@Hyperbora
Hyperborea schrieb:Naja,
Bei manchen ist das sicherlich so. Und ein eigenartiges Sozialverhalten ist nun nicht so ungewöhnlich für Menschen mit Autismus
;)Dann gibt es aber auch diejenigen, bei denen ADS egal ob mit oder ohne H nicht passt. Bin mal die Diagnosekriterien durchgegangen - bei allem: passt nicht oder direkt "bin genau gegenteilig", und auch "verpeilt" trifft nicht zu, und nicht nur nicht durchschnittlich organisiert und aufmerksam, sondern (fällt auch anderen auf) extrem strukturiert und durchgeplant. Das fiel mir auch immer leicht.
Bei den Kriterien für Autismus hingegen ganz viel "ja, ist bei mir so", "finde ich völlig nachvollziehbar so zu sein" und auch bei Diagnosestellung (diese fand mit über 30 im Rahmen einer Studie statt) hieß es: eindeutig Autismus, und keine Hinweise auf AD(H)S, auch keine Hinweise auf eine psychische Erkrankung.
(Meine persönliche Einstellung zu Diagnosen: sie helfen mir ungefähr abzuschätzen was passen kann und was woran liegt. Bin z.B. froh darüber zu wissen dass ich von Prosopagnosie und Hyperakusis betroffen bin. Finde evl. eher Anschluss in einer Gruppe für Autisten. Weiß, dass sowas wie Bücher "für Schüchterne" nicht für mich nützlich sind. "Offiziell" brauche ich keine Diagnosen, d.h.: Nehme keine Medikamente, mache keine Therapien wofür man eine Diagnose brauchen könnte, und kann in meinem Wunschberuf ohne Nachteilsausgleiche oder andere Hilfen arbeiten.)
Hyperborea schrieb:Außerdem bin ich sozial sehr naiv, oder anders gesagt gutmütig.
Bin gutmütig im Sinne von: habe kein Interesse anderen zu schaden, mag nicht ausnutzen, mobben, spotten.
Gesichter, Mimik, allgemein Stimmungen einschätzen fällt mir schwer. Da passierte es z.B. schon öfter, dass sich nach einem Treffen von mir nett verabschiedet wurde und sogar ein nächstes Treffen erwähnt wurde, und ich nicht merkte (andere merkten es) dass diese Person sicherlich kein weiteres Treffen will, was auch zutraf.
Bin aber der vorsichtige Typ, sprich: Mit Betrug, Haustürgeschäften etc. kriegt man mich nicht dran. Auch sehr vorsichtig in Situationen die heikel sind und Betrug, Diebstahl etc. sein könnten, um auszugleichen, Menschen nicht gut hinsichtlich ihrer nonverbalen Kommunikation einschätzen zu können. Es kann manchmal dazu führen, weniger hilfsbereit zu sein, wenn es sich um Fremde handelt. (Beispiel: Zu zweit auf dem Markt, wir haben nach einem Produkt gefragt (sind im Ausland, sprechen die Landessprache noch nicht flüssig). Mein Mann hatte ein Handy dabei und ein Bild des Produkts darauf, und wurde gebeten, das Handy mal rüberzureichen. Er hat das gemacht, und das Handy wohlbehalten wiederbekommen. Er hat auch einmal einer fremden Person in einer Situation die kein Notfall war sein Handy geliehen, auch da ist nichts passiert. Mir wäre das zu heikel gewesen, weil ich Menschen nicht gut einschätzen kann.)
Hyperborea schrieb:Ich brauche diese äußeren Grenzen, ein kleines Lebensfeld, wenig Leute um mich herum, und wenn es die richtigen sind kann ich fast problemlos ich sein.
Das ist bei mir genauso: Strukturiert, ruhig, wenige und passende Menschen.
Hyperborea schrieb:Was bei beiden auftritt ist diese furchtbare Reizüberflutung.
Auch von dieser bin ich betroffen. Heißt konkret im Alltag:
- Meiden von lauten, vollen Umgebungen, z.B. Auswahl von Restaurants (wenn denn mal) nicht nur nach Speisekarte sondern auch nach erwartbarer Lautstärke, Kantine nicht nutzen
- Beruf ohne Kundenverkehr, ohne Telefondienst
- keine Hintergrundmusik, auch definitiv kein Hintergrundfernsehgeräusch
- "Gemütlich" ist ein Stichwort, das darauf hinweist, dass es für mich ungemütlich (= laut, voll) wird.
- Mich selbst ruhig verhalten, z.B. wird man mich nie mit klappernden Schuhen, "plärrendem" Handy, laut mit dem Löffel in der Tasse rührend etc. antreffen
- Gegenstände nach Geräuschpegel auswählen (so geht z.B. ein Kleidungsstück bei dem etwas klappert, Knöpfe über den Schreibtisch schaben... gar nicht)
- Gegenstände nach taktilen Reizen auswählen
- der beste Duft ist gar kein Geruch
und so weiter.
Als Erwachsene habe ich da viel mehr Kontrolle darüber. Als Kind war es schlimm - man muss ja leider mit der Masse mit, all die lauten Pausen, die lauten Ausflüge, alle für die Schulvorführung die gleiche (kratzige) Kleidung etc.