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Gedichte: Tragik

2.709 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gedichte, Lyrik, Poesie ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Gedichte: Tragik

06.12.2012 um 19:13

Ego dormio, sed cor meum vigilat
(Ich schlief, aber mein Herz war wach)


In der Nacht ich ruhig schlief,
Nur mein Herz, das treue, wachte,
Als es klopfte sachte, sachte
Und mein Freund mir also rief:

"Ich, mein Täubchen, meine Braut,
Bin's, der an die Thüre klopfet,
Meine Locken sind betropfet,
Meine Wange ist bethaut."

Und ich sprach: "Ich hab' von mir
Abgethan schon Kleid und Sohlen,
Sprich, wie soll ich's wiederholen?
Sprich, wie soll ich öffnen dir?"

Doch als ich noch einmal nun
Hört' ihn klopfen, hört' ihn stehen,
Konnte ich nicht widerstehen
Und ich wollte auf ihm thun.

Und von lautem Myrrhen floß,
Die von meinen Händen troffen,
Als die Thür dem Freunde offen,
Süßer Balsam auf das Schloß.

Aber ach, was mußt' ich seh'n!
Weil zu lange ich geweilet,
War er schon davongeeilet
Und ich könnt' ihn nicht erspäh'n.

Und voll Sehnsucht eilt' ich fort
Durch die Nacht, daß ich ihn fände,
Rief ihn, daß er mich verstände,
Doch er hörte nicht mein Wort.

Töchter Zions, meinen Dank
Zu erwerben, eilet, eilet,
Fragt, wo der Geliebte weilet,
Sagt ihm, ich sei liebeskrank.

Leberecht Dreves



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Gedichte: Tragik

06.12.2012 um 21:25

An eine Amazone

Was willst du, Mädchen, mit dem Kleid von Eisen,
Das kriegerisch den schlanken Leib umschließt?
Des Busens Strenge willst du uns beweisen,
Indeß dein Aug' so mild und warm uns grüßt.
Soll Mannes Ernst man an der Jungfrau preisen,
Ist der zu preisen, der gefühllos ist?
Dein schwarzes Haar mit seinen seidenen Ringen,
Das Leben soll's und nicht den Tod uns bringen.

Schon ist der Mond am Himmel aufgegangen
Mit seinem blassen lustdurchwebten Schein,
Des jungen Herzens wallendes Verlangen
Schließt er geheim mit seinen Strahlen ein.
Auf deinen lieben, sehnsuchtsbleichen Wangen,
Bebt wie das Morgenroth der Abendschein,
Dich führt der Fackelbrand dem Feind entgegen,
Der süße Strahl führt dich zu süßem Wegen.

Dies Rasenbeet, mit himmlischem Entzücken
Hüllt es dich ein in seinen weichen Schooß.
Was läßt du, Schwan, vom Panzerhemd dich drücken,
Der kleinen Hand, ihr ist ein Schwert zu groß.
Schickt sich des Kriegers Trotz zu Engelsblicken,
Meinst du, es sei nur Kampf und Sieg dein Loos?
O glaube mir, es hat m schönen Stunden,
Den Sieger jede Siegerin gefunden.

Johann Ludwig Deinhardstein




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Gedichte: Tragik

06.12.2012 um 21:29

Des Bergmanns Leiche

Wißt ihr von des Bergmanns Leiche
Aus dem Schachte zu Falun,
Dem einst Gott im Schattenreiche
Unverletzt vergönnt zu ruhn?
Nicht der Nachwelt Tränen weckte
Dieser Jüngling grauer Zeit;
Doch den Treugeliebten deckte
Erde, nicht Vergessenheit.

Bei des Grubenlämpchens Schimmern
Mußte sich das june Herz
Selber seine Ruhstatt zimmern,
Einen Sarg aus blanken Erz.
Bis nach mehr denn sechzig Jahren
Viele hundert Klafter tief
Man hinab zur Stell´gefahren,
Wo der alte Bergmann schlief.

Doch wie rein und aufgeschoben
Ruht im Erdenschoß das Gold,
Das befleckt im Licht hier oben
Druch der Menschen Hände rollt.
So im Schoß metallner Klüfte
Schloß das ewige Gestein
Im ambrosisch reine Düfte
Unversehrt den Schläfer ein.

Wie er nun ans Licht gezogen,
Blühend wie ein Maientag,
Dem der Sonne Glanz entflogen,
Vor des Volkes Augen lag,
Fragen staunend alle Blicke,
Wer der Wunderjüngling sei?
Und er zittert an der Krücke
Auch ein Mütterchen herbei.

Flehend drängt die Tiefbetrübte
Durch die Menge sich und schaut -
Ja, er ist´s, der Heißgeliebte!
Und sie ist des Jünglings Braut!
Nur der Tod kann dich mir geben,
Aber ich war ewig dein!
Sprach´s und schlief zum bessern Leben
An des Jünglings Busen ein.

Karl Bernhard von Trinius




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Gedichte: Tragik

07.12.2012 um 14:18
Ich tat alles , um Familie und verwandte den weg zu weisen
damit sie nicht im materialismus wahn, schweigend leiden
Mich Selbst hab ich erniedrigt , um andere zu erhöhen
Und wer hätt es gedacht : man kann sich durch seine
taten selber verhöhnen!!!
Ich tat so : als gäb es mich als individuum nicht
Schmach und schand spürte ich zwar, und doch
dacht ich mir : all der Leid , das bin nicht ich
alles was ich war und jetz bin is nicht wahr
Und nach all dem Leid eine Stimme;
mein Sohn ; guter Absicht war dein
Wille
Doch;
Warum hörtest du nicht auf dein Herz, auf deine
innere Stimme?
Wie einfach!!!!!

-Unbekannt-


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Gedichte: Tragik

07.12.2012 um 21:01

An meinen Dämon

Nicht nur die Helden auf des Lebens Höh’n,
Die das Gespann der Weltgeschichte lenken:
Ein jeder Mensch hat seinen eignen Dämon,
Und wenn für ihn die Schicksalsstunde schlägt,
Erscheint er im Bereich des engen Lebens,
Gespenstig, wie dem Brutus zu Philippi.

Ich war ein Jüngling, noch vom Kranz der Hoffnung
Das Haupt umrauscht, das Herz von Wünschen trunken,
Da zog ich aus und edle Freunde mit,
Den höchsten Berg der Heimat zu erklimmen.
Dort, wo das Hochland aufsteigt, wo sich kühn
Zum Sturm des Himmels Alpe über Alpe
Auftürmt, dort steht er, den Genossen herrschend,
Und schön, wie vor der Zinne des Versuchers,
Liegt weites Land zu seinem Fuß gebreitet.

Von einer Wiese blumenreichem Saume,
Aus einem Haus an Quellenrand gelegen,
Begann der Zug am klarsten Sommertage.
Auf jeder Kuppe, die wir froh erstiegen,
Umfloss uns rein’re Luft, der Gruß der Berge,
Und unter uns ward rasch das Bild gewechselt.
So ging’s erst durch Gehölz, dann über Matten,
Bis bei der letzten Alpenhütte uns
Das Abendläuten aus dem Tal begrüßte:
Die Gipfel über uns im Abendrot,
Und purpurn lag die Dämm’rung in den Tiefen.

Hier halt es kurze Ruh‘, die frühste Stunde
Sie sollte schon zu neuem Wandern wecken.
Weich war das junge heu und duftete –
Der Mensch nur haucht den Atem der Verwesung –
Und durch das Dach, das über uns zerriss,
Das altergraue, schauten klar die Sterne.
Ich weiß es noch, das Sternbild des Orions
Stand leuchtend über mir in goldner Pracht;
Ich starrte drei – längst schliefen die Gefährten –
Und dachte ernst unsterbliche Gedanken.
Doch nein, nicht Alle in dem Kreise schliefen,

Der edle Jüngling, der mein Bruder war,
Der einzige, den das Geschick mir gab,
Er wachte so wie ich, uns leisen Lauts
Floss das Gespräch beim Funkeln des Orions,
Der hohen Fackel würdig, die uns glühte,
Bis die Gedanken endlich in die Schatten
Des Traums zerflossen, und auch wir entschliefen.

Zur rechten Stunde weckten uns die Hirten,
Die Sterne glänzten noch, nur milder, matter,
Und wie ein Zauberschleier sank es nieder,
Des‘ Saum vor uns an Gras und Blättern hing.
Uns schien der Anblick prächtig, doch die Führer
Ergriff ein böses Ahnen und sie meinten,
Wenn bald den Dampf die Morgenluft nicht trinkt,
Wird er zum Nebel, der die Aussicht deckt,
Und fruchtlos bleibt das Wandern nach dem Berge.

Zu jung war unser Herz, die Dämmerstunde
Zu reizend schön, um am Erfolg zu zweifeln.
Wir schritten unverzagt der Höhe zu:
Noch keine Hoffnung unsres Lebens log,
Wie sollte heut‘ das erste Mal sie trügen?
In breiter Windung lag der Alpenkamm,
Und Blumen, kostbar wie des Ostens Perlen,
Nur zarter, leuchteten im Grau’n des Morgens,
Wir freuten uns der reizend seltnen Beute,
Harmlose Taucher in das Meer der Lüfte.
Doch immer schwerer sank’s von den Geländen,
Und aus den Klüften stieg es trüb empor,
Brautschleier war’s nicht mehr, - ein Leichentuch,
Den schönsten Tag des Sommers drein zu hüllen.
Entschieden war’s: verschlossen blieb die Schau
Von hohen Firne in der Täler Schoß.
Erst schritten die Gefährten lässiger,
Vom Nebel feucht, im Frost des Alpenwinds,
Drauf im Gehäng‘ zerstreute sich die Schaar,
Und trüben Muts, denn fern noch lag das Ziel,
Ward die mühsel’ge Wand’rung aufgegeben.

Ich hörte grollend ihren Spruch, und schnell
Stand der Entschluss: ich will den Berg erklimmen;
Dann trat ich abseits, als sie heimwärts kehrten.
Was ich begonnen, wollte ich vollführen,
Ob auch das Schicksal den Erfolg versagte.

Im Sturme schritt ich vorwärts, unter mir
Verschwanden bald im Nebel die Gefährten,
Und einsam stand ich hoch am Alpenrand;
Steil aufwärts ging mein Weg, - doch war’s kein Weg:
Fortklettern galt es im Geröll, und über
Felsblöcke aus Granit Pfad finden, wo
Der Abgrund tückisch hinter’m Nebel gähnte.
Ein Bergsee lag dort einsam im Gestein,
Das Auge auf der Stirne des Zyklopen.

Lang ging’s so fort, endlich war’s überwunden,
Ich stand auf einer Klippe, wo kein Fuß,
Der Flug des Vogels nur noch aufwärts trägt,
Und mit dem Sturme rang ich, der mich griff
Und mich hinabzuschleudern, über mir
Erscholl des Adlers Schrei: im Sonnenschein
Mocht‘ er sich wiegen glücklich über’m Nebel,
Der mich umgab und auf dem Ross des Windes
Vorüberfuhr; nichts sah ich als nur Nebel.

Da plötzlich schwoll’s vor mir im Nebel auf,
Zum Kern schien sich’s zu ballen, Form zu haschen,
Und wie Hohnlachen klang’s: das war mein Dämon,
Nicht wusst’ ich‘ damals; doch es war mein Dämon!
Ein Gleichnis wies er spottend meines Lebens,
Und rollte künft’ger Tage Bild mir auf:
Erringen sollt‘ ich meines Willens Ziele,
Mein ward zuletzt, wonach die Sehnsucht griff,
Die Freude des Gelingens nahm er nur,
Nur der Genuss blieb aus, der Frucht war Asche.

Mitleidig fern stand damals die Erkenntnis.
Ich liebte eben mit dem vollen Feuer
Der Jugend – unaustilgbar, allverzehrend,
Der Erde Schlacken flossen zischend ab,
Und reines Gold gerann in meinem Herzen,
Genug ein Leben reich damit zu schmücken.
Auf goldnem Grund erschien die Königin
Der Minne, aus dem Kelche meines Herzens
Wuchs sie empor, verklärt halb zur Madonna,
Halb wie das holde Wunder süßer Märchen;
Gewinnen wollt‘ ich sie, mein sollt‘ sie werden
Und stürmte gegen mich die Welt zum Kampf.

Nicht lange blieb es Lenz; es schaukelte
Die rasche Welle mich auf blauem Rücken,
Und trieb mich leise, leise vom Gestade.
Drauf stieg ein Schatten, duftig erst und ferne, -
Die Wolken trübten sich, bald kam der Sturm,
Und Meer und Himmel schlugen wild zusammen
In grauem Gischt, und hinter mir versank
Das grüne Eiland meiner schönen Liebe.
Doch Eines schwor ich noch im wüsten Kampf:
Wie weit mich auch die Stürme jagen mochten
Von Pol zu Pol, hier wollt‘ ich wieder landen,
Und gält‘ es eine Irrfahrt wie Odysseus‘.

Als sich der Himmel endlich klärte, sah
Ich nichts mehr von dem Land der Minne, fremde
Gestade tauchten auf und sanken unter;
Vielwandernd grüßt‘ ich unbekannte Menschen,
Doch der Magnet des Herzens wies zur Heimat.

Im schönen Wälschland war’s, verklungen kaum
War mir der Mandoline Laut, noch sah ich
In buntem Tanz sich seine Füße schwingen,
Heim ging ich durch die süße Zaubernacht
Und Kühlung sucht‘ ich bei dem Frost der Sterne.
Es funkelte am Himmel der Orion,
So schön wie damals in dem Alpenhause
Zog über mir der ganze Sternenreigen.
Mich überkam ein seltsam hoher Ernst,
Und ewige Gedanken quollen mir,
Es klang um mich wie Harmonie der Sphären.

Lang floh der Schlummer noch mein Auge, durch
Das offne Fenster sah ich den Orion;
Da plötzlich schlug es dreimal an die Wand
Gewaltig, wie wenn Angst um Einlass bäte,
Fast schien’s mit Geisterhänden, doch so klar,
Dass keine Täuschung galt. Ich horchte auf,
Absetzend hielt es zwischen jedem Schlage:
Zu jeder Stunde starb mein holder Bruder
Fern in der Heimat, und im Traum des Todes
Kam’s wie Pfingstzungen feurig über ihn;
Was je ihn Herrlichstes in allen Sprachen
Begeistert, sprach er einmal noch im Sterben,
Und fuhr von hinnen dann wie in Verzückung.

Ein Jahr darauf trat ich zum Traualtar.
In der Kapelle eines Edelhofs
Stand neben mir die Königin der Minne;
Ich hatte sie errungen, trotz dem Schicksal,
Und dennoch lag’s wie Ernst in unsern Zügen.
Des Kirchleins Pforte war mit Laub geschmückt,
Und golden rann der Wein im Hochzeitkelche –
Des Segens Sinnbild ist die volle Traube -;
Doch schäumte drin nicht mehr der Duft der Jugend,
Und in den Kränzen gab’s manch welkes Blatt.

Eh nach dem Fest der zwölfte Tag entschwunden,
Lag meine Mutter tot in meinen Armen –
Das war die Hochzeitgabe des Geschicks.

Als ich darauf den Vater aus begrub,
Da war mein Elternhaus ein Kirchhofwinkel,
Der letzte Spross‘ bin ich zurückgeblieben
Zum Totengräberdienst. Noch seh‘ ich ihn
Wie er im Tode lag, das Haupt am Arm,
Sanft wie an grünem Raine eingeschlafen.

Groß war die Zeit, die damals schritt auf Erden,
Zerschmettert brach die Schranke der Geschichte,
Und aus der Gruft vermoderter Geschlechter
Schien sich das Schönste, Höchste loszuringen,
Als gält‘ es einmal noch die junge Menschheit
Im Siegerzug aufs Kapitol zu führen.
Gar Viele hat des Frühlings Duft berauscht,
Der Traum, zu schön um ihn nicht mitzuträumen;
Der Giebelpunkt des Lebens schien erreicht.
Groß war die Zeit, jedoch die Menschen klein;
Und wie beim Turm zu Babel kam Verwirrung,
Fremdzungig, missverstanden klang das Wort,
Drum musste bald das Schwert auch blutig klingen,

Hie Welf! Hie Waiblingen! erscholl der Ruf
Im Bruderkrieg, der drauf das Märchen löste.
Zur Phrase ward die heil’ge Losung, Wort
Und Treue stand in vollen Ballen feil.

Der Frieden kam, doch blieb sein Segen aus,
Und Jeder griff nach seiner Selbstsucht Lohn;
Wer gestern noch der Freiheit Fahne trug,
Befriedigt wiegt er sich im Stuhl der Macht:
Dort war sein Ziel, nicht der Altar der Göttin.

Noch einmal ist der Weg zum Berg zu wandeln;
Im Nebel steht, wer treu nach oben steigt,
Und wie Hohnlachen klingt es aus dem Nebel.

Du hast gesiegt, ich weiß es wohl, mein Dämon
Am Sterbebett magst du mich wieder äffen
Als Nebelfleck, wie auf dem Berg der Jugend.
Verloren ist die Wette um das Leben,
Doch juble nicht, die Hand voll Totenbeine
Werf‘ ich hohnlachend dir ins Angesicht.
Leb‘ wohl, auf Wiedersehen Philippi!

Adolf Ritter von Tschabuschnigg




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Gedichte: Tragik

07.12.2012 um 21:02

Mein Dämon

Mein Dämon - weißt du noch - der wilde Traum?
Millionensternig strahlt der Himmelsraum.

Wir saßen einsam, hoch auf dem Balkon,
er war wie unsres Glückes erzener Thron.

Blauschillerseide floß um meine Glieder
auf die den Mund du preßtest immer wieder.

Dann klang »Sakuntala« dir von den Lippen,
den süßen, brennenden Korallenklippen,

an denen langsam die Vernunft versank
und tief vom Taumelkelch der Sinne trank.

In fieberschwangern Dschungelfinsternissen,
die Krallen tief ins wilde Herz gerissen,

wie Tiger eines mit dem anderen rang -
und dann zu seliger Einheit sich umschlang. -

In Dschungelnacht - Tiger am Wüstensaum -
ich weiß nichts weiter - alles war ein Traum!

Hermione von Preuschen




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Gedichte: Tragik

09.12.2012 um 16:41

Zauber

Fernab vor dir
dicht davor ein Weg steigt
verzweigt,
kein Weg neigt,
ein Weg neigt jach erloschen,
sachte wach:
durch Nacht und Sonne.

O keiner Seele du Wonne,
o du Krakeele der Menge,
du Mißgeklänge
durch Fragengedränge.

Schau scheel
wer da zwänge sich durch?
«wer da kam durch das Tor»,
grad davor das Tor:
vor dem Gradaus.

Und links kein Steg
und rechts ein Geheg:
zarter Blumen.

Was tun?
Da kommt keiner,
der dicke Gott,
der gute Gärtner
– gutgartneu –
will daß da kommt:
Keiner durch.

Doch da kommt so einer,
doch so einer!

Man hört lachen:
laß dir raten,
Mann der Taten,
Mann von was für Sachen!

Nichts errät er,
durch geht er,
tritt drei Veilchen
und ist in zwei Weilchen:
drüben gemach.

Die Kaffern gaffern,
gaffern ihm nach:
Ihm nach: dem Wicht.

Was Licht jetzunder,
was Wunder!
Was für Fêten,
was Nuditäten,
Freunde mit Bechern,
Damen mit Fächern,
und dieser Fant
tut so bekannt.

Den Kaffern wird's hell,
zur Stell
wollen fahren auch sie:
ins gelobte Land.

Schockschwere Not
durch Gauklerhand:

nun hat das Tor eine Mauer,
die scheidet den Schimmer vom Schauer.
Flammenbehaart
steht Bart an Bart,
eine Tigerkette.

Dämmerung liegt auf der Lauer.

Paul Klee




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Gedichte: Tragik

09.12.2012 um 16:43

Der gelbe Zwerg

Don Fernand war der keckste Held
Und schönste Knapp im Lande,
An Ahnen reich und arm an Geld
Wie mancher Herr von Stande.
Dabei ein Weltling ohne Zwang,
Der immer küßte, pfiff und sang,
Sich manchen Schwank erlaubte
Und wild nach Ehre schnaubte.

Doch lang kann niemand ohne Gold
Sich auf dies Handwerk legen,
Denn oft ist selbst der Minne Sold
Die Frucht vom goldnen Regen.
Das naget ihm die hohe Brust
Und zeigt ihm, selbst im Schoos der Lust
Nur Freuden, die ihm fehlen
Und Schulden die ihn quälen.

Einst gab der König ein Turnier,
Sein Hochzeitfest zu feyern.
Am Tagus und Guadalquivir
Erschollen nichts als Leyern
Und nicht aus Spanien allein,
Vom Rhodan, Ister, Thems und Rhein
Kam Rittersmann und Schranze
Zum Wettkampf oder Tanze.

Nur Ferdinand voll Wuth und Schaam
Flucht seiner leeren Tasche;
Umsonst ersäuft er seinen Gram
In einer Nektarflasche.
Durch Mangel von dem Fest verbannt
Läuft er an eines Abgrundsrand
Sein Leben zu verkürzen
Und sich hinabzustürzen.

Da kam auf einer Todesbahn
Ein Zwerglein ihm entgegen,
Gelb von Gesicht, gelb angethan
Und sprach zum armen Degen:
Verzagter Held, wo denkst du hin!
Willst du? zum reichsten Paladin
Von Westen bis nach Osten
Mach ich dich ohne Kosten!

Was soll ich thun? so fragt der Held
Mit strahlender Gebehrde.
Ey, nun für jeden Sack mit Geld,
Den ich dir bringen werde,
Versezt der kleine Malabar,
Sollst du von deinem Haupt ein Haar,
Als deines Dankes Zeichen,
Mir zum Geschenke reichen.

Ein Härchen? hundert geb ich dir,
Rief Ferdinand voll Freuden
Und herzt ihn. Eines gnüget mir,
Sprach jener, und beym Scheiden
Schnitt er das Härchen selbst ihm ab,
Indem er einen Sack ihm gab,
Beschwert mit tausend Gulden,
Auf Abschlag seiner Schulden.

Noch wähnet Junker Ferdinand,
Daß ihn ein Traumbild necket,
Bis ihn der Geldsack in der Hand
Aus seinem Wahn erwecket.
Er eilet seiner Wohnung zu
Und läßt sich weder Rast noch Ruh,
Um sich bey Kampf und Reigen
In voller Pracht zu zeigen.

Sein Auszug kostet den Pygmee
Wohl mehr als zwanzig Säcke.
Sein Roß, ein Zelter weiß wie Schnee,
Trug eine Purpurdecke;
Sein Harnisch war gebläuter Stahl,
Der Schwerdtes Knopf ziert ein Opal,
Den Helm zween Reigerschweife,
Den Schild zween goldne Reife.

So dringt er in der Kämpfer Kreis
Und fröhnt der Ehrsucht Triebe;
Sein Arm erhält der Stärke Preis,
Sein Blick den Preis der Liebe.
Sobald ihn nur die Damen sahn,
So trug ihr Aug ihr Herz ihm an
Und Ferdinands Gewissen
Verbot ihm nicht zu küßen.

Als das Turnier vorüber war
Hies man am Hof ihn bleiben;
Er thats und trieb ins vierte Jahr,
Was reiche Sünder treiben.
Der Zwerg verließ ihn keinen Tag,
Kaum scholl der zwölfte Seigerschlag,
So war er bey der Hecke
Und brachte seine Säcke.

Des Lebens thierischer Genuß
Erschöpft auch Riesenkräfte;
Schon lähmt die Gicht ihm Hand und Fuß,
Schon stocken seine Säfte,
Morbona wirft halb Leichnam ihn
Auf sein damastnes Lager hin,
Er beut dem Arzt Dukaten,
Umsonst, er kann nicht rathen.

Nun Zaubert seine Phantasey
Die Opfer seiner Sünden,
Als blaße Furien, herbey,
Die ihn lebendig schinden.
Er brüllt, er flucht und reißt voll Graus
Das dünngewordne Haar sich aus
Und will mit frevlen Händen
Durchs Schwerdt sein Leiden enden.

Allein zu schwach das Schwerdt zu ziehn,
Ruft er den Herrn der Hölle
Um Beystand an und schnell erschien
Der Zwerg an seiner Stelle,
Er reicht ihm einen härnen Strick
Und sprach: nimm hier den Sold zurück,
Den von dir empfangen;
Man fand ihn dran gehangen!

Gottlieb Konrad Pfeffel




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Gedichte: Tragik

09.12.2012 um 17:26

Ein Traum von großer Magie

Viel königlicher als ein Perlenband
Und kühn wie ein junges Meer im Morgenduft,
So war ein großer Traum - wie ich ihn fand.

Durch offene Glastüren ging die Luft.
Ich schlief im Pavillon zu ebner Erde,
Und durch vier offne Türen ging die Luft -

Und früher liefen schon geschirrte Pferde
Hindurch und Hunde eine ganze Schar
An meinem Bett vorbei. Doch die Gebärde

Des Magiers . des Ersten, Großen - war
Auf einmal zwischen mir und einer Wand:
Sein stolzes Nicken, königliches Haar.

Und hinter ihm nicht Mauser: es entstand
Ein weiter Prunk von Abgrund, dunklem Meer
Und grünen Matten hinter seiner Hand.

Er bückte sich und zog das Tiefe her.
Er bückte sich, und seine Finger gingen
Im Boden so, als ob es Wasser wär.

Vom dünnen Quellenwasser aber fingen
Sich riesige Opale in den Händen
Und fielen tönend wieder ab in Ringen.

Dann warf er sich mit leichtem Schwung der Lenden -
Wie nur aus Stolz - der nächsten Klippe zu;
An ihm sah ich die Macht der Schwere enden.

In seinen Augen aber war die Ruh
Von schlafend- doch lebendigen Edelsteinen.
Er setzte sich und sprach ein solches Du

Zu Tagen, die uns ganz vergangen scheinen,
Daß sie herkamen trauervoll und groß:
Das freute ihn zu lachen und zu weinen.

Er fühlte traumhaft aller Menschen Los,
So wie er seine eignen Glieder fühlte.
Ihm war nichts nah und fern, nichts klein und groß.

Und wie tief unten sich die Erde kühlte,
Das Dunkel aus den Tiefen aufwärts drang,
Die Nacht das Laue aus den Wipfeln wühlte,

Genoß er allen Lebens großen Gang
So sehr - daß er in großer Trunkenheit
So wie ein Löwe über Klippen sprang.

Cherub und hoher Herr ist unser Geist -
Wohnt nicht in uns, und in die obern Sterne
Setzt er den Stuhl und läßt uns viel verwaist:

Doch Er ist Feuer uns im tiefsten Kerne
- So ahnte mit, da ich den Traum da fand -
Und redet mit den Feuern jener Ferne

Und lebt in mir wie ich in meiner Hand.

Hugo von Hofmannsthal




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Gedichte: Tragik

09.12.2012 um 19:36

Auf dem Friedhof in Frankfurt.

Das Leben wies mit siegenden Geboten
Den Friedhof in des Weichbilds ferne Mark;
Verwandelt ist das alte Feld der Todten.
Es liegt im Ring der Stadt als heitrer Park.
Noch immer steht und kämpft um längre Dauer
Manch Denkmal; doch die Zeit ist allzustark.
Die Schrift erlischt, in Trümmer sinkt die Mauer
Und jeder Frühling deckt mit dichterm Laube
Versöhnend zu die Bilder düstrer Trauer.
Dann klingt voll Zweigen, die er aus dem Staube
Der Herzen formt, das Lied der Nachtigal
Und neue Herzen hebt ein neuer Glaube:
In Laubgerausch und Lied den Wiederhall
Vernimmt er nun vom Einen Wunsch zu leben,
Der anders nicht als uns beseelt das All.
Schon ist der Garten hügellos und eben
Und wo sich nicht ein Kiespfad gastlich windet
Da darf sich Blume, Gras und Strauch erheben.
Bald auch vom letzten Leichenstein verschwindet
Das Wappen unter der Besucher Sohlen.
Doch sieh, was dort mein Blick verwundert findet!
Wem blühn die wohlgepflegten Nachtviolen?
Wen soll dies junge Rankendach umhecken?
Was hat der Zeit hier Schonung anbefohlen?
Noch völlig scharf sind dieses Grabsteins Ecken;
Du fragst erstaunt, wen mag an diesem Orte
Im letzten Bett der neue Stein bedecken?
Die kleine Laube liegt nicht fern der Pforte:
War dies des alten Friedhofs letzter Gast?
Wie frisch geschnitten sind der Inschrift Worte.
Dir zuckt's im Knie, wann du gelesen hast.
Wem keine Andacht hier sein Herz geböte,
Er wär' am deutschen Stamm ein dürrer Ast.
Des neuen Tages helle Morgenröthe
Ist unserm Volk einst siegend aufgegangen
Aus diesem Staub. Hier ruht die Mutter Goethe.
Der Staub von Andern mag als Rose prangen,
Um Blumen gaukeln als ein bunter Falter,
Als Lerche wieder freien Laut empfangen,
Mag steigend wirbeln einen Frühlingspsalter,
Bis er sich nochmals Mensch zu sein erdreistet;
Der ihre raste nun ein Weltenalter.
Der Frauen Höchstes hat die Frau geleistet
Die für ein Weltenalter wirkungsvoll
Mit Götterlicht des Sohnes Stirn begeistet.
Die Gottesliebe, der die Welt entquoll,
Sie war verzerrt zum grausen Götzenbilde
Das Leid und Pein begehrt als Dankeszoll,
Zum Freudenhaß des großen Dulders Milde,
Die Schonung selbst der Sünderin befahl;
Das Menschenherz glich dem gehetzten Wilde,
Verderbt nur hieß es und bestimmt zur Qual;
Die Erde war die Schlachtbank frommer Schafe,
Ein düstrer Kerker und ein Jammerthal;
Das lichte Leben hieß Verbannung, Strafe,
Und nur in dunkler Ferne lag sein Ziel:
Verdammniß, oder nach dem langen Schlafe
Ein Loos, weit ärger als des Dante Kiel
Das ärgste schildert: eine Ewigkeit,
Von Wunsch, Bedürfniß, ernster That und Spiel,
Voll Furcht und Hoffnung ganz und gar befreit
Und doch bewußt, ein grauenhaft Empfinden
Des Nichtempfindens und der leeren Zeit.
Doch nun erbarmte sich der künstlich Blinden
Auf seinem schönen Stern der Erdengeist,
Der dann und wann als Genius die Binden
Des Trugs vom Auge seiner Kinder reißt.
Er ließ vom großen unsichtbaren Strome
Der ewig in den Elementen kreist,
Den stärksten Funken zünden die Atome
Die dieser Stein der Werdelust entzieht,
Und Goethe ward. Bald schwanden die Phantome
Wie Nebel vor der steigenden Sonne flieht.
Das helle Auge war ihm angeboren
Mit dem die Welt sich staunend selbst besieht,
Das sie zum Wunderspiegel auserkoren
Sich aus verwirrender Gestaltenmenge
Ihr ewig eines Urbild zu entfloren,
Der »schwankenden Erscheinung« Traumgedränge
Zu »festigen in dauernden Gedanken.«
Doch was er war und was er that, wer zwänge
Das je hinein in eines Spruches Schranken?
Begreift nur, daß wir ihm den besten Theil
Des Besten was wir heute sind, verdanken,
Doch weite Strecken, Pfade, schroff und steil
Noch vor uns haben, bis wir unser eigen
Einst nennen dürfen alles lichte Heil
Das in der Zukunft seine Finger zeigen.
Geführt von seiner Dichtung Wundertönen
Laßt uns empor zu seinen Höhen steigen.
Wir können so nur mit Vollendung krönen
Was er ersehnt mit schmerzlichem Verzichten.
Sein wir ein Volk von ächten Göthesöhnen!
Vollziehn wir wacker unsre Sohnespflichten,
Sein Testament in Faustens Schlußgebet,
Bis an den Bildern die wir ihm errichten
Sein Wunsch ihm endlich in Erfüllung geht,
Bis jedes Goethebild in deutschen Gauen
»Auf freiem Grund mit freiem Volke steht.«

Ihr aber pilgert her, ihr deutschen Frauen,
Hier betet um ein seelig Mutterloos,
Um Söhne, würdig weiter fort zu bauen
Was Er begann den Dieser Mutter Schooß
Begnadet ward uns allen zu gebären.
Den Mann vielleicht, der endlich frei und groß
Zum Volk der Welt uns wieder soll verklären,
Wofern er nicht schon heute lebt und sinnt,
Wird eine dann empfangen und ernähren
An eigner Brust und für ein solches Kind
Wie diese zählen zu den Benedeiten. –

Du schlichter Stein, an dir vorüber rinnt
Zerstörungslos der schnelle Strom der Zeiten;
Denn so vandalisch daß sie dich bedrohten
Wird kein Geschlecht an dir vorüber schreiten.
Das Leben bannt mit siegenden Geboten
Die Gräber in des Weichbilds ferne Mark,
Verwandeln muß das alte Feld der Todten
Sich mehr und mehr in einen heiteren Park;
Das letzte Denkmal und die letzte Mauer
Verwittern bald; doch du bist wunderstark,
Du schlichter Stein; du dienst ja nicht der Trauer,
Du bist ein Ruhmes-, bist ein Siegeszeichen
Und fromme Andacht sichert deine Dauer.
Vor dir wird ehrfurchtsvoll zur Seite weichen
Was Gräber selbst nicht schont, des Lebens Recht.
In eine Zukunft kann mein Auge reichen,
Da wölbt ein freies blühendes Geschlecht
Um diesen Quader eine lichte Halle,
Daß durch des Regens Zahn und Moosgeflecht
Nicht endlich doch selbst harter Stein zerfalle;
Daß man das Grab der Mutter Goethe finde
Und immer noch zur deutschen Kaba walle
Ob ein Jahrtausend auch vorüber schwinde.

Wilhelm Jordan




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Gedichte: Tragik

09.12.2012 um 19:37

Friedhof im Thal

Es war im Lenz. Der Sonnenschein
Stahl sich verlockend zu mir herein
In den engen düsteren Zimmerraum.
Es klopft' an meines Fensters Scheiben
Mit blühenden Zweigen der Apfelbaum,
Als mahnt' er: Willst du thöricht bleiben?
Den Lenz versäumen im dumpfen Haus? —
Auf! Komm in's sonnige Freie hinaus!

Ich schritt hinaus. Am Himmelsbogen
Leichthin silberne Wolken flogen,
Wie Schwanenzüge zum fernen Süden.
Ueber der Natur lag ein tiefer Frieden;
Nicht wagte der Wind im Laube zu rauschen,
Nicht über die Wasser hinzusäuseln
Und Furchen zu ziehn und Wellen zu kräuseln,
Er hielt den Athem an zu lauschen;
Es bebte die Luft nur von einem Schall:
Im Hollunderbusch sang die Nachtigall.

Mir war so träumerisch seltsam zu Sinn!
Nachdenklich ging ich vor mich hin,
Und als ich hob den Blick empor,
Stand ich vor eines Friedhofs Thor.
Ich sann nicht lange und trat hinein,
Durchschritt die Gänge bei Kreuz und Stein.
Die sich im Leben geliebt und genarrt
Hier wurden sie beieinander verscharrt.
Sie haben geduldet, sie haben gelitten,
Geliebt, gehaßt, sich versöhnt, gestritten,
Sie sind gewelkt und endlich gestorben
Und haben sich nichts als das Grab erworben.

So ist des Todten ganzer Schatz
Nichts als ein kleiner Ruheplatz
Mit Hügel und Kreuz, die ihm errichtet;
Und Lügen stehen darauf gedichtet,
Die prahlerisch den Trost verkünden
Von Unsterblichkeit und Wiederfinden,
Von Nimmervergessen, Nimmerverschmerzen
Verwaister und verwittweter Herzen. —

Dem Menschen ist die Zeit gemessen:
Er wird begraben und vergessen!
Der schmerzlich heiße Thränenbronnen,
Der ihm geflossen, ist bald verronnen.
Die Welt hat kosende Schmeichelwinde,
Die trocknen die Augen gar geschwinde,
Und Seufzer und Klageruf verhallen! —

Sieh, dort das Kreuz ist umgefallen
Und hat das Grabgeländ' zertrümmert! —
Niemand sich weiter drum bekümmert.
Des Epheu's Grün verdeckt mitleidig
Die falschen Schwüre, die meineidig
In goldner Schrift sich wollten brüsten. —
Wenn es die armen Todten wüßten,
Daß einst ihr Grab, von Allen verlassen,
Nur treu der Epheu werd' umfassen,
Und daß der Regen und Thau alleine
Auf ihre Gruft herniederweine! —

So dacht' ich und schaute ernst hinab
Auf das zerfallene, traurige Grab —
Da rauscht' es heran, wie ein seiden Gewand,
Leise berührt' es meinen Arm,
Mich faßte sanft eine weiche Hand
Und drückte die meine fest und warin,
Und wie ich mich staunend umgewandt,
Meiu liebes Clärchen vor mir stand.
Sie sprach: Schon lange sah ich dich stehn
Und auf das Grab hinuntersehn;
Du blickst so ernst! Gewiß erfüllen
Den Kopf dir wieder quälende Grillen! —

Hast recht gesehen! Du kommst mich erlösen
Zu guter Stunde, mein Lieb, von bösen
Verhängnisvollen Schicksalsfragen,
Die an dem Menschenherzen nagen.
Du hast sie allesammt verbannt:
Dein süß bezaubernder Liebesblick
Versöhnt nach mit des Menschen Geschick. —

Wir gingen schweigend Hand in Hand,
Uns still vergnügend am stillen Land,
An Blütenbaum und grünem Strauch,
Und Blumenduft und Lenzeshauch.
Die Sonne sank zum Untergehen,
Alles war goldig anzusehen.
Ueber der Natur lag ein tiefer Frieden;
Leichthin rosige Wolken zogen
Ueber des Himmels tiefblauen Bogen
Wie Friedensgrüße zum fernen Süden.
Nicht wagte der Wind im Laube zu rauschen,
Er hielt den Athem an zu lauschen:
Im Hollunderbusch mit süßem Schall
Sang Liebeslieder die Nachtigall.

Max Kalbeck




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Gedichte: Tragik

09.12.2012 um 19:38

Friedhof in den Bergen

Im Städtlein, tief in Thalesgrund ward mir's zu bang, zu enge,
Hinauf den freien Bergen zu entfloh ich dem Gedränge.
Zum Friedhof droben zog mich's hin: In seinen grünen Räumen
Läßt sich der duukle Tod so süß in's lichte Leben träumen.

Drei Wandrer traf ich unten an beim Wege durch die Buchen,
Die wollten auch mit mir hinan ein Grab dort zu besuchen.
Wir schritten mit einander hin und waren bald am Orte,
Schon grüßte ernst durch's Tannengrün die dunkle Friedhofspforte.

Nun forschten sie nach Kreuz nnd Stein, da wir vorüber kamen;
Doch fanden sie der Gräber keins mit dem ersehnten Namen.
Es ist ein Jahr, — so sagten sie — daß sie ihn hier begraben,
So schnell kann sein Gedenken nicht, die Zeit vernichtet haben.

Zum Todtengräber ging's hinauf. Inmitten aus der Trauer
Hebt freundlich sich sein kleiues Hans mit weinumrankter Mauer.
Rings Astern, violett nnd rot, Nesede und Levkoien,
Als sollte sich der ernste Tod des bunten Blühens freuen.

Des Alten Kind saß vor der Thür, den Kopf voll krauser Locken;
Ein Liedchen sang sie vor sich hin und spann dazu am Rocken.
Wie sie uns hörte, sah sie auf, schnell stand sie auf den Füßen,
Bot uns die Haud, so wie es Brauch, die Fremden dort zu grüßen.

Sie sprach: Ich ging Euch selbst voran, doch darf ich nicht von hinnen,
Muß das Gebinde hier voll Flachs zum Abend fertig spinnen.
Den Vater trefft ihr drüben dort! Er hat noch viel zu sorgen,
's ist drunten wieder Einer todt, der wird begraben morgen. —

Das Spinnrad schnurrte munter zu; still gingen wir von dannen,
Noch tönte lustig hinter uns das Singen durch die Tannen.
So kamen wir an jenen Platz. Der Alte, grau von Barte,
Grub in das Land; nun hielt er an, sobald er uns gewahrte.

Und freundlich bot er guten Tag; — doch als er kaum vernommen,
Weshalb die Drei zur stillen Statt vom Thal heraufgekommen,
Zog er die Stirn zusammen kraus und sprach die herben Worte:
Wo Ihr das Grab im Winkel schaut, seid Ihr am rechten Orte!

Der Erdenhügel, nackt und kahl, das Kreuzlein drauf von Holze —
So hat er nimmer sich's gedacht im Hochmut und im Stolze!
Kein Strauch soll auf des Sünders Grab die Zweige liebend breiten,
Ja, selbst der niedre Rasen darf nicht grünend drüber schreiten.

Und will ihm auch der Zufall wohl, und sät er mit dem Winde,
Und sprießt es auf — ich rauf' es doch, wo ich ein Hälmchen finde.
Ihr Herren, redet drein nur nicht ob meiner Rede Schärfe,
Ihr wißt ja nicht, für wen ich hier in's Land den Spaten werfe!

Ein Mädchen ist's, ein armes Blut, noch gar so jung an Jahren!
Wie weh verrath'ne Liebe thut, das mußte sie erfahren.
Der drüben dort im Winkel liegt, der hat's auf dem Gewissen,
In alle Ewigkeiten wird die Schuld er tragen müssen.

Wie sie noch lebten, hab' ich sie hier oben oft gesehen,
Ihr Lieben durfte hier dem Blick der strengen Welt entgehen.
In meines Gartens grüner Nacht kam Niemand sie zu stören,
Vor Spähern hielten ringsum Wacht die Tannen und die Föhren.

Ihm war es leicht, ihr arglos Herz mit heißem Flehn zu rühren,
Und leider, leider auch nicht schwer, ein Mädchen zu verführen! —
Bewahr' Euch Gott vor solcher Not: Ein qualenvoll Verderben,
Ein tausendfacher bittrer Tod: Gebrochnen Herzens sterben!

Kalt hat er sich von ihr gewandt, gar wenig mocht' ihn kümmern
Ihr Seufzen, Weinen, Flehen dann, und seines Kindes Wimmern.
Er trug wie sonst so trotzig frech den Kopf auf seinem Nacken,
Doch die Verzweifluug kam zuletzt, beim Schopf ihn anzupacken.

Die Reue trieb ihn rastlos fort; so war er einst verschwunden,
Nach vielen Wochen hat man doch ihn wieder aufgefunden.
Noch heute denk' ich dran mit Graus: Da drunten war's am Teiche,
Man zog ihn unterm Schilf heraus und trug hierher die Leiche.

Im Städtchen war ihm Keiner hold, fremd blieb er in der Fremde,
Und Keiner fand sich, der gewollt ihm näh'n srin Todtenhemde.
Mein Mädel, das Euch hergesandt, hat sich nicht lang' besonnen,
Sie näht's ihm von der Leinewand, die selber sie gesponnen. —

Der Alte schwieg, dann griff er zu, die Schollen auszustechen.
Den Dreien war nicht wohl zu Mut, nnd Keiner mochte sprechen,
Doch Einer faßte sich zuletzt und sagte zu den Andern:
Kommt, laßt uns noch hinüber gehn, eh' wir zu Thale wandern!

Die Hände legt' er dort auf's Grab und sprach: Was Dir begegnet,
Und was Du auch gethan, — Du hast noch Einen, der dich segnet!
Mag selbst das Gras mit seinem Grün den öden Hügel meiden, —
Die Hände leg' ich segnend hin, ich will nicht von Dir scheiden! —

Da mochten auch die Andern nicht den todten Freund verdammen,
Auf feinem Grabe fanden sich die Hände all' zusammen.
Nun gingen sie bekümmert weg. — Noch lang' hab' ich gestanden
Und nach dem Buchengang gesehn, bis sie dem Blick entschwanden.

Max Kalbeck




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Gedichte: Tragik

09.12.2012 um 19:40

Alter Friedhof

Auf einem alten Friedhof stand ich heut:
Nicht Kranz noch Kreuz mehr auf geweihter Stelle!
Nur wildes Grün wob wuchernd ungescheut
Den Teppich um der Gräber Hügelwelle.

Mas rankend hier sich wölbt noch, Bug an Bug,
Das glättet sich wie nach dem Sturm die Wögen;
Dann furcht den heil'gen Erdengrund der Pflug,
Vom plumpen, gliederstarken Stier gezogen.

Und Sommers, wann vom Berg der Südwind weht,
Rauscht hier von Ähren schwer ein goldner Streifen
Zu Häupten derer, so im Licht gesät
Und der Vollendung dort entgegenreifen.

Fridolin Hofer




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Gedichte: Tragik

10.12.2012 um 21:28

Hiob und sein spätgeborener Sohn

Hiob spricht:

Sie preisen glücklich mich, weil Er, der Eine,
Mir viel gewährt, nachdem er mich beraubt;
Doch keiner weiß, wenn tief verhüllt das Haupt,
Mein Glück, das er mir nahm, ich stumm beweine.

Die Kinder, die ich liebte, bergen Schreine,
Die meine Jugend zeugte, sind zerstaubt,
Mich hegen andere; - doch ein Tor, wer glaubt,
Daß sie mir nah. Ich dulde sie zum Scheine.

Ich bin Gott fremd, begrenzt ist sein Allwissen,
Er gab mir tote Güter, Felder, Herden.

Begreift er nicht, wie elend und zerrissen
Die Überdaurer eigner Jugend werden,
Weil Mensch im Menschen tief verwurzelt ruht
Und unersetzlicher wie lebend Blut?

Der Knabe spricht:

Ich habe meine Brüder nie gekannt,
Die früh das Irdische gesegnet hatten,
So aber kämpfe ich mit ihren Schatten,
Denn nimmt mein Vater mich an seine Hand,

Trennt uns Gewesenes wie dichte Wand. -
Noch einmal möchte ich sie tief bestatten.
Ich hungere nach Liebe. - Sie, die Satten,
Sie haben mich geächtet und verbannt.

Nie werde ich im Vaterauge gleichen
Den Toten, die ich hasse. Wem des Lebens
Aussaat zur Ernte reifet, ringt vergebens

Das Bild der früh Verblichnen zu erreichen,
Deren Erfüllung reich und auserlesen,
Unendlich wurde, weil sie nie gewesen.


Hiob spricht:

Als siech mein Leib vom schwärenden Gebreste
Und die geliebten Kinder mir entglitten,
Hielt Zwiesprach ich mit Gott, die jeden Dritten
Von mir vertrieb, weil drohend seine Geste.

Ich blieb allein, - und das war so das Beste,
Denn niemals habe tiefer ich gelitten,
Als heut, da zage, ungesprochne Bitten
Mich lösen wollen von dem Leidensreste.

Naht sich mir Liebe, muß ich sie verfluchen.
Ich fürchte Gott, ich will ihn nicht versuchen,
Daß nochmals er sein Auge auf mich lenkt.

Ich kann nicht mehr in andern Wurzeln schlagen.
Es könnte Gottes Laune leicht behagen,
Mir neu zu rauben, was er mir geschenkt.


Der Knabe spricht:

Gewaltig ist mein Vater, - wer wie er
Geprüft von Gott und dann bewährt gefunden,
Muß einsam bleiben, denn der andern Wunden
Mißachtet er, ihr Leiden dünkt ihm leer.

Geschäh das Wunder froher Wiederkehr
Der toten Brüder, - würde er gesunden?
Kann er noch fühlen, wie er einst empfunden?
Er ist zu groß, - er liebte sie nicht mehr.

Doch ich bin schwach, und ich ertrage nicht
Die Nähe solcher Größe, denn wer gibt
Ein Lächeln mir? - Ich möchte mich verlieren

An einem Lächeln, doch mich schreckt sein Licht,
Das grell und hart. Ich werde immer frieren,
Weil niemand meine Jugend wärmt und liebt.


Hiob spricht:

Gott, deine Allkraft hast du überschätzt!
Du wolltest nach der Prüfung herbem Meiden
Begütigend an meinem Glück dich weiden;
Sieh, wie ich bin: mein Innerstes zerätzt!

Du Schöpfer alles Lebens weißt es jetzt:
Ein Spiel war dir, aus nichts das All zu scheiden,
Doch das Gewesene, vergangne Leiden
Zu löschen, bleibt unmöglich bis zuletzt.

War nicht genug, daß mir allein geschah
Auf immer Leid? - Jedoch mein Leid verdirbt
Die Luft für jeden, der mir lebensnah,
Bis seine Wurzeln krank, bis er verdorrt. -

Auch wenn mein Leid mit meinem Körper stirbt,
Erbt es als Fluch von Glied zu Glied sich fort.

Hedwig Caspari




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Gedichte: Tragik

10.12.2012 um 21:32

Das Inferno

Nicht friedlich
doch dringlich,
bebend vor Wut.
der Zorn uneinbringlich
verloschen die Glut
des Lebens -
ein Hoffnungsschimmer?
- vergebens.
Finstere Gestalten
wandeln durch die Nacht,
immer auf der Lauer,
bestrebt danach
unerlöste Seelen
zu verdammen,
aus der Ferne sie rufen,
entflammen
den Hass
auf das Hier und das Jetzt,
dunkle Mächte,
es hetzt
der Gedanke
einer steten quälenden Zeit
hadernd in den Weiten
der Endlosigkeit.
Schreiend irren sie
durchs Labyrinth
in dem sie auf ewig
gefangen sind.

© Sonja Müller




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Gedichte: Tragik

10.12.2012 um 21:36

Aus dem dreißigjährigen Kriege


1. Krieg

Finster ist die Welt geworden, -
darum Dörfer rasch entloht!
und die Welt ist grau; - drum rot
färbt sie durch das Morden!

Bauer! Bittest um dein Leben?
Nimm dirs! Aber bei uns bleib!
Herrgott hat dir Ochs und Weib
nur für uns gegeben.

Laß den Teufel Felder pflügen;
sieh, wir haben stets genug!
Vorwärts - einen Werbetrunk
aus den vollen Krügen!


2. Alea jacta est

" ... Tod oder Sold!"
Und jetzt die Trommel schnell
her. Auf das Trommelfell
Würfel gerollt.

So wird dem Lohn,
der unsre Streiche sucht.
Sieh, der Baum, reiche Frucht
trägt er doch schon!

Solltest schon längst
hängen dran, Kamerad!
Drum ists nicht jammerschad,
wenn du dann hängst!


3. Kriegsknecht-Sang

Lag auf einer Trommel nackt,
kaum zwei Spannen lang,
und der rauhe Trommeltakt
war mein Wiegensang.

Wild zu wettern taugte ich
damals schon im Zorn,
meine Milch, die saugte ich
aus dem Pulverhorn.

Damals taufte jeden gut
der Korp'ral; beim Schopf
nahm er ihn, goß Schwedenblut
heiß ihm übern Kopf.


4. Kriegsknecht-Rang

Bei uns gibts nicht Edelinge,
die was gelten durch ihr Blut,
jedes Rang ist jedes Klinge,
und sein Wappen ist der Mut.

Wer nur immer kühn sein Schwert zog,
hält den Schild von Schande rein,
wer noch gestern unterm Heer zog,
Herzog kann er morgen sein.


5. Beim Kloster

Was gibts? - Eine Klosterpforte?
Ei, Potz Blitz!
Eine Tür von dieser Sorte
renn ich ohne viele Worte
ein mit meiner Nasenspitz!

Auf das Tor ein fester Stempel ...
Pfaffe, komm!
Jetzt heraus mit deinem Krempel,
paar Monstranzen zum Exempel
und paar Kelche: wir sind fromm.

Laß jetzt dein: Peccavi, pater ...
Leucht zum Wein
uns mit deiner Nase, frater,
dorten kannst du uns ein Rater,
und ein "Seelensorger" sein!


6. Ballade

Gestern zogen wilde Horden
durch das Dörfchen hin mit Morden,
und ein Mädchen sinnt jetzt still:
Ist der Liebste untreu worden,
weil er heut nicht kommen will? -
Draußen schrien die Dohlen.

Mädchen ging mit bleicher Wange
durch das Haus. - Sie harrte lange,
und des Nachts floh sie der Schlaf.
Und sie schlich hinaus zum Hange,
wo sie stets den Teuren traf.
Ängstlich schrien die Dohlen.

Und die Nacht war schwarz, die schwüle,
fern nur brannte eine Mühle ...
Weinend wählt die matte Maid
sich gar weiches Kraut zum Pfühle
und entschlief in lauter Leid.
Schrieen noch die Dohlen?

Spät erwacht sie. Nebel grauten
rings - soweit die Augen schauten ...
Weh! - Was sie ein Kraut geglaubt,
ist das Haar an ihres Trauten
blutigem, zerschelltem Haupt. -
Schrecklich schrien die Dohlen.


7. Der Fenstersturz

"Naht Verrat mit leisem Schritte,
ungerächt, bei der Madonna,
bleibt er nicht! Nach alter Sitte
zu den Fenstern!" schrie Colonna.

"Schont den Popel! doch die andern,
jeder eine feige Natter,
aus den Fenstern laßt sie wandern!
Mitleid? - Werft ihn mit, den Platter!"

Bange hangt am Fensterstocke
Martinitz noch. - Da Geröchel:
Turn schwingt seine Degenglocke
und zerschmettert ihm die Knöchel.

Und zum nächsten: "Sag, wie heißt er,
Böhmens Herr? du sollst mirs deuten!"
"Graf von Turn!" - "Der Bürgermeister
lasse alle Glocken läuten!" -


8. Gold

"Dein Wams, Geliebter, ist voll Gold.
Wo hast das Gold du her?" -
"Da schaust du, Kind, das ist mein Sold,
kein Obrist hat wohl mehr!"

"Nein, das ist gutes, rotes Gold,
das kann dein Sold nicht sein!"
"Beim Spielen war das Glück mir hold,
und da ward alles mein!"

"Ist wirklich alles dein - das Gold,
gesteh, - und ists kein Trug?" -
"Nun, Würfel haben mit gerollt
und jetzt laß es genug!"

"Und gibst du mir auch von dem Gold?"
"Das weißt du!" - "Nein, du Schelm,
just auf der Stelle, sieh, ich wollt,
du füllst mir deinen Helm!"

"Es sei!" - "Wies durch die Finger bebt,
der Glanz gefällt mir gut! -
----------------------------------------------------------
----------------------------------------------------------
... Schau, was dir da am Finger klebt,
kam das vom Golde? - Blut!" - ...
----------------------------------------------------------


9. Szene

"Du kniest am Markstein, Alter, sprich! -
Das ist kein Heilgenbild!"
"Kein Bild? - Ich bet. - Es faßte mich
das Schicksal gar so wild."

"Hast du kein Haus, hast du kein Land,
das deiner Hände braucht?"
"Das Land zerstampft, das Haus verbrannt,
sieh hin - gewiß - es raucht."

"Was bauts nicht wieder auf dein Sohn
und hilft dir aus der Not?"
"Mein Sohn zog in den Krieg davon,
jetzt ist er sicher tot." -

"Was streicht dir deines Haares Schnee
der Tochter Hand nicht, weich?" -
"Der bracht ein Troßbub Schand und Weh,
da sprang sie in den Teich." -

"So sieh mir ins Gesicht! - Und brach
das Herz dir auch vor Graus ..."
----------------------------------------------------
"Ich kann nicht, Herr, ein Kriegsknecht stach
mir beide Augen aus."


10. Feuerlilie

Winters, als die Äste krachten,
keine Bäche konnten frieren,
weil die Fluten Blutes ihren
Pulsschlag immer neu entfachten.

Als die Zeit kam, da die Blume
aufwacht und der Vogel flötet,
sprang die Lilie selbst gerötet
aus der todgedüngten Krume.


11. Beim Friedland

Heimgekehrt von Schlacht und Schlag
freut sich Obrist und Gemeiner;
denn jetzt hält der Wallensteiner
wieder seinen Hof zu Prag.

Just ließ frei den Turn er ziehn;
das war so von seinen Trümpfen :
einer. - Drauf ward Nasenrümpfen
Mode ... dort bei Hof zu Wien.

Laßt sie zetern. Friedlands Heer
muß nicht darben und nicht dürsten, -
und aus Knechten macht er Fürsten,
unser Herzog. - Wer kann mehr?


12. Frieden

Prag gebar die Mißgestalt
dieses Krieges, der voll Tücke
hauste. - Auf der Karlsbrücke
starb er, dreißig Jahre alt.

Endlich riß das Eisenstück
nur dem Acker eine Schramme,
und vom Kirchturm schlug die Flamme
in den trauten Herd zurück.

Rainer Maria Rilke




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Gedichte: Tragik

10.12.2012 um 23:11

Totentanz


Stolz wie die Lebenden auf ihre edle Haltung,
Bewegt sie lässig sich mit Handschuh und Bukett
Und zeigt die Sicherheit graziöser Unterhaltung,
Die magren Schönen liegt, extravagant, kokett.

Sah je auf einem Ball man schlankere Gestalten?
Das überreiche Kleid, von grellem Prunk erdrückt,
Fällt auf den Knochenfuss in königlichen Falten,
Den zierlich, blumengleich das Flitterschuhwerk schmückt.

Und wie ein üppiger Bach sich reibt an Felsenhängen,
So rieseln Spitzen keck aufs magre Schlüsselbein
Und schliessen züchtig vor dem losen Spott der Mengen
Die tief verborgnen, dunklen Reize ein.

Die Augenhöhlen sind voll Finsternis und Leere,
Der Schädel, grauenvoll mit Blumen aufgestutzt,
Schwankt auf dem Wirbelbein in kraftlos matter Schwere.
– O Zauber eines Nichts, voll Wahnsinn aufgeputzt!

Gar manche werden dich ein tolles Zerrbild nennen,
Die nur vom Fleisch berauscht, der Schönheit nicht bewusst
Des menschlichen Gebeins, und seinen Reiz nicht kennen.
Mir, herrliches Skelett, gibst du die höchste Lust.

Flohst, fratzenhaft Gebild, du deine trübe Sippe,
Zu stören unser Fest? Spornt alter Wünsche Gier
Noch immer dich und stösst dein lebendes Gerippe,
Leichtgläubige, zum Rausch des Freudensabbats hier?

Hoffst du beim Geigenklang, beim Flackerlicht der Kerzen
Dem Albdruck zu entfliehn und bittrer Träume Qual?
Hoffst du der Hölle Brand zu kühlen dir im Herzen
Im Wirbelsturm der Lust beim tollen Bacchanal?

O Bronnen unerschöpft des Lasters und des Leides!
Der Narrheit alter Quell, an Reinheit unerreicht!
Noch immer sehe ich durchs Gitterwerk des Kleides
Die alte Schlange, die den Busen dir umschleicht.

Doch fürcht' ich, dass dein Reiz, die Wahrheit zu gestehen,
Den Preis nicht findet, wert so vieler Müh' und List;
Wer von den Sterblichen wird deinen Scherz verstehen?
Des Schauders Rausch liebt nur, wer starken Geistes ist.

Der Abgrund deines Blicks voll fürchterlichem Grauen
Haucht tollen Wahnsinn aus. Und, welchen du gewinnst
Ein jeder Tänzer wird voll wilden Ekels schauen
Das ewige Lächeln, das aus deinen Zahnreihn grinst.

Doch wessen Arm umschlang nicht liebend schon Skelette?
Wer naschte nie am Tod, hat nie im Graun gewühlt?
Was kümmert mich Geruch, was Antlitz und Toilette?
Wer sich geekelt zeigt, zeigt, dass er schön sich fühlt.

Tänzerin nasenlos, du hohle Holde, winke
Der Tänzer Schar heran und sprich, wenn sie sich ziert:
»Ihr stolzen Liebchen, trotz des Puders und der Schminke
Haucht Grabesdunst ihr aus! Skelette parfümiert,

Verwelkte Gecken ihr und greisenhafte Junge,
Du übermalt Gebein, du altersgrauer Fant,
Des Weltalls Totentanz mit ungeheurem Schwunge
Er reisst auch euch hinweg zu Stätten nie gekannt.

Am kalten Seinestrand, an heissen Gangeswellen
Spreizt sich die Menschheit stolz und fühlt und ahnt es nicht.
Dass das Gewölk schon klafft, dass die Posaunen gellen.
Der finstre Engel ruft zum letzten Weltgericht.

Wo deine Sonne scheint, wird dich der Tod umgirren.
Lächerlich Menschenvolk, in deiner Raserei,
Oft salbt er sich wie du den Leib mit duftigen Myrrhen
Und mischt so seinen Hohn noch deinem Wahnsinn bei.«

Charles Baudelaire




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Gedichte: Tragik

11.12.2012 um 00:47
Abheben
Ach, wie traurig musst du sein,
hast keine Lust mehr am Leben,
bist seit letzter Nacht ganz allein.

Denke an die Schönheiten dieser Welt,
sieh sie wieder mit offenen Augen an,
denn dieser Reichtum überwiegt alle Trauer und nur dies zählt.

Sei glücklich, mit dem was du noch immer hast,
komm aus der Dunkelheit heraus
und teile mit mir deine Last.

Der Dahingeschiedene besass dein Herz, das ganze Stück,
war er doch sehr nah mit dir verbunden,
doch sein Wille ist nicht deine Trauer, sondern dein Glück.

Hebe ab, aus der Dunkelheit der Trauer,
komm wieder ins Licht des Lebens zurück,
durchbrich mit aller Kraft diese Mauer.

Remo Weber


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11.12.2012 um 16:06
An dem Tag,

dem keine Nacht mehr folgte,

die Vögel vor meinem Fenster das allerschönste Lied sangen,

der Morgentau wie Tränen auf den Blüten lag,

schloss ich still meine Augen,

und hauchte mein Leben aus.


UnbeKannt


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11.12.2012 um 18:08

Das Delphische Orakel und der Gottlose

Ein Schüler des Diagoras,
Ein Bösewicht, der wenig glaubte,
Und seinem frechen Götterhaß
Die größte Frevelthat erlaubte,
Ging einstens, aus verruchtem Sinn,
Nach Delphos zum Orakel hin,
Mit atheistischem Vergnügen
Den Gott der Dichtkunst zu betrügen.

O Phöbus, (sprach er) dein Verstand
Erforschet die geheimsten Dinge.
Hier halt' ich etwas in der Hand,
Das ich für dich zum Opfer bringe.
Du Sohn Latonens, gib Bericht:
Ist es am Leben? oder nicht?
Du weißt, es dient zu deiner Ehre,
Daß ich von dir die Wahrheit höre.

Er dachte: gibt man zum Bescheid,
Dein Vogel ist nicht mehr am Leben,
So will ich schon zur rechten Zeit
Ihm Flug und Freiheit wiedergeben.
Und wenn der schöne Leirer glaubt,
Der Athem sei ihm nicht geraubt,
So soll, auch dann ihn zu berücken,
Ein Druck den Vogel gleich ersticken.

Apollo übte nur Geduld,
Aus Mitleid mit der kühnen Schwäche,
Und sprach: Versuchst du meine Huld?
Du bist kaum werth, daß ich mich räche.
Zeuch deinen Sperling, o du Thor,
Lebendig oder todt hervor.
Die Götter lassen sich nicht äffen:
Ich kann von ferne sehn, und treffen.

Friedrich von Hagedorn




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