kanak Sprak. So lautete auch der Titel seines 1995 erschienenen Erfolgsbuchs. Kanak? So kann der aufgeklärte deutsche Gutmensch seine ausländischen Mitbürger doch nicht nennen. Aber wenn sie selbst es tun?
Damit hatte Zaimoglu einen effektiven Weg gefunden, sich in den deutschen Feuilleton-Diskurs hineinzuboxen: Tabubruch, Rebellentum. Andere wählen konventionellere, wenngleich nicht weniger wirksame Strategien. Die Zahl der türkischstämmigen Selbstständigen in Deutschland wächst stetig, ebenso die der Akademiker (siehe Kasten). Wenn sich im Pisa-gebeutelten Deutschland irgendwo eine Bildungsreserve vermuten lässt, dann unter den deutschtürkischen Jugendlichen. Die Biografien der Erfolgreichen zeigen aber auch, welche Entschlossenheit, welcher Fleiß, nicht selten welcher Mut nötig sind, um sich einen Platz in dieser Gesellschaft zu erkämpfen. Diesen Willen, sich das Leben in Deutschland zu Eigen zu machen, kann kein staatliches Förderprogramm ersetzen.
Feridun Zaimoglu ist ein sehr lebendiges Beispiel dafür, dass Integration nicht Anpassung bedeuten muss – auch nicht an die Erwartungen der Mediengesellschaft. „Seit Kanak Sprak könnte ich jede Woche als Fremdvölkerkundler in einer Talk-show auftreten und den Veranstaltern eine Freude machen, die an Verständigung durch Petting glauben“, sagt Zaimoglu. „Aber ich habe keine Lust.“
Lauwarme Gefühle liegen ihm nicht, aber der Mann hasst differenziert, zum Beispiel die gut gemeinte Tendenz deutscher Bildungsbürger, problematische Verhaltensweisen der eingewanderten türkischen Unterschicht mit „Mittelschichtsbegriffen“ schönzureden. „Diese Leute müssen mal kapieren, wie weit die Landnahme durch die Ethnos in manchen Gegenden Deutschlands fortgeschritten ist.“ Fast ebenso sehr verabscheut er die Selbstbespiegelung der deutschen Generation Golf. „Diese Mittelstandsneurosen, diese Playmobil-Leben, das ist doch auch nicht zum Aushalten.“
Was ist ihm noch zuwider? Podiums- und Schriftstellerkolleginnen, die auf „Exoten-Weibchen“ machen. „Ach, was sind wir heute authentisch, so besonders authentisch, so temperamentvoll.“ Und allgemeines Einwanderergejammer über die Ausgrenzung in der deutschen Gesellschaft. „Solchen Leuten sag ich: ,Du Blödmann, lern erst mal, deutsche Nachnamen richtig auszusprechen und beschwer dich dann darüber, dass deiner falsch ausgesprochen wird.‘“
Doch auch für diesen toughen Intellektuellen-Macker gibt es Grenzen. Er habe den Ehrgeiz, sagt Zaimoglu, es als deutscher Autor weit zu bringen. Und da hört der Spaß auf. Sein 2002 erschienener Roman German Amok ist von der Kritik ebenso gnadenlos verrissen worden, wie Kanak Sprak bejubelt wurde. Es hagelte Beschimpfungen wie „Kultursöldner“, es gab widerliche Anspielungen auf das Sexualleben des Autors. Zaimoglu weiß, dass er an den Aggressionen, die er auf sich zieht, nicht vollkommen unschuldig ist, schließlich teilt er auch aus – in German Amok gegen die dekadente Berliner Kunstszene. „Die Botschaft der Rezensionen war aber ganz klar“, sagt er. „Migrations-Ali versucht, einen auf Kultur zu machen. Das soll er mal lieber lassen.“ Über das deutsche Feuilleton sagen diese Kritiken mehr als über Zaimoglus Buch. Der hat sich allerdings schon wieder berappelt – spätestens, seit er Anfang Juli den Preis der Jury des Klagenfurter Literaturwettbewerbs erhielt.
Abgeordnete. Am Abend steht noch eine Podiumsdiskussion zum Thema „Gender Budgeting“ auf ihrem Programm. Schon jetzt, als sie in die Brasserie am Berliner Gendarmenmarkt eilt, ist Dilek Kolat etwas abgehetzt. Und hungrig. Aber sie hat kaum Gelegenheit, ihre drei Rohmilchkäse-Variationen mit kunstvoll geschnitztem Gemüse und Vollkornbrotecken zu essen, denn wenn sie erzählt, dann erzählt sie. Gender Budgeting? „Das bedeutet, dass alle Haushaltsposten daraufhin überprüft werden, ob und in welcher Weise sie frauenrelevant sind“, sagt die 36-jährige SPD-Politikerin. Und lächelt dabei so fein, dass deutlich wird: Gender Budgeting ist auch eine wichtige Sache.
Seit 2001 sitzt die Wirtschaftsmathematikerin im Berliner Abgeordnetenhaus, gewählt mit 44,8 Prozent, dem besten Erststimmenergebnis ihrer Partei. Sie ist Mitglied im Hauptausschuss, zuständig für Haushalt und Verwaltungsmodernisierung; stellvertretende Sprecherin im SPD-Fachausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Technologie; stellvertretende Kreisvorsitzende der SPD in Tempelhof, Vorsitzende der Abteilung Friedenau. Einen Halbtagsjob bei der Deutschen Kreditbank macht sie nebenbei, aber nicht mit halber Kraft.
Dilek Kolat gehört zu den wenigen Leuten, bei denen das Wort „Projekt“ nicht wie ein Euphemismus für irgendetwas Halbgares klingt. Ihr erstes Projekt nahm sie in Angriff, als sie an der Technischen Universität Berlin studierte und sich in einer türkischen Studentenorganisation engagierte. „Ich gehöre zur zweiten Generation der Türken in Deutschland“, sagt sie. „Ich komme aus einfachen Verhältnissen. Am ersten Schultag saß ich in der Schule und habe kein einziges Wort verstanden. Es war einer der schrecklichsten und traurigsten Momente in meinem Leben.“ Anderen wollte sie diese Erfahrung ersparen und organisierte deshalb zusammen mit Kommilitonen Ergänzungsunterricht an der TU Berlin: eine enorme Hilfe für viele Migrantenkinder.
„Später habe ich Türkischkurse für Leute wie mich selbst organisiert, für Bildungsinländer“, sagt Kolat. Nachdem sie ihre anfänglichen Sprachschwierigkeiten überwunden hatte, wollte sie nämlich mit ihren Freunden nur noch Deutsch sprechen. „Es war ungeheuer frustrierend, beim ersten Kontakt mit türkischen Akademikern festzustellen, dass ich nur drei Gedanken auf Türkisch formulieren konnte. Ich beherrschte die Alltagssprache einer Siebtklässlerin.“
Irgendwann, sagt sie, sei ihr klar geworden, dass ihre Vereins- und Projektarbeit immer nur „Feuerwehrfunktion“ haben konnte. „Die eigentlichen Lösungen für große Probleme werden in der Politik beschlossen.“ Für sie selbst sei nur die SPD in Frage gekommen. „Es war doch klar, dass ich mich für Chancengleichheit einsetzen musste.“ Ohne die Gesamtschule, sagt sie, wäre ihr die eigene Bildungskarriere niemals gelungen. Bildungs- und Einwanderungsfragen blieben zu Beginn ihrer politischen Laufbahn die bestimmenden Themen. „Dann merkte ich, dass ich nicht von Beruf Ausländerin sein will.“ Die Entscheidung für das struppige Feld der Haushaltspolitik hatte auch mit dieser Erkenntnis zu tun. „Es irritiert mein Publikum manchmal, wenn ich als jüngere, türkischstämmige Frau den Mund aufmache und über Finanzpolitik und Kameralistik rede.“
Die türkischen Medien in Berlin verfolgen die Aktivitäten der Sozialdemokratin aufmerksam. „Migranten sind politisch, aber sie haben wenig Erfahrung mit unserer Art von Parteipolitik“, sagt Dilek Kolat. „Bei mir hören sie genau zu – natürlich auch, weil ich ihre Sprache spreche.“ Konflikte, auch mit Teilen der türkischen Gemeinschaft, sucht sie dort, wo sie ihr unter Integrationsgesichtspunkten wichtig erscheinen. Als die radikale Islamische Föderation vor Gericht das Recht erstritt, Religionsunterricht an Grundschulen zu erteilen, forderte Kolat die Eltern öffentlich auf, ihre Kinder nicht hinzuschicken. Den unvermeidlichen Ärger mit den Islamisten hielt sie aus. Locker.
Professor. Asaf Pekdeger, Professor für Hydrogeologie an der Freien Universität Berlin, kann auf einen illustren Familienstammbaum zurückblicken. Da gab es im 18. Jahrhundert einen Großwesir, der in der Türkei Reformen nach preußischem Muster organisierte – anders als heutige Modernisierer allerdings am Ende seiner Bemühungen geköpft wurde. Pekdegers Urgroßvater Asaf Pasha promovierte in Leipzig und wurde Professor für Gynäkologie in Berlin. Auch sein Vater war Arzt, die Mutter arbeitete bei der deutschen Botschaft in Ankara;sein Vetter Kemal Dervis, ehemaliger Vizepräsident der Weltbank, wurde 2001 Superminister im Kabinet Ecevit.
Pekdeger wuchs in Ankara auf. Über den weiten Freundeskreis seiner Großmutter bekam er Kontakt zu türkischen und deutschen Geologen und Archäologen. „Ich habe erst noch erwogen, aus Familientradition Medizin zu studieren. Aber eigentlich war klar. Geologie ist mein Fach“, sagt er. „Ich wollte unbedingt in Afrika arbeiten, das war so ein Traum vom großen Aufbruch.“ Es kam ein wenig anders. Zum Studium ging Pekdeger nach Deutschland, weil ihm das politische Klima in der Türkei Ende der sechziger Jahre nicht behagte, „wobei ich heute, was ich ungern zugebe, die Rolle der Militärs etwas anders einschätze als damals: Heute scheinen sie mir doch vor allem Garanten der Moderne zu sein, gegen alle islamistischen Tendenzen.“ Auch sprach für Deutschland der damals noch gute internationale Ruf seiner Universitäten. „Das ist leider nicht mehr so“, sagt Pekdeger. „Wenn ich mir die Ausstattung unserer Hochschulen ansehe, dann muss ich sagen: Deutschland steigt ab, Länder wie die Türkei steigen auf.“ Zwischen 1987 und 1990 habe seinem Institut in Berlin mehr Geld für die Forschung zur Verfügung gestanden als von 1990 bis heute. Natürlich sei auch sein Themengebiet, der Umweltschutz, ein wenig aus der Mode gekommen. Pekdeger ist Spezialist für den Schutz des Grundwassers gegen Verunreinigungen durch atomare Endlager und Mülldeponien.
In türkischen Mittel- und Oberschichtsfamilien sei es längst nicht mehr üblich, die Kinder zur akademischen Ausbildung nach Deutschland zu schicken; viel eher wende man sich nach Amerika oder England. Dafür mag es neben dem Qualitätsverlust der Universitäten noch einen weiteren Grund geben. „In Amerika sind Sie nach einem Jahr Amerikaner“, sagt Pekdeger, „Deutscher werden Sie nie.“ Selbst wohlmeinende Kollegen fragten ihn regelmäßig, wenn er zu Bohrungen in die Türkei fahre: „Na, geht es in die Heimat?“
„Insgesamt ist das Benehmen gegenüber Einwanderern besser geworden, seit ich 1970 hierher kam“, sagt Pekdeger. „Aber am Anfang war es überraschend, als Sohn aus guter Familie behandelt zu werden wie ein Mensch zweiter Klasse. Immer noch gibt es bei manchen Deutschen die Haltung: Professor ist was, Türke ist nichts.“
Hakenkreuzschmierereien am Labor, ein Student, der sagt: „Ich lass mich doch nicht von einem Scheißtürken prüfen“ – auch so etwas kommt gelegentlich vor. Vollkommen könne er das nicht unter dem Stichwort „bescheuert“ ablegen, sagt der Professor, eine internationale Koryphäe in seinem Fach, 120 Diplome, 20 Promotionen, Hunderte von Studenten. „Das geht schon unter die Haut.“ Vielleicht habe er sich wegen solcher Erfahrungen nach der Wiedervereinigung so gut mit vielen ostdeutschen Kollegen verstanden, sagt er. „Die waren hervorragende Wissenschaftler und erlebten, wie die Wessis alles besser wussten. Das kam mir bekannt vor. Ich hatte von Anfang an gespürt: Nur gut zu sein reicht nicht. Du musst besser sein als alle anderen, um das Gleiche zu erreichen.“
Staatsdienerin. „Viele Leute haben doch ziemliche Vorurteile“, sagt Hacer Yüksel, „und das macht den Umgang miteinander manchmal schwierig. Aber die Baubehörde ist lange nicht so bürokratisch wie ihr Ruf.“ Die 36-jährige Architektin arbeitet als Bauprüferin beim Bauamt im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel. Sie ist zuständig für die Bewilligung von Bauanträgen; sie überwacht Baustellen, nimmt Rohbauten und fertige Gebäude ab. „Der Berufseinstieg war hart“, sagt sie, „da kommt man als 25-jährige Frau, Anfängerin, und soll Bauherren oder Architekten etwas erzählen, die seit 30 Jahren im Geschäft sind. Ich habe mich durchgebissen: Bei uns gelten nun einmal bestimmte Vorschriften, und wir sorgen dafür, dass die eingehalten werden.“ Das habe im Übrigen die positive Folge, dass hierzulande das meiste funktioniere. „Auch in der Türkei gibt es Baurecht, auch in der Türkei gibt es Statik – aber eben eine gewisse Neigung, es damit nicht so genau zu nehmen. Das kann schlimme Folgen haben, wenn man etwa an die Verheerungen denkt, die die letzten Erdbeben angerichtet haben.“
Mit 13 Jahren zog die Gymnasiastin Hacer Yüksel mit ihren Eltern aus der Türkei nach Deutschland. Ihr Vater, ein Germanist aus Ankara, promovierte in Hamburg, die Tochter, bisher eine fröhliche, begeisterte Schülerin mit Spitzennoten, kam im Einwandererstadtteil Wilhelmsburg aufs Gymnasium. Ohne ein Wort Deutsch zu können.
Die Einsamkeit, das plötzliche Eingesperrtsein im eigenen Kopf, die Unfähigkeit, sich zu äußern, am Unterricht teilzunehmen, Freunde zu finden – all das muss schlimm gewesen sein für ein Mädchen am Rande der Pubertät. Hacer Yüksel spricht zurückhaltend über diese Zeit, vorsichtig, sehr höflich. Es soll nicht so klingen, als wolle sie Deutschland kritisieren. Aber sie hat gelitten. „Das hat mir schon einen Großteil meiner Jugend genommen“, sagt sie. Ihre Lehrer immerhin waren weitsichtig genug, ihre Begabung zu erkennen und sie nach Kräften zu fördern: Im ersten Jahr bekam sie überhaupt keine Noten, dafür zweimal pro Woche zusätzlichen Sprachunterricht. „Mein Vater hat mit mir zusammen gekämpft“, sagt Yüksel, „oft genug sind wir morgens um vier Uhr aufgestanden, um die Hausaufgaben zu machen, für die ich abends zu müde gewesen war.“
Wegen ihrer begrenzten Ausdrucksmöglichkeiten stürzte sich Hacer Yüksel auf Mathematik und die Naturwissenschaften. „Außerdem habe ich gut gezeichnet“, sagt sie. Das Architekturstudium war da eine nahe liegende Wahl. Das eigene Haus im Hamburger Stadtteil Schnelsen hat sie indes nicht selbst entworfen. „Standardhaus“, sagt sie, „und das hat mich schon genug Nerven gekostet.“ Aber dafür sitzt es sich nun behaglich in dem schönen, hellen Gartenwohnzimmer mit edlen Korbmöbeln und zahllosen Büchern. Ihr Mann bringt überbackene Toasts, scharfe Gürkchen und Tee. „Hacer kocht gar nicht“, sagt er lachend, und es klingt, als sei das möglicherweise gut so.
Zu Hause und mit ihrer fünfjährigen Tochter Nidalzu, die nach den Sommerferien in die Schule kommt, sprechen die Yüksels nur Türkisch. Offenbar ist dasdie richtige Strategie, das Mädchen bewegt sich sicher in beiden Sprachen. „Am Anfang habe ich mir Sorgen gemacht“, sagt Hacer Yüksel, „zuerst konnte Nidalzu im Kindergarten einfach nicht verstehen, warum sie auf Türkisch etwas sagt und niemand weiß, was sie meint.“ Erst durch ihr Kind fühle sie sich in Hamburg vollkommen zu Hause. „Früher konnte ich mir gut vorstellen, in der Türkei zu arbeiten. Und oft habe ich die Tage bis zu den Ferien gezählt.“ Das werde weniger, seit ihr Lebensmittelpunkt so klar definiert sei.
Der „Lebensmittelpunkt“ hat heute darauf bestanden, „bauchfrei“ zum Spielen zu gehen – schließlich tun das nahezu alle Mädchen in diesem Land in diesem Sommer. Also kramt ihre Mutter die kurzärmelige Jeansbluse wieder hervor, aus der Nidalzu eigentlich schon längst herausgewachsen war, und zwischen Hemd und Jogginghose blitzen die nötigen zehn Zentimeter nackter Haut hervor.
Kein Erziehungskonflikt. „Ich bin Mohammedanerin“, sagt Hacer Yüksel. „Aber ich denke, dass man an Allah glauben kann, ohne jede einzelne islamische Alltagsregel zu befolgen.“