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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

677 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Celle, Strafrecht ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

26.05.2023 um 22:49
Zitat von LentoLento schrieb:Und hier wird ein hohes Gut eines Rechtsstaates in Frage gestellt und das muss gut begründet sein.
Das IST gut begründet. Das OLG Celle hat in seiner Entscheidung, mit der es § 362 Nr. 5 StPO für vereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, alle wesentlichen Punkte behandelt einschließlich der verfassungshistorischen Aspekte, und sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 103 Abs. 3 GG eingehend auseinandergesetzt.

Ich finde nicht, dass hier in der Diskussion bisher von vermeintlichen oder wirklichen Rechtsexperten Substantielles vorgebracht worden wäre, was entscheidend gegen die Argumente des OLG spräche. Und ich bin ziemlich sicher, dass das Bundesverfassungsgericht sich eingehend mit dem Beschluss des OLG auseinandersetzen wird. Die dortige Argumentation ist nämlich wirklich gut und auf hohem juristischem Niveau.

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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

26.05.2023 um 22:50
Zitat von LentoLento schrieb:Dann wende Dich an die Mods., wenn Du meinst, es geht nur um den Fall Möhlmann. Das sehen hier die wenigsten Schreiber. Da bist Du fast der Einzige.
Also ich sehe das ähnlich wie @Freewing. Es geht um den Fall von Möhlmann und nicht um den von dir ins Gespräch gebrachten Fall Claudia Otto, in den sich nicht jeder jetzt einlesen möchte.


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27.05.2023 um 01:00
Zitat von AndanteAndante schrieb:Das IST gut begründet. Das OLG Celle hat in seiner Entscheidung, mit der es § 362 Nr. 5 StPO für vereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, alle wesentlichen Punkte behandelt einschließlich der verfassungshistorischen Aspekte, und sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 103 Abs. 3 GG eingehend auseinandergesetzt.
Nur weil Du glaubst, es sei gut begründet, muss es das nicht sein. Hier sind grundgesetzliche Dinge abzuwägen. Wenn das alles so einfach wäre, wie Du hier vorgibst, hätte das BVerfG „kurzen Prozess“ machen können und einfach darüber schon längst entscheiden können. In Wirklichkeit ist es eben nicht einfach und es hat daher erstmal Vertreter der verschiedenen Seiten gehört und wird nun darüber entscheiden.

Das OLG Celle hat trotz kritischer Stimmen – auch von Seiten des Bundespräsidenten – einfach sein Ding durchgezogen, ohne eine Anfrage beim BVerfG zu stellen. Die wäre Opportun gewesen, weil unter Rechtsexperten diese Frage so gegensätzlich diskutiert wird. Die Quittung hat es schon in gewisser Weise vom BVerfG erhalten, indem die U-Haft (vorläufig) aufgehoben wurde, da die Gefahr besteht, dass hier nicht mehr wieder rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen werden. Etwas mehr Eigenkritik hätte dem OLG schon recht gut gestanden.

Und für Dich mag das begründet sein, bestimmte Aspekte, die in der gestrigen BVerfG-Verhandlung von Rechtsprofessoren am Mittwoch vorgetragen wurden, finde ich im OLG-Schluss nicht wieder. Man kann daher auch sagen, dass das OLG nicht alle Seiten ausreichend betrachtet hat und damit die Begründung unvollständig ist.

Und da hilft es nicht, wenn einen OLG-Entscheidung auf „hohem juristischen Niveau“ ist, wenn bestimmte Aspekte nicht berücksichtigt wurden.

Das BVerfG wird sich nicht nur mit dem OLG-Beschluss beschäftigen sondern wird hauptsächlich die unterschiedlichen Sichtweisen der Rechtsexperten betrachten und dann abwägen. Ich denke, das BVerfG wird sich vom OLG nicht bevormunden lassen sondern seine eigene Entscheidung treffen.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

27.05.2023 um 01:23
Zitat von LentoLento schrieb:einfach sein Ding durchgezogen, ohne eine Anfrage beim BVerfG zu stellen. Die wäre Opportun gewesen, weil unter Rechtsexperten diese Frage so gegensätzlich diskutiert wird.
Nein, das Bundesverfassungsgericht ist vom Gesetz her nicht als Rechtsgutachter für andere Gerichte vor deren Entscheidung vorgesehen - und darf sich natürlich nicht vorzeitig aus dem Fenster hängen, wenn es in derselben Sache später noch angerufen werden könnte und dann zu entscheiden hätte. Die Richter des OLG Celle waren insoweit sehr wohl in der Lage, ihr Ding zu machen und sich ihre Meinung zu bilden, wie es halt jede Instanz immer für sich tut
Zitat von LentoLento schrieb:Und da hilft es nicht, wenn einen OLG-Entscheidung auf „hohem juristischen Niveau“ ist, wenn bestimmte Aspekte nicht berücksichtigt wurden.
Welche konkreten entscheidungserheblichen Aspekte wurden denn deiner Meinung nicht berücksichtigt?
Zitat von LentoLento schrieb:Ich denke, das BVerfG wird sich vom OLG nicht bevormunden lassen sondern seine eigene Entscheidung treffen.
Wie umgekehrt auch. Es geht auch nicht um bevormunden, sondern um Äbwägung aller entscheidungserheblichen Aspekte. Und die finde ich im OLG-Beschluss gelungen. Genau so gehe ich davon aus, dass das BVerfG ebenso gründlich nachdenken und abwägen wird. Das zeigt ja schon die Gliederung, die für die mündliche Verhandlung vorgegeben wurde.

Man muss das Ergebnis des Abwägungsprozesses des OLG nicht teilen, aber man kann auch nicht sagen, dass da nicht die Gliederungspunkte, die nun das BVerfG für seine mündliche Verhandlung veröffentlicht hat, nicht bereits angesprochen und abgearbeitet worden sind. Natürlich hat auch das OLG erkannt, was wesentlich ist, da sitzen ja keine schlechten Juristen.


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27.05.2023 um 01:39
Zitat von LentoLento schrieb:Die Quittung hat es schon in gewisser Weise vom BVerfG erhalten, indem die U-Haft (vorläufig) aufgehoben wurde, da die Gefahr besteht, dass hier nicht mehr wieder rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen werden.
Das war bekanntlich übrigens nicht die endgültige, also nicht die Hauptsacheentscheidung des BVerfG zur Vereinbarkeit von § 362 Nr. 5 StPO mit dem Grundgesetz, sondern eine Eilentscheidung, die im Hinblick auf Frage der Fortdauer der U-Haft während der Dauer des Verfahrens vor dem BVerfG zu treffen war. Und da hat man sich entschieden, für die Dauer dieses Verfahrens vor dem BVerfG, das voraussichtlich einige Zeit in Anspruch nehmen würde, weil man natürlich gründlich prüfen will, Ismet H. - unter allerhand Auflagen, was gerne übersehen wird - zunächst aus der U-Haft zu entlassen.

Ein Präjudiz für die Hauptsacheentscheidung ist das aber nicht, sondern das BVerfG hat schlicht entschieden, dass es es im vorliegenden Fall unverhältnismäßig wäre, Ismet H. so lange in U-Haft zu belassen, bis man irgendwann zur einer Hauptsacheentscheidung kommt.


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27.05.2023 um 02:17
Ein letztes noch zur Eilentscheidung: Für mich war das eine wahrhaft „salomonische Lösung“, die zudem dem BVerfG den benötigten großzügigen zeitlichen Rahmen für die Vorbereitung der Hauptsacheentscheidung verschafft hat.

Mit der vorläufigen Entlassung von H. aus der U-Haft hat man dem Umstand Rechnung getragen, dass dann, wenn die Hauptsacheentscheidung irgendwann auf die Verfassungswidrigkeit von § 362 Nr. 5 StPO hinausläuft, H. ohne Rechtsgrund monatelang, vielleicht länger in U-Haft gesessen hätte. Klar wäre das nicht wieder rückgängig zu machen gewesen, diese Gefahr wollte das BVerfG nicht eingehen.

Andererseits musste es für den Fall, dass die Hauptsacheentscheidung auf Vereinbarkeit von § 362 Nr. 5 StPO lautet, dann die erneuerte Hauptverhandlung vor dem LG Verden nicht gefährden. Sprich: es musste dafür sorgen, dass die erneuerte Hauptverhandlung nicht platzt, weil H. sich ihr, nach Entlassung aus der U-Haft, durch Flucht entzieht. Also hat es H. Auflagen aufgebrummt wie regelmäßige Meldepflichten, ich meine auch Passentzug, das Nähere ist im gerichtlichen Beschluss nachzulesen, was ich eingestandenermaßen zu dieser späten Stunde nicht mehr möchte.

Also: Das BVerfG hat für beide Richtungen vorgesorgt.. Die Hauptsacheentscheidung ist, jedenfalls nach meiner Meinung, damit nach wie vor völlig offen, anders als offenbar einige andere vermag ich bisher keine eindeutige Richtung zu erkennen, in die das Gericht tendiert.


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27.05.2023 um 04:26
Ich weiss ja nicht, ob hier überhaupt viele den Beschluss des OLG Celle gelesen und dann auch verstanden haben, aber ich denke ich kann bei dieser Frage hier @Andante zustimmen: das OLG hat sich mit der Problematik der nun allein im Raum stehenden Frage der Verfassungsmässigkeit der Neuregelung durchaus befasst. Dass es ausschliesslich der Argumentation der Bundesregierung und ihrer Unterstützer folgt ist eine andere Sache. Immerhin gesteht der Senat zu, dass die gegenteilige Meinung von sehr vielen Juristen in der Literatur vertreten wird. Insofern kann man fragen, ob das OLG in seinen Formulierungen nicht hätte vorsichtiger sein sollen, aber seine Aufgabe war nun einmal, eine Entscheidung zu treffen. Und das hat es getan.

Es hat zumindest auch die vorzubringenden Argumente für und gegen die Neuregelung angesprochen, auch wenn es meiner Meinung nach eben fälschlich abgewogen hat. Die Grundsatzfrage lässt sich eben konkretisieren und beschränken auf die Frage, ob sich die Neuregelung nur mit einem "Randbereich" des Art 103 GG befasst, oder dessen Kerngehalt angreift. Das OLG folgt der Argumentation, dass es sich nur um einen Randbereich handelt, der, so sieht das OLG das offensichtlich, eben nicht so schutzwürdig ist. Ich hoffe, dass das BVerfG hier deutlich machen wird, dass diese Auffassung falsch ist. Aber das wird man sehen.

Man wird auch sehen, dass die immer wieder mantraartige Argumentation, es handele sich ja nur um "aussergewöhnliche Einzelfälle" usw. durchsetzten wird, was freilich meiner Meinung nach tatsächlich eine traurige Aushöhlung eines Grundrechts wäre. Wenn nicht gerade in aussergewöhnlichen Fällen, wo soll sonst der Schutz eines Grundrechts besondere Geltung haben?

Um den Beschluss des OLG hier zu verlassen, fällt mir auf, dass man vor einigen Jahren einmal eine ähnliche Argumentation benutzte, nämlich dass in aussergewöhnlichen Einzelfällen schwerster Straftaten wie der Entführung und möglichen Ermordung eines Kindes, auch mal foltermässige "Befragung von Verdächtigen" zulässig sein sollte. Auch dafür gab es durchaus Befürworter, in der Öffentlichkeit sowieso, aber auch unter Juristen. Allerdings wurde diese Diskussion dann irgendwann deutlich abgestellt, ebenfalls mit der klaren Aussage, dass gerade in "aussergewöhnlichen Einzelfällen" die Wirkung eines Grundrechtschutzes seine Bedeutung erhält.

Und darum allein geht es beim anhängenden Verfahren vor dem BVerfG.

Um abschliessend aber noch einmal zum Fall Möhlmann und dem OLG zurückzukommen: in den anderen Punkten in der Entscheidung des OLG, in der es um den konkreten Fall an sich geht, stimme ich der Argumentation des OLG voll und ganz zu und halte die Argumentation der Verteidigung für abstrus.

Und das ist leider eben auch das gewisse Dilemma in diesem Fall: die allermeisten werden wohl zustimmen, dass in diesem konkreten Fall der Tatverdächtige I.H. nicht nur aus guten Gründen tatverdächtig ist, sondern, bei erwiesener Schuld, auch auf jeden Fall die härteste Strafe des deutschen Strafrechts verdienen würde.

Nur dass man dafür ein Grundrecht aushöhlt, das geht eben aus meiner Sicht nicht.

Ein hochinteressanter Fall, der nicht nur die Fachwelt interessieren sollte. Das BVerfG hat die Gelegenheit, hier wirklich ein Stück Rechtsgeschichte zu schreiben.


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27.05.2023 um 08:17
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:traurige Aushöhlung eines Grundrechts
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Nur dass man dafür ein Grundrecht aushöhlt, das geht eben aus meiner Sicht nicht.
Man höhlt es mit der Nr. 5 ja nicht aus. Das Grundrecht ist das Verbot der Doppelbestrafung. Bestraft wurde der mutmaßliche Täter aber ja noch nie. Er wurde freigesprochen.

Mit der durch die Novelle erlaubten nochmaligen Verfolgung der Straftat wird nur der Randbereich des Grundrechts betroffen, nämlich der Rechtsfrieden.

Dieser wiederum ist in solchen Fällen für die Angehörigen selten zu akzeptieren, wenn der mutmaßliche Täter, gegen den gravierende Beweise sprachen, freigesprochen wurde und es keinen anderen Tatverdächtigen gibt. Der Mord ist ungeklärt und ungesühnt. Die Angehörigen können damit oft nicht abschließen und bekämen mit der Nr. 5 das beruhigende Gefühl, dass es vielleicht in der Zukunft doch noch eine Möglichkeit gibt, den Täter, der ihnen im Prozess die lange Nase gezeigt hat, zu überführen. Der wahre Täter muss ebenfalls bangen, doch noch bestraft zu werden, ob es sich dabei nun um den Freigesprochenen handelt oder einen bisher Unbekannten.

Die Angst des Unschuldigen, zu Unrecht angeklagt zu werden, ist, wie hier richtig angemerkt wurde, objektiv unbegründet. Sie ist beim ersten Mal unbegründet und beim zweiten Mal ebenfalls. Ähnlich irrational könnte man argumentieren, dass der Freigesprochene weniger Angst vor Lynchjustiz durch Privatpersonen haben wird, wenn Angehörige auf den Staat und neue Beweise vertrauen können. Bei Verweisen auf "die Angst der Unschuldigen" und "mehrmaligem durch die Hölle gehen" verliert sich die Diskussion in wenig realistischen, polemischen Eventualitäten. § 362 Nr. 5 StPO betrifft nach vernünftigen Maßstäben nur die entwischten Täter, die keinen Vertrauensschutz mehr genießen, solche Fälle wie Frederike von Möhlmann und ihren mutmaßlichen Mörder, Ismet H.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

27.05.2023 um 09:19
@Palio
Zitat von PalioPalio schrieb:362 Nr. 5 StPO betrifft nach vernünftigen Maßstäben nur die entwischten Täter, die keinen Vertrauensschutz mehr genießen
Also ob das zutrifft, dass es nach „vernünftigen Maßstäben“ nur entwischte Täter betrifft, mag dahin gestellt sein, ich habe hier schon die Sache mit der Kontamination gebracht, die kann durchaus fehlgedeutet werden und die Wahrscheinlichkeit für solche Kontaminationen gerade bei alten Fällen ist nicht ganz gering.

Aber hier geht es nicht nur um objektive Maßstäbe. Ein Unschuldiger, der freigesprochen wurde, hat einen ganz anderen Erfahrungshorizont als Du und ich. Der hat etwas erleben müssen, was er sich hat niemals träumen lassen. Seine subjektive Einschätzung wird dann eine ganz andere sein. Die Rechtssicherheit hat bisher dafür gesorgt, dass er sich mit diesem Gedanken nicht mehr befassen muss.

Und mit Deiner Argumentation könnte man die Rechtssicherheit auch komplett einseitig abschaffen, es müssten sich ja nur die wirklichen Täter Angst haben. Der nächste Schritt wäre dann der, ob man dann noch überhaupt Gerichte benötigt. Denn die gleiche Argumentation könnte man auch bzgl. Ermittlungen machen, unter Verdacht geraten doch nur die wirklichen Täter.


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27.05.2023 um 09:52
Ein "Oje-überall-Justizirrtümer-Blick" vernebelt natürlich den Blick auf die Realität.

Die Angst des Unschuldigen, zu Unrecht wegen Mordes angeklagt zu werden, ist objektiv um ein Vielfaches unbegründeter als die Angst mit einem Passagierflugzeug abzustürzen, vom Blitz getroffen zu werden oder bei einem Attentat im Zug erstochen zu werden und daher je nach Ausprägung eher dem krankhaften Spektrum zuzuordnen. Solche irrationalen Ängste können behandelt werden, haben aber wenig mit der Gesetzesnovelle zu tun, um die es hier geht.


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27.05.2023 um 10:44
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Wenn nicht gerade in aussergewöhnlichen Fällen, wo soll sonst der Schutz eines Grundrechts besondere Geltung haben?
@Rick_Blaine
Wie kommst du dann darauf? Gerade in aussergewöhnlichen Fällen wird der Schutz eines Grundrechts eingeschränkt.


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27.05.2023 um 11:06
Zitat von PalioPalio schrieb:Die Angst des Unschuldigen, zu Unrecht wegen Mordes angeklagt zu werden, ist objektiv um ein Vielfaches unbegründeter als die Angst mit einem Passagierflugzeug abzustürzen, vom Blitz getroffen zu werden oder bei einem Attentat im Zug erstochen zu werden und daher je nach Ausprägung eher dem krankhaften Spektrum zuzuordnen. Solche irrationalen Ängste können behandelt werden, haben aber wenig mit der Gesetzesnovelle zu tun, um die es hier geht.
Dahinter steckt ein massiver Denkfehler. Um die Personen, welche es hier geht, sind schon angeklagt worden. Und davon sind sicher auch ein größerer Anteil unschuldig.

Du darfst nicht vergessen, der Wahrscheinklichkeit ist auch nur so gering, weil die wenigsten überhaupt in einen solchen Fall verwickelt werden. Selbst wenn jeder Verurteilte Mörder unschuldig wäre, würde immer nioch wenig Unschuldige Angst haben müssen.

Ob das mit der Wahrscheinlichkeit Dein Vergleich mit dem Blitzschlag überhaupt zutreffend ist, müsste man die prozentuale Größe der Fehlurteile wissen. Wenn Du solche Vergleiche anstellst, müsstest Du sie also kennen. Aber die kennt niemand., es gibt dazu haufenweise Spekulationen, die von 0,1 bid 25% reichen.


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27.05.2023 um 11:14
Zitat von LentoLento schrieb:ich habe hier schon die Sache mit der Kontamination gebracht, die kann durchaus fehlgedeutet werden
Bitte nenne doch einmal einen einzigen Fall, in dem ein Unschuldiger und deshalb verurteilt wurde, weil sich das Gericht allein auf kontaminierte DNA gestützt hat.

Es ist doch allgemein bekannt, dass allein DNA-Spuren nicht ausreichen, um jemanden zu überführen. Wie erwähnt kann die DNA des Betreffenden auch bei anderer Gelegenheit auf die Leiche oder Asservate gekommen sein. Das muss geklärt werden, und es müssen weitere Beweise hinzutreten, um zur Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu kommen.

Bei den Fällen, in denen mal kontaminierte DNA vorkam, wurde das regelmäßig im Ermittlungsstadium schon festgestellt, siehe Böhnhardt-Spur im Fall Peggy Knobloch, Heilbronner Phantom, Schraube in den Fällen Herrmann/Böhringer. und bei jemandem, bei dem die Beweislage im ersten Verfahren nicht ausreichend war, damit er verurteilt wurde, wird gewiss eine einzige DNA Spur, bei der nicht geklärt ist, ob sie kontaminiert ist, ganz gewiss nicht ausreichend sein, um einen WA-Antrag durchzubringen, erst recht nicht, um diesmal zu einer Verurteilung zu kommen. Das sind meiner Meinung nach Popanze, die aufgebaut werden, ohne einen realistischen Hintergrund zu haben.


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27.05.2023 um 11:23
Zitat von LentoLento schrieb:Wenn Du solche Vergleiche anstellst, müsstest Du sie also kennen. Aber die kennt niemand., es gibt dazu haufenweise Spekulationen, die von 0,1 bid 25% reichen.
Nimmst du nur die Fälle, in denen ein Unschuldiger verurteilt wurde?

Oder nimmst du auch die Fälle dazu, in denen ein Schuldiger aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde, was im materiellen Sinn auch ein Fehlurteil ist? Wenn du das tust, dürfte die Anzahl der Fehlurteile in der Tat ziemlich hoch sein….


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27.05.2023 um 11:46
Man kann es auch auf eine ganz einfache Frage herunterbrechen. Was ist für die Gesellschaft wichtiger: Der Rechtsfrieden für einen freigesprochenen Mörder wie im Fall F. von Möhlmann oder der Schutz der Gesellschaft vor einem freigesprochenen Mörder?


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27.05.2023 um 12:09
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Um den Beschluss des OLG hier zu verlassen, fällt mir auf, dass man vor einigen Jahren einmal eine ähnliche Argumentation benutzte, nämlich dass in aussergewöhnlichen Einzelfällen schwerster Straftaten wie der Entführung und möglichen Ermordung eines Kindes, auch mal foltermässige "Befragung von Verdächtigen" zulässig sein sollte. Auch dafür gab es durchaus Befürworter, in der Öffentlichkeit sowieso, aber auch unter Juristen
Wobei man hier sagen muss, dass die sonst oft geschmähte StA damals keine solche Befürworterin war, sondern Daschner wegen Nötigung im Amt angeklagt hat, weswegen er schlussendlich auch verurteilt, als strafmildernd aber berücksichtigt wurde, dass er sich in einer geradezu ausweglosen Zwangslage befunden und selbst den Vermerk über sein Handeln angefertigt hatte, was die Tataufklärung wesentlich erleichtert hatte.

Ich erinnere mich aber, dass damals die Diskussion mit großem Ernst geführt wurde und jede Seite auch gute Argumente für ihre Auffassung bringen konnte. Letztlich hat sich im Fall Daschner/Metzler der Rechtsstaat entschieden, persönlich habe ich gegen das Ergebnis nichts einzuwenden. Und im Fall Möhlmann glaube ich auch, dass die Abwägung des Bundesverfassungsgerichts, wie immer sie ausfällt, sehr sorgfältig und gut begründet sein wird.


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27.05.2023 um 14:33
Ich habe noch mal genau nachgesehen: Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Eilverfahren am 14. Juli 2022 (2 BvR 900/22) entschieden (Regelung im Dezember 2022 verlängert):
Der Vollzug des Haftbefehls des Landgerichts Verden vom 25. Februar 2022 - 1 Ks 148 Js 1066/22 (102/22) - wird unter der Bedingung ausgesetzt, dass der Beschwerdeführer vorhandene Ausweispapiere (Personalausweis und Reisepass) zu den Akten des Landgerichts gibt.

Der Beschwerdeführer wird angewiesen, sich zweimal wöchentlich bei der von der Staatsanwaltschaft Verden (Aller) zu bestimmenden Dienststelle nach näherer zeitlicher Festlegung durch diese zu melden.

Der Beschwerdeführer darf das Gebiet der Stadt (…) nicht ohne Erlaubnis der Staatsanwaltschaft verlassen.
Also: Keine U-Haft mehr, aber ganz erhebliche Auflagen, vor allem die letzte.


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28.05.2023 um 10:49
@Aringarosa

Du hast noch eine dritte Option ausgelassen: den Anspruch der Gesellschaft auf Gerechtigkeit. Mir ist ganz eindeutig die Gerechtigkeit wichtiger als irgendein abstrakter Rechtsfrieden (deshalb goutiere ich auch z. B. die Verjährung von Totschlag nicht). Ein ganz klar Schuldiger sollte sich nicht im sogenannten "Rechtsfrieden" ausruhen dürfen. Das Damoklesschwert der Wiederaufnahme hängt über ihm, und das ist gut so. Zumindest hoffe ich, dass das Bundesverfassungsgericht das so sieht.
Im Übrigen steht im Grundgesetz:
Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.
Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html

Der Betreffende wurde ja noch nicht bestraft, also greift dieser Artikel im engeren Sinne gar nicht.


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20.06.2023 um 19:27
Noch keine Entscheidung des BVerfG zu der Wiederaufnahmefrage selber.
Zitat von AndanteAndante schrieb am 27.05.2023:Also: Keine U-Haft mehr, aber ganz erhebliche Auflagen, vor allem die letzte.
Diese Auflagen sind mit der Verlängerung des Aussetzens der U-Haft mit Beschluss vom 16. Juni 2023 wegen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nun aufgehoben worden.
Die mit Beschluss vom 14. Juli 2022 vom Senat erlassene und durch Beschluss vom 20. Dezember 2022 wiederholte einstweilige Anordnung war danach unter Maßgabe der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderungen zu wiederholen. Sie erweist sich im Hinblick auf die ausgesprochene Bedingung und die dem Beschwerdeführer auferlegten Weisungen nicht mehr als verhältnismäßig. Der Beschwerdeführer ist den angeordneten Maßnahmen seit knapp einem Jahr beanstandungsfrei nachgekommen. Vor diesem Hintergrund ist das verbleibende Risiko, dass er sich einer etwaigen Strafverfolgung gleichwohl entzieht, nunmehr hinnehmbar.
Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/06/rs20230616_2bvr090022.html;jsessionid=24B59D7DADFF673EBA1F19171E6046D0.internet001


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20.06.2023 um 19:33
@Lento

Was bedeutet das für die Hauptsache? Wird dadurch die Hauptentscheidung in der Tendenz "vorweggenommen"? Oder ist das eher so üblich in so einem Fall?


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