WM schrieb: Ob das mit dem Hauskauf vielleicht eher ihr Traum war als seiner? Selbst wenn er der sparsamsten Menschen der Welt gewesen wäre, wäre das Projekt bei seinem mutmaßlichen Gehalt nicht ohne gewesen.
Er schien schon sehr stolz auf Haus, Hof, Frau und Grill gewesen zu sein - und es war vor 25 Jahren sicher so, dass die Banken auch noch sehr viel großzügiger finanziert haben - am Ende des Tages sind es ja Verkäufer. Dann das Kind, Frau arbeitet nur Teilzeit, Kind kostet Geld ... schon ist die Sache nicht mehr so rosig.
WM schrieb:Meine Überlegung zielt auch darauf ab, ob er möglicherweise eine Tendenz hatte, es ihr Recht machen zu wollen und es ehrlicher gewesen wäre, zu sagen, dass ihm das mit dem Hauskauf eine Nummer zu groß ist.
Es gibt viele Leute, die sich beim Hauskauf gnadenlos überschätzen. Erstaunlicherweise glauben auch immer viele Leute aus dem Billiglohnbereich, dass sie sich "hocharbeiten" können. Vielleicht ist das einfach ein Schutzmechanismus, um die eigene Lage besser herzustellen, aber ich habe das auch bei der Arbeit sehr oft, dass die eigene Perspektive viel rosiger eingeschätzt wird, als sie ist.
duval schrieb:Vielleicht wollte Demel einfach mal einen kompletten Neuanfang wagen raus aus den Schulden, rein ins Abenteuer Ausland. Klingt verlockend wobei: Spurlos abtauchen ist schwerer als man denkt. Irgendwo bleibt fast immer eine Spur zurück.
Das Problem ist: Jeder Arbeitsmarkt funktioniert nach den gleichen Prinzipien. Er hatte ja keinerlei Alleinstellungsmerkmale, die ihn für einen ausländischen Arbeitsmarkt irgendwie attraktiver machten als für den deutschen.
goldenerReiter schrieb:weit gekommen dürfte er mit seinen kaum vorhandenen finanziellen Möglichkeiten und seiner seltsamen Lebenseinstellung aber kaum.Und wenn er dann eventuell noch nicht mal entsprechende Fremdsprachenkenntnisse (Traumland Spanien wäre ja spanisch Voraussetzung) hatte wäre er m.E. hoffnungslos verloren gewesen.
Ja - es ist oft so ein Sehnsuchtsort und so Gedanken, die sich da verfestigen. Ich kenne auch eine langzeitarbeitslose Frau, die seit Jahren darüebr spricht, nach Griechenland auswandern zu wollen. Es gibt aber gar keine konkreten Pläne, sie kann z.B. noch immer kein Griechisch, aber sie ist sehr überzeugt davon, dass es passiert. Ich glaube, dadurch tröstet sie sich selbst über die hiesige Perspektiv-
losigkeit hinweg. In unserer ländlichen Region ist der Arbeitsmarkt für sie ausgelutscht, sie hat irgendwie schon überall mal gearbeitet und ist schon überall gescheitert.
brigittsche schrieb:Irgendwie kam er aber in dem Film auch nicht so rüber, wie ein Mann, der sein Leben "auf die Reihe kriegt" und daher würde ich annehmen, immer natürlich vorausgesetzt diese Charakterisierung ist zutreffend, dass er selbst bei einem tatsächlich unternommenen "Ausbruchsversuch" ins Ausland dort eher heute als morgen gescheitert und wieder zurückgekommen wäre.
Er war irgenwie wie so ein typisches erwachsenes Kind, das erst mal macht, dann upppss ... feststellt, dass es nicht so hinhaut und sich dann (mehrfach) von seinen Eltern finanziell aus dem Schlamassel wieder raushauen lässt. So auch die Hobbys, die ja auch kostspielig waren. Wenn ich nicht klar komme, wären erst mal die Stromfresser (Terrarien) und der Hund dran gewesen. Da wurde ja auch nicht taktisch vorgegangen, um das Problem in den Griff zu bekommen.
brigittsche schrieb:Es wundert mich auch sehr, und normalerweise warne ich ja auch immer gerne davor, in XY-Filme irgendwie zu viel rein zu interpretieren.Aber irgendwie wird diese Beziehung wie auch sein ganzes Leben so "verkorkst" dargestellt, dass man irgendwie den Eindruck hat, da wäre alles irgendwie schief gelaufen und als würde man gar keinen Weg mehr sehen, wie das wieder eingerenkt werden kann: Kein Geld, die Beziehung nicht gerade doll, Alkohol spielt eine größere Rolle als gut ist, beruflich eher mau....
Die Frage ist, ob er das auch so sah: feste Arbeit, nettes Haus, gesundes Kind, hübsche Frau. Der Film hat sehr deutlich gemacht, dass es eben vielschichtige Probleme gab, die allesamt ein Motiv bieten könnten.
brigittsche schrieb: Einzig positiver Aspekt ist aber wohl sein gutes Verhältnis zu seinem kleinen Sohn. Und gerade das würde dann wieder gegen einen Suizid oder ein durchdachtes (!) Ausbrechen aus seinem Leben sprechen.
Er war ja an dem Tag, als er verschwand, betrunken. Wer weiß, was im Hintergrund für Probleme drohten (Geldverleiher, etc.). Da okmmt man schon mal in einen Tunnel.
swinedog schrieb:Ein Verbrechen scheint mir hier auch am wahrscheinlichsten. Dass er noch lebt, davon geht glaube ich ich kaum noch jemand aus. In vergleichbaren Fällen denken ja viele an ein freiwilliges Untertauchen, was ich meist skeptisch sehe.
Die Frage ist nur das Motiv. War er in etwas verstrickt? Aber in Augsburg? Die Familie hätte ja auch gemerkt, wenn der da oft hingefahren wäre.
sakuro schrieb:Interessant wäre auch die Frage, ob die geplante Hundevermittlung nur eine künstlerische Freiheit war, um zu suggerieren dass der Verschwundene auf der Suche nach einem Nebeneinkommen war, oder ob es handfeste Bemühungen in der Richtung gab. Eventuell liegt ja auch hier der Schlüssel zur Lösung des Falles.
So Leute haben ja oft solche "ulkigen" Ideen, wie man ohne großen Aufwand "das große Geld" verdienen kann. Prinzipiell hätte der rationale Mensch versucht, 1-2 Zimmer unterzuvermieten, die Frau hätte aufgestockt, er hätte die teuren Hobbys reduziert und sich einen Nebenjob gesucht (Zeit hatte er ja). So hätte reflektierte erwachsene Problemlösung ausgesehen. Noch reflektiertere Leute hätten das Haus zu dem Preis gar nicht gekauft.
swinedog schrieb: War das die Szene beim Grillen, wo er meinte, dass er sich mit 45 oder so in Spanien zur Ruhe setzen will? Was mir beim Anschauen spontan durch den Kopf ging dabei: Dummes Gewäsch eines nervtötenden Verlierers, der sich allen Menschen in seinem Umfeld gegenüber merkwürdig verhält - passt ins Bild.
s.o., oder Fantasieperspektive, um sich selbst eine Perspektive zu geben. Es gibt viele Leute, die sich irgendwas einreden. Dann gibt es noch die Blender ... nettes Haus, nette Party und dann will ich nach Spanien, nächster Schritt auf der Leiter nach oben.
MinnaEva schrieb:Ich frage mich ja, ob er wirklich ohne Führerschein Automaten aufgefüllt hat ...
Das frage ich mich auch. Die einzige Erklärung wäre, dass es in dem Jahr noch mehr Münzzahler gab und es zum Sicherheitsprotokoll der Firma gehörte, dass man das Geld zu zweit leert, beim Auffüllen. Gerade mal gegooglt, die Umstellung auf bargeldlos kam 2007 flächendeckend. Davor kann es schon aus Unterschlagungsprophylaxe und aus Sicherheit für den Mitarbeiter usus gewesen sein, zu zweit aufzufüllen.
megavolt schrieb:Aber es könnte doch sein, dass er einen netten Arbeitgeber hatte. Nun war L. den Führerschein los für 1-3 Monate, aber der Arbeitgeber wollte oder konnte ihn nicht rausschmeissen deswegen, und hat gesagt, dann hilf eben dem Kollegen Sowieso mit - vielleicht unter Reduktion der Bezüge.
Kommt auf die Abläufe (s.o). an. Vermutlich ist das Auffüllen in ein paar Minuten erledigt, die Fahrt von Automat zu Automat wird der große Zeitfresser sein. Dafür dann aus "Nettigkeit" zwei Leute beschäftigen, wo einer gereicht hätte - das macht keine Firma lang.
MaLe8 schrieb:Nach dem XY-Film schätze ich Demel so ein, dass er nicht der Typ ist, der sich allzu viele Gedanken um so etwas wie eine Übernachtungsmöglichkeit macht. "Zur Not penn ich in der Kneipe/Disko im Getränkelager oder lade mich selbst bei einer Bekanntschaft ein und penn da halt aufm Sofa. Wird schon irgendwie klappen!", so wird´s evtl. gewesen sein.
Das ganze wirkt ja auch aus dem Ärmel geschüttet: Ich fahre mit meinem Freund zu dessen Schießturnier. Dann gehe ich gar nicht rein, sondern betrinke mich (warum bin ich mitgefahren? Ich hätte daheim bei Aldi auch eine Flasche Vodka kaufen können). Dann schlafe ich ein und beschließe spontan, in Augsburg auszusteigen. Da macht man sich keine Gedanken um die Übernachtung. Vermutlich hat man auch gehofft, bei alten Bekannten eine Runde auf der Couch nächtigen zu können. Zur Not hält man sich bis um 9 Uhr wach. Da kommt ja das "Taxi".
Grillage schrieb:Andererseits ist der für einen "Anhaltermörder" jetzt auch kein leichtes Opfer. Allein schon wegen seiner Köperfülle würde ich denken, dass er eher schwer zu überwältigen gewesen ist, selbst wenn er deutlich angetrunken war. Und als Mann ist er eben auch kein typisches Opfer eines Anhaltermörders, auch wenn es natürlich nicht völlig ausgeschlossen ist, dass es auch solche gibt, die es auf männliche Opfer angesehen haben.
Da fehlt (1) irgendwie das Motiv und (2) es war mitten in der Stadt. Klar, eine weniger digitalisierte Zeit, aber für jemand, der ihn aufgabelt, ein riesiges Risiko, dass er und das spätere Opfer gesehen werden.
Grillage schrieb:Was mich halt bei der Darstellung des Freundes in dem Film irritiert hat, war, dass er gleich zweimal der Freundin von Demel seltsame Komplimente gemacht hat, was auf mich irgendwie so wirkte, als wolle er sie angraben. Es was so ein Zwischending zwischen "den Freund ermahnen, er soll netter zu der Frau sein" und "Nimm mich, ich würde Dich besser behandeln als er". Das fand ich sehr strange!
Das stimmt, vielleicht ein Hinweis, dass es wenig Freunde gab, die es richtig gut mit ihm meinten. Allerdings: Dieser Freund war ja auch nicht zu beneiden.