Asexualität - Krank, exotisch, Option oder Jackpot?

EnyaVanBran schrieb:Hier geht es ja nicht um hin und wieder. Ein asexueller Mensch ist NIE erregt. Und das hat auch mit traumatisiert nichts zu tun. Dennoch stelle ich es mir auf Dauer schon belastend vor, wenn sich ständig jemand an mir abreagiert. Überhaupt als Frau kann das sogar sehr unangenehm werden, wenn der Körper das eigentlich gar nicht will.

@EnyaVanBran

Na klar, ist Sex als Dauergefallen an den Anderen keine Lösung. Dennoch sehe ich Sexualität in der Beziehung auch als gemeinsame Verantwortung an. Wenn jemand erst in der Beziehung 'asexuell wird' kann der oder diejenige auch nicht vom anderen erwarten, dass der dann einfach den Rest des Lebens Pech hat und das hinnimmt. Dann halte ich es für richtig, erst mal Geduld zu haben miteinander, nach medizinischen Ursachen zu suchen, ggf dem Anderen zu ermöglichen, sich andernorts sexuell zu betätigen oder sich zu trennen.
'Mitgefangen, mitgehangen' greift da auch etwas kurz.

Wobei mich immer noch interessiert, wo 'Asexualität' denn herkommen mag. Dass das genetisch ist, kann ich nicht glauben, einfach weil Asexualität einen sehr evidenten Vermehrungsnachteil hat.

Wo könnten soziale Ursachen liegen? Nur eine vage Vermutung von mir: Wir leben in einer einerseits hypersexualisierten Gesellschaft, andererseits auch in einer körperfeindlichen, bezogen auf Körper, die nicht dem Ideal der Bacardi Werbung entspringen.

@sacredheart
Die Frage nach der Herkunft ist eher müßig, es gibt andere Sexualitäten, die auch nicht der Vermehrung dienlich sind.

Asexualtät kann auch temporär sein, oder sich langsam entwickeln oder auch Traumafolge sein.
Da stellt sich die Frage, wie ist es für den Betreffenden.
Hat er oder sie Leidensdruck?

Oder "nur" der Partner?

Bundeskanzleri schrieb:Das stimmt eben nicht. Erregung gibt es, aber nicht den Wunsch nach GV.

In dem Interview mit der jungen Dame neulich hat sie das extra so erwähnt, dass sie niemals Erregung verspürt. Ich schätze, es wird auch hier unterschiedliche Abstufungen geben.
Und selbst wenn man sich selber stimulieren kann wird das beim Sex mit einem anderen Menschen kein erfüllendes Erlebnis sein.

sacredheart schrieb:Wenn jemand erst in der Beziehung 'asexuell wird' kann der oder diejenige auch nicht vom anderen erwarten, dass der dann einfach den Rest des Lebens Pech hat und das hinnimmt.

Genau das wird, glaube ich, nicht passieren. Du sprichst hier wohl von körperlichen Beeinträchtigungen, die mit dem Alter kommen können. Ja, im Grunde das selbe Ergebnis, aber ein anderer Hintergrund.
Und ja, klar muss man sich dann irgendwie arrangieren. Es kommt da dann wohl auch drauf an, wie lange und wie gut die Beziehung ist.

EnyaVanBran schrieb:Genau das wird, glaube ich, nicht passieren. Du sprichst hier wohl von körperlichen Beeinträchtigungen, die mit dem Alter kommen können. Ja, im Grunde das selbe Ergebnis, aber ein anderer Hintergrund.
Und ja, klar muss man sich dann irgendwie arrangieren. Es kommt da dann wohl auch drauf an, wie lange und wie gut die Beziehung ist.

@EnyaVanBran

Wobei man ja bei körperlichen Gebrechen, die einen daran hindern, das Kamasutra rauf und runter zu turnen, dann auch auf andere Formen ausweichen kann, sofern die Lust vorhanden ist.

Hier sehe ich nur ein anderes Problem, dazu gab es vor Jahren mal einen interessanten Artikel im Stern: früher wollte die Oma irgendwann nicht mehr und beim Opa blieb der Fahnenmast auch unten. Dann kam Viagra und plötzlich war der Opa wieder spitz wie Lumpi, die Oma aber nicht. Ich glaube, dass viele alte Damen gar nicht so glücklich mit den Medikamenten sind, die der Opa jetzt nehmen kann.

sacredheart schrieb:Hier sehe ich nur ein anderes Problem, dazu gab es vor Jahren mal einen interessanten Artikel im Stern: früher wollte die Oma irgendwann nicht mehr und beim Opa blieb der Fahnenmast auch unten. Dann kam Viagra und plötzlich war der Opa wieder spitz wie Lumpi, die Oma aber nicht. Ich glaube, dass viele alte Damen gar nicht so glücklich mit den Medikamenten sind, die der Opa jetzt nehmen kann.

Das meinte ich eigentlich mit körperlicher Beeinträchtigung. Nun, da magst du recht haben, aber das ist dann auch eine Frage der Kommunikation. Wenn Oma sagt, sorry Opa, aber ich hab da echt keinen Bock mehr drauf, dann wird Opa vielleicht auch drauf verzichten, das einzuwerfen.

EnyaVanBran schrieb:dann wird Opa vielleicht auch drauf verzichten, das einzuwerfen.

Ich als Opa würde dann sagen: Warum soll ich mein Auto tunen, wenn ich nicht mal eine Strasse zum drauf fahren habe.

Dass nun "Omas" irgendwie altersbedingt asexuelle Wesen seien - diese Einschätzung teile ich nicht. Da habe ich schon andere Dinge erlebt.

Hallo!

Ich lese öfters hier Sachen mit und habe mich nun auch entschieden hier mal beizutragen :) Ich möchte meinen Blickwinkel dazu mit euch teilen, da ich selber asexuell bin. Bei mir ist es so, dass ich noch nie in meinem Leben den Wunsch/ das Bedürfnis hatte je mit anderen Menschen Geschlechtsverkehr zu haben. Es ist einfach nichts, was ich für mich selber vorstellen kann. Es war bei mir noch nie anders, besonders in der Pubertät (bin da auch erst gerade raus). Habe mich natürlich mal gefragt, wieso ich in meinem Umfeld die einzige bin, die sich so fühlt.

Es ist auch nie etwas traumatisches vorgefallen, auch will ich das nicht mal ändern, da ich dadurch keinen Nachteil empfinde. Ich bin auch in einer langjährigen Beziehung, wo es gut klappt und sich niemand zu etwas gezwungen fühlt. Ich selber würde auch nicht damit klarkommen, nur für den Partner sexuell aktiv zu sein. Ich finde es dementsprechend interessant zu sehen, dass es andere machen können, selbst wenn sie selber dazu absolut keine Lust haben.

Ich befinde mich dazu aber auch in einer besonderen Richtung der Asexualität, da es bei mir in eine sex-repulsed Richtung geht. Ich empfinde also negative Gedanken zu diesem Thema, wenn ich mir vorstelle, nun Geschlechtsverkehr zu haben. Mir wurde aber erst später klar, dass ich eine Art Ekel empfinde und mein Desinteresse natürlich verstärkt wirkt. Ich empfinde dies dennoch als keine Störung, oder Krankheit. Es ist halt einfach ein Teil von mir.

@Tanja1802

Sehr interessant, danke für deine Offenheit.

Darf ich fragen, ob dein Partner denn auch asexuell ist?

Tanja1802 schrieb:Ich empfinde dies dennoch als keine Störung, oder Krankheit. Es ist halt einfach ein Teil von mir.

Obwohl ich nicht wirklich asexuell bin, kann ich es doch ganz gut nachvollziehen, da bei mir mein Sexualtrieb im Lauf der Zeit deutlich schwächer geworden ist, was ich eigentlich nicht als problematisch erlebe. Man leidet eigentlich nicht darunter, wenn man bestimmte Bedürfnisse nicht hat, zumal ich stattdessen Wünsche und Bedürfnisse spüre (z.B. nach Freiheit, Kunst und Kultur, Musik, gutes Essen und guten Wein....).

@Tanja1802
Vielen Dank für deinen Beitrag und deine Offenheit. Ich finde es toll, wie du mit dem Thema umgehst.

Tanja1802 schrieb:Ich empfinde dies dennoch als keine Störung, oder Krankheit. Es ist halt einfach ein Teil von mir

Genau diese Einstellung ist echt großartig :)

Bundeskanzleri schrieb:Darf ich fragen, ob dein Partner denn auch asexuell ist?

Das wäre dann auch meine Frage gewesen.

EnyaVanBran schrieb:Ich schätze, es wird auch hier unterschiedliche Abstufungen geben.

Genau so ist es. Ace ist nicht gleich Ace genauso wie nicht sämtliche Allosexuelle gleich sind. (Außerdem macht es auch einen ziemlichen Unterschied aus ob die Orientierung oder das Spektrum gemeint ist)

Die gängigsten zwei Definitionen lauten:

1. Someone who does not experience sexual attraction to any gender.
2. Someone who has no desire for partnered sex.

Quelle


Wie ich, persönlich, finde das sehr deutlich und relativ unmissverständlich. Also wenn jemand die Definition wirklich nicht versteht, fände ich es nett wenn er es (nicht acephob oder eine sexuelle Orientierung pathologisieren wollend) erklären könnte.


Noch eine kleine Liste mit Dingen die absolut gar nichts damit zutun haben ob jemand Ace ist oder nicht.

1. Whether or not you're sex repulsed, sex positive, and/or sex neutral
2. Whether or not you masturbate
3. How often you may masturbate
4. Whether or not you consume pornography
5. Whether or not you consume in or create erotic pieces of work
6. Whether or not you've had sex in the past
7. Whether or not you are sexually active
8. Your sex drive/libido
9. If you have kinks or fetishes
10. Your gender identity/expression
11. whether you take hormonal therapy or have undergone sexual reassignment surgery
12. Whether or not you have fantasies
13. Whether you experience sensual, romantic, or aesthetic attraction
14. Mental or Physical disorders
15. Any medications you may take or have taken
16. Whether or not you've been abused

Quelle


Nehmen wir als Beispiel die Frau aus dem Interview das Enya gesehen/gelesen/gehört hat. (Natürlich davon ausgehend, dass die Person sich selber irgendwo auf dem Acespektrum einordnet und es für sie in Ordnung ist)
Die Person sagt sie verspüre niemals Erregung. <- vollkommen normal
Person sagt sie verspüre Erregung aber möchte mit keinem anderen Sex <- vollkommen normal (wie z.B. Bundeskanzleri gestern bereits erwähnt hatte)
Person sagt sie verspüre (keine) Erregung, möchte keine Aktivitäten mit einer anderen Person aber mastubiert <- vollkommen normal

Während das erste noch am ehesten auf Verständnis trifft, wird es bei den anderen beiden Beispielen oft schon etwas komplizierter für beide Seiten was das Erklären und Verstehen betrifft.
Selbstverständlich gibt es noch deutlich mehr Varianz allein was Ace als Orientierung angeht, wie von Tanja erwähnt sex-repulsed oder eben das Gegenteil sex-favourbale, aber das würde jetzt doch etwas viel und viel zu durcheinander werden.
Sorry falls die Sachen alle schon hier im Thread erwähnt wurden, habe es ehrlich gesagt nicht mehr im Kopf was bereits alles so geschrieben wurde. Deswegen und weil heute auch International Asexuality Day ist etwas Kuchen für alle🍰

Sakunya schrieb:weil heute auch International Asexuality Day ist etwas Kuchen für alle🍰

Ist es das? Also dieser Tag? Ist ja cool :D

Sakunya schrieb:wird es bei den anderen beiden Beispielen oft schon etwas komplizierter für beide Seiten was das Erklären und Verstehen betrifft.

Ja, das meine ich. Man muss das ja selber erstmal begreifen und das dauert. Und dass es dafür auch einen Begriff gibt, weiß auch kaum jemand.

Früher hieß der Sammelbegriff "frigide" für Frauen :palm:

Sakunya schrieb:Während das erste noch am ehesten auf Verständnis trifft, wird es bei den anderen beiden Beispielen oft schon etwas komplizierter für beide Seiten was das Erklären und Verstehen betrifft.

Wenn man noch nie von solch einem Problem betroffen war, denkst man darüber ja nie nach, aber es stimmt schon, es ist bestimmt nicht einfach, anderen Menschen zu erklären, warum man tut, was man tut, bzw. warum man es nicht tuen möchte.

Bundeskanzleri schrieb:Früher hieß der Sammelbegriff "frigide" für Frauen :palm:

Ich finde dieses Wort schrecklich. Und es würde mich wahrlich interessieren, wie viele Frauen das nur bei jenen Männern waren, die auf sie nicht eingegangen sind.
Aber wir leben zum Glück in einer aufgeschlosseneren Zeit, wo solche Themen diskutiert werden können.

EnyaVanBran schrieb:Ich finde dieses Wort schrecklich

Ja, ich allerdings auch. Es ist sehr abwertend.
Anderseits, wenn der Mann nicht kann, wird das auch oft abschätzend kommentiert und ist Thema von vielen Cartoons und Witzen.

Finden sicher auch nicht alle Männer gut.

Bundeskanzleri schrieb:Anderseits, wenn der Mann nicht kann, wird das auch oft abschätzend kommentiert und ist Thema von vielen Cartoons und Witzen.

Finden sicher auch nicht alle Männer gut.

Ist es auch nicht. Aber die Welt ist grausam und es werden immer wieder Witze über Unzulänglichkeiten gemacht, die einen Teil der Menschheit treffen. Witze über Dicke, Witze über Haarausfall, Witze über Blondinen.... Denn was heute noch lustig ist, kann einen morgen schon selber treffen.

Bundeskanzleri schrieb:Finden sicher auch nicht alle Männer gut.

Zum Glück bin ich als schwuler Mann weitgehend aus dem klassischen männlichen Rollenbild und dem entsprechenden sozialen Umfeld draußen, sodass niemand von mir wissen will, ob ich jederzeit "kann" oder "will". Aber wenn man jung und hetero ist oder für hetero gehalten wird, dann kann durchaus sozialer Druck ausgeübt werden, bzw. man wird als Schwächling gesehen, wenn man nicht regelmäßig genug und relativ offensichtlich sexuelle Kontakte pflegt.

martenot schrieb:Aber wenn man jung und hetero ist oder für hetero gehalten wird, dann kann durchaus sozialer Druck ausgeübt werden, bzw. man wird als Schwächling gesehen, wenn man nicht regelmäßig genug und relativ offensichtlich sexuelle Kontakte pflegt.

Wie verschieden die Welt ist. Frauen werden hingegen als alles mögliche bezeichnet, wenn sie zu häufig sexuell aktiv sind, womöglich jedes mal mit einem anderen Partner. In dieser Hinsicht ist unsere aufgeschlossene Gesellschaft vielleicht doch nicht so toll zu bewerten. Das war in Zeiten, wo man über Sex niemals gesprochen hat, wohl deutlich einfacher.

EnyaVanBran schrieb:Wie verschieden die Welt ist. Frauen werden hingegen als alles mögliche bezeichnet, wenn sie zu häufig sexuell aktiv sind, womöglich jedes mal mit einem anderen Partner.

Ja, das ist schon komisch. Ein sexuell sehr aktiver Mann mit wechselnden Partner(Inne)n wird oft als toller Kerl angesehen und irgendwie wertgeschätzt. Zumindest kann man sich da normalerweise einer gewissen kumpelhaften, schulterklopfenden Zustimmung sicher sein, nach dem Motto "bist halt ein echter Kerl" oder es heißt "Männer sind halt so". Wenn Frauen sich genauso verhalten, gilt bzw. galt das lange Zeit als verdorben, liederlich, charakterschwach, etc.

@martenot
Wobei es für Frauen aber auch in die andere Richtung nicht einfach ist. Wenn eine junge Frau sich nie auf einen Mann einlässt, dann hat sie auch gleich den Ruf weg, eine alte Jungfer zu sein, oder wird von vielen Menschen als komisch abgestempelt. Sprich, ein junges asexuelles Mädchen hat es wahrscheinlich noch schwerer, als eines, welches zu viel Verkehrt hat.

EnyaVanBran schrieb:Sprich, ein junges asexuelles Mädchen hat es wahrscheinlich noch schwerer, als eines, welches zu viel Verkehrt hat.

Ich denke, es werden widersprüchliche Anforderungen an junge Frauen gestellt. Einerseits sollen sie nicht zu lang warten (aber dann am besten gleich mit dem einzig wahren Ehemann eine Familie gründen), aber andererseits sollen sie möglichst lang züchtig und keusch leben, weil das als Zeichen von Reinheit und Unschuld gilt.