Massenproteste in Nordafrika
14.01.2011 um 01:59Anzeige
Paris - US-Außenministerin Clinton warnt vor einer Wutwelle, ihr deutscher Kollege Guido Westerwelle ist zutiefst besorgt über die Eskalation der Gewalt - jetzt hat der tunesische Präsident Sein al-Abidin Ben Ali auf die immer lautere Kritik reagiert. In seiner dritten Fernsehansprache seit Beginn der Massenproteste räumte er erstmals indirekt ein: Seine Sicherheitskräfte haben mit unangemessener Gewalt auf die Proteste gegen die miserable soziale Lage im Land reagiert. "Ich habe das Innenministerium angewiesen, künftig auf ungerechtfertigte Waffengewalt zu verzichten", sagte er am Donnerstag.
Der 74-jährige Diktator ließ außerdem anklingen, dass er 2014 nicht mehr bei der Präsidentschaftswahl antreten werde. "Es gibt keine Präsidentschaft auf Lebenszeit", sagte er. Er wolle die in der tunesischen Verfassung festgelegte Altersgrenze von 75 Jahren nicht ändern.
Ben Ali kündigte außerdem Preissenkungen für Lebensmittel, Meinungsfreiheit für Journalisten und eine unabhängige Untersuchungskommission an, die sich mit den Gewalttaten der vergangenen Wochen befassen solle. Erneut sprach er allerdings von "kriminellen Banden", die die Gewalt angeblich anheizten. In seinen vorherigen Ansprachen hatte Ben Ali bereits zahlreiche Maßnahmen angekündigt, darunter die Schaffung von 300.000 Jobs. Sie haben aber bislang nicht dazu beigetragen, die Proteste einzudämmen.
Menschenrechtler sprechen von über 60 Toten
Die Proteste, die sich ursprünglich gegen die hohe Arbeitslosigkeit richteten, zielen immer stärker direkt auf das Regime Ben Alis, der das Land seit 23 Jahren autoritär regiert. Am Donnerstagabend verbreiteten sich Gerüchte über einen Rücktritt von Außenminister Kamel Morjane aus Protest gegen die Gewalt der Sicherheitskräfte. Auf einer offenbar gefälschten Website war in Arabisch, Englisch und Französisch ein Rücktrittsschreiben zu lesen, in dem Morjane angeblich die Regierung heftig kritisierte.
Die gewaltsamen Proteste greifen derweil immer stärker auf die Hauptstadt Tunis über. Tausende Menschen gingen am Donnerstag auf die Straße, die Polizei lieferte sich mit 300 Demonstranten eine Straßenschlacht.
Nach Informationen des französischen TV-Senders BFM wurde in Tunis ein US-Journalist angeschossen. Unklar blieb, um wen es sich dabei handelt. Der Mann sei nahe dem Stadtzentrum von einer Polizeikugel am Bein getroffen worden, berichtete BFM-TV. Die Ordnungskräfte hätten mit scharfer Munition in die Menge gefeuert, nachdem von dort Steine geworfen worden waren.
Im Stadtteil Lafayette wurde mindestens ein weiterer Demonstrant erschossen. Ein Reuters-Journalist in Tunis berichtete von Zusammenstößen in Tunis wenige hundert Meter von der Zentralbank. Die Polizei riegelte Teile der Stadt ab, schwarzer Rauch stieg in den Himmel. Sicherheitskräfte umstellten den Sitz der größten tunesischen Gewerkschaft, die Regierung sagte vorläufig alle Sportwettkämpfe ab. Bereits in der Nacht zum Donnerstag hatte es trotz der Ausgangssperre in Tunis heftige Unruhen gegeben, bei denen mehrere Menschen ums Leben kamen.
pprubens schrieb:Wie siehst du die Rolle der Muslimbruderschaft in den beiden Staaten Algerien und Tunesien?
Puschelhasi schrieb:Nun wird es wohl zu einer islamistischen Regierung kommenNa das will ich mal nicht hoffen.
Puschelhasi schrieb:wenn es die bürgerlichen Kräfte nicht schaffen die nProbleme des Landes schnell zu lösen, was mehr als utopisch ist.Na, so utopisch eigentlich nicht. Tunesien hat 150 mrd. auf der hohen kante, ziehe davon die hälfte durch korruption ab und es bleibt immer noch genug für ordentliche Armutsbekämpfung.