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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

677 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Celle, Strafrecht ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

20.06.2023 um 20:33
Zitat von peterleepeterlee schrieb:Was bedeutet das für die Hauptsache? Wird dadurch die Hauptentscheidung in der Tendenz "vorweggenommen"? Oder ist das eher so üblich in so einem Fall?
Ich würde da nicht zuviel hineininterpretieren. Man darf nicht vergessen, es sind Einschränkungen. Sie können nicht - wie z.B. U-Haft - angerechnet werden, es wäre einfach etwas zusätzliches. Bei der Strafe kann man das nicht berücksichtigen, denn bei Mord ist hier kein Spielraum möglich, die Strafe wäre immer lebenslänglich. Und daher kann man das einfach nicht endlos fortsetzen. Natürlich könnte sich mehr hinter diesem Beschluss verbergen, er müsste nun sogar ins Ausland reisen können. Aber er hat nun auch hier eine Familie. Das ist eine der vielen Abwägungen durch Gerichte, in die man einfach keinen ausreichenden Einblick hat.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

21.06.2023 um 05:22
Zitat von peterleepeterlee schrieb:Was bedeutet das für die Hauptsache? Wird dadurch die Hauptentscheidung in der Tendenz "vorweggenommen"? Oder ist das eher so üblich in so einem Fall?
Das Problem ist, es handelt sich hier um keinen oft vorkommenden "typischen" Fall sondern um Neuland. Allerdings stimme ich @Lento zu, dass man nicht zuviel in diese Entscheidung hineininterpretieren darf, dann schon eher in die frühere, welche den U-Haftbeschluss aufhob. Aber die meisten Verfassungsrichter würden sich wohl dagegen wehren, wenn man behauptete man könne eine Tendenz für das Hauptsacheverfahren entdecken. Selbst wenn es so wäre.


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23.06.2023 um 12:45
Es gäbe noch einen weiteren öffentlich bekannt gewordenen Fall, für den die Neuregelung des § 362 Nr. 5 StPO und ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung einschlägig wäre, wäre nicht der mutmaßliche Täter 2009 verstorben: Den Fall der 1993 ermordeten Andrea Butzelar. Ein Tatverdächtiger wurde 1997 freigesprochen, weil nach Ansicht des Gerichts die Beweislage für eine Schuldspruch nicht ausreichte. 2006 fanden sich nach einer erneuten Untersuchung aller Asservate ihn belastende DNA-Spuren. Danach diskutierte man aufgrund dieses Falles, aber natürlich auch wegen des Falles Möhlmann, auf politischer Ebene über eine Gesetzesänderung, bekanntlich passierte aber zunächst nichts.

https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/dna-beweis-alles-was-recht-ist-3854263.html
https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/62127258


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23.06.2023 um 20:58
@Andante

Passierte nichts kann man so nicht sagen, möglciherweise war das auch berechtigt, dass keine Gesetzesänderung erfolgte. Das Thema wurde schon lange sehr kontrovers diskuiert - auch schon früher - und hatte lange nicht eine parlamentarische Mehrheit.

Hier ein Artikel, des sich auf einen andern Fall von 2006 bezog.

https://www.zis-online.com/dat/artikel/2010_2_411.pdf

Ja, es gibt vereinzelt Fälle, die auch schon in frühren Zeiten zu Diskussionen führten. Aber durch Möhlmann gab es dann natürlich auch einen höheren Druck auf die Politiker. Ob dem dann vieleicht doch zu leicht nachgegeben wurde, wird uns das BVerfG sagen.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

23.06.2023 um 21:06
PS:
Ich bin mir nicht sicher, vielleicht bezieht sich der Artikel auch schon auf den Fall Andrea Butzelar, der Fall wird dort nicht namentlich genannt. Von den Daten könnte es passen, aber dieser Artikel beschreibt etwas mehr auch die Historie und die Gründe.

Dort wird auch schon gesagt:
Zu erwarten ist jedoch, dass sich der Gesetzgeber – insbesondere unter der neuen Regierungskonstellation – künftig erneut mit diesem oder einem ähnlichen Vorschlag wird befassen müssen, wenn ein ähnlich gelagerter Fall wie der oben beschriebene die Öffentlichkeit beschäftigt.
Quelle: https://www.zis-online.com/dat/artikel/2010_2_411.pdf


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23.06.2023 um 22:37
@Lento

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Gesetzgeber, sprich der Bundestag, damals im Fall Butzelar geradezu erleichtert aufgeatmet hat, dass er sich nicht weiter kümmern bzw. entscheiden musste, da der mutmaßliche Täter 2009 verstorben war und gegen Tote nicht ermittelt wird. Aber wie es im Leben oft so ist: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Und dann kam er tatsächlich, der Vater Möhlmann, und ließ keine Ruhe mit dem erwartbaren Ergebnis, dass wir nun, wo sich der Gesetzgeber entschieden hat, vor dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts stehen.


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24.06.2023 um 00:24
Zitat von LentoLento schrieb:Hier ein Artikel, des sich auf einen andern Fall von 2006 bezog.

https://www.zis-online.com/dat/artikel/2010_2_411.pdf
Danke, der Artikel fasst sauber die bestehenden juristischen Argumente gegen die Neuregelung zusammen. Offensichtlich ist die Diskussion also weitaus älter als das Lex Möhlmann.

Es ist nachvollziehbar, dass die Politik Verfassungsgrundsätze über den Haufen werfen wollte, aber entscheidend wird sein, ob das BVerfG sich selbst treu bleibt oder nicht. Man wird sehen.

Interessant ist aber in diesem Artikel ein Punkt, den ich persönlich schpn länger als potentielles Schlupfloch für das Gericht betrachte, und der bisher in der Diskussion unter dem Radar geblieben ist: die Frage der Rückwirkung. Der Autor macht hier eine interessante Beobachtung, dass, wenn die Rückwirkung ausgeschlossen würde -was ebenfalls aus grundrechtlichen Überlegungen naheliegend ist, - das Gericht aber für zukünftige Fälle das Tor öffnen würde, die Anwendbarkeit der neuen Regeln auf zukünftige Fälle wegen fehlender Neuheit der hier zentralen DNA Frage gar nicht wahrscheinlich ist. Mit anderen Worten: das Gericht könnte damit eine politisch genehme Regelung finden, die dennoch mehr oder weniger den bisherigen Rechtsfrieden aufrecht erhält.

Ob das redlich ist, ist eine andere Frage, aber interessant wird das sein. Im Artikel auf Seite 130 unter 3c) angesprochen.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

24.06.2023 um 00:48
Würde ich jetzt nicht unbedingt so sehen. Die Wissenschaft schreitet bekanntlich in allen Bereichen fort, und was vor 10 Jahren noch unvorstellbar bzw. unmöglich erschien, kann heute möglich sein. Und so war es ja auch bei den DNA-Analysen. Heutzutage reicht immer weniger oder noch so verrottetes oder beschädigtes Material, um daraus Schlüsse zu ziehen.

Ich verweise dazu auf das überaus lesenswerte Buch „Die Neandertaler und wir“ des Nobelpreisträgers 2022 für Medizin Svante Pääbo,

https://www.spektrum.de/news/svante-paeaebo-der-genetiker-der-den-neandertaler-in-uns-fand/2063172

der die jahrzehntelange Bemühungen und den schließlichen Erfolg um Entschlüsselung des Neandertaler-Gens am Fortschritt der entsprechenden technischen Möglichkeiten anschaulich geschildert hat. Diese Fortschritte kommen jeweils natürlich auch der Kriminaltechnik zugute.


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24.06.2023 um 01:13
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Mit anderen Worten: das Gericht könnte damit eine politisch genehme Regelung finden, die dennoch mehr oder weniger den bisherigen Rechtsfrieden aufrecht erhält.
Ich sehe hier das Pferd von hinten aufgezäumt.

Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, eine politisch genehme Regelung zu finden. Nimmt man, wie ich, die Gewaltenteilung ernst, ist es zunächst Aufgabe des vom Volk gewählten Gesetzgebers, eine für Gerichte eindeutige und handhabbare gesetzliche Regelung zu schaffen. Leider passiert das immer weniger. Der damalige Präsident des Budesverfassungsgerichts Ernst Benda sprach schon von einer „abnehmenden Normqualität“.


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24.06.2023 um 01:21
Zitat von AndanteAndante schrieb:Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, eine politisch genehme Regelung zu finden. Nimmt man, wie ich, die Gewaltenteilung ernst, ist es zunächst Aufgabe des vom Volk gewählten Gesetzgebers, eine für Gerichte eindeutige und handhabbare gesetzliche Regelung zu schaffen.
Ja, so kann man es in jedem Schulbuch nachlesen. Aber das echte Leben zeigt uns, dass die Welt nicht so ideal ist, wie man sie in solchen Büchern findet.

Benda kann man nur zustimmen. Ich hoffe, das Gericht wird hier ebenfalls feststellen, dass dieses Gesetz untauglich ist.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

24.06.2023 um 01:39
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Ja, so kann man es in jedem Schulbuch nachlesen. Aber das echte Leben zeigt uns, dass die Welt nicht so ideal ist, wie man sie in solchen Büchern findet.
Es funktioniert aber hierzulande doch noch meistens mit der Gewaltenteilung. Nimm die kürzlich bekanntgewordene Entscheidung des BVerfG zur Vergütung der Arbeit von Gefangenen in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Das Gericht hat nur festgestellt, dass die dort bestehenden Regelungen verfassungswidrig sind. Es hat den Landtagen aber keine ins einzelne gehende Vorgaben gemacht, geschweige denn gleich formuliert, wie künftige Regelungen auszusehen haben, weil die diesbezügliche Ausgestaltung eben Sache der gewählten Volksvertreter ist

https://www.zeit.de/news/2023-06/20/niedrige-loehne-fuer-gefangene-beanstandet-verfassungswidrig?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F

Um auf § 362 Nr. 5 StPO zurückzukommen: Das BVerfG wird lediglich entscheiden, ob die bestehende gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist. Es wird dem Gesetzgeber aber nicht vorschreiben bzw. ihm helfen, eine Regelung zu finden, die verfassungsgemäß wäre. Natürlich wird es für den Fall der Verfassungswidrigkeit der Regelung in den Entscheidungsgründen anführen, warum es es hierfür Gründe gesehen hat, und der Gesetzgeber kann seine Neuentscheidung dann daran orientieren. Aber wie eine Neuregelung für den Fall des Falles dann konkret Falles auszusehen hätte, kann - und will - das BVerfG dem Gesetzgeber nicht vorschreiben. Und das ist auch gut so, da das BVerfG kein Ersatzgesetzgeber ist.


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24.06.2023 um 05:29
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Andante schrieb:
Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, eine politisch genehme Regelung zu finden. Nimmt man, wie ich, die Gewaltenteilung ernst, ist es zunächst Aufgabe des vom Volk gewählten Gesetzgebers, eine für Gerichte eindeutige und handhabbare gesetzliche Regelung zu schaffen.

Ja, so kann man es in jedem Schulbuch nachlesen. Aber das echte Leben zeigt uns, dass die Welt nicht so ideal ist, wie man sie in solchen Büchern findet.
@Rick_Blaine
Ich finde, du hast zu Recht darauf hingewiesen, dass in vielen Fällen die Qualität des Gesetzestexts zu wünschen übrig lässt. Insoweit richtet sich deine Kritik ("Aber das echte Leben zeigt uns ...") an den Gesetzgeber.

Meiner Meinung nach spielt aber auch das BVerfG in manchen Fällen eine unrühmliche Rolle, und zwar dadurch, dass es sehr wohl auf die "politische Genehmheit" seiner Entscheidungen achtet, also darauf, dass seine Entscheidungen nicht den Bestrebungen des Gesetzgebers (ja, ich möchte sogar sagen: der aktuellen Regierung) zuwiderläuft.

Diese Behauptung mag manchem ungeheuerlich erscheinen, da damit das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt wäre, also an Grundfesten des Rechtsstaats gerüttelt wird. Ich will deshalb 3 Beispiele anführen, bei denen meiner Meinung nach genau dies passiert ist:

1. Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands wurde gesetzgeberisch festgelegt, dass bis zu einem bestimmten Datum erfolgte Enteignungen durch die sowjetische Besatzung rechtskräftig zu bleiben hätten. Laut dem Exkanzler Kohl war dies angeblich eine Bedingung von Gorbatschow. Das BVerfG hat diese Regelung für verfassungskonform erklärt.

2. Im Zuge der "Euro-Krise" wurde eine System aus Geldtöpfen und Finanzierungsverpflichtungen gegenüber der EZB geschaffen, das meiner Meinung nach klar die Budget-Hoheit des Parlaments in unzulässiger Weise einschränkt, vom BVerfG aber (mit ein paar Einschränkungen) für gut befunden wurde.

3. Wir haben in Deutschland die Praxis, dass Mitglieder der Regierung normalerweise auf der Regierungsbank im Parlament sitzen, bei Abstimmungen aber auf den Sitzen der Abgeordneten Platz nehmen, um dann in ihrer Funktion als Abgeordnete munter über Gesetzestexte abzustimmen, die als Regierungsmitglieder selbst vorlegen. Eine Gewaltenteilung kann ich hier nicht mehr erkennen. Diese Praxis hat das BVerfG für rechtskonform erklärt, und zwar im Zusammenhang mit Fragen der Entlohnung von Funktionsträgern im Parlament. Die Begründung dafür war, dass - salopp formuliert - eine strikte Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative antiquiert sei und die Gewaltenteilung im modernen parlamentarischen Betrieb durch das Sich-Gegenüberstehen von Regierungsparteien und der Opposition gewährleistet wäre.

Fundstellen dazu liefere ich auf Wunsch nach, es sich hier um allgemein bekannte Sachverhalte handelt, habe ich vorerst auf ihre Nennung verzichtet.


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24.06.2023 um 07:16
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb:Meiner Meinung nach spielt aber auch das BVerfG in manchen Fällen eine unrühmliche Rolle, und zwar dadurch, dass es sehr wohl auf die "politische Genehmheit" seiner Entscheidungen achtet, also darauf, dass seine Entscheidungen nicht den Bestrebungen des Gesetzgebers (ja, ich möchte sogar sagen: der aktuellen Regierung) zuwiderläuft.

Diese Behauptung mag manchem ungeheuerlich erscheinen, da damit das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt wäre, also an Grundfesten des Rechtsstaats gerüttelt wird. Ich will deshalb 3 Beispiele anführen, bei denen meiner Meinung nach genau dies passiert ist:
Du hast völlig Recht. Man darf zweierlei nicht vergessen: Richter sind immer dem Vorwurf ausgesetzt, den Willen der "Mehrheit, des Volkes oder was auch immer" nicht gebührend zu beachten, wenn sie auf Gesetze und noch mehr auf Grundrechte pochen. Das war so und ist immer so. In der Regel geben sie solchem Druck nicht nach, aber sie sind auch nur Menschen.

Die Richter am BVerfG sind aber nicht nur Menschen, sondern sehr oft ehemalige Politiker. Und manchen fällt es schwer, ihre frühere Loyalität und vor allem ihre frühere politische Meinung nun an den Nagel zu hängen. Das sollte man nicht vergessen, auch wenn hier immer wieder Gerichte und Richter als heilige und unfehlbare Institutionen angesehen werden.

In seiner recht kurzen Geschichte hat das deutsche Bundesverfassungsgericht durchaus gute Arbeit geleistet, aber absolut unfehlbar ist auch dieses nicht. Man wird sehen.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

24.06.2023 um 08:00
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Du hast völlig Recht. Man darf zweierlei nicht vergessen: Richter sind immer dem Vorwurf ausgesetzt, den Willen der "Mehrheit, des Volkes oder was auch immer" nicht gebührend zu beachten, wenn sie auf Gesetze und noch mehr auf Grundrechte pochen.
Das Bundesverfassungsgericht muss aber nun mal, das ist sein Job, die Vereinbarkeit von Gesetzen mit dem Grundgesetz prüfen. Also misst es das betreffende Gesetz, wie eben jetzt § 362 Nr. 5 StPO (ausschließlich) am Grundgesetz.

Für die anderen Gerichte sind , so steht es auch im Grundgesetz, die einfachgesetzlichen Regelungen maßgebend und bindend. Richter müssen Gesetze anwenden auch wenn sie sie persönlich für kontraproduktiv oder nicht zielführend oder politisch falsch halten . Nur wenn sie ein Gesetz für verfassungswidrig halten, müssen sie es dem betreffenden Landes- oder dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. So jedenfalls die Gewaltenteilung. Dass Gerichte bei der Gesetzesanwendung Fehler machen können, ist unbestritten. Worauf ich hinauswollte, ist, dass sie kein eigenes, privates Recht machen (dürfen).

Speziell beim BVerfG ist kraft Aufgabe es natürlich so, dass es näher an der Politik ist als jedes andere Gericht, weil es eben der Politik die von dieser gemachten Gesetze entweder direkt bestätigt oder sie aber „kaputtmacht“. Es kann ja jeder seine eigene Meinung, wie auch zu den politischen Entscheidungen selber, haben, ob das BVerfG da manchmal übers Ziel hinausschießt.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Die Richter am BVerfG sind aber nicht nur Menschen, sondern sehr oft ehemalige Politiker. Und manchen fällt es schwer, ihre frühere Loyalität und vor allem ihre frühere politische Meinung nun an den Nagel zu hängen. Das sollte man nicht vergessen, auch wenn hier immer wieder Gerichte und Richter als heilige und unfehlbare Institutionen angesehen werden.
Es werden auch mal aus Richtern Anwälte, auch Strafverteidiger, aus Anwälten werden Staatsanwälte und umgekehrt. Ich denke nicht, dass man da in vielen Fällen die Arbeit beeinträchtigende Loyalitäten zu den alten Tätigkeiten ausmachen kann. Verständnis für die jeweiligen internen Abläufe und Schwierigkeiten, die andere nicht kennen, sind dann natürlich da, aber würde ein Strafverteidiger, der früher Richter war, unbedingt geneigt, insgeheim weiter als Richter zu denken?


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

24.06.2023 um 08:24
Zitat von AndanteAndante schrieb:Für die anderen Gerichte sind , so steht es auch im Grundgesetz, die einfachgesetzlichen Regelungen maßgebend und bindend. Richter müssen Gesetze anwenden auch wenn sie sie persönlich für kontraproduktiv oder nicht zielführend oder politisch falsch halten . Nur wenn sie ein Gesetz für verfassungswidrig halten, müssen sie es dem betreffenden Landes- oder dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. So jedenfalls die Gewaltenteilung. Dass Gerichte bei der Gesetzesanwendung Fehler machen können, ist unbestritten. Worauf ich hinauswollte, ist, dass sie kein eigenes, privates Recht machen (dürfen).
Das ist eine Binsenweisheit. Niemand sagt hier, dass irgendwelche Richter ihr privates Recht machen.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Es werden auch mal aus Richtern Anwälte, auch Strafverteidiger, aus Anwälten werden Staatsanwälte und umgekehrt. Ich denke nicht, dass man da in vielen Fällen die Arbeit beeinträchtigende Loyalitäten zu den alten Tätigkeiten ausmachen kann. Verständnis für die jeweiligen internen Abläufe und Schwierigkeiten, die andere nicht kennen, sind dann natürlich da, aber würde ein Strafverteidiger, der früher Richter war, unbedingt geneigt, insgeheim weiter als Richter zu denken?
Na ja, dann frag mal Praktiker, die jahrzehntelang vor Gerichten praktiziert haben. Auch hier ist es freilich nicht so, dass ein Richter, der früher einmal Staatsanwalt war, nun automatisch immer für die Anklage entscheiden würde. Das zu behaupten wäre Unsinn. Aber man kann durchaus manchmal feststellen, aus welcher Erfahrung ihr Denken kommt. Und das gilt genauso für politische Traditionen.

Aber all das ist nun akademisch. Man wird sehen, was das Gericht zum vorliegenden Fall sagen wird.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

24.06.2023 um 10:16
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Man wird sehen, was das Gericht zum vorliegenden Fall sagen wird.
Ich habe mal nachgesehen: Von den 8 Richtern des Zweiten Senats, die über die Sache entscheiden werden, kommt nur einer aus der Politik, nämlich Peter Müller, der zunächst Richter, danach Abgeordneter im saarländischen Landtag und später Ministerpräsident des Saarlandes war.

Daneben gibt es 3 ehemalige Juraprofessoren aus verschiedenen Rechtsgebieten, 4 weitere waren Richter in verschiedenen Instanzen, manche zwischendurch mit befristeten exekutiven Erfahrungen, zB Abordnungen an ein Justizministerium u.ä.

Insofern dürfte die Gefahr, dass durch Richter Müller zuviel politische Tradition bei der Entscheidung einfließt, wohl nicht allzu hoch sein.


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24.06.2023 um 11:47
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ich habe mal nachgesehen: Von den 8 Richtern des Zweiten Senats, die über die Sache entscheiden werden, kommt nur einer aus der Politik, nämlich Peter Müller, der zunächst Richter, danach Abgeordneter im saarländischen Landtag und später Ministerpräsident des Saarlandes war.

Daneben gibt es 3 ehemalige Juraprofessoren aus verschiedenen Rechtsgebieten, 4 weitere waren Richter in verschiedenen Instanzen, manche zwischendurch mit befristeten exekutiven Erfahrungen, zB Abordnungen an ein Justizministerium u.ä.

Insofern dürfte die Gefahr, dass durch Richter Müller zuviel politische Tradition bei der Entscheidung einfließt, wohl nicht allzu hoch sein.
Ja, das habe ich auch mal recherchiert. Am liebsten sind mir persönlich in der Regel Praktiker, also solche, die lange Erfahrung als Richter in unteren Instanzen haben, wo sie mit der Realität am meisten konfrontiert werden. Umgekehrt empfinde ich Akademiker, die kaum mal eine Robe getragen haben, sondern die meiste Zeit ihres Juristenlebens im Elfenbeinturm einer Universität verbracht haben manchmal als problematisch, weil weltfremd. Und ehemalige Politiker halte ich, da bin ich voreingenommen, nicht für das Amt eines Verfassungsrichters geeignet. Aber das ist nur meine unmassgebliche Meinung.

Im vorliegenden Fall allerdings geht es, und das ist relativ selten, um eine sehr grundsätzliche Frage der Rechtsphilophie, da haben Akademiker sicherlich einen ganz hilfreichen Kenntnisschatz.

Unzweifelhaft darf man schon sagen, dass der Senat genug Sachverstand hat, diesen Fall zu beurteilen.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

25.06.2023 um 00:35
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Am liebsten sind mir persönlich in der Regel Praktiker, also solche, die lange Erfahrung als Richter in unteren Instanzen haben, wo sie mit der Realität am meisten konfrontiert werden. Umgekehrt empfinde ich Akademiker, die kaum mal eine Robe getragen haben, sondern die meiste Zeit ihres Juristenlebens im Elfenbeinturm einer Universität verbracht haben manchmal als problematisch, weil weltfremd.
Sehe ich auch so. Professoren haben eben oft wenig praktische Erfahrung, selbst wenn sie über Prozessrecht lehren und schreiben, wie es wirklich praktisch in einem Prozess zugeht, welche nicht erwarteten Situationen da auftreten können, auf die man an der Uni halt nicht entsprechend vorbereitet wird. Da gilt dann wirklich nur „Learning by Doing“. Insofern habe ich einen mir bekannten Strafrechtsprofessor sehr geschätzt, der genau deshalb neben seiner akademischen Tätigkeit ganz bewusst teilweise als Vorsitzender einer Strafkammer tätig war, um den Kontakt zur Praxis nicht zu verlieren. Er nannte es seine „Hobbystrafkammer“ (war glaube ich Berufungskammer gegen amtsgerichtliche Urteile), hat aber immer betont, wie wichtig für ihn für die Lehre dieser Input aus der Praxis sei.

Ich denke halt auch, dass die Praktiker die aus den Instanzen kommen, vor allem längere Zeit in der Tatsacheninstanz, aber dann auch als Richter an einem obersten Bundesgericht, schon sehr geeignete Bundesverfassungsrichter sind, Professoren natürlich in allen Ehren.


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25.06.2023 um 02:29
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ich denke halt auch, dass die Praktiker die aus den Instanzen kommen, vor allem längere Zeit in der Tatsacheninstanz, aber dann auch als Richter an einem obersten Bundesgericht, schon sehr geeignete Bundesverfassungsrichter sind, Professoren natürlich in allen Ehren.
Genau.

Ich mache es heute umgekehrt, neben meiner Praxis unterrichte ich Studenten im Praktikum, damit sie auch mal das richtige Juristenleben kennenlernen, und das, was nicht an der Uni gelehrt wird. Beides ist wichtig für einen guten Juristen.


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25.06.2023 um 03:31
Man darf auch nicht vergessen: Beim Bundesverfassungsgericht gibt es, wie bei jedem obersten Bundesgericht, viele wissenschaftliche Mitarbeiter, also meist jüngere Juristen verschiedenster Fachgebiete aus den Bundesländern, wissenschaftlich sehr interessiert, aber altersbedingt noch ohne allergrößte Praxiserfahrung. Diese sind aber natürlich für die hauptamtliche Richter eine große Hilfe, betreiben Literatur- und Rechtsprechungsrecherche, auch im Hinblick auf Europäischen Gerichtshof und Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, sind beim Brainstorming dabei, schreiben Voten, bringen frische Basiserfahrung mit.

Umgekehrt kann für eine Zeit von ca 3 Jahren für junge Juristen bei einem obersten Bundesgericht erfahrungsmäßig nicht schaden, ist in manchen Fällen auch gut für die spätere Karriere, obwohl mir für die Karriere da unverständlicherweise eher die Abordnung an das jeweilige Landesjustizministerium zwecks Gesichtspflege förderlicher erscheint. Es wird in keinem Bundesland einen OLG-, Oberverwaltungs-, Landesarbeits-, Landessozial-, Finanzgerichtspräsidenten oder Generalstaatsanwalt bzw. Vertreter geben, der nicht mal im jeweiligen Justizministerium tätig war. Gut, kann auch mit den vielfältigen Verwaltungsaufgaben zu tun haben. Ein Gerichtspräsident macht halt am wenigsten Rechtsprechung, am meisten Verwaltung, und die muss irgendwie klappen. Wer von Haushalt, Stellenbesetzung, Beurteilungsrichtlinien, Tarif- und Beamtenrecht, Referendare, Ausbildung mittlerer Dienst, und, sehr wichtig, Zusammenarbeit mit den Landesbaubehörden (verantwortlich für die Erhaltung und Instandsetzung von Gerichtsgebäuden einschließlich Archiven) nichts versteht, wäre da aufgeschmissen. Ein weites Feld.

Persönlich finde ich aber das System der gegenseitigen Durchdringung von Theorie und Praxis sehr gut und die beste Vorbereitung auf ein Amt als Bundesverfassungsrichter.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Ich mache es heute umgekehrt, neben meiner Praxis unterrichte ich Studenten im Praktikum, damit sie auch mal das richtige Juristenleben kennenlernen, und das, was nicht an der Uni gelehrt wird. Beides ist wichtig für einen guten Juristen.
Ganz genau. Und für die jungen Leute ist dann plötzlich viel klarer, wie sie die Theorie an der Uni einzuordnen haben und was einfach durch das pralle Leben manchmal der reinen Lehre entgegensteht. Gut, der Praxisschock kommt sowieso im Referendariat, aber je eher man damit konfrontiert wird, desto besser….


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