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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

184 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Bonn, Rheinbach, Bad Godesberg ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
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Begründung: Fall geklärt

Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 06:52
Ein Hallo an Euch

Es geht hier um einen Fall, der mir persönlich eher ein dickes Fragezeichen auf die Stirn zeichnet.
Wie kann es denn sein, dass ein Mensch 16 Jahre lang als vermisst zählt bzw. als verschollen gilt, bis sich die Kripo mal einschaltet?
Zitat des Sohnes der Vermissten:
"Bisher hat sich noch niemand für das Verschwinden meiner Schwester interessiert - nicht einmal die Polizei."
Gibt doch zu denken, so nach 16 Jahren Ungewissheit oder?
16 Jahre lang "verschollen" und keiner schert sich drum? das kanns doch nun wirklich nicht sein.
Wie denkt ihr darüber? Habt ihr von dem Fall schon einmal gehört?
Habt ihr vielleicht eine Vermutung, was vor 16 Jahren (ja ich weiß, eine lange lange Zeit) geschehen sein könnte?



Aber nun mal zum Fall selbst.

***********

Artikel Von Wolfgang Kaes
Quelle: http://www.general-anzeiger-bonn.de/lokales/region/Vermisst-Verschollen-Und-beinahe-vergessen-article597956.html

Da ich nicht weiß, wie lange der Link aktiv sein wird, gibts jetzt das klassische copy + paste.


Region (Bonn / Rheinbach). An einem tristen Märztag verschwindet die Rheinbacher Arzthelferin Trudel Ulmen spurlos aus ihrem geordneten Leben. Erst jetzt, nach fast 16 Jahren, wird sie zum Fall für die Bonner Kripo.

Gertrud Gabriele Ulmen Foto:
trudelulmen

Heute wird Trudels Mutter wieder die Kerze vor dem gerahmten Foto der Tochter anzünden und Gott um ein Lebenszeichen bitten. Die Kerze auf der Kommode im Wohnzimmer entzündet die 83-jährige Mutter jeden Tag - seit fast 16 Jahren.

In wenigen Wochen wird Trudel sterben, sollte sie sich nicht bis zum 28. Februar im "Amtsgericht Rheinbach, 1. Stock, Zimmer 207" einfinden. Ihr Tod wird nach Ablauf dieser Frist vom Gericht "in einer geeigneten Tageszeitung" verkündet, so fordert es § 24 Verschollenheitsgesetz (VerschG).

Es wird kein Grab geben, an dem die Angehörigen trauern könnten, weil keine sterblichen Überreste existieren, die zu bestatten wären. Auch die Ankündigung ihres baldigen Todes hatte nach den Buchstaben des Gesetzes, verbunden mit der Aufforderung an die Verschollene, sich binnen Frist in Zimmer 207 im ersten Stock des Rheinbacher Amtsgerichts einzufinden, als amtliche Bekanntmachung in "einer geeigneten Tageszeitung" zu erscheinen, in diesem Fall im Bonner General-Anzeiger, am 15. Dezember 2011, auf Seite 16 der Ausgabe. Acht dürre Zeilen zwischen Zwangsversteigerungen, Verschiedenes und Kinoprogramm. "Gezeichnet: Thiel, Rechtspflegerin".

Sie gilt seit März 1996 als verschollen

Vielleicht wäre es bei den acht Zeilen im Anzeigenteil geblieben, hätte das Schreiben gleich ordnungsgemäß den Weg in die Anzeigenabteilung gefunden und wäre nicht versehentlich zunächst in der Redaktion gelandet.

Telefonische Nachfrage bei der Justiz. "Die am 29. Januar 1955 in Mayen/Eifel geborene und zuletzt in Rheinbach wohnhafte Gertrud Gabriele Ulmen, geborene Lenerz, gilt seit März 1996 als verschollen." Viel mehr kann oder darf oder will Amtsgerichtsdirektor Ulrich Schulte-Bunert dazu nicht sagen.

Das Gericht hat lediglich zu prüfen, ob der Antrag den Buchstaben des Gesetzes entspricht. Des Verschollenheitsgesetzes. Die Antragsteller sind Thomas Lenerz, wohnhaft in Mayen, Bruder der Verschollenen, und Wolfgang Steffens, ebenfalls wohnhaft in Mayen, Ehemann der älteren Schwester der Verschollenen.

März 1996? Niemand in der Redaktion kann sich an eine Fahndung des für Rheinbach zuständigen Bonner Polizeipräsidiums vor 16 Jahren erinnern. Auch das elektronische Archiv, das untrügliche Gedächtnis der Zeitung, spuckt keine einzige Zeile aus. Fahndungsliste des Bundeskriminalamtes? Fehlanzeige. Interpol? Ebenfalls Fehlanzeige. Als hätte Gertrud Gabriele Ulmen nie existiert.

Der Bruder der Verschollenen ist zu einem Treffen in der Eifel bereit, als der fremde Reporter aus Bonn anruft. "Bisher hat sich noch niemand für das Verschwinden meiner Schwester interessiert - nicht einmal die Polizei." Die durch den Anruf frisch genährte Hoffnung, nach so langer Zeit, ist schon durchs Telefon spürbar.

"Sie klang unbeschwert, gut gelaunt, wie immer."

20. März, 21. März, 22. März 1996. Präziser lässt sich der Zeitpunkt von Trudels spurlosem Verschwinden nicht benennen. Ein Mittwoch, ein Donnerstag, ein Freitag. Triste Tage, bleigrauer Himmel, Nieselregen. Temperaturen zwischen sechs Grad am Morgen und 14 Grad am Nachmittag verzeichnen die Archive der Wetterdienste für die Kölner Bucht.

"Am Mittwochnachmittag hatten wir noch telefoniert", erinnert sich Thomas Lenerz, als sei es gestern gewesen. "Sie klang unbeschwert, gut gelaunt, wie immer."

Der Bruder telefonierte oft und regelmäßig mit Trudel. Die Geschwister hatten seit Kindertagen ein enges und liebevolles Verhältnis. "Zwei Tage später, am Freitag, ruft mich Trudels Ehemann an und sagt: 'Die Trudel ist gestern Abend nicht nach Hause gekommen.' Ich frage: 'Was soll das denn heißen?' Er antwortet, sie habe am Donnerstagmorgen das Haus in Rheinbach verlassen, um mit ihrem Wagen zur Arbeit nach Bad Godesberg zu fahren, sie habe nur ihre Handtasche dabei gehabt. Aber abends sei sie nicht nach Hause gekommen. Da sei er die Strecke abgefahren und habe ihr Auto unversehrt auf einem Parkplatz in der Nähe ihrer Arbeitsstelle vorgefunden. Sie sei aber nicht auf der Arbeit erschienen, und er habe deshalb schon die Polizei eingeschaltet und Vermisstenanzeige erstattet."

Das Verschollenheitsgesetz wurde im Sommer 1939, wenige Wochen vor dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen, von der Nazi-Regierung in Kraft gesetzt und hat bis heute Gültigkeit. In § 1 VerschG heißt es: "Verschollen ist, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne dass Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist."

Für tot erklärt werden kann nach diesem Gesetz eine erwachsene Person zehn Jahre nach dem letzten Lebenszeichen (§ 3), über 80-Jährige nach fünf Jahren, verschollene Soldaten ein Jahr nach Kriegsende (§ 3), bei einem Schiffsuntergang Verschollene nach sechs Monaten (§ 5), bei einem Flugzeugabsturz Verschollene nach drei Monaten (§ 6).

Spurlos aus ihrem bisherigen Leben verschwunden

Gertrud Gabriele Ulmen war jedoch nicht Soldatin im Kosovo oder in Afghanistan, sondern Arzthelferin im Neurologischen Rehabilitationszentrum Godeshöhe unterhalb des Bad Godesberger Waldkrankenhauses. Sie war auch nicht an Bord eines gesunkenen Schiffes oder eines abgestürzten Flugzeuges.

Sie war 41 Jahre alt und wohnte gemeinsam mit ihrem Ehemann in einem hübschen, frei stehenden Eigenheim mit Garten am KAB-Ring in Rheinbach, einer von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung gegründeten Siedlung zwischen Kolpingstraße und Sonnenscheinstraße. Sie sammelte Antiquitäten, war Mitglied im örtlichen Tennisclub und ein respektables Mitglied der Rheinbacher Gesellschaft, als sie irgendwann zwischen dem 20. und dem 22. März 1996 spurlos aus ihrem bisherigen Leben verschwand und die Familie in ihrer knapp 50 Kilometer entfernten Geburtsstadt Mayen in eine bis heute währende Schockstarre versetzte.

Zeit heilt alle Wunden, heißt es. Doch der Heilungsprozess hat nie einsetzen können. Angehörige von Vermissten können nicht trauern. Solange auch nur ein Funken Hoffnung besteht, versagen die üblichen Rituale des Abschiednehmens. Auch deshalb hat sich die Familie Lenerz entschieden, ihre Trudel nun, nach fast 16 Jahren des vergeblichen Wartens und Hoffens, für tot erklären zu lassen.

Um abschließen zu können. "Für die Angehörigen spurlos verschwundener Menschen wird das Leben zur Hölle auf Erden", schrieb Natascha Kampusch 2007, im Jahr nach ihrer erfolgreichen Flucht. Die Österreicherin war 1998 als Zehnjährige entführt und acht Jahre im Keller des Hauses ihres Peinigers gefangen gehalten worden.

Wer war Gertrud Gabriele Ulmen? Spurensuche in der Eifel. Trudel Lenerz wird als mittleres von drei Kindern eines Mayener Eisenbahners und seiner Frau geboren und wächst in der für Bahnarbeiter errichteten Siedlung nahe des Ostbahnhofs auf. Einfache Leute, arbeitsam und bescheiden. Geschwister und Jugendfreunde beschreiben Trudel als fröhlichen und lebensbejahenden Menschen.

"Die beiden waren ein Traumpaar"

Trudel besucht die Realschule. Ehemalige Mitschüler wie Maria Turek schildern sie als "zielstrebig und sehr fleißig". Sie habe stets gute Noten bekommen.

Nach der Mittleren Reife absolviert Trudel Lenerz eine Ausbildung zur Arzthelferin bei einem niedergelassenen Allgemeinmediziner in Mayen, lernt während dieser Zeit den jungen, attraktiven Mann kennen, der gleich um die Ecke der Praxis wohnt und den sie wenige Jahre später heiratet. Ihr Mann hat bei der Bundeswehr eine Berufsausbildung absolviert, und als sich ihm in Rheinbach eine interessante Perspektive bietet, zieht das Paar um, von der rheinland-pfälzischen Kleinstadt in die 50 Kilometer entfernte nordrhein-westfälische Kleinstadt.

"Die beiden waren ein Traumpaar", erinnert sich Trudels Bruder, der als Junge regelmäßig die Schulferien im Haus seiner großen, zehn Jahre älteren Schwester in Rheinbach verbrachte. "Selbst nach 20 Jahren Ehe wirkten die Trudel und ihr Mann nach außen wie frisch verliebt."

Die Ehe bleibt zwei Jahrzehnte lang kinderlos. Umso überraschter ist die Familie, als Trudel beim Weihnachtsfest 1995, das wie jedes Jahr im Haus der Eltern in Mayen gefeiert wird, voller Stolz mitteilt, dass sie schwanger sei, und ihren frisch ausgefüllten Mutterpass wie ein Geschenk präsentiert. Aber kurze Zeit später erleidet die 41-Jährige eine Fehlgeburt und verliert das Kind.

Als Gertrud Gabriele Ulmen nur Wochen später spurlos verschwindet, läuft die Gerüchteküche in Rheinbach heiß: Sie sei gar nicht so lebensbejahend und fröhlich, sondern in Wahrheit schwer depressiv gewesen; sie sei mit einem ihrer zahlreichen Liebhaber durchgebrannt; sie wohne bei einer Freundin in Köln; sie sei nach Australien ausgewandert; sie habe keineswegs nur ihre Handtasche mitgenommen, sondern mehrere Koffer, ihren Pelzmantel und ihren gesamten Schmuck.

Ein Doppelleben?

Doch alle Gerüchte entstehen erst nach dem Verschwinden, nähren sich ausschließlich vom Hörensagen, die Quelle verliert sich im Nirgendwo. Trudels damaliger Ehemann möchte nicht mit dem General-Anzeiger über die Ereignisse von vor 16 Jahren sprechen: "Kein Interesse." Das ist sein gutes Recht. Und deshalb nennen wir auch nicht seinen vollständigen Namen.

Wilma Althoff schüttelt ungläubig den Kopf. Sie war Trudels beste Freundin seit früher Schulzeit und pflegte auch als Erwachsene den Kontakt weiter, als sie einige Jahre in Bonn arbeitete, bevor sie nach Langen bei Frankfurt zog. "Mein Mann und ich haben mit dem Ehepaar Ulmen Silvesterabende und sogar Urlaube verbracht. Wechselnde Liebhaber? Ein Doppelleben? Da müsste die Trudel schon zwei Gesichter gehabt haben - was ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann. Und sie war auch nicht depressiv. Nein, das passt alles nicht zu ihr."

Trudels Mutter, Liesel Lenerz, erinnert sich noch gut, wie ihr Schwiegersohn sie in den ersten Wochen und Monaten über den jeweiligen Stand der laufenden polizeilichen Ermittlungen der Bonner Polizei auf dem Laufenden hielt. Ende 1996 habe ihr der Schwiegersohn dann mitgeteilt, die Kripo habe die Ermittlungen nun aber eingestellt.

Nur Monate später, im Sommer des Folgejahres, wird die Traumehe auf Betreiben des Mannes in Trudels Abwesenheit vor dem Amtsgericht Rheinbach geschieden. Zu diesem Zeitpunkt verliert die verschollene Gertrud Gabriele Ulmen auch ihren Wohnsitz im einst gemeinsamen Haus in Rheinbach. In der Akte des Einwohnermeldeamtes steht nun: "Unbekannt verzogen". Der Ex-Mann heiratet bald wieder und wird Vater, der Kontakt nach Mayen bricht ab.

Wolfgang Steffens, der Ehemann von Trudels älterer Schwester Lore, erhält vom Gericht eine Bestallungsurkunde als Abwesenheitspfleger, damit finanzielle und behördliche Angelegenheiten der Verschollenen geregelt werden können. Zum Beispiel das Erbe des Vaters, der 2004 nach jahrelangem, schweren Leiden stirbt. "Bei Vaters Beerdigung habe ich mich die ganze Zeit umgeschaut", erzählt Thomas Lenerz. "In der Hoffnung, sie irgendwo am Rande der Trauergemeinde zu entdecken. Wenn sie gewusst hätte, dass ihr geliebter Vater gestorben ist, dann wäre sie doch sicher gekommen."

Wahrsagerin in Bad Neuenahr

Die Familie Lenerz wendet sich vergeblich an den TV-Sender Sat.1 und das von Jörg Wontorra moderierte Magazin "Bitte melde dich". Kritiker werfen der Sendung vor, die Verschollenen gar nicht zu suchen, sondern falsche Hoffnungen zu wecken und dem Publikum lediglich in Tränen aufgelöste Angehörige präsentieren zu wollen. 1998 wird das Format wegen mangelnder Einschaltquoten eingestellt. Auch von einer Wahrsagerin in Bad Neuenahr erhofft sich die verzweifelte Familie vergeblich Hilfe.

Ferner wird in Mayen über den Einsatz eines Privatdetektivs nachgedacht. Die Idee muss aber wegen der immensen Kosten verworfen werden: Eine seriöse Detektei nimmt Stundenhonorare von bis zu 140 Euro, plus Mehrwertsteuer, plus Spesen. Die ernsthaft betriebene Suche nach einer Vermissten kann indes viele Monate beanspruchen, ohne dass sie je zum Erfolg führen muss.

Heute noch ertappt sich Thomas Lenerz im Spanien-Urlaub dabei, dass er sich unbewusst ständig umschaut, in der Hoffnung, zufällig seine Schwester zu erspähen. Dass sie nicht mehr in Deutschland lebt, falls sie noch lebt, davon ist er überzeugt. Thomas Lenerz arbeitet bei der Stadtverwaltung; in unmittelbarer Nachbarschaft ist die Polizeidirektion Mayen untergebracht.

Man kennt sich, und die uniformierten Nachbarn haben für ihn mal im Computer nachgesehen. Ergebnis: Gertrud Gabriele Ulmen ist nirgendwo in Deutschland gemeldet. Mehr konnten die Beamten leider nicht für ihn tun, ohne ihre Kompetenzen zu überschreiten. Denn für die Verschollene ist die Polizei des Nachbarlandes Nordrhein-Westfalen zuständig - konkret, wegen des letzten Wohnsitzes Rheinbach, das Bonner Polizeipräsidium.

Dort ist man zunächst reichlich zerknirscht, als sich der General-Anzeiger zwei Wochen vor Weihnachten nach dem alten Fall erkundigt. Denn niemand im Bonner Präsidium kann sich erinnern. Und es gibt auch keine Akte - obwohl die Akten ungeklärter Fälle 30 Jahre lang aufbewahrt werden müssen.

Erster Kriminalhauptkommissar Joachim Grünkemeyer, seit 2004 Leiter des KK 11, ist Kriminalist mit Leib und Seele. Der heute 57-Jährige war maßgeblich an den Ermittlungen im Fall des seit Sommer 1994 spurlos verschwundenen Bonner Industriellen-Ehepaares Hagen beteiligt. Grünkemeyer geht im Fall Hagen bis heute von einem Verbrechen aus: "Für mich ist die Sache noch nicht erledigt."

2543 Quadratkilometer, mehr als eine Million Menschen

Als im März 1996, knapp zwei Jahre nach den Hagens, die damals 41-jährige Gertrud Gabriele Ulmen spurlos verschwindet, ist Grünkemeyer nicht mehr mit Vermisstensachen oder Todesermittlungen beschäftigt, sondern stellvertretender Leiter des Kommissariats Rauschgift/OK (Organisierte Kriminalität).

2002 wird das bis dahin für Vermisstensachen und Sexualstraftaten zuständige KK 12 dem KK 11 (Todesermittlungen, Brand) zugeschlagen. 2004 übernimmt Grünkemeyer als dessen neuer Chef einen gigantischen Aufgabenbereich, der mit 23 Polizeibeamten nicht eben üppig ausgestattet ist: Bei Todesermittlungen reicht das Einsatzgebiet des Bonner KK 11 von den Ausläufern des Bergischen Landes im Osten bis zur 130 Kilometer entfernten Staatsgrenze Belgiens im Westen. 2543 Quadratkilometer, mehr als eine Million Menschen.

Erster Kriminalhauptkommissar Joachim Grünkemeyer hat also schon mit aktuellen Fällen alle Hände voll zu tun. Dennoch lässt ihm die Anfrage aus der Redaktion des General-Anzeigers keine Ruhe. Gab es damals eine Panne im Präsidium? Wo Menschen arbeiten, passieren schließlich Fehler. Grünkemeyer forscht nach, studiert alte Personalakten und Dienstpläne im Archiv - und glaubt immer weniger an eine polizeiinterne Schlamperei. "Inzwischen will ich nicht mehr ausschließen, dass damals vielleicht überhaupt keine Vermisstenanzeige aufgegeben wurde", formuliert er vorsichtig.

"Hätten wir die Trudel doch nur selbst vermisst gemeldet und uns nicht einfach auf unseren Schwager in Rheinbach verlassen", plagt sich Thomas Lenerz heute mit bitteren Selbstvorwürfen. Das ist nun nicht mehr nötig. Denn Grünkemeyer ermittelt jetzt von Amts wegen. Er will sämtliche Kontaktpersonen der Verschollenen befragen lassen, außerdem die 83-jährige Mutter um eine DNA-Probe bitten. Aber nach 16 Jahren längst erkaltete Spuren erwärmen zu können, ist etwa so wahrscheinlich wie ein Hauptgewinn im Lotto. Doch Grünkemeyer will nichts unversucht lassen. Das ist für die Bonner Kripo jetzt auch eine Frage der Ehre.

100.000 Vermisste in jedem Jahr

"Ich vermisse dich", flüstern sich frisch Verliebte schon nach wenigen Stunden der unfreiwilligen Trennung übers Handy zu. Nicht immer aber beruht das Gefühl des Vermissens auf Gegenseitigkeit. Das erfährt jede Mutter, die ihren Nachwuchs morgens im Kindergarten abgibt: Mal brechen die Kleinen augenblicklich in Tränen aus, mal ist die neue Umgebung so spannend, dass die Existenz der Mutter auf der Stelle vergessen ist. Im Gegensatz zur Verschollenheit (s. Haupttext) ist das Vermissen daher kein juristischer, sondern zunächst lediglich ein polizeioperativer Begriff.

Eine Vermisstenanzeige kann jedermann bei jeder deutschen Polizeidienststelle stellen. Sie wird aber grundsätzlich an jene Dienststelle weitergeleitet, die für den letzten bekannten Wohnort des Vermissten zuständig ist. Dort wird dann geprüft, ob sich dem subjektiven Gefühl ein objektiver Tatbestand zuordnen lässt. Denn im Grundgesetz ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht garantiert: Jeder Erwachsene im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte hat das Recht, aus seinem bisherigen Lebensumfeld zu verschwinden, ohne auch nur einer einzigen Menschenseele Rechenschaft darüber abzulegen - sofern er damit nicht gegen andere Gesetze (etwa eine Bewährungsauflage) verstößt.

Nur wenn die Polizei aus den Schilderungen des Anzeigestellers vermuten muss, dass akute Gefahr für Leib und Leben des Vermissten besteht (Suizidneigung, Unfall, Hilflosigkeit, Entführung, Gewaltverbrechen) wird eine Fahndung eingeleitet - und die Vermissung zum Fall. Ausnahme: Bei Minderjährigen, insbesondere bei Kindern unter 14 Jahren, wird vorsichtshalber grundsätzlich und augenblicklich von dieser Gefahr ausgegangen.

Die Statistik des Bundeskriminalamtes registriert pro Jahr rund 100.000 Vermisstenfälle. Etwa 50 Prozent werden binnen Tagen aufgeklärt, mehr als 80 Prozent binnen Monatsfrist. Der Anteil der Personen, die länger als ein Jahr vermisst werden, beläuft sich auf etwa drei Prozent. Ein Prozent der als vermisst Gemeldeten ist einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen.

Allein bei den Dienststellen des Bonner Präsidiums werden pro Jahr durchschnittlich 2000 Vermisstenanzeigen gestellt. Einen erheblichen Anteil der Vermissten stellen Heimkinder, die ausreißen, aber nach wenigen Tagen aufgegriffen werden oder freiwillig zurückkehren.

Rollt hingegen das volle Programm an (Großfahndung, Einsatzhundertschaft, Taucher, Hundestaffel, Reiter, Hubschrauber mit Wärmebildkameras), summieren sich die Arbeitsstunden blitzschnell auf eine fünfstellige Zahl. Die verzweifelten Angehörigen erwarten dies verständlicherweise. Doch keine Polizeidienststelle Deutschlands verfügt auch nur annähernd über genügend Personal, um den Hoffnungen der Angehörigen in jedem Fall gerecht zu werden.



Artikel vom 2012-01-09 05:00:00.0

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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 13:10
Das klingt ja stark danach, als hätte der Ehemann seine Frau verschwinden lassen. Natürlich ist es auch seltsam, dass der Rest der Familie sich nicht mal bei der Polizei erkundigt hat oder bei der Zeitung nachgefragt hat, warum nicht über das Verschwinden berichtet wird.

Eigentlich hätte der Ehemann schon am Abend beim Bruder etc. anrufen müssen, um abzuklären, ob seine Frau ggf. dort ist. Dass er das nicht getan hat, macht ihn schon verdächtig, und die Tatsache, dass er nach wenigen Monaten die Ehe hat scheiden lassen, erst recht.


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 13:23
@hopkirk
finde ich auch. aber was hätte er für ein Motiv deiner Meinung nach?
Wenn die Beiden geschieden wären, würde er - im Falle ihrer Todeserklärung - nicht mal Geld kriegen. er hätte doch nichts von.

Naja wenn man als Angehöriger eine "Mediensperre" verhängt, dann wird auch nicht berichtet.
Bzw. es gibt auch eine Möglichkeit, als Angehöriger zu steuern, was berichtet wird und wie viel drin steht. Wenn die Medien die Berichterstattung dann anders gestalten, kann man sie verklagen.

Also müsste man abklären, warum so wenig bis gar nicht berichtet wird. Und warum 16 Jahre vergangen sind, ohne dass überhaupt irgendwas getan wird.

Hattest du vorher schon etwas von diesem Fall gehört`?


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 13:30
irgendwie ist es echt seltsam...

der schwiegersohn erkundigt sich nicht mal bei der familie ob sie evtl da ist!?

ende des jahres wird der fall geschlossen ( wenn es keine anzeige gab,dann auch kein fall?)

er lässt sich nach paar monaten scheiden und wird vater ( ob das der grund ist dass er seine frau weggeschafft hat?)

jetzt nach 16 jahren will er nix zu dem fall sagen...auch wenn der mann neu vergeben ist etc. wenn er sie damals geliebt hätte, hätte es ihn weh getan...dann hätte er heute noch was dazu gesagt...zumindest mehr als ,,kein interesse!´´


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 13:38
@ Le_Fiennd

Sein Motiv? Vielleicht hatte er die Freundin schon und wollte sich das Geld sparen, das eine Scheidung ihn gekostet hätte. Wenn die Frau Antiquitäten gesammelt hat, scheint das Ehepaar nicht ganz arm gewesen zu sein, und je mehr Kohle da ist, umso größer ist oft auch der Geiz, wenn's ans Scheiden geht.

Und was die Presse betrifft: In dem Fall wäre es ja im Interesse der Familie gewesen, dass über die Medien nach der Frau gesucht wird. Ich als Angehöriger hätte mal bei der Zeitung angerufen, warum nichts über den Vermisstenfall berichtet wird. Wenn die Zeitung von der Polizei keine Info bekommen hat, weil der Polizei gar keine Vermisstenmeldung vorlag, wäre die Sache spätestens da aufgeflogen.


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 14:22
Zitat des Sohnes der Vermissten:
"Bisher hat sich noch niemand für das Verschwinden meiner Schwester interessiert - nicht einmal die Polizei."
Kann sein dass das schon jm aufgefallen ist aber i.wie bin ich grade verwirrt. Ist es jetzt der Sohn oder der Bruder? :o:


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10.01.2012 um 14:24
@Ais
ah danke für den Hinweis. da hab ich mich vertan. es ist der Bruder der das sagte.
Sorry


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10.01.2012 um 14:24
@Dornenblut Nicht schlimm wenigstens weiß ich jetzt wer es ist :D


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10.01.2012 um 14:26
@Ais
das ist mir jetzt aber schon peinlich :)

aber dennoch finde ich die Sache kurios. und auch das was @hopkirk
geschrieben hat gibt zu denken. Wieso sich keiner mal erkundigt hat. Warum eben diese 16 Jahre ohne Ergebnisse und Nachfragen vergangen sind.
Wieso der Ehemann sich so verhalten hat ect.


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 14:28
@Dornenblut Die Polizei hat den Fall vllt schon längst at akta gelegt. Warum den Ehemann das aber nicht intressiert kann ich gar nicht verstehen...


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10.01.2012 um 14:29
@Ais
warum hat die Familie auch nicht Druck gemacht? ich als Familienmitglied würde alles dafür tun, um zu wissen, was passiert ist, wo sie ist und "wie es ihr geht" (Hoffnung stirbt oftmals noch nach Jahren nicht)
Sie scheint ein geordnetes Leben gehabt zu haben. Plötzlich ist sie weg. Das kann doch nicht spurlos und emotionslos an Allen vorbei gehen?


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 14:31
@Dornenblut Vielleicht (hört sich jetzt echt egoistisch an) haben die sich ja sogar abgesprochen & die Mutter Schwester ect. sogar i-wie verschwinden lassen... Warum wäre allerdings fraglich, ich meine die Behauptung ist sowieso jetzt aus der Luft gegriffen ^^


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 14:32
@Ais
aber es ist eine Idee. nur müsste man jetzt über den Hand und Fuß der Idee + das Motiv der Ideeausführung sprechen. Was hätte die Famile für ein Motiv?


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 14:33
@Dornenblut Schwer zu sagen da der meiste familiäre Stress schnell unter den Teppich gekehrt wird damit ja gerade niemand was mitkriegt


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 16:22
Hallo miteinander


eine gemeinsame Absprache ergiebt nicht viel Sinn. Da ja jetzt ein Abschluss möglich ist, mit Annahme der Verschollenheitspapiere, könnte das Ganze ein stilles Ende nehmen und der Fall wäre abgeschlossen. Doch jetzt gerade erst, scheint sich doch die Familie zu Wort zu melden.


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 17:30
@PaulVitti

Die Familie hat sich ja eigentlich nicht zu Wort gemeldet, sondern ist gefragt worden. Die Familie (also der Bruder und der Schwager) haben beantragt, die Frau für tot erklären zu lassen. Das muss amtlich bekannt gemacht werden, und zwar per Zeitungsanzeige. Diese Anzeige landete aber nicht in der Anzeigenabteilung der Zeitung, sondern in der Redaktion. Dort konnte sich keiner an einen entsprechenden Vermisstenfall erinnern, und Suchen im Archiv etc. ergaben nichts. Dann hat die Zeitung den Bruder angerufen sowie die Polizei. So kam die Sache mit 16 Jahren Verspätung ins Rollen.

Wobei ich nicht davon ausgehe, dass die Familie etwas mit dem Verschwinden zu tun hatte. Die waren nur einfach viel zu naiv und haben dem Ehemann alles geglaubt, was der ihnen aufgetischt hat. Wäre die Polizei jemals eingeschaltet gewesen, hätten die doch sicherlich auch die Angehörigen befragt und nicht nur den Mann.


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 20:15
@hopkirk
eine gute Erklärung
aber indirekt hast du sicherlich auch den Ehemann im Visir oder?
klang am Ende so.
Aber was sollte der für ein Motiv gehabt haben


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

10.01.2012 um 20:47
@Dornenblut

Hab ich doch oben schon geschrieben. Möglicherweise hatte er schon die Freundin und wollte das Geld sparen, das die Scheidung ihn gekostet hätte.


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

28.02.2012 um 17:13
Neuigkeiten dazu:

Vor 16 Jahren spurlos verschwunden
Kein Lebenszeichen von Trudel Ulmen
Von Wolfgang Kaes

Region.
Am Dienstag um Mitternacht läuft die Frist ab. Die seit 16 Jahren verschollene Arzthelferin Trudel Ulmen ist der Aufforderung des Rheinbacher Amtsgerichts, sich bis zum 28. Februar "in Zimmer 207, 1. Stock" einzufinden, nicht gefolgt.


Weihnachten 1995: Trudel Ulmen weiß, dass sie schwanger ist. Wenig später erleidet sie eine Fehlgeburt. Drei Monate später, am 21. März 1996, verschwindet sie spurlos. Repro: GA
"Jetzt werden die Antragsteller und die Staatsanwaltschaft angeschrieben", erläutert Richter Philipp Prietze, Pressedezernent des Bonner Landgerichts, das weitere Prozedere. "Ergeht bis Ende März kein Widerspruch, wird Trudel Ulmen für tot erklärt." Die Nachricht ihres offiziellen Todes wird dann an der Gerichtstafel sowie "in einer geeigneten Tageszeitung" als amtliche Bekanntmachung verkündet - so wie es das kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges in Kraft gesetzte und bis heute gültige Verschollenheitsgesetz vorschreibt.

Ob Trudel Ulmen noch lebt, ob sie nicht schon am Donnerstag, 21. März 1996, als sie nicht mehr zur Arbeit erschien, ums Leben kam, weiß auch die Bonner Kripo nicht. "Wir schließen nichts aus, wie ermitteln in alle Richtungen", sagt Kriminaldirektor Hans-Willi Kernenbach. Wie kommt es, dass nun, nach 16 Jahren, mit Hochdruck ermittelt wird, während die Vermisstensache damals als erledigt betrachtet wurde? "Auslöser war der Bericht im General-Anzeiger am 9. Januar", sagt Kernenbach. "Denn uns war nicht bekannt, dass die Familie all die Jahre kein Lebenszeichen erhalten hat."

Lebensstationen
Der Fall Trudel Ulmen bleibt mysteriös
Vermisst. Verschollen. Und beinahe vergessen
Warum der Fall im März 1996 nach nur vier Tagen als aufgeklärt betrachtet wurde, wie intensiv von Freitag bis Montag ermittelt wurde, ob beispielsweise das Auto der Vermissten, ein zwei Jahre alter Opel Kadett E Cabrio, den der Ehemann anschließend für 14.000 Euro an einen Händler verkaufte, zuvor noch von Kriminaltechnikern auf Spuren geprüft worden war, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Die Akte wurde ordnungsgemäß nach fünf Jahren vernichtet.

Eltern und Geschwister warteten vergeblich auf ein Lebenszeichen

Nur die Akten unerledigter Fälle werden 30 Jahre lang aufbewahrt. Vermutlich galt die 41-Jährige aufgrund einer einzigen Zeugenaussage als nicht mehr vermisst: Der damalige Ehemann will am Sonntag, 24. März, einen Anruf von ihr erhalten haben. Sie sei wohlauf, sie habe ihn freiwillig verlassen. Eltern und Geschwister, zu denen sie stets ein enges und harmonisches Verhältnis unterhielt, warteten hingegen vergeblich auf ein Lebenszeichen.

Trudel Ulmen tauchte seither in keinem Einwohnermelderegister auf, und über das Auswärtige Amt konnte die Kripo nun ermitteln, dass sie in den 16 Jahren bei keiner deutschen diplomatischen oder konsularischen Vertretung auf dieser Welt ihren Reisepass oder Personalausweis verlängern ließ. Falls sie noch leben sollte, so lebt sie ohne gültige Identität. Während die Kripo Dutzende Zeugen befragt und vernimmt, ist Trudel Ulmen nun im gesamten Schengen-Raum zur Fahndung ausgeschrieben. Und von ihren Blutsverwandten wurden DNA-Proben genommen.

Für den Vergleich mit den Proben unbekannter Toter werden die Experten des Landeskriminalamts in Düsseldorf aber noch eine Weile benötigen. "Wir haben ja leider keine DNA von der Vermissten selbst", sagt Kriminaldirektor Kernenbach. "Deshalb genügt für den Abgleich kein Tastendruck am Computer. Die Annäherungswerte über die Blutsverwandten müssen manuell mit jedem einzelnen in der Datei registrierten Muster auf ähnliche Genmerkmale geprüft werden. Aber alleine schon in Nordrhein-Westfalen haben wir derzeit 194 unbekannte Tote."

Im Gegensatz zur polizeilichen Vermisstenakte, die vor elf Jahren vernichtet wurde, existiert Trudel Ulmens letzte Personalakte noch. Rolf Radzuweit, Geschäftsführer des Neurologischen Rehabilitationszentrums Godeshöhe, konnte sich augenblicklich an die ehemalige Mitarbeiterin erinnern, als er ihr Foto im General-Anzeiger sah - auch wenn in der Bad Godesberger Klinik fast 400 Menschen beschäftigt sind. Aus der Akte ist zu erfahren, dass Trudel Ulmen knapp 15 Monate im Medizinischen Archiv der Klinik an der Waldstraße arbeitete: vom 2. Januar 1995 bis zum 21. März 1996 - dem Tag ihres spurlosen Verschwindens.

Vermerkt ist in der Akte auch, dass am Folgetag, einem Freitag, die Bonner Kripo Kontakt aufnahm und sich beim Arbeitgeber nach der Vermissten erkundigte, aber bereits am Montag, 25. März, der Klinikleitung versicherte, dass Trudel Ulmen ihr Arbeitsverhältnis freiwillig aufgegeben und sich "wahrscheinlich mit einem Liebhaber ins Ausland abgesetzt" habe. Freiwillig bedeutet im arbeitsrechtlichen Sinne mutwillig; da stimmte selbst der Betriebsrat der fristlosen Kündigung zu.

Plötzliches Verschwinden gab Rätsel auf

Helga Lohbauer, bis zu ihrem Ruhestand die Chefsekretärin des Ärztlichen Direktors und somit damals Trudel Ulmens unmittelbare Vorgesetzte, gibt das plötzliche Verschwinden allerdings nach wie vor Rätsel auf: "Auf ihrem Schreibtisch stand auch noch am Tag ihres Verschwindens ein gerahmtes Foto ihres Mannes; außerdem hat sie bei der Arbeit nie private Anrufe erhalten."

Als "merkwürdig" empfand die Vorgesetzte den Auftritt des "äußerst attraktiven" Ehemannes am Abend des 21. März 1996 in der Klinik: Trotz der Versicherung des Personals, dass Trudel Ulmen gar nicht erst zur Arbeit erschienen sei, verlangte er, dass man die Tür zum Medizinischen Archiv aufsperre, weil er sich persönlich davon überzeugen wolle, dass seine Frau nicht bewusstlos hinter ihrem Schreibtisch liege.

An den Donnerstag erinnert sich Helga Lohbauer auch wegen jener Vorgeschichte: "Frau Ulmen war eine Teilzeitkraft. Zu Wochenbeginn kam sie zu mir und fragte, ob sie am Donnerstag ausnahmsweise nachmittags statt vormittags arbeiten könne. Den Wunsch hatte sie noch nie geäußert. Es war aber aus arbeitstechnischer Sicht kein Problem, daher fragte ich auch nicht nach einem Grund." Wie hat sie Trudel Ulmen in Erinnerung? "Angenehm im Umgang, ausgeglichen, zurückhaltend. Sie erledigte ihre Arbeit professionell. Sie war sehr schlank, legte viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres und kleidete sich gern figurbetont."

"Eine Wesensveränderung" beobachtete Inge Henn in den letzten Jahren vor Trudel Ulmens Verschwinden. Nicht nur bei der Wahl der Kleidung. Inge Henn war mit ihr in der Frauengymnastikgruppe des Turnvereins Wormersdorf aktiv. "Zu Beginn war sie das brave Trudelchen." Sportkameradin Gertrud Schneider bewertet das anders: "Sie wurde selbstbewusster. Wir alle hatten jung geheiratet und sind im Lauf der Jahre selbstbewusster geworden." Ursula May erinnert sich noch gut an ihre Freundin, mit der sie über die Gymnastikstunde hinaus Freizeit verbrachte: "Sie war eine Seele von Mensch, immer freundlich, immer hilfsbereit. Wer in Not war, konnte von Trudel das letzte Hemd bekommen."

Eines Tages tauchte ein Mann aus dem Westerwald im Rheinbacher Stadtteil Wormersdorf auf. Anfang der 90er Jahre terrorisierte der Stalker mit hohem Aggressionspotenzial telefonisch und physisch erst Trudel Ulmen, dann die Frauen der Gymnastikgruppe, schließlich das halbe Dorf. Bis vor Gericht ein Annäherungsverbot erwirkt werden konnte. Damals war Stalking noch kein eigener Tatbestand im Strafgesetzbuch. "Diese Zeit war die Hölle für alle", erinnern sich Inge Henn und Ursula May. "Da gab es bei uns Anrufe wie: Ich weiß, wo deine Kinder zur Schule gehen."

1997, im Jahr nach Trudel Ulmens Verschwinden, wurde die kinderlose Ehe geschieden - in Abwesenheit der "unbekannt Verzogenen". Der Antrag ging Oktober 1996 beim Amtsgericht Rheinbach ein. Darin heißt es wörtlich: "Drei Tage nach ihrem plötzlichen und völlig überraschenden Verschwinden aus dem gemeinsamen Haus der Parteien erhielt der Antragsteller von ihr am 24. März 1996 einen Anruf mit der Mitteilung, sie befinde sich mit jemandem im Ausland, ihr gehe es gut, sie sei finanziell abgesichert. Sie bedankte sich für die letzten Ehejahre und entschuldigte sich für die letzten drei Tage..."

Da das obligatorische Trennungsjahr noch nicht vollzogen war, der Gesetzgeber aber einen Nachweis der Zerrüttung verlangt, musste der Antragsteller schweres Geschütz auffahren: Von mehreren "ehewidrigen Verhältnissen der Antragsgegnerin" ist im Scheidungsantrag die Rede. "Der Antragsteller ist nicht bereit, die Ehe mit der Antragsgegnerin fortzusetzen. Das ist ihm angesichts dessen, was er in den letzten Jahren in dieser Ehe hat durchmachen müssen, auch nicht zumutbar." Hätte Trudel Ulmen, die verschollene "Antragsgegnerin", die Gelegenheit erhalten, darauf zu reagieren, so hätte sie problemlos ebenfalls schweres Geschütz auffahren können. Das versichern nicht wenige Rheinbacher Bürger; manche auch aus eigenem, schmerzhaftem Erleben. Zerstörte Träume, zerstörte Ehen.

Die beiden wirkten stets wie ein Traumpaar

"Die beiden wirkten auf uns stets wie das Traumpaar", sagt Trudel Ulmens Bruder Thomas Lenerz. "Nach 20 Jahren Ehe gaben sich die Trudel und ihr Mann auch bei unserem letzten gemeinsamen Weihnachtsfest 1995 in Mayen wie frisch verliebt." Wer allerdings in Rheinbach nur ein wenig hinter der Fassade der nach außen demonstrativ zur Schau gestellten Traumehe gräbt, blickt bald in einen Abgrund.

Szenen einer Ehe. Reine Privatsache. Könnte man meinen. Aber wenn ein Mensch spurlos verschwindet, ist das sehr wohl von öffentlichem Interesse; zwangsläufig sind es auch die Lebensumstände, die Aufschluss darüber geben könnten, was mit diesem Menschen geschehen ist. Deshalb ermittelt die Bonner Kripo derzeit so intensiv im privaten Umfeld der Verschollenen. "Wir hoffen nur, dass die Polizei diesmal dranbleibt", sagt Ursula May.

Der Gymnastikgruppe teilte der Ehemann damals mit, bei dem Liebhaber, mit dem seine Frau ins Ausland verschwunden sei, handele es sich um einen reichen portugiesischen Geschäftsmann, der zuvor im Rheinland gelebt und gearbeitet habe. Trotz intensivster Ermittlungen hat die Bonner Kripo aber bislang keinen einzigen Anhaltspunkt für dessen Existenz finden können.

Gegenüber der Familie in Mayen korrigierte sich der Ehemann Monate später, Trudel Ulmen sei am 21. März 1996 entgegen seiner ersten Aussage doch nicht nur mit ihrer Handtasche, sondern mit einem "großen Hartschalenkoffer" samt Schmuck, Kleidung und Pelzmänteln weggefahren. Das kann Uta Ulmen, die zweite, ebenfalls geschiedene Ehefrau, so nicht bestätigen: "Im Haus fehlte nichts. Der Kleiderschrank war proppenvoll. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen."

Die Polizei bittet die Bevölkerung um Mithilfe: Wer hat Trudel Ulmen am 21. März 1996 oder danach gesehen oder weiß etwas über einen späteren Aufenthaltsort? Hinweise nehmen die Ermittler unter der Rufnummer 02 28/150 entgegen.
Artikel vom 28.02.2012

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Quele: http://www.general-anzeiger-bonn.de/lokales/bonn/Kein-Lebenszeichen-von-Trudel-Ulmen-article632437.html?&i=1


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Vermisst, verschollen und beinahe vergessen

28.02.2012 um 17:47
Der Gymnastikgruppe teilte der Ehemann damals mit, bei dem Liebhaber, mit dem seine Frau ins Ausland verschwunden sei, handele es sich um einen reichen portugiesischen Geschäftsmann, der zuvor im Rheinland gelebt und gearbeitet habe. Trotz intensivster Ermittlungen hat die Bonner Kripo aber bislang keinen einzigen Anhaltspunkt für dessen Existenz finden können.


Na sowas aber auch .... Da wird ein Phantomliebhaber "aus dem Ärmel gezaubert!" , wozu es ja wohl überhaupt keinen Anlass gäbe, wäre Frau Ulmen tatsächlich freiwillig verschwunden !



Gegenüber der Familie in Mayen korrigierte sich der Ehemann Monate später, Trudel Ulmen sei am 21. März 1996 entgegen seiner ersten Aussage doch nicht nur mit ihrer Handtasche, sondern mit einem "großen Hartschalenkoffer" samt Schmuck, Kleidung und Pelzmänteln weggefahren. Das kann Uta Ulmen, die zweite, ebenfalls geschiedene Ehefrau, so nicht bestätigen: "Im Haus fehlte nichts. Der Kleiderschrank war proppenvoll. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen."


2 verschiedene Angaben in einer Aussage des werten Gatten zu dem, was sie angeblich mitnahm - auch hier die Frage : Wozu, wenn sie doch angeblich freiwillig verschwand ?


Und viele andere "nette Kleinigkeiten" , die . m.E. so auffällig scheinen, dass sie auf mich schon dreist wirken.


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