Kein Bedürfnis weit zu reisen - verpasst man wirklich so viel?

martenot schrieb:Da gibt es wahrscheinlich verschiedene Charaktertypen. Mir persönlich geht es so, dass mir zu viel Vertrautes auf die Dauer zu monoton und zu wenig interessant ist. Eine Reise zu einem immer gleichen Ort würde mir auf die Dauer nicht gefallen. Das Interessante am Reisen ist eben die Bandbreite an unterschiedlichen Aspekten (Landschaften, Städte, Sprachen, Kulturen, Speisen, Gebräuchen, etc.), die ich in ihrer Gesamtheit eben auch nicht per Internet oder Videos so erleben oder erfahren könnte. Letztlich ist es auch einfach meine immerwährende Neugier und mein Wissensdurst, der mich dazu motiviert, zu reisen.

Da ich nicht einmal die ganze Schweiz ganz kenne, wäre es für mich eher interessant, die Schweiz noch ausgiebiger kennenzulernen. Aber sobald es mir gesundheitlich besser geht, werde ich auch nach Deutschland reisen, um meinen Neffen, den ich aufgezogen habe und den ich sehr vermisse, zu besuchen. Ich bin froh, dass ich die Gegend dort schon kenne von einer früheren Reise. Mein Ziel ist es also eher, meine Lieblingstouren in der Schweiz und meine Besuchstour in Deutschland regelmäßig angehen zu können, sobald es gesundheitlich wieder machbar ist.

Wenn ich mehr Möglichkeiten hätte, könnte ich mir aber schon vorstellen, mal ausnahmsweise in ein anderes Land zu reisen, aber ich müsste schon gute Gründe haben, z. B. weil meine Schwester nicht allein fahren will und sie hat noch eher dieses Reisefieber. Auf der anderen Seite fühle ich mich nicht mehr wirklich reisetauglich für längere Reisen und das Geld reut mich auch dafür, wenn ich es hätte.

Ich lebe mehr in der Bücherwelt, ich brauche nicht unbedingt alles im Außen zu erleben, außer in der Schweiz, wo ich eigentlich alles vergleichbar finde. Ich wohne eher ländlich und reise hin und wieder in die Städte. Dort habe ich meine Zwischenstationen eingerichtet, damit es auch trotz körperlicher Krankheit geht. Und ich genieße das gute Tram-, Bus- und Bahnnetz der Schweiz.

Ich habe mich seltsamerweise sehr gelangweilt auf der Reise durch Frankreich und Südspanien, mir fehlten die Berge und ich hatte von Anfang an Heimweh.

Laura_Maelle schrieb:Ich habe mich seltsamerweise sehr gelangweilt auf der Reise durch Frankreich und Südspanien, mir fehlten die Berge und ich hatte von Anfang an Heimweh.

Spannend. Ist Südspanien doch ziemlich bergig ;)

Laura_Maelle schrieb:wäre es für mich eher interessant, die Schweiz noch ausgiebiger kennenzulernen.

Das eine schließt das andere nicht aus. Ich reise sowohl gern im eigenen Land, als auch in andere Länder. Inzwischen kenne ich sowohl Deutschland als auch die Schweiz recht gut. Trotzdem liebe ich es, in andere Länder zu reisen, wie z.B. Frankreich, die iberische Halbinsel, Skandinavien etc.

Laura_Maelle schrieb:Ich habe mich seltsamerweise sehr gelangweilt auf der Reise durch Frankreich und Südspanien, mir fehlten die Berge und ich hatte von Anfang an Heimweh.

Sowohl Spanien als auch Frankreich haben durchaus hohe Berge. Frankreich hat ja größere Anteile an den Alpen und an den Pyrenäen, und auch Spanien hat Anteil an den Pyrenäen und hat außerdem die Sierra Nevada mit Bergen bis über 3000 Meter.

Wobei ich persönlich gerade die unterschiedlichen Landschaftsformationen faszinierend finde: auch Küsten, große Ebenen mit Flüssen oder Seenplatten, Fjorde, Wüstenregionen, Vulkane etc. können sehr reizvoll sein.

Kant ist aus Königsberg nie herausgekommen. Ich glaube nicht, daß er etwas verpasst hat. Er trug die Welt in seinem Kopf....

PeterWimsey schrieb:Ich glaube nicht, daß er etwas verpasst hat.

Nun ist aber nicht jeder Mensch ein Kant, und jeder bezieht seine Interessen aus anderen Inspirationen und Quellen. Während dem einen das Reisen nichts bedeutet, ist das bei anderen eben wieder anders. Kant ist nie gereist, Goethe schon. Beides hatte ihre jeweilige Berechtigung, weil vermutlich einfach unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse vorlagen.

martenot schrieb:Sowohl Spanien als auch Frankreich haben durchaus hohe Berge. Frankreich hat ja größere Anteile an den Alpen und an den Pyrenäen, und auch Spanien hat Anteil an den Pyrenäen und hat außerdem die Sierra Nevada mit Bergen bis über 3000 Meter.

Wobei ich persönlich gerade die unterschiedlichen Landschaftsformationen faszinierend finde: auch Küsten, große Ebenen mit Flüssen oder Seenplatten, Fjorde, Wüstenregionen, Vulkane etc. können sehr reizvoll sein.

Ja, als wir im Zug von der Schweiz in Richtung Frankreich fuhren, war es noch interessant, solange es bergig war, aber auf einmal war die Landschaft sehr flach im Landesinneren von Frankreich in Richtung Spanien. Es ist mir schon klar, dass es in Spanien noch die Pyrenäen gibt, aber ich sah auf dieser langen Zugfahrt nichts Eindrückliches diesbezüglich, überall nur sehr viel Land der Bauern, die Ortschaften teilweise extrem voneinander entfernt. Ein Schweizer, der sich dort niederließ, bestätigte mir, wie schlecht zugänglich die Dörfer dort sind. Er wäre fast mal gestorben, weil er total isoliert war auf seinem Gehöft. Er kroch sozusagen auf allen Vieren zur Nachbarin. Ohne Auto kann man dort nicht gut überleben. Und ich fahre nicht Auto. Ähnlich erging es mir später auch in Deutschland.

Also Island finde ich schon cool, aber es reicht mir, über Internet zu recherchieren. Ich brauche nicht unbedingt in der Lava zu stehen. :D

martenot schrieb:Ich reise sowohl gern im eigenen Land, als auch in andere Länder. Inzwischen kenne ich sowohl Deutschland als auch die Schweiz recht gut.

In der Schweiz ist es für mich spannend und abwechslungsreich, weil die Landschaften eng zusammengerückt sind und auf einer Zugfahrt viel mehr landschaftliche Vielfalt vorhanden ist, auch auf kürzeren Strecken. Und die Zugverbindungen sind extrem gut, kaum umsteigen, direkte Strecken von Zürich ins Graubünden. Ich brauche mich nur hinzusetzen, ohne Stress, dies passt wunderbar, wenn man körperlich eingeschränkt ist. Und die Sprachenvielfalt bringt weitere Spannung.

Laura_Maelle schrieb:aber es reicht mir, über Internet zu recherchieren. Ich brauche nicht unbedingt in der Lava zu stehen.

Da geht es mir anders. Meiner Erfahrung nach ist sind es deutlich unterschiedlich, über etwas im Internet zu recherchieren oder selbst vor Ort zu sein. Das Spannende am Reisen ist eben, dass es sich aus vielen persönlichen Erfahrungsmomenten zusammensetzt, die dann letztlich das ergeben, was ich am Reisen so wertvoll finde. Gerade die kleinen "Mikro-Erlebnisse" (kurze Begegnungen, Alltagserlebnisse, Mahlzeiten, Fahrten durchs Land, Spaziergänge, kleine Einkäufe erledigen etc.) summieren sich am Ende zu dem auf, was sich als Gesamteindruck der Reise in meinem Gedächtnis abspeichert.

Laura_Maelle schrieb:In der Schweiz ist es für mich spannend und abwechslungsreich, weil die Landschaften eng zusammengerückt sind und auf einer Zugfahrt viel mehr landschaftliche Vielfalt vorhanden ist, auch auf kürzeren Strecken.

Sicher, ich liebe es auch, in der Schweiz zu reisen. Aber es ist eben überall die Schweiz und eben kein anderes Land. Ich finde, es "fühlt" sich in der Schweiz überall an wie in der Schweiz- auch wenn man z.B. in der Romandie unterwegs ist. Sobald man die Grenzen in ein anderes Land überquert, ist vieles anders, und genau das finde ich dann spannend.

martenot schrieb:Da geht es mir anders. Meiner Erfahrung nach ist sind es deutlich unterschiedlich, über etwas im Internet zu recherchieren oder selbst vor Ort zu sein. Das Spannende am Reisen ist eben, dass es sich aus vielen persönlichen Erfahrungsmomenten zusammensetzt, die dann letztlich das ergeben, was ich am Reisen so wertvoll finde. Gerade die kleinen "Mikro-Erlebnisse" (kurze Begegnungen, Alltagserlebnisse, Mahlzeiten, Fahrten durchs Land, Spaziergänge, kleine Einkäufe erledigen etc.) summieren sich am Ende zu dem auf, was sich als Gesamteindruck der Reise in meinem Gedächtnis abspeichert.

Ich habe mir recht lange viele Vanlife-Videos angeschaut, wo gerade das gezeigt wird. Es wiederholt sich mit der Zeit und sogar die VanLife-Reisenden wollen dann auf einmal eine eigene Base. Es fehlt was. In dieser Zeit geht auch etwas verloren, das man durch ein sesshaftes Leben gewonnen hätte.

Laura_Maelle schrieb:Ich habe mir recht lange viele Vanlife-Videos angeschaut, wo gerade das gezeigt wird. Es wiederholt sich mit der Zeit und sogar die VanLife-Reisenden wollen dann auf einmal eine eigene Base.

Darüber weiß ich nichts, ich habe mich nie mit Van-Life beschäftigt. Reisen bedeutet ja nicht automatisch, dass man seinen Heimatbezug aufgibt.

martenot schrieb:Gerade die kleinen "Mikro-Erlebnisse" (kurze Begegnungen, Alltagserlebnisse, Mahlzeiten, Fahrten durchs Land, Spaziergänge, kleine Einkäufe erledigen etc.) summieren sich am Ende zu dem auf, was sich als Gesamteindruck der Reise in meinem Gedächtnis abspeichert.

Solche Mikro-Erlebnisse beim Einkaufen, Essen in Restaurants usw. bedeuten mir recht wenig, denn dadurch entstehen nicht wirklich tiefere Beziehungen. Es findet viel Small Talk statt, den ich überhaupt nicht mag. Da macht es für mich schon eher Sinn, die Sprache zu lernen und online tiefergehend mit Menschen aus diesen Ländern zu schreiben und so ihr Seelenleben kennenzulernen.

Laura_Maelle schrieb:denn dadurch entstehen nicht wirklich tiefere Beziehungen.

Ich denke, dass es nicht unbedingt das Ziel von Reisen ist, tiefere Beziehungen aufzubauen. Jedenfalls sehe ich hier zwei recht unterschiedliche Zielsetzungen, die sich zwar ggf. gleichzeitig finden lassen können, aber das ist in vielen Fällen nicht das vorrangige Ziel von Reisen.

Laura_Maelle schrieb:Es findet viel Small Talk statt, den ich überhaupt nicht mag.

Ich finde gerade Small Talk auf Reisen durchaus geeignet, um dem Reisen eine weitere Facette hinzuzufügen. Außerdem: Small Talk ist eine wunderbare Übung, um der jeweiligen Sprache ein wenig näher zu kommen. Ich persönlich würde meinen, dass man sich damit sehr gut eine gewisse Sprachfertigkeit antrainieren kann. Eine Sprache lernt man meines Erachtens am besten über "oberflächliche Unterhaltungen". Deswegen würde ich Small Talk nicht als wertlos einschätzen, selbst wenn man nur über (vermeintliche) Banalitäten redet.

martenot schrieb:Meiner Erfahrung nach ist sind es deutlich unterschiedlich, über etwas im Internet zu recherchieren oder selbst vor Ort zu sei

Das sehe ich genauso. Das Klima, die Gerüche, die verschiedenen Geschmäcker beim Essen (Früchte z.B. schmecken da, wo sie wachsen nochmal ganz anders), das kann man nur direkt vor Ort erleben.
Ich z.B. nehme viele Gerüche mit , was mir oftmals gar nicht bewusst ist. Doch wenn ich dann später z.B.Bilder aus einer bestimmten Gegend sehe oder einen ähnlichen Geruch in der Nase habe, dann bin ich gedanklich sofort dort an dem Ort , mit dem ich den Geruch verbinde.Das Meer z.B. riecht nicht überall gleich.
Oder Musik, ich habe dadurch einige Verbindungen zu bestimmten Ländern in meiner Erinnerung, weil ich sie dort gehört habe, mit typischen Rhythmen und Instrumenten. Da hab ich gleich Bilder meiner eigenen Erlebnisse vor Augen.

Syringa schrieb:Oder Musik, ich habe dadurch einige Verbindungen zu bestimmten Ländern in meiner Erinnerung, weil ich sie dort gehört habe, mit typischen Rhythmen und Instrumenten.

Ja, das geht mir auch so. Oft ist es nicht nur Musik, sondern bestimmte Töne und Klänge, die man irgendwo vor Ort häufig hört, und die ich später dann unbewusst mit dem Reiseziel assoziiere. Das können bestimmte Vogelstimmen sein, oder die Töne, die z.B. von Verkehrsmitteln erzeugt werden (anfahrende Straßenbahnen oder Signaltöne in der U-Bahn), oder andere Geräuschkulissen. Letztlich bildet sich aus diesen Geräuschen und Klängen, den Gerüchen, den Sprachfetzen, Fühlen und Schmecken etc. ein Gewebe an kleinen Erlebnissen, die sich in mir als ganz persönliches eigenes Erinnerungsmuster abspeichern.

martenot schrieb:Das können bestimmte Vogelstimmen sein, oder die Töne, die z.B. von Verkehrsmitteln erzeugt werden (anfahrende Straßenbahnen oder Signaltöne in der U-Bahn), oder andere Geräuschkulissen. Letztlich bildet sich aus diesen Geräuschen und Klängen, den Gerüchen, den Sprachfetzen, Fühlen und Schmecken etc. ein Gewebe an kleinen Erlebnissen, die sich in mir als ganz persönliches eigenes Erinnerungsmuster abspeichern.

Sehr gut beschrieben, unterschreibe ich. :)

Bei den Vanlife-Reisevideos wird auch oft das Essen in fremden Ländern zelebriert, aber ich esse lieber immer etwa das Gleiche. Für mich darf das Essen gar nicht so wichtig sein, weil ich sonst zunehme, was nicht ideal wäre, da ich mich aufgrund meiner Schmerzkrankheit weniger bewege. Außerdem liegt das auch in meinen Genen. Essen war deshalb nie wichtig für mich, ebenso wenig das Kochen. Mein Neffe ist aber ein guter Koch, er findet das echt krass, wie wenig mir das zusagt. :D

Beim Reisen ist das wohl ähnlich für mich. Ich hätte eher Lust, punktuell tiefer zu gehen und mir z. B. einen Schrebergarten zuzulegen, aber da fehlt mir die Gesundheit dafür. Aber ein Schrebergarten in schöner Landschaft, am besten etwas, was die Eidechsen anlockt, wäre viel interessanter für mich. Also Vogelgezwitscher habe ich auch in meinem jetzigen Garten, sogar das Gurren von Türkentauben. Ich wohne im Jura der Schweiz, eine sehr schöne Gegend.

Laura_Maelle schrieb:aber ich esse lieber immer etwa das Gleiche.

Das ist sicher auch ein Unterschied. Ich esse sehr gern unterschiedliche Speisen, auch aus unterschiedlichen Länderküchen.

Laura_Maelle schrieb:Für mich darf das Essen gar nicht so wichtig sein, weil ich sonst zunehme, was nicht ideal wäre,

Für mich ist Zunehmen auch nicht so günstig, allerdings finde ich, dass man auch dann nicht zunehmen muss, wenn man gut und abwechslungsreich isst. Gerade die Küche anderer Länder macht ja oft gar nicht zwangsläufig dick.

martenot schrieb:Gerade die Küche anderer Länder macht ja oft gar nicht zwangsläufig dick.

Ehrlicherweise muss man sagen KEINE Küche macht per se dick. Es kommt eben darauf an wie viel man isst und wie viel man sich bewegt.

martenot schrieb:Gerade die Küche anderer Länder macht ja oft gar nicht zwangsläufig dick.

Für mich wäre das ein heikles Experiment wegen meinem Reizdarm. Da ich immer etwa dasselbe nehme, wo ich weiß, inwiefern ich es vertrage, fühle ich mich sicherer mit dem vertrauten Essen. Aber auch ich schaue, dass ich gesund esse.