JestersTear schrieb:Getötet wurde er für das, was er dargestellt hat, nachdem man sah, wen man angegangen hat. Vollkommen unerheblich, ob er tatsächlich homosexuell oder nicht war. Wahrscheinlich hat man ihn dafür gehalten.
Ich denke auch, dass es vollkommen egal war, ob er homosexuell war. Das Wissen über die vielen Varianten des "Anders-Seins" war damals überhaupt nicht weit verbreitet, und zwar sowohl bei den Betroffenen, denen es damals dadurch viel schwerer viel, sich selbst "einzuschätzen", als auch in der breiten Bevölkerung, in der Vorurteile und Vorverurteilungen damals sicher weit verbreitet waren.
Hinzu kam bei vielen noch die Angst, eben selbst für einen Homosexellen gehalten und deshalb vo den Kumpels als "warmer Bruder" oder "einer vom anderen Ufer" verspottet zu werden.
Ich hab gerade gestern mit einem Mann gesprochen, der heute Mitte 50 ist und dessen Vater ihm in seinen 20ern klipp und klar gesagt hat, als Schwuler könne er den elterlichen Handwerksbetrieb nicht übernehmen, er sei immer zu Hause willkommen, aber er solle es bitte nicht wagen, seinen Lebenspartner mitzubringen, der sei "unter diesem Dach nicht willkommen". Den Handwerksbetrieb hat dann die jüngere Schwester übernommen. Ihr als Frau hat man das aber eigentlich gar nicht zugetraut, weshalb man einen Meister eingestellt hatte, von dem man eigentlich hoffte, dass er der Schwiegersohn wurde. Aber auch die Tochter hat diesbezüglcih "versagt", weil sie sich für einen Ehemann aus entschieden hat. Den Betrieb hat sie dagegen sehr erfolgreich und geschickt weitergeführt und weiter entwickelt.
Und die Eltern waren nicht mal besonders konservative Menschen, aber so war eben damals das weit verbreitete Weltbild.
Coldcases schrieb:Und ein solcher Fall ist ja nicht aus der Sendung "Wünsch dir was".
Du verkennst hier, dass die Ermittler nicht einfach irgendeinen beliebigen Fall bei XY platzieren, bei dem sie halt nicht weiterkommen. Das wird zwar oft so kommuniziert, gerade in der Sendung selber sieht man in den Filmfällen immer mal wieder zwei Komissare ratlos am Schriebtisch sitzen und dann sagt der eine zum anderen: "Wie wäre es, wenn wir damit zu XY gehen würden, das wäre die letzte Chance!"
Tatsächlich werden für die Sendung aber bewusst Fälle ausgewählt, in denen man sich von der Vorstellung etwas ganz konkretes verspricht. Wo man sich z.B. sicher ist, dass es Mitwisser gibt, wo man weiß, dass es Zeugen geben muss, die sich noch nicht gemeldet haben, weil sie vielleicht gar nichts vom Fall mitbekommen hat, weil man hofft, dass jemand einen Gegenstand, eine Stimme, eine Handschrift etc. wiedererkennt oder bei denen man den Täter aus der Reserve locken will.
Insofern kann man einfach mal annehmen, dass die Ermittler den Fall gezielt udn bewusst für die Sendung ausgewählt haben, weil sie sich etwas ganz bestimmtes davon versprechen.
Coldcases schrieb:Die gibt es meist immer, wenn ein Fall noch einmal im TV ausgestrahlt wird. Nur sind diese meist eher Quantität statt Qualität und in den seltensten Fällen zielführend. Das muss man einfach realistisch und nüchtern so sehen.
Die Aufklärungsquote der bei XY gezeigten Fälle liegt insgesamt bei 38%. Natürlich bedeutet das nicht, dass all diese Fälle durch die Ausstrahlung und anschließende Zuschauerhinweise geklärt wurden. Und natürlich sagt das nichts über die Chancen eines einzelnen Falles aus, dass er noch geklärt werden kann. Zumal in dies Statistik ja auch viel aktuellere Fälle und auch aktuelle konkrete Personenfahndungen eingehenl, die natürlich eine höhere Chance auf Klärung haben als so ein Uralt-Cold-Case.
Aber ganz so fatalistisch wie Du muss man es auch nicht bewerten. Wie gesagt, ich bin der Meinung, dass die Ermittler schon überlegen, welche Chancen sie dafür sehen, dass durch die Sendung etwas erreicht werden kann, bevor sie einen Fall dort vorstellen.
Vorsichtfalle schrieb:Angenommen er hatte beides dabei, so ist schon interessant, dass die Tasche nicht mitgenommen wurde von den Tätern, die vermeintlich uninteressantere Tüte aber schon. Das verstärkt für mich den Verdacht, dass gezielt der Notizblock mitgenommen werden sollte.
Wenn er nur die Tüte dabei hatte, könnte diese auch "einfach so" mitgenommen worden sein, nach dem Motto Gelegenheit macht Diebe.
Ich glaube, man darf sich das nicht so vorstellen, dass die Täter sich ewig Zeit gelassen haben während und nach der Tat. Ich denke, dass das ganze, trotz der zahlreichen Schläge und Messerstiche nur wenige Augenblicke gedauert hat und ein extrem dynamischen Geschehen war. Der Tatort war ein Platz im Zentrum von Ulm, die werden sich nach der Tat kaum die Zeit genommen haben, das Opfer gründlich zu durchsuchen, sondern sind unverzüglich verschwunden. Ich denke es hat gereicht, dass der tote Körper aufd er Tasche lag oder die Schulter, über der der Trageriemen hing unten lag (wenn er auf der Seite lag), dass die sich einfach nicht die Mühe gemacht haben, die Tasche hervorzufummeln.
Vielleicht wollten sie ihm bewusst das Notizbuch entwenden, weil sie sich durch seine Notizenmacherei provoziert fühlten oder Angst hatten, darin notiert, vielleicht verhöht wordern zu sein. Als sie das hatten, hatten sie an seinen anderen Habseligkeiten kein Interessse mehr.