Mysteriöser Vermisstenfall Joachim Szieleit "Der Tote"

Der "Tote" verschwindet - Polizei vermutet heimtückischen Mord

(XY-Sendung vom 8. April 2015)
Seit dem 6. Mai 1993 wird Joachim Szieleit aus Kassel vermisst. Der 32-Jährige nannte sich selbst "Der Tote" und führte ein Leben im Verborgenen. Vermutlich, so glaubt die Polizei, hatte er 80.000 Mark bei sich, wurde in eine Falle gelockt und ermordet.

Kassel 1993: Joachim Szieleit handelt mit gebrauchten Fahrzeugen. Er kauft sie meist über Zeitungsinserate und stellt sie zum Verkauf bei Autohändlern unter - gegen Zahlung einer Provision. Szieleit wohnt unter falschem Namen in einem anonymen Mietshaus in der Innenstadt von Kassel.

Nicht gemeldet, keine Steuern
Er ist polizeilich nicht gemeldet und zahlt auch keine Steuern. Seine Geschäfte wickelt er meist mit Helfern ab, die er stunden- oder tageweise für die Überführung von Fahrzeugen einstellt. Nebenbei verleiht Szieleit auch Geld - zu gepfefferten Konditionen.

All diese Geschäfte protokolliert er in einem kleinen Heftchen, das er immer bei sich trägt. Da der Autohandel in bar abgewickelt wird, hat Szieleit stets viel Geld dabei. Er trägt es immer wieder öffentlich zur Schau, wie die Polizei später herausfindet.

Mysteriöser Anruf
Am 5. Mai 1993 ist Szieleit mit zwei Helfern unterwegs. Unter anderem kaufen sie ein Auto in Hameln. Auf der Hinfahrt, so sagen seine Begleiter später aus, bekommt Szieleit auf seinem Funktelefon einen Anruf. Mit dem vermeintlichen Verkäufer eines Mercedes SL soll er sich auf den Verkaufspreis von 80.000 Mark geeinigt haben. Das Geld solle Szeileit am nächsten Tag in bar mitbringen - zu einem Treffpunkt an der Kfz-Zulassungsstelle in Kassel.

Am 6. Mai gegen 10 Uhr gibt es ein letztes Lebenszeichen von Szieleit. Er geht an sein Schließfach bei einer Kasseler Sparkasse. Vermutlich holt er sich dort das Geld zum Kauf des Mercedes SL. Seit diesem Zeitpunkt gilt er als vermisst.

Personenbeschreibung (zum Zeitpunkt des Verschwindens):
1,80 m groß, kräftig, starker Bauchansatz, kurze dunkelbraune Haare, Oberlippenbart, Brillenträger, bekleidet meist mit Jogging- oder Armeehosen.

Fragen nach Zeugen:
- Wer hat Joachim Szieleit nach dem 6. Mai 1993, 10 Uhr noch gesehen?
- Wer kann etwas zu dem weißem Mercedes SL sagen, den Szieleit angeblich am Tag seines Verschwindens kaufen wollte? Ist ein solches Fahrzeug damals irgendwo gestohlen oder weiteren Interessenten zum Kauf angeboten worden?
- Wer kann etwas zu Szieleits Verschwinden sagen und hat sich bisher nicht der Polizei anvertraut?

Viele Gläubiger und Geschäftspartner hatten nach den Erkenntnissen der Kripo damals kein Interesse an der Aufklärung des Falls. Da Szieleits Notizheft ebenfalls verschwunden war, konnte man ihnen nicht nachweisen, sich Geld von ihm geliehen zu haben oder dass er Autos bei ihnen untergestellt hatte. Einige sollen das damals ausgenutzt haben, um sich zu bereichern. Diese Delikte sind jedoch längst verjährt und interessieren die Polizei nicht mehr. Den Ermittlern geht es nur noch um die Aufklärung des Vermisstenfalls.

http://www.e110.de/index.cfm?event=page.detail&cid=6&fkcid=6&id=82912 (Archiv-Version vom 16.04.2015)


Ein ungewöhnliches Opfer. Hatte seine Anonymität außer finanziellen Vorteilen noch andere Gründe? Haben diese Gründe vielleicht auch mit seinem Verschwinden zu tun? Warum lebt jemand so über Jahre (z.B. Einzimmerapartment bei mehreren hunderttausend DM Vermögen)? Ich hatte das Gefühl, dass hier das Opfer als Geldwäscher für jemand anderen unterwegs war (Geheimdienst, Organisierte Kriminalität etc.)...Ich denke die Polizei hat hier nicht alles offenbart was sie weiß.

Ich habe gerade mal bei Google Maps seine ehemalige Adresse überprüft (Grüner Weg 21, Kassel). Der Mann wohnte beinahe direkt neben einem großen Polizeirevier. ;-) Finde ich bemerkenswert für eine "konspirative Wohnung"....

ich warte schon seit der Ausstrahlung des Falles vor knapp zwei Stunden darauf, dass jemand einen Thread dazu eröffnet :-) und siehe da - hier ist er!
Ein spannender Fall, ganz klar. XY ist ja bekannt dafür, die Filmfälle auch nach ermittlungstaktischen Kriterien ein wenig zu bearbeiten - heißt es wird nicht immer alles genau so dargestellt, wie es den vorhandenen Informationen entspricht und natürlich erst recht nicht in vollem Umfang. Insofern bekommen wir hier von den Ermittlern eine Geschichte vorgesetzt, die vielleicht so oder so ähnlich gewesen sein kann - mehr auch nicht.
Zu dem Fall gibt es tatsächlich im Netz sehr wenig zu finden und mir fallen dazu auch in erster Linie keine Antworten oder Ideen ein sondern nur Fragen.
Vor allem die nach der Vergangenheit des Joachim Szieleit. Hieß er überhaupt wirklich so? Wie kommt es, dass ein Mensch so blütenrein, wie "vom Himmel gefallen" lebt, keinerlei Spuren in irgendwelchen Ämtern hinterlassen hat bis zu seinem 32sten Lebensjahr?
Hatte er keine Eltern? Einen Geburtsort? Papiere?
Kann ich mir kaum vorstellen. Oder bin ich einfach nur zu naiv?

Nach der Wende gab es ja so einige arbeitslos gewordene MfS Mitarbeiter...War einer meiner ersten Gedanken. Er hat das ja schon recht professionell gemacht.

Ja, das war auch sofort meine erste Idee. Dass irgendwelche staatliche Organe hier amtliche Spuren gelöscht haben könnten. Dass hier von anderer Stelle eine (neue) Identität installiert wurde.
Und Anfang der neunziger liegt das ja nahe.

Bemerkenswert finde ich auch, dass man erst jetzt, nach so langer Zeit davon erfährt. Im Netz ist wirklich kaum was über den Fall zu finden.

Andererseits muss ich zugeben - ich kann nicht einschätzen wie einfach/schwierig es ist, quasi ohne amtliche Identität zu leben. Vielleicht gibt es das ja tatsächlich häufiger. Jemand zieht um, meldet sich am neuen Wohnort nicht an, stellt sich überall mit falschem Namen vor, erledigt alle Geldangelegenheiten mit Bargeld, arbeitet nicht regulär sondern "verdient" seine Brötchen im halbseidenen Millieu, hält sich bei Bekannten mit persönlichen Äußerungen zurück - und schon gibt es ihn praktisch offiziell nicht (mehr).

Die Frage ist nur - wozu all die Heimlichkeiten? Um keine Steuern zahlen zu müssen? Wofür lohnt sich ein solcher Aufwand?
Gab es keine Freundschaften/Frauen?

Die Wohnung lief auch auf einen anderen Namen. Er scheint es immer wieder geschafft zu haben, andere für sich einzuspannen.

Kronprinzessin schrieb:Die Frage ist nur - wozu all die Heimlichkeiten? Um keine Steuern zahlen zu müssen? Wofür lohnt sich ein solcher Aufwand?

Tja, das war auch meine Frage. Er scheint ja materiell total anspruchslos gewesen zu sein, wenigstens eine zwei Zimmer Wohnung wäre doch drin gewesen...Oder er war eben doch nur Geldwäscher für andere, und das Geld gehörte ihm gar nicht selbst.

Ach ja, welcher kleine Autohändler hat sich Anfang der 90ger ein Funktelefon geleistet?

Also, halten wir mal fest, ein besonders schickes Leben (tolle Wohnung, dickes Auto, schöne Frauen) hatte er ja scheinbar nicht.
Gut, vielleicht war es ein Mensch, der etwas eigen war. Dem seine Unabhängigkeit von allem und jedem über allen Luxus ging. Solls ja geben. In der Hinsicht wissen wir leider viel zu wenig darüber, was für ein Mensch er war.

Stimmt, das Funktelefon ist jetzt wieder ein Detail, das eher in Richtung unserer ersten Idee weist. Das war damals eher üblich für Manager, Ärzte (vielleicht) und Leute, die darauf angewiesen waren, zeitnah Informationen zu bekommen und darauf zu reagieren.

Mich würde interessieren, wer sich hinter dem Namen verbirgt, der als Mieter des Appartements auftritt.
Ist dieser Name zu identifizieren?

Nur mal am Rande: Das Polizeipräsidium ist noch nicht immer an der Stelle, also früher war da kein Präsidium. Weiß allerdings jetzt auch nicht wann das dort gebaut wurde.

Gerade nachgeschaut ab 2006 erst.

Ich hab mal auf die Schnelle im Archiv die ersten 2 Berichte in der hna aus 1993 angesehen, weil mich der Fall gestern auch sehr interessiert hat:
am 12.05.1993 erschien eine kleine Vermisstenanzeige mit Foto, aber schon am 25.05.1993 ein größerer Bericht, da man wohl recht schnell von einem Verbrechen ausging.
Erstaunlicherweise deckt sich dieser zweite, ausführliche Bericht aus 1993 mit der gestrigen Ausstrahlung der Sendung, was den Informationsgehalt anbelangt. AZ XY hat sich im Filmfall sehr an die damaligen Erkenntnisse gehalten. Mir kam es sogar fast so vor, als wäre der FF eine bildliche Kopie des Artikels vom 25.05.1993, als ich ihn eben gelesen habe.
Heute Abend werde ich die restlichen Artikel abrufen, es sind nicht sooo viele über die Jahre verteilt. Vielleicht finden sich darin noch Informationen, die wir bisher noch nicht kennen.

gana schrieb:Nur mal am Rande: Das Polizeipräsidium ist noch nicht immer an der Stelle, also früher war da kein Präsidium. Weiß allerdings jetzt auch nicht wann das dort gebaut wurde.

Danke für die Info, es wirkte eben komisch...

Ach ja, Herr Szieleit scheint offensichtlich keine Familie mehr gehabt zu haben, sonst hätte die ja seine Schuldforderungen geerbt (u.a. Schuldschein über 50 000 DM). Der Polizist meinte ja gestern, die Forderungen wären offengeblieben aber mittlerweile verjährt.

Thorox schrieb:Nicht gemeldet, keine Steuern
Er ist polizeilich nicht gemeldet und zahlt auch keine Steuern.

Ach das ist möglich? Interessant ... :-D

Falls der Vermisste nicht psychisch krank war muss es einen Grund für die Heimlichtuerei geben.
Einen Haftbefehl scheint er nicht offen gehabt zu haben, wovor hütete er sich dann so?

Kodama schrieb:Falls der Vermisste nicht psychisch krank war muss es einen Grund für die Heimlichtuerei geben.
Einen Haftbefehl scheint er nicht offen gehabt zu haben, wovor hütete er sich dann so?

Die Vermeidung von Steuern und die Umgehung gesetzlicher Regelungen zur Optimierung seiner Gewinne ist für mich ein völlig hinreichender Grund für dieses Schattendasein und das passt auch gut zu der Branche in der er tätig war. Übrigens widerspricht das nicht unbedingt seinen armseligen Lebensumständen - es gibt Menschen, für die Geldmehrung reiner Selbstzweck ist. Und er hat ja durchaus mit seinem Reichtum angegeben.

Um Steuern zu vermeiden, musste er aber doch keine Wohnung unter falschem Namen anmieten und dadurch eine andere Person noch einbeziehen die den Kopf hinhält....und dann noch DIESE Wohnung. Wenn es eh unter falschem Namen ist, hätte es doch etwas komfortabeleres sein können...Mir scheint dieser Fall über die üblichen Steuervermeidungstricksereien hinauszugehen.

Er nannte sich selbst "der Tote." Nicht "der Unsichtbare," "das Phantom," oder so etwas, sondern "der Tote." Er bezog sich dabei ziemlich sicher auf seine eigene Situation, denke ich, die Situation, dass er nicht offiziell existierte.

Aber ich finde die Wortwahl dabei ganz interessant: ein Toter war einmal ein Lebender. Er war einmal jemand. Ein Phantom dagegen existiert vielleicht gar nicht usw. Ich denke Ihr wisst, worauf ich hinaus will:

Ich finde, die Wortwahl deutet an, dass er einmal ein "anderes Leben" hatte, eines, für das er "gestorben" ist. Es wäre spannend, herauszufinden, wer er im "früheren Leben" einmal gewesen ist.

@Thorox

Thorox schrieb: Ach ja, Herr Szieleit scheint offensichtlich keine Familie mehr gehabt zu haben, sonst hätte die ja seine Schuldforderungen geerbt (u.a. Schuldschein über 50 000 DM).

Das ist so nicht ganz richtig.
Die Einkünfte des Herrn Szieleit sind nicht aus offizielle Tätigkeiten.
Im Todesfall fällt das Erbe an den Staat. Es wird dann immer vorausgesetzt das das
Geld aus einer Straftat erzielt wurde. Somit sind auch Steuern hinterzogen worden.
Schwupps, alles gehört dem Vater Staat.