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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

677 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Celle, Strafrecht ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

29.03.2023 um 08:15
Zitat von CeciliaCecilia schrieb:nteressant wie einige hier gegen eine erneute Strafverfolgung sind.
Ich finde die Gesetzgebung unfair, ungerecht und wiedersprüchlich:
Zitat von CeciliaCecilia schrieb:Ein Wiederaufnahmeverfahren ist ja auch ein wichtiger und netter "Rettungsanker" für eventuell ungerecht verurteilte Menschen. Diesen Rettungsanker würde ich mir auch für Mordopfer und Angehörige wünschen! Das wäre Gerechtigkeit zumindest in der Auslegung des Gesetzes.
Das ist nur scheinbar widersprüchlich.

Man muss auch immer den Kontext berücksichtigen, in dem diese Gesetze stehen.

Im Kontext „zu Gunsten“ ist nichts zu finden, wie die Vorbereitung einen Wiederaufnahme überhaupt finanziert werden soll. Wer sammelt neue Beweismittel, wer bereitet den Wiederaufnahmeantrag vor, der sehr aufwendig ist?

Dahingehend ist der Kontext zum „zu Ungunsten“ sehr einfach, da steht der Staatsapparat dahinter mit seine fast unbegrenzten Möglichkeiten.


In der Realität können sich verurteilte nur Wiederaufnahmen leisten, die es sich finanziell leisten können oder wo Bürgerinitiativen hinter stehen oder wo sich Anwälte finden lassen, die pro bono arbeiten. In Wirklichkeit ist es ein Placebo bzw. es greift meist nur dann, wenn über einen anderen Weg der wirkliche Täter schon ermittelt wurde. Das sit - da in dem fall meist nicht ermittelt wird, einen große Ausnahme.

Das Problem ist dass einige Richter das nach außen hin auch verfälscht darstellen. So versuchen mit der geringen Wiederaufnahmerate einige Richtern die Qualität der Justiz zu belegen. Sie sprechen dann zwar in diesem Zusammenhang schon von einem Graubereich. Aber ohne Einschätzung dieses Graubereichs sind solche Qualitätsbehauptungen der Justiz wertlos. Wenn man weiß, dass es in Wirklichkeit der Großteil der Verurteilten so einen Wiederaufnahme sich gar nicht leisten können, dann weiß man nicht, wie groß der Graubereich ist. Ist er so groß, wie die der bekannten Fälle, 10 oder gar 100mal so groß. Nein solche eine scheinheilige Behauptung ist in Wirklichkeit nur Placebos für die Bevölkerung. In Wirklichkeit hat die Justiz keine Ahnung, wie gut sie ist.

Wenn man die Fälle ansieht, wo Wiederaufnahme erfolgreich waren, erkennt man auch, dass die Justiz auch nicht so rasch klein beigibt. Das hat unlängst der Badewannenfall gezeigt. Erst hat das Gericht die Sache liegen lassen mit der Behauptung , dass es unter Wasser mit andern Fällen sei un dann hat es dn WAA abgewiesen. Erst die Beschwerde zum OLG hatte dann Erfolg. Und wenn sie dann man durch waren, hat der BGH manchmal auch die Fälle wieder mehrfach zurückverwiesen (Harry Wörz).


Mit der Gesetzesreform hätte dazugehört, um das Gleichgewicht zu wahren, das Finanzierungsproblem des „zu Gunsten“ mit zu lösen, dann wäre der Gesetzesentwurf erst ausgewogen. So ergibt sich ein großes Ungleichgewicht und die Gefahr besteht, dass in Sachen Mord nun die StA deutlich leichtsinniger die Anklage erhebt und es damit automatisch auch mehr Fehlurteile geben wird. Da der Weg zurück („zu Gunsten des Angeklagten) in der Realität so gut wie nicht existiert, Wird die Qualität der Justiz sich weiter verschlechtern. Wollen wir das, nur weil es ganz wenige Fälle gibt, die aktuell nicht so gut gelöst sind?

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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

29.03.2023 um 10:36
Zitat von LentoLento schrieb:Mit der Gesetzesreform hätte dazugehört, um das Gleichgewicht zu wahren, das Finanzierungsproblem des „zu Gunsten“ mit zu lösen, dann wäre der Gesetzesentwurf erst ausgewogen.
Es geht hier aber nicht um Wiederaufnahme zu Gunsten eines Verurteilten, sondern um Wiederaufnahme zu Ungunsten eine Freigesprochenen in eng umgrenztem Rahmen, nämlich bei unverjährbaren Verbrechen wie Mord und Kriegsverbrechen.

Und bei einer solchen Wiederaufnahme zu Ungunsten eines Freigesprochenen bekäme dieser, falls das Verfahren wieder aufgenommen wird, sofort einen Pflichtverteidiger bzw. einen Pflichtverteidiger seiner Wahl beigeordnet.


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29.03.2023 um 10:43
Zitat von KohlhaasKohlhaas schrieb:Es geht hier aber nicht um Wiederaufnahme zu Gunsten eines Verurteilten, sondern um Wiederaufnahme zu Ungunsten eine Freigesprochenen in eng umgrenzten Rahmen, nämlich bei unverjährbaren Verbrechen wie Mord und Kriegsverbrechen.
Solche Änderungen sollten immer mit Bedacht erfolgen. Ich denke ich habe die Problematik, welche hier in Wirklichkeit dahinter steckt ausreichend dargelegt.

Man muss solche Änderungen immer im Kontext sehen und nicht einfach weil es einen Wiederaufnahme zu Gunsten gibt es gleichzeitig als "Gerecht" ansehen, dass es auch zu Ungunsten gibt. Wie gesagt, hier gibt es einen offensichtlichen extremen Unterschied, die Fianzierung "zu Ungunsten" ist ungelöst und damit in der Realität ein Placebo.

Diese Änderung wird ganz wenig (an den Fingern abzählbare) Fälle lösen, aber die Fehlerrate der Justiz auf der anderen Seite erhöhen, weil die Justiz dann Anklagebereiter sein wird. Man hat dann auch einen zweiten, einen dritten ... Versuch. Und damit steigt auch die Rate der Fehlurteile.

Ein Verteidiger schützt auch in den wenigesten Fällen vor Fehlurteilen.


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29.03.2023 um 11:10
Zitat von KohlhaasKohlhaas schrieb:Und bei einer solchen Wiederaufnahme zu Ungunsten eines Freigesprochenen bekäme dieser, falls das Verfahren wieder aufgenommen wird, sofort einen Pflichtverteidiger bzw. einen Pflichtverteidiger seiner Wahl beigeordnet.
Nachtrag: Ein Pflichtverteidiger wird hier dem Freigesprochenen natürlich schon für das von der StA betriebene Wiederaufnahmeverfahren plus Haftbefehlsverfahren beigeordnet worden sein.
Zitat von LentoLento schrieb:Man muss solche Änderungen immer im Kontext sehen
Warum? Wenn der Gesetzgeber überlegt, das Erschleichen von Leistungen („Schwarzfahren“) aus dem StGB zu streichen und nur noch als Ordnungswidrigkeit zu behandeln, muss er im Kontext doch nicht überlegen , das Gleiche bei Betrug, Diebstahl oder Urkundenfälschung zu machen.
Zitat von LentoLento schrieb:Ein Verteidiger schützt auch in den wenigesten Fällen vor Fehlurteilen.
Das wird die Branche nicht gerne hören….


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29.03.2023 um 11:36
Zitat von LentoLento schrieb:aber die Fehlerrate der Justiz auf der anderen Seite erhöhen, weil die Justiz dann Anklagebereiter sein wird.
Wie kommst du darauf? Die Argumente für und gegen die Neuregelung sind hier alle ausgetauscht, die braucht man in extenso nicht zu wiederholen, aber das mit der „höheren „Anklagebereitschaft“ halte ich nun doch für allzu weit hergeholt.

Die StA darf bei Mord und Kriegsverbrechen ohnehin erst dann anklagen, wenn sie meint, genug Beweise zu haben. Nur mal so anklagen und gucken, was draus wird, darf sie von Gesetzes wegen nicht und tut sie auch nicht, weil sich kaum ein Staatsanwalt später vor Gericht wegen Verfolgung Unschuldiger nach § 344 StGB verantworten möchte.

Und kaum ein Staatsanwalt wäre so blöd, darauf zu vertrauen, dass nach wackliger Anklage mit prompt darauf folgendem Freispruch schon irgendwann in der Mordsache nette neue Beweismittel auftauchen, die für eine Wiederaufnahme ausreichen. Im Fall Frederike jedenfalls hat das die StA damals bei der Anklage garantiert nicht gewusst.


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29.03.2023 um 11:45
Zitat von KohlhaasKohlhaas schrieb:Wie kommst du darauf? Die Argumente für und gegen die Neuregelung sind hier alle ausgetauscht, die braucht man in extenso nicht zu wiederholen, aber das mit der „höheren „Anklagebereitschaft“ halte ich nun doch für allzu weit hergeholt.
Meinst Du wirklich, dass es zu weit hergeholt wäre, welche Belege hast Du dafür?

Es ist nicht weit hergeholt sondern menschlich. Wenn jemand überzeugt ist, dass er den Täter vor sich hat und wenn er NUR glaubt, er kommt damit vor Gericht durch, ist sich dabei nicht so sicher, dann wird er Anklage eher erheben, wenn es einen zweiten, einen dritten Versuch gibt. Es gibt eben nicht den idealen Richter/StA/Ermittler, das zeigen solche Fälle wie den Badewannenfall etc.

Klar ist das alles hier diskutiert worden, aber man kann das nicht häufig genug vorbringen, zumal der Weg zurück (Wiederaufnahme zu Gunsten) in der Realität kaum gibt. Diese Problematik wurde damals im Bundestag überhaupt nicht diskutiert.

Ich gehe eben nicht von einer idealen Justiz und idealen Menschen aus. Gesetzesbefürworter schon eher.


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29.03.2023 um 11:52
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:"herrschende Meinung" (diese Formulierung scheint Dir zu gefallen)
In der Tat gefällt mir diese Formulierung, weil es sich hier ja um eine Meinung handelt.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Und sich das Ganze auch noch historisch ableitbar und begründbar zeigt.
Das lasse ich durchaus gelten. Ich wende mich aber dagegen, dass sich nach "der herrschenden Meinung" ein Wiederaufnahmeverbot mit Art. 103 (3) begründen lässt. Denn das hätte, wenn es denn so wäre, schwerwiegende Konsequenzen in Hinblick auf die Änderbarkeit der derzeitigen Vorschrift, sprich: auf die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme nach einem erfolgtem Freispruch.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Dass Richter nicht immer stilistisch perfekte Germanisten sind, ist da geschenkt.
Betrachten wir doch ein einfaches, weitgehend analoges Beispiel dazu. Was wäre von einem Schriftsatz zu halten, in der der Satz steht: "Das rote Auto hat zwei Passanten erschossen."? Anstatt: "Der Fahrer des roten Autos hat zwei Passanten erschossen." Ich denke, der Unsinn ist hier offensichtlich.

Aber hübsch in eine historisch-genetische Auslegung verpackt und mit 25 Schachtelsätzen (ich übertreibe jetzt) drapiert, werden solche Formulierungen dann gerne akzeptiert und zu einem Stützpfeiler der "herrschenden Meinung".


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29.03.2023 um 11:53
Zitat von LentoLento schrieb:Diese Problematik wurde damals im Bundestag überhaupt nicht diskutiert.
Noch mal: Warum hätte das diskutiert werden MÜSSEN?

Es ging hier einzig und allein um die Konstellation „Erweiterung des bereits vorhandenen Kataloges der Wiederaufnahmemöglichkeiten zu Ungunsten eines Freigesprochenen, und zwar ausschließlich bei unverjährbaren Verbrechen und unter besonderen Voraussetzungen“.

Du vermischst dieses Thema ständig mit der Wiederaufnahme zu Gunsten Verurteilter, aber das sind rechtspolitisch ganz verschiedene Paar Schuhe, angefangen damit, dass die Wiederaufnahme zu Gunsten Verurteilter sich auf ALLE Straftatbestände bezieht, nicht nur auf unverjährbare Verbrechen, was auch richtig ist, denn ein Unschuldiger soll nicht belangt werden, egal um was es geht.

Ein Schuldiger hingegen soll nur bei unverjährbaren Verbrechen nicht davonkommen, nur da soll das Rechtssicherheitsargument nicht ziehen.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

29.03.2023 um 11:57
Zitat von KohlhaasKohlhaas schrieb:Es ging hier einzig und allein um die Konstellation „Erweiterung des bereits vorhandenen Kataloges der Wiederaufnahmemöglichkeiten zu Ungunsten eines Freigesprochenen, und zwar ausschließlich bei unverjährbaren Verbrechen und unter besonderen Voraussetzungen“.
Änderungen von Gesetzes haben immer Folgewirkungen. Wenn man die nicht beachtet, dann mach man sich etwas vor. Ich erwarte von einem Gesetzgeber eben auch, dass er sich mit den Folgewirkungen beschäftigt. Sonst hat man zum Schluss nur noch Chaos.

Man hätte die eben aucbm

Nicht umsonst hatte auch der Bundespräsident arge Bauchschmerzen, als er das Gesetz unterschrieb und riet zu Nachbesserungen.
Zitat von KohlhaasKohlhaas schrieb:Ein Schuldiger hingegen soll nur bei unverjährbaren Verbrechen nicht davonkommen.
Ja, aber man soll beachten, dass es nicht bei einer Gesetzesänderung zu mehr Unrecht führt, wenn es nur um einen handvoll Fälle geht. Wie gesagt, wenn man das ausklammert, hat man nachher mehr Chaos geschaffen.

Es ist eben immer ein Gleichgewicht zu bewahren, es ist eien Utopie, dass man alle Schuldigen verurteilen kann.


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29.03.2023 um 12:06
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb:Ich wende mich aber dagegen, dass sich nach "der herrschenden Meinung" ein Wiederaufnahmeverbot mit Art. 103 (3) begründen lässt.
Das tut es auch nicht. Art. 103 (3) GG enthält bekanntlich kein ABSOLUTES Wiederaufnahmeverbot.

Das zeigt sich daran, dass § 362 StPO in seinen Ziffern 1 bis 4 schon immer Wiederaufnahmegründe zu Ungunsten des Freigesprochen enthielt, ohne dass diese Regelungen je für verfassungswidrig erklärt wurden. Auch bei diesen Wideraufnahmegründen galt also schon immer, dass Gerechtigkeit vor Rechtssicherheit bzw. besser Rechtsfrieden geht.


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29.03.2023 um 12:17
Zitat von AnnemausAnnemaus schrieb:Aber mal ehrlich: Dann könnte Jemand, der aufgrund fehlender forensischer Möglichkeiten zum damaligen Zeitpunkt wegen Mordes nicht belangt werden konnte, heute in der Kneipe sitzen und mit der Tat prahlen. Und wenn das Opfer eure Tochter, Schwester oder beste Freundin gewesen wäre, würdet ihr das akzeptieren?
Das wurde hier schon gesagt, genau das ist ein Wiederaufnahmegrund.

Aber schon hinter diesem einen Punkt steckt folgende Problematik dahinter:

Es gibt wirklich Fälle, wo ein Schuldiger freigesprochen wurde. Anschließend wurde gegen einen anderen ermittelt. In manchen Fällen hat das dann bewirkt, dass der Freigeprochende sich doch gemeldet und vor den Ermittlern ein glaubwürdiges Geständnis abgelegt hat.

In den mir bekannten Fällen wurde die von der StA beantragte Wiederaufnahme trotzdem nicht zugelassen, weil die Ermittler den Geständigen nicht vorher aufgeklärt hatten, dass das Geständnis zu seinem Nachteil wäre.

So, wie wäre diese Konstellation, wenn die Ermittler denjenigen, der ein Geständnis ablegen will, dann vorher aufklärt?


Dieses ganze Instrument der Wiederaufnahme zu Ungunsten birgt viele Fragen, welche nicht wirklich überzeugend geklärt sind. Genausowenig auch die zu Gunsten (Finanzierung etc.), es ist eine Riesen-Baustelle, die nicht vernünftig durchdacht wurde.


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29.03.2023 um 12:45
Zitat von KohlhaasKohlhaas schrieb:Das tut es auch nicht. Art. 103 (3) GG enthält bekanntlich kein ABSOLUTES Wiederaufnahmeverbot.
@Kohlhaas
Danke für die Präzisierung!

Bei den ersten drei der bisherigen Ausnahmen, also § 362 Abs. 1 bis 4 StGB, handelt es sich um einen Verstoß gegen formale Anforderungen, bei der vierten Ausnahme, dem glaubwürdigen Geständnis, kann auch der wiederaufnahme-unwilligste Jurist schlecht gegen einen Wiederaufnahme argumentieren.
Bei dem nun dazugekommenen Abs. 5 geht es aber um materielle Beweise, keinen Verstoß gegen Formalien. Das ist eine andere Qualität.

Zu dem Thema darf ich @Rick_Blaine zitieren:
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Und da ist eindeutig: Das Bundesverfassungsgericht hat schon lange entschieden, dass nicht nur eine "Bestrafung" hier untersagt wird, sondern bereits eine "Strafverfolgung." Darauf nimmt das BVerfG auch im aktuellen Fall Bezug:

Art. 103 Abs. 3 GG garantiert als Prozessgrundrecht (vgl. BVerfGE 56, 22 <32>; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 103 Abs. 3 Rn. 14; Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 103 Rn. 183) dem verurteilten Straftäter Schutz nicht nur gegen erneute Bestrafung, sondern bereits gegen erneute Verfolgung wegen derselben Tat (vgl. BVerfGE 12, 62 <66>; 23, 191 <202>).
Die weiteren Ausführungen des BVerG dazu hat @Rick_Blaine dankenswerterweise in seinem Beitrag vom 28.03.23, 4:30 Uhr (jaja, das Auge des Gesetzes kennt keinen Schlaf!) ebenfalls aufgeführt. Bitte dort nachlesen, aus Platzgründen verzichte ich hier auf eine Wiedergabe.


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29.03.2023 um 13:02
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb:Bei den ersten drei der bisherigen Ausnahmen, also § 362 Abs. 1 bis 4 StGB, handelt es sich um einen Verstoß gegen formale Anforderungen, bei der vierten Ausnahme, dem glaubwürdigen Geständnis, kann auch der wiederaufnahme-unwilligste Jurist schlecht gegen einen Wiederaufnahme argumentieren.
Bei dem nun dazugekommenen Abs. 5 geht es aber um materielle Beweise, keinen Verstoß gegen Formalien. Das ist eine andere Qualität.
Das man auch anders sehen. Entweder enthält Art. 103 (3] GG ein absolutes Wiederaufnahmeverbot, dann gilt dieses Verbot für alle formellen und materiellen Aspekte, egal welcher Art. Oder es handelt sich um kein solches absolutes Verbot, dann können ganz bestimmte Wiederaufnahmegründe eben auch zu Wiener Wiederaufnahme führen. Dass es sich um sehr, sehr gewichtige Gründe handeln muss, steht dabei außer Frage, der Rechtsfriedenist ein hohes Gut. Er steht aber eben nicht absolut, das lässt sich aus Art. 103 (3) GG nicht ohne weiteres herleiten.


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29.03.2023 um 13:02
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb:bei der vierten Ausnahme, dem glaubwürdigen Geständnis, kann auch der wiederaufnahme-unwilligste Jurist schlecht gegen einen Wiederaufnahme argumentieren.
Die Realität ist einen andere. Genau diese Problematik, welche sich dahinter verbergen kann, habe ich in einem Beitrag vorher gezeigt. Entsprechende Wiederaufnahmeanträge von StAs - soweit sie mir bekannt sind - wurden auch abgelehnt.

Das ist eben immer das Problem, wenn man nicht alle Möglichkeiten betrachtet, man denkt erstmal nur an ein sich brüsten, was aber eher die Ausnahme darstellen wird. Kaum jemand wird sich einer solchen Tat brüsten, vielleicht in besonderen Gesellschaften, die werden es aber kaum weiter tragen. In der Regel führt das dann zu einem gesellschaftlichen Ausschluss.

Eher häufiger wird der Fall vorkommen, dass der Täter verhindern will, dass ein Unschuldiger verfolgt wird.

Und heute müsste man sich auch fragen, wie wäre das, wenn das Geständnis zwar nicht verwertbar ist, aber durch das Geständnis z.B. das Opfer gefunden wird und es ein Beweismittel im Sinne von Punkt 5 darstellt? Das wäre dann verwertbar.

Das bedeutet, dass sich ein Freigesprochener sich dreimal überlegen wird, sich freiwillig zu melden, auch wenn die Gefahr besteht, dass ein Unschuldiger verurteilt wird.

Ein vollkommen unausgegorenes Gesetz.


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29.03.2023 um 13:13
Zitat von KohlhaasKohlhaas schrieb:Das man auch anders sehen.
Ich bin deiner Meinung, ja, ich vertrete sogar die Ansicht, dass Art. 103 (3) GG keinerlei Verbot einer Wiederaufnahme enthält, sondern nur das enthält, was dort steht, nämlich "
Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.
Quelle: GG Bundesrepublik Deutschland.

Leider sind die herrschende Leere und das BVerG anderer Meinung, deshalb habe ich die Stelle zitiert.


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29.03.2023 um 13:25
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb:Bei den ersten drei der bisherigen Ausnahmen, also § 362 Abs. 1 bis 4 StGB, ...
Korrektur: es muss natürlich StPO statt StGB heißen, die Strafprozessordnung ist gemeint.


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29.03.2023 um 14:44
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb:Ich bin deiner Meinung, ja, ich vertrete sogar die Ansicht, dass Art. 103 (3) GG keinerlei Verbot einer Wiederaufnahme enthält, sondern nur das enthält, was dort steht, nämlich "

Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.
Wenn damit gemeint ist, dass niemand wegen derselben Tat mehrere getrennte Prozesse hintereinander erdulden soll, ist das klar.

Ein wiederaufgenommenes Verfahren ist aber strenggenommen immer noch derselbe Prozess, es ist halt nur die Rechtskraft des alten Urteils durchbrochen worden, ein gänzlich neuer Prozess findet formell abet nicht statt, das alte Verfahren wird eben nur „wieder aufgenommen“, wenn auch insofern ein Reset stattfindet, dass eben die ganze Beweisaufnahme wiederholt wird.


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29.03.2023 um 15:06
Nachtrag: Das OLG Celle hat mit seinem Beschluss vom 20.4.2022 (2 Ws 62/22), der hier schon verlinkt wurde und der bekanntlich jetzt dem BVerfG zur Prüfung vorliegt, das Argument zurückgewiesen, Art. 103 (3] GG stünde jeder Erweiterung der Wiederaufnahmeregeln entgegen, da das vor Inkrafttreten des Grundgesetzes geltende Recht die einzige verfassungsimmanente Schranke sei, die die Väter und Mütter der Verfassung akzeptiert hätten.

Für eine derart restriktive Auslegung von Art. 103 (3] GG böten die Materialien zur Entstehung des Grundgesetzes keine Grundlage, so das OLG. Im gesamten Verlauf der Beratungen des Parlamentarischen Rates und seiner Gremien sei die Frage der Begrenzung des Schutzbereichs von Art. 103 Abs. 3 GG und der Durchbrechungen des in ihm verankerten ne bis in idem-Grundsatzes nicht näher erörtert worden. Vor allem seien die in der damals geltenden § 402 Nrn. 1-4 Reichsstrafprozessordnung enthaltenen Tatbestände für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens zuungunsten des Betroffenen nicht näher diskutiert worden.

Wenn somit § 362 StPO keiner verfassungshistorischen Veränderungssperre unterliegt, so das OLG weiter, kann der Gesetzgeber weitere Wiederaufnahmegründe hinzufügen, solange der Kerngehalt des Art. 103 Abs. 3 GG gewahrt und die Wiederaufnahme die verfassungsrechtlich ausreichend begründete Ausnahme von der Regel "ne bis in idem" bleibt.


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29.03.2023 um 15:36
Zitat von KohlhaasKohlhaas schrieb:Ein wiederaufgenommenes Verfahren ist aber strenggenommen immer noch derselbe Prozess, es ist halt nur die Rechtskraft des alten Urteils durchbrochen worden, ein gänzlich neuer Prozess findet formell abet nicht statt, das alte Verfahren wird eben nur „wieder aufgenommen“, wenn auch insofern ein Reset stattfindet, dass eben die ganze Beweisaufnahme wiederholt wird.
Man sollte hier aufpassen. Mit dieser Auslegung kann man das Verbot der Doppelbestrafung komplett unterlaufen, man hebt einfach das alte Urteil auf und macht ein Neues. Sagen wir mal, der Täter hat die Haft für das ursprünglcihe Urteil schon längst abgesessen, dann hebt man das alte auf und setzt die Höhe der Strafe auf das Doppelte, der Täter wandert wieder in den Knast. Nach Deine Lesart wäre das dann keine Doppelbestrafung. Glücklicherweise ist in dieser Richtung das GG eindeutig, Deine Auslegung wäre nicht GG-konform.


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29.03.2023 um 15:58
Zitat von LentoLento schrieb:Es gibt wirklich Fälle, wo ein Schuldiger freigesprochen wurde. Anschließend wurde gegen einen anderen ermittelt. In manchen Fällen hat das dann bewirkt, dass der Freigeprochende sich doch gemeldet und vor den Ermittlern ein glaubwürdiges Geständnis abgelegt hat.
Hier meine ich, wirst du nicht umhinkommen, einen Beleg für deine Behauptung zu liefern und zumindest einen Fall näher zu benennen.
In den mir bekannten Fällen wurde die von der StA beantragte Wiederaufnahme trotzdem nicht zugelassen, weil die Ermittler den Geständigen nicht vorher aufgeklärt hatten, dass das Geständnis zu seinem Nachteil wäre.
Da wäre es jetzt schön, du würdest nachreichen, von welchen §§ du sprichst.


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