@graytintJetzt machst du mich neugierig. Seit ich denken kann konsumiere ich (mehr oder weniger bewusst) Werbung. Und genau so lange erlebe ich, dass sich Zeilen aus der Werbung als "Alltagsslogans" manifestieren. Sei es ein: "Mühe allein reicht nicht", ein "Nicht immer, aber immer öfter!", ein "Nichts ist unmöglich!" oder ein "Entdecke die Möglichkeiten!" Nicht zu vergessen die diversen Verballhornungen à la "schraubst du noch, oder schläfst du schon".
Und wenn bei uns in der Firma mal wieder mit großem Tamtam und Trara irgendwelche Änderungen in der Organisation verkündet werden, dauert es auch nicht lange, bis irgendwer "Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix" zitiert.
Ein Gleiches gilt mit Sicherheit für die Musik, wo sich Zeilen wie "das bisschen Haushalt", "Show must go on" oder auch "Männer sind Schweine" in den Alltag integrieren, einfach weil sie eingänglich sind, einen gewissen Hang zur Ironie haben oder einfach nur gelebter Erfahrung entsprechen.
Ich selber habe die von dir zitierte Textzeile bis heute noch nicht wahrgenommen. Was aber nicht heißen soll, dass sie irrelevant sei, sondern lediglich, dass die von dir implizierte Allgemeingültigkeit so nicht gegeben ist.
Also ja, eine Beeinflussung der breiten Bevölkerung ist mit Sicherheit gegeben (die gibt es aber schon ziemlich lange, denn der Begriff "des Pudels Kern" ist auch erst künstlich geschaffen worden und ist dann aus dem Faust in den allgemeinen Sprachgebrauch geschwappt), aber nehmt sie doch bitte nicht immer nur so selektiv wahr. Nehmt sie doch bitte in all ihren Facetten zur Kenntnis - dann sind solche Sätze wie "gebt uns ruhig die Schuld" nur noch halb so dramatisch.
Abgesehen mal davon, dass ich nicht verstehe, was die Zeile implizieren soll. Wir haben sage und schreibe 61 Jahre gebraucht, bevor das Führen der Nationalfarben wieder salonfähig wurde. Ich glaube nicht, dass man in Deutschland irgendwem Schuldgefühle oder eine Opferrolle vermitteln muss. Die nehmen wir seit 65 Jahren gerne freiwillig an. Ich kenne den Kontext der Textzeile ja nicht, aber so allein hingestellt, wie du es hier auch tust, würde ich sie immer als Ironie verstehen wollen, frei nach der Devise: wir waren schon an so vielem Schuld, gebt uns DIE Schuld auch noch, kommt nicht mehr drauf an. Aber anders als du interpretiere ich sie eben nicht als Mantra, dass meine persönliche Meinung beeinflusst, sondern eher als Trotzreaktion. So unterschiedlich ist Wahrnehmung. Und? Wer hat nun Recht? Du oder ich? Oder irgendeiner der Anderen, die es vielleicht noch ganz anders interpretieren?