Pipi.Strumpf schrieb am 30.03.2018:Da bin ich ganz Deiner Meinung. Ich hatte das auch schon gepostet, ich kann mir nicht vorstellen wie gerade eine Art Vertrauensperson (Arzt, Psychologe, Ermittler, Sozialarbeiter, Pfarrer o.Ä.) dies mit seinem Gewissen über so viele Jahre in Einklang bringen könnte. Da muss doch Opfer vor Täter gehen, wenn man sowas wie ein gesundes Gerechtigkeitsbewusstsein besitzt.
Sollte einem Berufsgeheimnisträger (Arzt, Priester, Anwalt oder Psychologe) ein Geheimnis anvertraut worden sein, das den Fall betrifft, dann ist das mit dem Gerechtigkeitsgefühl nicht so einfach. Denn der Berufsgeheimnisträger ist erst einmal verpflichtet, sich nicht zu äußern, weil er sich sonst strafbar macht:
http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__203.htmlWer sich diese Norm mal genauer ansieht, der erkennt, es gibt keine Rechtfertigungsgründe. Das Tatbestandsmerkmal "
unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbaren" weist zwar auf die Befugnis hin, ein Geheimnis zu offenbaren. Dabei muss es sich jedoch um eine Rechts
pflicht handeln. Die gibt es neben anderen Offenbarungspflichten nur in den Fällen, in denen
zukünftige geplante Straftaten durch eine Anzeige noch verhindert werden können:
http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__138.htmlAber auch da sind Berufsgeheimnisträger privilegiert:
http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__139.htmlSeelsorger müssen z.B. keine Straftat anzeigen, auch keine geplante. Und eine allgemeine Anzeigepflicht für Straftaten gibt es auch nicht.
Es bleibt nur noch das allgemeine Notstandsrecht, das ggf. zu einer Anzeige befugt, nicht aber den Berufsgeheimnisträger verpflichtet. Voraussetzung ist eine Güterabwägung:
http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__34.htmlAnerkannt ist dies z.B. für einen Arzt, der einen Verdacht auf Kindesmisshandlung an die Behörden meldet. Da lebt das Kind noch und kann weiter misshandelt werden, wenn der Arzt nicht eingreift.
Ist jedoch z.B. der Täter schon verstorben und unter keinem Gesichtspunkt mehr eine Gefahr für andere Personen gegeben, dann gäbe es kein eindeutiges Abwägungsergebnis. Täter tot, Opfer tot, kein Strafanspruch des Staates mehr. Der Berufsgeheimnisträger könnte sich also noch immer strafbar machen.
So einfach ist die Sache also nicht. Zumal man nicht weiß, welche Informationen der Berufsgeheimnisträger hat. Jedenfalls ist das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, Anwalt und Mandanten, Psychotherapeut und Klienten, Seelsorger und Gläubiger ein sehr hohes Gut, das nur gebrochen werden darf, wenn es eindeutig um den Schutz höherrangiger Rechtsgüter geht.