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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

677 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Celle, Strafrecht ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

18.07.2022 um 01:28
Zitat von taranehtaraneh schrieb:wenn Fakten so ausgelegt werden, dass eher Schuldige frei gehen als ihrer Bestrafung zugeführt werden -
Im Zweifel für den Angeklagten - das ist nun einmal ein Grubdsatz unseres Rechtsstaates. Als Unschuldiger vor Gericht kann man diesen gar nicht genug schätzen.

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Dill ehemaliges Mitglied

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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

18.07.2022 um 11:08
Die Nebenklage ist durch den Tod des Nebenklägers v. M., der Vater der Ermordeten, weggefallen! Welche Funktion hat nun der Verteidiger W. Sch. noch? Gibt es andere Nebenkläger:in?


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

18.07.2022 um 14:58
Zitat von LentoLento schrieb:Du vergleichst Äpfel mit Birnen.
Ich wollte auf etwas ganz anderes hinaus, es geht mir nicht um die rechtliche Situation, sondern auf die moralische. Das Thema Schulden war nur eins von beliebig vielen Beispielen gewählt. Selbst wenn die Schuld per Gesetz abgegolten wurde haben viele Menschen ein Leben lang mit diesem Thema zu kämpfen, denn der Weg, den man einmal einschlug, kann man nicht immer so leicht ändern.
Anders sieht es da bei Mord aus.

Zum einen wird nicht jeder Täter gefunden und zum anderen gibt es auch Leute, die der Meinung sind, dass man alte Fälle ruhen lassen und den Täter nicht mehr verurteilen sollte da dieser sich ja nun ein neues Leben aufgebaut hat...
Zitat von DillDill schrieb:Gibt es andere Nebenkläger:in?
Na das wäre doch wohl zu hoffen... Falls nicht kann da wer andere stellvertrend die Nebenanklage auf sich übernehmen?


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

18.07.2022 um 18:43
@Herbstkind

Du sprichst von moralischen Fragen, bringst jedoch rechtliche rein. Man kann unterschiedlicher Ansicht sein, welche Verjährungszeiten bei verschiedenen Delikten gelten (das ist das Rechtliche). Fakt ist aktuell, dass Mord nicht verjährt. Das ist in vielen anderen Ländern anders.

Mit Schulden die man entweder immer brav bezahlt oder zu denen man rechtskräftig verdonnert wurde, ist etwas ganz anderes. Die meisten machen es doch nur brav, weil sie mit der Justiz nichts zu tun bekommen wollen oder es andere Nachteile hat (Schufa). Wenn es solche Folgen nicht gäbe, würden es die wenigsten machen (soweit die Moral). Außerdem glaube ich nicht, dass regelmäßiges Abstottern von Schulden überhaupt vergleichbar mit dem hier von staatlicher Seite schwersten Eingriff in das Leben eines Menschen (JVA) vergleichbar ist.
Zitat von HerbstkindHerbstkind schrieb:Zum einen wird nicht jeder Täter gefunden und zum anderen gibt es auch Leute, die der Meinung sind, dass man alte Fälle ruhen lassen und den Täter nicht mehr verurteilen sollte da dieser sich ja nun ein neues Leben aufgebaut hat...
Ich glaube nicht, dass die andere Sichtweise so begründet wird, zumindest denen von Leuten mit rechtlich ausreichendem Hintergrund. Ich kenne es so und finde diese Begründung durchaus vernünftig:

Sie wird normalerweise damit begründet, dass derjenige über lange Zeit gezeigt hat, dass er nicht mehr rückfällig wurde. Du darfst nicht vergessen, Strafe hat mehrere Gründe, einmal die Sühne, dann wird über eine gewisse Zeit verhindert, dass derjenige ähnliche Taten ausführt und er soll während der Strafe (durch Therapien etc.) möglichst wieder in die richtige Richtung geführt werden.
Das BVerfG begründet die unter Auflagen erfolgte Freilassung aus der U-Haft auch mit der Tatsache, dass er seitdem nicht mehr straffällig wurde.

Bei einer späten Verurteilung kann das Gericht das bei Mord nicht mehr strafmildernd berücksichtigen, weil die Strafe für Mord immer lebenslänglich ist. Das ist schon immer ein rechtlich kritischer Punkt, und das BVerfG hält diesen auch nur unter von den Gerichten einzuhaltenden Bedingungen für verfassungsgemäß.


Außerdem gibt es noch ganz andere Gründe, die ebenfalls schwer wiegen.

Sollte es sich in Wirklichkeit bei einem Angeklagten um einen Unschuldigen handeln, so wird es für ihn weitaus schwieriger noch z.B. ein Alibi nachzuweisen. Die Gefahr von Fehlurteilen wächst daher (sowohl in die eine als auch andere Richtung, nur die Frage eines Schuldigen sprichst Du in Deinem obigen Satz an).

Im Falle des Schlossgartenmord von Aschaffenburg wäre fast ein vermutlich Unschuldiger verurteilt worden. Die StA hatte behauptet, dass er kein Alibi mehr hatte und es gab ein Gutachten, nachdem derjenige mit hoher Sicherheit der Täter gewesen sein soll. Nach der Vernehmung des damaligen Alibi-Gebers, der glücklicherweise noch lebte in Zusammenhang mit der Erkennung vieler schwerer Fehler im Gutachten wurde er freigesprochen. Es hätte auch durchaus anders kommen können, was wäre gewesen, wenn sich das Gericht nicht so genau das Gutachten angesehen hätte, es sprach selber, dass diese „Gutachtertätigkeit“ normalerweise nicht zu den Aufgaben des Gerichts zählt, was wäre gewesen, wenn der Alibigeber verstorben wäre?

Wenn man diese Gefahr sieht, kann man auch bei Mord die Verjährungsfrist durchaus begründet sehen.


Die wirklich richtige Sichtweise gibt es nicht.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

19.07.2022 um 02:50
Zitat von LentoLento schrieb:Sollte es sich in Wirklichkeit bei einem Angeklagten um einen Unschuldigen handeln, so wird es für ihn weitaus schwieriger noch z.B. ein Alibi nachzuweisen. Die Gefahr von Fehlurteilen wächst daher (sowohl in die eine als auch andere Richtung, nur die Frage eines Schuldigen sprichst Du in Deinem obigen Satz an).

Im Falle des Schlossgartenmord von Aschaffenburg wäre fast ein vermutlich Unschuldiger verurteilt worden. Die StA hatte behauptet, dass er kein Alibi mehr hatte und es gab ein Gutachten, nachdem derjenige mit hoher Sicherheit der Täter gewesen sein soll. Nach der Vernehmung des damaligen Alibi-Gebers, der glücklicherweise noch lebte in Zusammenhang mit der Erkennung vieler schwerer Fehler im Gutachten wurde er freigesprochen. Es hätte auch durchaus anders kommen können, was wäre gewesen, wenn sich das Gericht nicht so genau das Gutachten angesehen hätte, es sprach selber, dass diese „Gutachtertätigkeit“ normalerweise nicht zu den Aufgaben des Gerichts zählt, was wäre gewesen, wenn der Alibigeber verstorben wäre?

Wenn man diese Gefahr sieht, kann man auch bei Mord die Verjährungsfrist durchaus begründet sehen.


Die wirklich richtige Sichtweise gibt es nicht.
Für mich ist dieses Problem das Ausschlaggebende. Ich verstehe das moralische Dilemma und habe für den echten Täter nichts übrig, der möge für immer in der Hölle verrotten, aber der Unschuldige, der wieder und wieder und mit abnehmender Verfügbarkeit und Qualität von Beweismitteln gezwungen wird sich zu verteidigen - der muss davor geschützt werden. Deshalb gibt es seit der Römerzeit den Grundsatz ne bis in idem und deshalb steht er auch im Grundgesetz.

Und wenn ich nun wählen muss, gilt immer noch der Grundsatz: Es ist besser 10 Täter kommen davon, als dass ein Unschuldiger seine Freiheit verliert.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

19.07.2022 um 13:49
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Ich verstehe das moralische Dilemma und habe für den echten Täter nichts übrig
hier haben wir aber den wahren Täter - und der schmort eben nicht in der Hölle, sondern bedienst sich auch noch Verteidigern, die die Familie des Opfers nochmals durch die Hölle gehen lassen.. nicht genug, dass er Frederike mindestens die Kehle durchgeschnitten hat - sein Star Anwalt argumentierte kürzlich sogar so:
dass 1981 vermutlich gar keine Vergewaltigung stattgefunden habe, da es keine Spuren von Gewaltanwendung gab. H. hätte deshalb die junge Frau – falls er der Täter sein sollte – nicht zur Verdeckung einer Straftat getötet, sondern vielleicht, weil sie ihn als Türken beleidigt hatte, so Anwalt Schwenn. Das aber wäre ein Totschlag, kein Mord.
Quelle: https://taz.de/Mord-an-Frederike-von-Moehlmann-1981/!5849814/

allein solche Methoden der Verteidigung sind für mich schon verachtenswert genug - auch müsste man berücksichtigen, dass es ja bereits eine Verurteilung gab:
kurz darauf wird das Urteil wegen eines Rechtsfehlers zurückgenommen, ein Jahr später wird der Täter überraschend freigesprochen.
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/was-ist-ein-freispruch-wert-mord-nach-40-jahren-wieder-aufgerollt-wegen-eines-neuen-gesetzes/28212818.html


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19.07.2022 um 18:18
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:mit abnehmender Verfügbarkeit und Qualität von Beweismitteln gezwungen
Aber verlangt die Gesetzesänderung nicht das Gegenteil, also das Auftauchen von substanziellen Beweisen? In dem Fall gab es damals u.a. ein umstrittenes Reifengutachten, heute ein - verglichen mit allen anderen möglichen Beweisen - eine sehr zuverlässige DNA-Spur.

Es ist ja auch nicht so, dass bei anderen Mordermittlungen aus Rücksicht auf die vergangene Zeit der Prozess eingestellt wird. Der Golden State Killer wurde wegen DNA-Beweise verurteilt und ehemalige KZ-Wärter müssen sich mit weit über 90 vor Gericht verantworten.

Ich hielte die Bedenken für stärker begründet, wenn die Qualität der Beweise und ihre Widerlegung durch die vergangene Zeit kompromittiert wären, wenn also jetzt plötzlich ein Belastungszeuge auftauchen würde. Aber der DNA-Beweis ist ja offenkundig per se so stichfest, dass selbst der Verteidiger ihn nicht angreift, sondern sich stattdessen des victim blamings bedient.

Ich weiß, als Anwalt muss man seinen Klienten verteidigen, aber wie kann man denn guten Gewissens ohne Anhaltspunkte so den Charakter eines jungen Mordopfers angreifen? Ein moralischer Tiefpunkt aus meiner Sicht!


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

20.07.2022 um 03:31
Zitat von ZarastroZarastro schrieb:Aber verlangt die Gesetzesänderung nicht das Gegenteil, also das Auftauchen von substanziellen Beweisen?
Na ja, man wird sehen, wenn und ob das mal von einer höchsten Instanz definiert werden wird. Bis jetzt ist "substantiell" ein sehr schwammiger Begriff.

Die Problematik von Nichtverjährung von Mord oder eben, wie hier, mehrfacher Strafverfolgung für die selbe Tat lässt sich auch mit einem DNA Beispiel deutlich machen. 1978 wird der Ottokar ermordet. Ein Täter hat ihm in seiner Werkstatt eine schwere Zange auf sein weises Haupt sausen lassen, woran er verstarb. An der Zange werden fremde Blutspuren gesichert, die aber 1978 noch nicht molekulargenetisch ausgewertet werden können. Der Lehrling Ottokars gerät in Verdacht, Theodor hatte einen Streit mit Ottokar ein paar Tage vor der Tat. Er wird angeklagt, aber die Beweise reichen nicht. Er wird freigesprochen.

Viele Jahre vergehen. Im Jahr 2022 wird das Gesetz geändert und ne bis idem abgeschafft. Die Molekulargenetische Analyse ist inzwischen in der Lage auch mit allerkleinsten Blutspuren eine gute DNA sicherzustellen.

Wachtmeister Dimpflmoser, zur Tatzeit noch ganz frisch bei der Polizei, ist nun Chef des Cold Case Teams. Er nimmt sich den Fall Ottokar noch einmal vor. Er hatte immer schon den Theodor in Verdacht. Es gelingt ihm eine Blutprobe des Theodor zu erhalten und zu testen: siehe da: die Blutspur am Tatwerkzeug entspricht Theodors DNA.

Staatsanwalt Dr. Übereifrig erhebt sofort Mordanklage. Er hat genausowenige Beweise wie 1978 - aber jetzt die DNA Analyse. Er setzt darauf, dass der Fall nun klar ist.

Theodor hat ein Dilemma: er weiss, dass das Blut tatsächlich seines ist. Er hatte sich beim Benutzen der Zange einen Tag vor dem Mord an Ottokar verletzt und war zu faul gewesen, die Zange zu reinigen. Er hatte sie einfach wieder zum anderen Werkzeug gelegt.

Theodor hatte dafür auch einen Zeugen: Alois, den zweiten Lehrjungen in der Werkstatt damals, der sich über seine Tolpatschigkeit noch lustig gemacht hatte. Doch der ist vor 10 Jahren mit seinem Motorrad gegen den Trecker des Luis gerast und dabei verstorben.

Für das könglich bayerische Schwurgericht ist der Fall klar: Theodor hat den Ottokar ermordet. Die Verletzung am Tag vor der Tat wischt das Gericht als Schutzbehauptung und Lüge vom Tisch. In der Besprechung des Gerichts bemerkt Schöffe Josef Nichtschlau süffisant: "Der Theodor hat ja keinen Zeugen, keinen Beweis, dass das stimmt."

Tja. Den hatte Theodor damals. Jetzt nicht mehr. Nur damals fragte man ihn nicht danach.

Ansonsten kann ich nur wiederholen: Auch wenn das hier im Thread unter dem Fall Möhlmann steht, bei der Diskussion, die nun vor dem Bundesverfassungsgericht liegt, geht es eben nicht um Einzelfälle.

Mal abgesehen davon, dass der Tatverdächtige noch nicht verurteilt ist und abgesehen davon dass, wie das obige Beispiel zeigt, selbst "DNA Beweise" noch lange nicht unfehlbar sind, wenn er der wirkliche Täter ist, dann gerne in die Hölle befördern. Aber Gesetze sind nicht für einen geschrieben, sondern für alle. Auch für die Theodors.


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20.07.2022 um 13:36
@Rick_Blaine

Mir ist schon bewusst, dass DNA-Spuren nicht unfehlbar sind. Es besteht immer zumindest die theoretische Möglichkeit, dass eine falsche Übereinstimmung erzielt wurde, dass es - wie in deinem Beispiel - eine unverfängliche Erklärung dafür gibt oder dass die Spur manipuliert wurde. Deshalb hatte ich auch geschrieben, dass man bei der Spurensicherung und Dokumentierung sorgfältig sein muss.

Wir sind uns aber vermutlich darin einig, dass DNA-Spuren deutlich zuverlässiger sind als jede andere Form des Beweises? Bei Zeugen etc. weiß man ja heute, dass das menschliche Gedächtnis auch einem redlichen Menschen Streiche spielen kann.

Bei deinem Beispiel fielen mir einige - zumindest für mich als Laien - Ergänzungen ein. Es kommt leider immer wieder vor, dass sich die Polizei auf einen falschen Verdächtigen einschießt, weil sie sich von Erfahrungswerten, ggfs. Vorurteilen leiten lässt. Aber vermutlich würden in dem Fall noch andere Verdachtsmomente existieren, der Verdächtige wird kein Alibi haben und vllt. ist er schon einmal in der Vergangenheit gewalttätig geworden? Auch ist es komisch, dass der Verdächtige oder der Kollege nichts von einer Verletzung während der Vernehmung erzählt haben, immerhin wird Ihnen doch vermutlich die Tatwaffe gezeigt worden sein, oder? Und dann hat der Verdächtige dreimal das größtmögliche Pech, nämlich dass er vor dem Mord einen Streit mit dem Opfee hatte, ausgerechnet eine von ihm kontaminierte Tatwaffe verwendet wurde und das sein Entlastungszeuge tot ist. Das kann natürlich vorkommen, aber andererseits erinnert mich das Szenario an Fälle wie Darsow et al. wo auch die vermeintliche

Diese Gesetzesänderung betrifft ja nur jene Fälle, bei denen es zu einer Anklage und Freispruch gekommen ist. Meines Wissens nach erhebt die Staatsanwaltschaft nur dann Anklage, wenn die Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung größer ist als ein Freispruch, es muss also noch andere Hinweise auf die Schuld des Angeklagten unabhängig von der neu ausgewerteten Spur. Es wird also wegen dieser Gesetzesänderung niemand völlig überraschend mit einem Mord in Verbindung gebracht wegen einer DNA-Spur, und man muss sich dann auch nicht plötzlich mit einem fremden Sachverhalt auseinandersetzen (was ja aktuell grundsätzlich möglich ist. Immer wieder werden Täter durch ihre DNA überführt, die die Polizei gar nicht auf dem Schirm hatte). Und da beginnt das Unschuldszenario meine Fantasie zu strapazieren. Im Fall F. profitierte der Angeklagte von einem Gutachten, dass Zweifel an der Herkunft der gefundenen Reifenspuren sähte, aber heute nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entspricht.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

21.07.2022 um 10:59
Zitat von ZarastroZarastro schrieb:Diese Gesetzesänderung betrifft ja nur jene Fälle, bei denen es zu einer Anklage und Freispruch gekommen ist. Meines Wissens nach erhebt die Staatsanwaltschaft nur dann Anklage, wenn die Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung größer ist als ein Freispruch, es muss also noch andere Hinweise auf die Schuld des Angeklagten unabhängig von der neu ausgewerteten Spur.
Wenn es Möglichkeiten gibt, dass ein Angeklagter auch nach einem Freispruch angeklagt wird, dann werden zumindest einige StA einen Anklage auch früher als bisher versuchen. Hier ist auch eins der Probleme dieser Gesetzesänderung. Und wenn es mehr Anklagen gibt, gibt es automatisch mehr Fehlurteile.

Das Problem ist hier, das genaugenommen durch die Lösung einiger weniger Einzelfälle in Zukunft einfach mehr Fehlurteile geben wird.


Zu dem Beispielfall:

Ermittler geben so wenig Täterwissen wie möglich raus. Kannte der später Tatverdächtige bei den Vernehmungen überhaupt die genaue Tatwaffe? Kannte der Kollege die überhaupt? Man gibt so wenig Informationen wie nötig raus, damit z.B. ein Vernommener sich verplappert (er kennt das Tatwerkzeug schon vorher), das gleiche giit natürlich für den Kollegen. Sicher später wird er im Verfahren die Tatwaffe gesehen haben, aber warum soll dann der Unfall ein paar Tage vor der Tat dann wichtig sein? Diese Spuren waren überhaupt nicht im Fokus, werden es erst 44 Jahre später.

Und sag mal ehrlich, hätte er davon gesprochen, ohne dass die Ermittler ihn diesbzgl. angesprochen hätten, er hätte sich sogar verdächtig gemacht! Das sind genau die Dinge worauf Ermittler achten und meist auch zu Recht. Da vermutet man dann Täterwissen! Und er will vorsorglich mögliche Spuren von ihm dort begründen. So verkehrt das Beispiel von @Rick_Blaine gar nicht.


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25.07.2022 um 15:45
wie erwartet:
Das Landgericht Verden wird sich nicht wie zuvor geplant im August erneut mit dem Mordprozess im Fall Frederike befassen. Das gab eine Gerichtssprecherin bekannt.
Quelle: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Mordprozess-im-Fall-Frederike-verschoben-auf-2023,frederike164.html
Die Richter wollten zunächst die politischen Entscheidungen über Wiederaufnahmeverfahren bei schwersten Straftaten abwarten, hieß es. Das Ergebnis aus Berlin wird allerdings erst Mitte Januar erwartet. Erst dann werde entschieden, ob der Mordfall in Verden erneut verhandelt wird. Die Schülerin Frederike Möhlmann war vor mehr als 40 Jahren bei Hambühren (Landkreis Celle) getötet worden.



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25.07.2022 um 15:57
Vielleicht ist es ganz gut dass der Vater im Bewusstsein gestorben ist dass der tatverdächtige in uhaft war und der Prozess starten sollte. So hat er jedenfalls erlebt dass sein Kampf temporär erfolgreich war. Die jetzige Hängepartie hätte ihn sicherlich sehr enttäuscht


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18.03.2023 um 20:31
BVerfG wird diesen Sommer über das Gesetz entscheiden. Danach könnte der Prozess unmittelbar beginnen.


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18.03.2023 um 20:38
@peterlee
Danke..

ich hatte vorhin auch einen Bericht gesehen - ich hoffe so sehr, auf Gerechtigkeit für Frederike..


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24.03.2023 um 11:01
"True Crime Hannover" hat eine Podcastfolge zum Fall veröffentlicht, in dem auch der Anwalt von Hans von Möhlmann zu Wort kommt.

Dort wird der ganze - doch recht komplexe - juristische Hintergrund des Falles m E auch für Nicht-Juristen sehr verständlich beleuchtet.

https://podcasts.apple.com/de/podcast/true-crime-hannover/id1587860627?i=1000605644836


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24.03.2023 um 13:16
@ThoFra

Danke für den Hinweis auf diesen Podcast. Ihn sich anzuhören, ist geradezu ein Muss, will man den weiteren Verlauf verfolgen.

Der Anwalt Dr. Wolfram Schädler führt durch die Geschichte des Falls und das auf eine sehr emotionale Weise.


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24.03.2023 um 16:03
Zitat von peterleepeterlee schrieb am 18.03.2023:Danach könnte der Prozess unmittelbar beginnen.
Ich würde eher wetten, dass danach gar kein solcher Prozess stattfindet, da das BVerfG das zugrundeliegende Gesetz als verfassungswidrig einstufen dürfte.


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24.03.2023 um 18:47
Ich würde nicht darauf wetten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den mutmaßlichen Täter zunächst unter Auflagen aus der Untersuchungshaft zu entlassen, weil ein Verbleib in der Untersuchungshaft bis zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des neuen Gesetzes unverhältnismäßig bzw. unzumutbar wäre, ist mit der denkbar knappen Mehrheit von 5 zu 3 Richterstimmen ergangen.

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/07/rs20220714_2bvr090022.html

Es gibt also im Senat durchaus Mitglieder, die anscheinend nicht von einer selbstverständlichen und sich auf den ersten Blick ergebenden Verfassungswidrigkeit der neuen Regelung ausgehen, im Gegenteil.


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25.03.2023 um 14:16
Ich habe mir die Sache noch einmal angesehen und denke, dass es sehr, sehr knapp werden wird. Allein die Tatsache, dass die 8 Bundesverfassungsrichter des 2. Senats in ihrer Entscheidung zum Schluss das Stimmenverhältnis angegeben haben, zeigt, wie umstritten im Senat die Frage ist, ob die gesetzliche Neuregelung verfassungswidrig ist.

Nach Paragraph 30 Abs. 2 Satz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes können die Senate in ihren Entscheidungen das Stimmenverhältnis mitteilen, sie müssen es aber nicht.

Dass sie es hier ganz bewusst getan haben, kann wohl schon als ein deutliches Signal angesehen werden. Kommt zu den drei Richtern, die sich anscheinend gegen die Ausservollzugsetzung des Haftbefehls ausgesprochen haben (und die sich damit persönlich wohl nicht gegen die Verfassungswidrigkeit der neuen Regelung aussprechen werden) nur noch eine einzige weitere Stimme hinzu, wäre die Verfassungsbeschwerde des Verdächtigen gegen die Neuregelung abgelehnt, es käme dann umgehend zu einer neuen Hauptverhandlung.


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28.03.2023 um 03:54
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb am 19.07.2022:... aber der Unschuldige, der wieder und wieder und mit abnehmender Verfügbarkeit und Qualität von Beweismitteln gezwungen wird sich zu verteidigen - der muss davor geschützt werden. Deshalb gibt es seit der Römerzeit den Grundsatz ne bis in idem und deshalb steht er auch im Grundgesetz.
(Hervorhebungen durch mich.)

@Rick_Blaine
1. "Wieder und wieder": du solltest realistisch bleiben - dass ein Fall aufgrund der hier diskutierten Gesetzesänderung mehr als EINMAL wiederaufgenommen wird, dürfte meiner Meinung nach völlig unrealistisch sein.

2. Der Grundsatz "Ne bis in idem" bedeutet, dass jemand nicht zweimal für die gleiche Tat bestraft werden darf. Er bedeutet nicht, dass gegen jemand nicht zweimal ein Prozess in gleicher Sache geführt werden darf. Und bevor jemand hier das Grundgesetz als Argument anführt, sollte er den betreffenden Artikel mal lesen. Ich zitiere den Art. 103 GG auszugsweise:
... (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.
Quelle: Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Hervorhebungen durch mich)


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