@def Ich bin in einigen Vereinen und Verbänden, sogar in Feuerwehr (Fördermitglied, weil für aktiven Einsatz zu alt) und passives Mitglied in einem Schützenverein, in dem Frau und Tochter ballern.
Das ist auf dem Lande eben so.
Aber entsteht durch "Vereinsmeierei" wirklich so etwas wie "Gemeinschaft"? Sind wirklich alle sozialen Gegensätze, alle kontroversen Interessen aufgehoben, weil man sich für einen Abend in der Woche der Pflege des deutschen Liedguts oder des deutschen Rassekaninchens hingibt?
Nachbarschaftshilfe ist sicher ein gutes Beispiel für ein "Gemeinschaftsgefühl" in Stadt und Land. Allerdings ist das nach meiner Erfahrung und Meinung nur ein temporäres, an einem kleinen gemeinsamen Ziel orientiertes Zusammenarbeiten.
Wenn ich mit Hinnerk von nebenan gemeinsam mit unseren Treckern Stubben auf seiner Koppel rode, dann eint uns nur diese temporäre Arbeit, das gemeinsame und konkrete Ziel, diese Scheissdinger rauszuwühlen, damit er hinterher pflügen, eggen und neu einsäen kann. Er wird mich hinterher im Kreise seiner Familie, seines Stammtisches, weiterhin für den Spinner aus Hamburg halten und ich ihn für den versoffenen Dorfdeppen. Wir werden also keine darüber hinaus gehende Gemeinschaft entwickeln. Auf Gemeindeversammlungen werden wir weiterhin kontrovers über Windkraftanlagen oder Verkehrsprojekte streiten.
Wenn meine Tochter den Kindern einer irakischen Flüchtlingsfamilie bei den Hausaufgaben hilft, dann ist das nicht anders. Da wird das Gefälle zwischen deren Armut und unserem Reichtum nicht geringer werden, unsere Vorstellungen von Lebensgestaltung keine gemeinsamen sein.
Als ich mir in den Ruinen eines Lagers in Beirut mit PFLP-Kämpfern gammeliges Fladenbrot und brackiges Wasser teilte und wir unser Leben riskierten, mag das zwar eine Gemeinschaft gewesen sein, im Sinne einer "Schützengrabengemeinschaft", wie ich sie bis dato von den Erzählungen meines Vaters kannte - aber was hatte ich mit ihnen wirklich gemein? Ihren politischen Fanatismus? Ihren wirren Antisemitismus? Nö, höchstens die Todesangst und die Ecke, in die wir gekackt haben.
Ich denke, jeder Mensch hat seine Interessen, seine Vorstellungen, die er durchzusetzen versucht. Aber ein gemeinsames "grosses Ganzes", das in Predigten und Sonntagsreden wortreich beschworen wird, gibt es nicht. Denn wer würde bestimmen, wie das auszusehen hat. Wer hätte sich da wem unterzuodnen? Was passiert mit dem, der das nicht tut?