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Gedichte: Tragik

2.709 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gedichte, Lyrik, Poesie ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Gedichte: Tragik

03.01.2013 um 17:02

Der Hexenritt

In der Sommernacht
Der Knecht erwacht,
Da sieht er die Mägde geschäftig gehn
Und mit Marei am Herde stehn.
Mit Salbe beklexen
Sich Besen die Hexen,
Dann geht es im Saus
Zum Schornstein hinaus.
Zieht eine fort,
So ist ihr Wort:
Flieg auf, flieg aus, flieg um, nicht an!
Mir nach, mir nach, wers auch so kann!
Dann reitet die Hexe
Auf Besen-Gezäckse
Zum süßen Konnexe,
Zum Gänsegeschleckse:
Hih hoh, heh heeh!
Hahhih, hehheeh!
Durch die Lüfte geschwind
Wie der sausende Wind.
Jetzt meint der Knecht,
Das war mir recht!
Nimmt einen Stock und sucht im Rauch
Die Hexensalbe, und salbt ihn auch.
O welch Vergnügen
Ihr nach zu fliegen!
Die fang ich im Tanz
Um den Kessel der Gans!
Im Zorn will er fort
Und spricht das Wort;
Allein anstatt »flieg um, nicht an«
Sagt »um und an« der arme Mann.
Nun bleibt er nicht stecken,
Doch fliegt er zum Schrecken
(Er kann sich nicht decken)
An Mauern und Ecken,
Piff paff, ho heh!
Rumm bumm, weh weh!
Mit dem Kopf an den Baum:
Ihm wird wie im Traum! –

Fort und fort,
Von Ort zu Ort:
Im Sturm an den Turm, pirr! – klirr! an die Fahn,
Er reißt in die Lüfte den Wetterhahn, –
Schwirr! pirr! an die Mühle,
Ins Flügelgewühle! –
Blautz! prallt er ab;
Der Kopf fliegt ab;
Doch er noch fest
Zum Geiernest –
Fliegt an – da rupft und zupft ihn vorn,
Rechts, links und hinten Klau und Dorn.
So wird er verschlissen,
Zu Faden zerrissen,
Heruntergeschmissen:
Es bleibt nicht ein Bissen! –
Über Stock und Block
Hin fliegt sein Stock
Ganz selig allein
Zum Hexenverein.

Dort fliegt er an,
An Weib und Mann,
Man flieht und flüchtet vor ihm her,
Stürzt, stolpert hin, die Kreuz und Quer.
Man kann sich nicht decken,
Es tanzet der Stecken,
Fliegt an und um
Im Kreis herum.
Das Zauberwort
Wirkt fort und fort,
Wupp wupp, wupp wupp, tipp tapp, tipp tapp!
Klitsch klatsch, klitsch klatsch, klipp klapp, klipp klapp!
Auch ist so erpicht er
Auf Hexengesichter
Und nimmer zerbricht er,
Bis fort das Gelichter,
Ha hih, hoh heh!
Hih hoh, heh heh!
Bis alles zerstäubt,
Und nichts mehr bleibt.

Wie Schaum und Faum
Zerrinnt der Traum.
Von neuem erwacht der gute Knecht
Und reibt die Augen und wacht erst recht:
Da scheint die Sonne,
O Freud, o Wonne!
Weg ist der Tanz,
Er fühlt sich ganz!
Und welch ein Spaß,
Er liegt im Gras:
Marei hat Essen ihm gebracht,
Klopft in die Hand und steht und lacht:
»Was muß ich ersehen?
Statt fleißig zu mähen,
Im Schlafe sich drehen,
In der Sonne sich bähen!«
Ha, hi, ho, hei,
Komm Hexe Marei!
Den Traum er vergißt
Und küßt und ißt.

August Kopisch



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Gedichte: Tragik

04.01.2013 um 22:54

Walhalla

Sei gegrüsst, du hehre Halle
Deutscher Größ' und Herrlichkeit!
Seid gegrüßt, ihr Helden alle
aus der alt' und neuen Zeit!
O ihr Helden in der Halle
könntet ihr lebendig sein!
Nein, ein König hat euch alle
lieber doch in Erz und Stein

Hoffmann von Fallersleben




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Gedichte: Tragik

04.01.2013 um 22:55

Altgermanisches

Walhalla erglänzte in festlichem Schein,
Da saßen die Helden in endlosen Reih'n;
Es leitete Bragi den Weihegesang,
Und Freia kredenzte den süßlichen Trank.

Da sprach Asa-Loki. ich sage es dreist.
Der Met ist für Helden zu süß allermeist.
Ihr kostbarer Durst roird vom Trunk nur gestillt,
Der kraftvoll und saftvoll die Seele erfüllt.

Und Odin erklärte sich schaffensbereit.
Ging hin zu den Nornen am Brunnen der Zeit.
Die weissagten Gutes diensteifrig und treu,
Und boten die Stoffe für's neue Gebräu.

Es gaben die guten: den Frohsinn vom Schaf,
Den Mut von dem Löwen, vom Bären den Schlaf;
Doch legten die bösen drei Nornen im Nu
Den Affen, das Schwein und den Kater dazu.

Dann brauten die Affen auf Odins Geheiß
Dies alles zusammen und tühlten's mit Eis.
Drauf tranken's die Helden — ein jeder für Vier -
So wurde erschaffen das göttliche Bier.

Adolf Roehn




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Gedichte: Tragik

04.01.2013 um 22:56

König Hakon

Es war eine Schlacht auf blutigem Feld
Geschlagen bei Fyrisvalla
Und König Hakon, der streitbare Held.
Ging heim in's gold'ne Walhalla;
Die Sonne, sie sank in die Woge so roth,
Weil der König der Norweglande war todt,
Der gewaltige König Hakon.

Sie haben ihn auf sein Schiff gelegt
Und um ihn lodernde Flammen;
Das Meer in die Ferne den Helden trägt
Und die Wogen, sie schlagen zusammen.
Hell blitzt in der Sonne sinkendem Strahl
Das Schwert des Helden zum letztenmal,
Der Stahl von Dannemora,

Und als die Sonne gestorben war,
Da lohte die Flamme nimmer;
Tief drunten im Dunkel wunderklar
Hinfuhr ein feuriger Schimmer;
Es war, als ob unten der streitbare Mann
Mit des Meeres Geistern zu streiten begann,
Mit den Geistern in Oegir's Halle.

Max Haushofer




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Gedichte: Tragik

04.01.2013 um 22:57

Helden-Tod

Es rieten ihrer zwey nach Rossen;
Darüber ward der ein erschossen.
Der andre sagte mit betrüben:
O, welch ein ehrlich Cärl ist blieben!

Friedrich Logau




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Gedichte: Tragik

04.01.2013 um 22:58

Ratbod der Friese

Seht ihr, wie aus allen Gaffen sich des Volkes Ströme gießen?
Ratbod wird getauft im Dome, der gewaltigste der Friesen.
Schon ist aus dem Land der Franken eine heil'ge Schaar gekommen,
Weihrauch qualmt und Flöten stimmen leise zum Gesang der Frommen.
Grüßend nicken heil'ge Banner aus dem Chor der Ministranten,
Und der Bischof tritt zum Helden mit dem Kreuze hoch in Händen.
„Wohl dir, daß vom Reich des Bösen du dich reuig losgerissen,
Daß du nicht wie deine Väter wandelst noch in Finsternissen!

Ihre Seele gieng zur Hölle, deine soll sich Gott gesellen,
Wo die Bäche ew'ger Gnade um den Thron der Heil'gen quellen."
Doch der Herzog ruft ergrimmend: „Nur zu weiberweichen Betern
Kann mich euer Heiland senden? Nicht zu meinen tapfern Vätern?
Laßt mich hin! Was wollt ihr sprechen, wenn die Helden nach mir fragen?
Treulich will ich mich mit ihnen durch die ganze Hölle schlagen.

Eure Psalmensinger neid' ich nicht in ihren Paradiesen!"
Ratbod sprach's und schritt von dannen, der gewaltigste der Friesen.

Wilhelm Hertz




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Gedichte: Tragik

06.01.2013 um 16:52

Albtraum
Oder: Groteske zwischen 0.00 und 1.00

Unheimlich ist mir diese Nacht,
als voll Schauder ich erwacht.
Der Mond glust fahl ins Fenster.
Ein Rabe krächzt,
der Dachstuhl ächzt.
Ich glaub, ich sehe Gespenster.

Schrille Stimmen wimmern
in öden, düsteren Zimmern.
Schwarze Katzen kratzen Augen aus.
Tief im Hexengrunde
schlägt dumpf die Geisterstunde.
Mörder schleichen um das Haus.

Hinter’m Schloss, im Teiche,
treibt eine Kinderleiche,
die Mutter liegt erschlagen im Parkett.
Zwischen morschen Friedhofsgruften
seh ich untote Schufte schuften,
über Gräber tanzen ein Skelett.

Üble, eklige Horrorgestalten
im Dom die Schwarze Messe halten.
Blut rinnt von des Chores Stufen.
Ein Vampir flüstert Zauberworte.
Nur rasch hinweg von diesem Orte!
Hat da nicht wer in höchster Not gerufen?

In abgrundtiefen Folterkammern
grausam gequälte Hexen jammern.
Scheiterhaufen glühen höllenrot.
Auf dem nahen Galgenberge
kreischen irre Gartenzwerge.
Der Gehenkte ist noch nicht ganz tot.

In allen Gassen Ratten winseln.
Aus den trüben Wattenrinnseln
steigt hoch die grausige Flut
blutrot schäumender Wogen.
Ein Feuersturm ist aufgezogen,
die Welt zerbist in schauriger Glut.

Da sprengt heran der Schimmelreiter,
höhnisch auf zum Himmel schreit er
einen grässlichen, höllischen Fluch,
starrt mich an mit leerem Blick,
streckt Knochenfinger nach meinem Genick,
umweht von ekligem Geruch.

Ich fühle seine kalte Hand,
werf schaudernd mich herum zur Wand:
Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!
Ich schrecke auf vom Schlag der Uhr.
Welch kruder Alptraum war das nur?
Was schlug mich so tief in seinen Bann?

© Werner Arand




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Gedichte: Tragik

06.01.2013 um 16:55

Nacht des Bösen

Schritte hallen nächtens wieder
auf den regennassen Straßen.
Gehn hier Menschen, fromm und bieder,
oder solche, die nur hassen?

Deren Seele dumpfer Hass
nur beherrscht und eitler Wahn,
der die Liebe längst zerfraß,
Gutes drängt aus seiner Bahn.

Welche armen Kreaturen
müssen sich in Nacht verstecken,
in verschwommenen Konturen,
nur um Böses auszuhecken?

Straßen sind fast menschenleer,
nur der rohen Schritte Laut,
und sie werden immer mehr,
rette, Mensch, jetzt deine Haut!

© Gisela Grob




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Gedichte: Tragik

06.01.2013 um 16:56

„Wilde“

Schmäht doch nicht so auf die »Wilden" und verhöhnt sie nicht,
Sie sind in gar manchen wichtigen Dingen ganz bedeutend klug gesinnt.
Beispielsweis die Karaiben fern in Südamerika;
Höret, wie sie sich verhalten in dem Punkt: pro patria.
Wer bei ihnen um die Würde des Kaziken kandidiert,
Muß beweisen, datz ihn echte Karaibentugend ziert:
Ausdauer und Selbstbeherrschung, Anerschrockenheit und Mut
In den allerschlimmsten Lagen, kost' es Leben, Gut und Blut!

Volle fünfzig Tag' und Nächte muß er strenge fasten bei
Einer äußerst knapp bemess'nen Portion dünnem Hirsebrei.
Mit der Palmbaumwurzelpeitsche man ihn täglich zweimal haut,
Ohne daß er äußern dürfte den geringsten Schmerzenslaut.
An zwei Bäume festgebunden wird er dann, auf daß der Rauch
Unter ihm geschürten Feuers kämpf' mit seines Mundes Hauch,
Während alle Stammesbrüder — zu erhöhen seine Pein —
Am ihn singend, rauchend, schmausend, Branntwein trinkend sich erfreun.

Und zuletzt wird ihm ein Halsband voll' Ameisen umgelegt,
Die ihn fürchterlich Zerbeißen, wie er sich auch stellt und regt.
Dann ist's mit der Qual zu Ende; doch noch muß der arme Mann
Zeigen, daß er Hütt' und Kanoe ganz allein sich bauen kann.
Erst wenn alle diese Proben — und noch andre leicht'rer Art —

Der Examinand bestanden, dann erst wird geoffenbart,
Daß nach allem, was man mit ihm wochenlang sich hat erlaubt,
Er befähigt sei, zu werden seines Stammes Oberhaupt. —
Roh zwar ist solch ein Examen — wenigstens was die Tortur
Anbetrifft — jedoch entspricht es karaibischer Natur.
Können keinen Schlemmer brauchen, jene „Wilden", keinen Held
Mit dem Maule, keinen Schwächling, der gegeb'nes Wort nicht hält;

Sie verachten all und jede Sinekurentheorie
Mit der Faulheit stink'gem Lohne und der noblen
Perfidiel „Unser Oberhaupt" - so sagen sich die Karaiben klug -
„Nutz uns Vorbild sein im Hungern, wenn's nicht Nahrung gibt genug:
Muß uns Vorbild sein im Ringen mit Gefahren, Drangsal, Not,
Und durch eig'nes Schassen sorgen für sich Unterkunft und Brot.«
Diese Karaiben wissen also auch was gut und recht;
Ist die Praxis gleich barbarisch, die Idee ist gar nicht schlecht.
Bei zivilisierten Völkern ist es leider nicht ganz so,
Da hat man oft Aemterträger, dümmer noch wie Bohnenstroh,
Faul und feige, hochmutsnärrisch, prahlend mit Erhabenheit,
Aber doch Repräsentanten gottgewollter Obrigkeit.
Jämmerliche Kreaturen, welche der Vernunft zum Hohn
Ihr Amt der Gewalt verdanken oder hoher Protektion.
Drum: schmäht nicht so auf die "Wilden" und verhöhnt sie nicht, sie sind
In gar manchen wicht'gen Dingen klug und auch gerecht gesinnt!

Karl Frohme




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Gedichte: Tragik

06.01.2013 um 16:58

Horrorgeschichte

Es lebte gut versteckt im Heu,
es war kaum zu entdecken,
ein Tierchen - schüchtern, voller Scheu.
Doch fand man es, erweckte neu
das Tierchen einen Schrecken.

Wie viele Schrecken hat das Tier.
Das war die große Frage.
Man rätselte: Wahrscheinlich vier.
Man suchte eins - im Heurevier.
Das Suchen war 'ne Plage.

Das kleine Tierchen nahm Reissaus
mit vielen Artgenossen.
Sie querten Wüsten mit Gebraus.
Sie hielten Rast bei jedem Haus
und fraßen grüne Sprossen.

Doch einige, die kehrten um.
Im Heu sind sie der Schrecken.
Ich frage mich schon lang warum,
benennt man dieses Tier so dumm?
Was mag dahinter stecken?

© Roman Herberth




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Gedichte: Tragik

06.01.2013 um 17:00

Die Fahrt wider Rosmer Meermann

Herr Roland von Norrig,ein Kämpe so kühn,
Entbot zu der Heerfahrt die trutzigen Degen.
»Mich lüftet an Rosmer, den Meermann, zu ziehn.
Er lern's, weß sich Nordische Krieger verwegen.«
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Ich schiffte von Island mit gleitendem Kiel,
Heim führt' ich Elina, mein Weib, durch die Wogen.
Der Himmel war günstig, schon naht' ich dem Ziel,
Schnell kam uns da Rosmer, der Meermann, gezogen. «
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn deck«,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

»Ein Sturm war die Losung. Deß lachten wir doch,
Wir trotzten mit Gleichmuth dem nahen Verderben.
Wenn Stürme gleich wüthen, ist Rettung annoch.
Da kam er und schlug uns das Fahrzeug zu Scherben.«
Doch brach' auch die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

»Er riß mir mein Weib aus umschlingendem Arm;
Ich hatte sie schwimmend durch Wogen getragen.
Mein Schwert war besprochen, vergebens mein Harm.
Ich hört' ihn die Lache des Spottes mir schlagen.«
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

»Hin schwamm mit Elina der Räuber mir fort,
Und einsam gelangt' ich zum heimischen Strande.
Drum, Männer von Norrig, vernehmet mein
Wort, Laßt schnell wider Rosmer ein Schiff mir vom Lande.«
Und brach' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken.
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Die Männer, sie zogen mit rascher Begier
Die künstlich gezimmerte Schnecke vom Lande.
»Elina wird unser. Wir schiffen mit dir,
Wir rächen an Rosmer, dem Meermann, die Schande.«
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Sie fuhren, sie kreuzten wohl weit und wohl breit,
Zu suchen den Meermann, der schlau sich versteckte.
Es scheute der Spuk den erneuerten Streit,
Doch weckt' er den Sturmwind, der weidlich sie neckte.
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken,

Einst, da sie geankert an Klippen im Meer,
Läßt schnell auf den Scheeren Elina sich sehen.
»Bist du es, mein Roland? Geliebter, komm her,
Und laß in die Höhle des Felsen uns gehen.«
Und brach' ihm die Planke, daß Wogen ihn
decken, Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Dort ist sie mit liebendem Fleiße bedacht,
Mit Balsam des Meermanns ihn reichlich zu baden.
»Nun kannst du verachten des Meermannes Macht;
Nicht er und nicht Meer oder Schwert kann dir schaden.«
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, erläßt sich nicht schrecken.

»Es warten die Schiffer, wir stechen in See.
Der Meermann ist ferne auf Zauber gezogen.
Auf, eilig nach Norge! Denn, lehrt er, o weh!
So senkt er dir Wimpel und Mast in die Wogen.«
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken.
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Sie stieg in die Kiste geschlagen aus Gold.
»Kommt Rosmer, so mußt du die Lade begehren.
Sprich, daß auf der Woge mein Leichnam gerollt,
So wird er dir, was du nur forderst, gewähren.«
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Aus schreitet Herr Roland und trüget die Last.
Da naht ihm der Meermann mit grimmigem Schnauben:
»Schon komm' ich zur Strafe. Zerschellt ist dein Mast.
Vergebens versuchst du hier Bräute zu rauben.«
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Herr Roland versetzte: »Uns schrecket nicht mehr
Dein Drohen, das gänzlich der Wirkung verfehlet.
Todt treibt mit den Wogen Elina umher,
Und mir hat dein Balsam den Körper gestählet.«
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Flugs warf an die Stirn' ihm ein Felsengestein
Der Reck', um zu sehn, ob er Wahrheit gesprechen.
Ab prallte der Kiesel. Da sah er es ein.
Stracks ließ er das Droh'n und verbannte das Pochen.
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

»Mein Gold und mein Silber dir sei es geschenkt.
Ich will auch dein Schiff aus der Tiefe dir ziehen,
Will retten die Mannschaft, in Wellen versenkt.
Kehrt um zu der Heimath, ich lass' euch entfliehen.«
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

»Dein Gold und dein Silber bleibt alles bei dir,
Doch gieb mir mein Schiff und die treufesten Mannen.
Hier aber die Kiste, die nehm' ich mit mir,
Zeuch selber mein Wrack mir an's Ufer von dannen.«
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Erfüllt ward sein Wille. Rasch hüpfte der Kiel,
Vom Meermann gezogen, hinüber zu Lande.
Sie kamen nach Norrig, zum sehnlichen Ziel,
Und sahn die Genossen am heimschen Strande.
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Froh trug nun Herr Roland die Kiste vom Bord.
Schnell hob er den goldenen Deckel hernieder.
»Hab' Dank, o du mächtiger Meermann! Hinfort
Verbleibt mir Elina. Du siehst sie nicht wieder.«
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Da staunte der Meermann, da glühte die Wuth,
Da riß ihn die Siebe, der Hohn und die Schande.
Zum Felsstein erstarrt' er, und steht in der Fluth,
Noch steht er und drohet hinüber zum Strande.
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken.

Nicht Sturmwind, nicht Zauber, nicht dräuender Tod
Ist mächtig, den Nordischen Krieger zu zwingen.
Halt steht er und lauschend im Drange der Noth,
Nie stirbt ihm der Muth, noch um Rettung zu ringen.
Und bräch' ihm die Planke, daß Wogen ihn decken,
Norwegischer Seemann, er läßt sich nicht schrecken!

Karl Lappe




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06.01.2013 um 17:01

Kreuzzug.

Schwarze Hüte, rothe Strümpfe —
Schaut sie an die Gottesstreiter,
Die Kanonenstiefel donnern
Nieder von der Himmelsleiter.
Laßt euch, meine lieben Kinder,
Von den Krampussen nicht schrecken,
Das sind keine Kirchensäulen,
Sind nur alte morsche Stecken.

Adolf Pichler




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06.01.2013 um 18:48

Lenore

Lenore fuhr ums Morgenrot Empor
aus schweren Träumen:
"Bist untreu, Wilhelm, oder tot?
Wie lange willst du säumen" -
Er war mit König Friedrichs
Macht Gezogen in die Prager
Schlacht Und hatte nicht
geschrieben, Ob er gesund geblieben.



Der König und die Kaiserin,
Des langen Haders müde,
Erweichten ihren harten Sinn
Und machten endlich Friede;
Und jedes Heer, mit Sing und Sang,
Mit Paukenschlag und Kling und Klang,
Geschmückt mit grünen Reisern,
Zog heim nach seinen Häusern.

Und überall, all überall,
Auf Wegen und auf Stegen,
Zog Alt und Jung dem Jubelschall
Der Kommenden entgegen.
"Gottlob" rief Kind und Gattin laut,
"Willkommen!" manche frohe Braut;
Ach! aber für Lenoren
War Gruß und Kuß verloren.

Sie frug den Zug wohl auf und ab
Und frug nach allen Namen;
Doch keiner war, der Kundschaft gab,
Von allen, so da kamen.
Als nun das Heer vorüber war,
Zerraufte sie ihr Rabenhaar
Und warf sich hin zur Erde
Mit wütiger Gebärde.

Die Mutter lief wohl hin zu ihr:
"Ach, daß sich Gott erbarme!
Du liebes Kind! was ist mit dir?"
Und schloß sie in die Arme. –
"O Mutter! Mutter! hin ist hin!
Nun fahre Welt und alles hin!
Bei Gott ist kein Erbarmen:
O weh, o weh mir Armen!" -

"Hilf Gott! hilf! Sieh uns gnädig an!
Kind, bet ein Vaterunser!
Was Gott tut, das ist wohlgetan,
Gott, Gott erbarm sich unser!" - .
"O Mutter! Mutter! eitler Wahn!
Gott hat an mir nicht wohlgetan!
Was half, was half mein Beten?
Nun ists nicht mehr vonnöten." -

"Hilf Gott! hilf! Wer den Vater kennt,
Der weiß, er hilft den Kindern.
Das hochgelobte Sakrament
Wird deinen Jammer lindern." -
"O Mutter! Mutter! was mich brennt,
Das lindert mir kein Sakrament,
Kein Sakrament mag Leben
Den Toten wiedergeben." -

"Hör, Kind! Wie, wenn der falsche Mann
Im fernen Ungerlande
Sich seines Glaubens abgetan
Zum neuen Ehebande? ---
Laß fahren, Kind, sein Herz dahin!
Er hat es nimmermehr Gewinn!
Wann Seel und Leib sich trennen,
Wird ihn sein Meineid brennen!" -

"O Mutter! Mutter! hin ist hin!
Verloren ist verloren!
Der Tod, der Tod ist mein Gewinn!
O wär ich nie geboren! --
Lisch aus, mein Licht! auf ewig aus!
Stirb hin! stirb hin! in Nacht und Graus!
Bei Gott ist kein Erbarmen:
O weh, o weh mir Armen!" -

"Hilf Gott! hilf! Geh nicht ins Gericht
Mit deinem armen Kinde!
Sie weiß nicht, was die Zunge spricht;
Behalt ihr nicht die Sünde! --
Ach, Kind! vergiß dein irdisch Leid
Und denk an Gott und Seligkeit,
So wird doch deiner Seelen
Der Bräutigam nicht fehlen." -

"O Mutter! was ist Seligkeit?
O Mutter! was ist Hölle?
Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit,
Und ohne Wilhelm, Hölle!
Lisch aus, mein Licht! auf ewig aus!
Stirb hin! stirb hin! in Nacht und Graus!
Ohn ihn mag ich auf Erden,
Mag dort nicht selig werden." --

So wütete Verzweifelung
Ihr in Gehirn und Adern.
Sie fuhr mit Gottes Vorsehung
Vermessen fort zu hadern,
Zerschlug den Busen und zerrang
Die Hand bis Sonnenuntergang,
Bis auf am Himmelsbogen
Die goldnen Sterne zogen.

Und außen, horch, gings trap trap trap,
Als wie von Rosses Hufen,
Und klirrend stieg ein Reiter ab
An des Geländers Stufen.
Und horch! und horch! den Pfortenring
Ganz lose, leise klinglingling!
Dann kamen durch die Pforte
Vernehmlich diese Worte:

"Holla ! holla ! Tu auf, mein Kind!
Schläfst, Liebchen, oder wachst du?
Wie bist noch gegen mich gesinnt?
Und weinest oder lachst du?" -
"Ach, Wilhelm! du? - So spät bei Nacht?
Geweinet hab ich und gewacht;
Ach, großes Leid erlitten!
Wo kommst du her geritten?" -

"Wir satteln nur um Mitternacht.
Weit ritt ich her von Böhmen;
Ich habe spät mich aufgemacht
Und will dich mit mir nehmen." -
"Ach, Wilhelm, 'rein, herein geschwind!
Den Hagedorn durchsaust der Wind:
Herein, in meinen Armen,
Herzliebster, zu erwarmen!" -

"Laß sausen durch den Hagedorn,
Laß sausen, Kind, laß sausen!
Der Rappe scharrt; es klirrt der Sporn!
Ich darf allhier nicht hausen!
Komm, schürze, spring und schwinge dich
Auf meinen Rappen hinter mich!
Muß heut noch hundert Meilen
Mit dir ins Brautbett eilen." -

"Ach, wolltest hundert Meilen noch
Mich heut ins Brautbett tragen?
Und horch! es brummt die Glocke noch,
Die elf schon angeschlagen" -
"Herzliebchen! komm! der Mond scheint hell;
Wir und die Toten reiten schnell;
Ich bringe dich, zur Wette,
Noch heut ins Hochzeitsbette." -

"Sag an ! wo ist dein Kämmerlein?
Wo? wie dein Hochzeitsbettchen?" -
"Weit, weit von hier! - Still, kühl und klein!
Sechs Bretter und zwei Brettchen!" -
"Hats Raum für mich?" - "Für dich und mich!
Komm, schürze, spring und schwinge dich!
Die Hochzeitsgäste hoffen;
Die Kammer steht uns offen."

Schön Liebchen schürzte, sprang und schwang
Sich auf das Roß behende;
Wohl um den trauten Reiter schlang
Sie ihre Lilienhände;
Und als sie saßen, hopp hopp hopp!
Gings fort im sausenden Galopp,
Daß Roß und Reiter schnoben
Und Kies und Funken stoben.

Zur rechten und zur linken Hand,
Vorbei vor ihren Blicken,
Wie flogen Anger, Heid und Land!
Wie donnerten die Brücken!
"Graut Liebchen auch? ...Der Mond scheint hell!
Hurra! Die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?" -
"Ach nein! ...doch laß die Toten!" -

Was klang dort für Gesang und Klang?
Was flatterten die Raben? ...
Horch Glockenklang! Horch Totensang:
"Laßt uns den Leib begraben !"
Und näher zog ein Leichenzug,
Der Sarg und Totenbahre trug.
Das Lied war zu vergleichen
Dem Unkenruf in Teichen.

"Nach Mitternacht begrabt den Leib
Mit Klang und Sang und Klage!
Jetzt führ ich heim mein junges Weib;
Mit, mit zum Brautgelage! ...
Komm, Küster, hier! komm mit dem Chor
Und gurgle mir das Brautlied vor!
Komm, Pfaff, und sprich den Segen,
Eh wir zu Bett uns legen!"

Still Klang und Sang. - Die Bahre schwand. –
Gehorsam seinem Rufen
Kams, hurre! hurre! nachgerannt
Hart hinter's Rappen Hufen.
Und immer weiter, hopp! hopp! hopp!
Gings fort im sausenden Galopp,
Daß Roß und Reiter schnoben
Und Kies und Funken stoben.

Wie flogen rechts. wie flogen links
Gebirge, Bäum und Hecken!
Wie flogen links und rechts und links
Die Dörfer, Städt und Flecken! -
"Graut Liebchen auch? ...Der Mond scheint hell!
Hurra! Die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?"
"Ach. laß sie ruhn, die Toten." -

Sieh da ! sieh da ! Am Hochgericht
Tanzt, um des Rades Spindel,
Halb sichtbarlich. bei Mondenlicht,
Ein luftiges Gesindel.
"Sa ! sa ! Gesindel! hier! komm hier!
Gesindel, komm und folge mir!
Tanz uns den Hochzeitsreigen,
Wann wir das Bett besteigen!" -

Und das Gesindel, husch! husch! husch!
Kam hinten nach geprasselt,
Wie Wirbelwind am Haselbusch
Durch dürre Blätter rasselt.
Und weiter, weiter, hopp! hopp! hopp!
Gings fort im sausenden Galopp,
Daß Roß und Reiter schnoben
Und Kies und Funken stoben.

Wie flog, was rund der Mond beschien,
Wie flog es in die Ferne!
Wie flogen oben überhin
Der Himmel und die Sterne! -
"Graut Liebchen auch? ...Der Mond scheint hell!
Hurra! Die Toten reiten schnell! –
Graut Liebchen auch vor Toten?"
"O weh! laß ruhn die Toten!"

"Rapp! Rapp! Mich dünkt, der Hahn schon ruft. –
Bald wird der Sand verrinnen. -
Rapp! Rapp! ich wittre Morgenluft -
Rapp! tummle dich von hinnen!-
Vollbracht! vollbracht ist unser Lauf!
Das Hochzeitsbette tut sich auf!
Die Toten reiten schnelle!
Wir sind, wir sind zur Stelle!"

Rasch auf ein eisern Gittertor
Gings mit verhängtem Zügel;
Mit schwanker Gert ein Schlag davor
Zersprengte Schloß und Riegel.
Die Flügel flogen klirrend auf,
Und über Gräber ging der Lauf;
Es blinkten Leichensteine
Ringsum im Mondenscheine.

Ha sieh! Ha sieh ! im Augenblick,
Hu! Hu! ein gräßlich Wunder!
Des Reiters Koller, Stück für Stück,
Fiel ab, wie mürber Zunder.
Zum Schädel ohne Zopf und Schopf,
Zum nackten Schädel ward sein Kopf,
Sein Körper zum Gerippe
Mit Stundenglas und Hippe.

Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp
Und sprühte Feuerfunken;
Und hui ! wars unter ihr hinab
Verschwunden und versunken.
Geheul! Geheul aus hoher Luft,
Gewinsel kam aus tiefer Gruft;
Lenorens Herz mit Beben
Rang zwischen Tod und Leben.

Nun tanzten wohl bei Mondenglanz
Rund um herum im Kreise
Die Geister einen Kettentanz
Und heulten diese Weise:
"Geduld! Geduld! wenns Herz auch bricht!
Mit Gott im Himmel hadre nicht!
Des Leibes bist du ledig;
Gott sei der Seele gnädig!"

Gottfried August Bürger




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Gedichte: Tragik

06.01.2013 um 18:52

Die Braut von Korinth

Nach Korinthus von Athen gezogen
Kam ein Jüngling, dort noch unbekannt.
Einen Bürger hofft' er sich gewogen;
Beide Väter waren gastverwandt,
Hatten frühe schon
Töchterchen und Sohn
Braut und Bräutigam voraus genannt.

Aber wird er auch willkommen scheinen,
Wenn er teuer nicht die Gunst erkauft?
Er ist noch ein Heide mit den Seinen,
Und sie sind schon Christen und getauft.
Keimt ein Glaube neu,
Wird oft Lieb' und Treu
Wie ein böses Unkraut ausgerauft.

Und schon lag das ganze Haus im stillen,
Vater, Töchter, nur die Mutter wacht;
Sie empfängt den Gast mit bestem Willen,
Gleich ins Prunkgemach wird er gebracht.
Wein und Essen prangt,
Eh er es verlangt;
So versorgend wünscht sie gute Nacht.

Aber bei dem wohlbestellten Essen
Wird die Lust der Speise nicht erregt;
Müdigkeit läßt Speis' und Trank vergessen,
Daß er angekleidet sich aufs Bette legt;
Und er schlummert fast,
Als ein seltner Gast
Sich zur offnen Tür herein bewegt.

Denn er sieht, bei seiner Lampe Schimmer
Tritt, mit weißem Schleier und Gewand,
Sittsam still ein Mädchen in das Zimmer,
Um die Stirn ein schwarz- und goldnes Band.
Wie sie ihn erblickt,
Hebt sie, die erschrickt,
Mit Erstaunen eine weiße Hand.

Bin ich, rief sie aus, so fremd im Hause,
Daß ich von dem Gaste nichts vernahm?
Ach, so hält man mich in meiner Klause!
Und nun überfällt mich hier die Scham.
Ruhe nur so fort
Auf dem Lager dort,
Und ich gehe schnell, so wie ich kam.

Bleibe, schönes Mädchen! ruft der Knabe,
Rafft von seinem Lager sich geschwind:
Hier ist Ceres', hier ist Bacchus' Gabe,
Und du bringst den Amor, liebes Kind!
Bist vor Schrecken blaß!
Liebe, komm und laß,
Laß uns sehn, wie froh die Götter sind!

Ferne bleib, o Jüngling! bleibe stehen,
Ich gehöre nicht den Freuden an.
Schon der letzte Schritt ist, ach! geschehen
Durch der guten Mutter kranken Wahn,
Die genesend schwur:
Jugend und Natur
Sei dem Himmel künftig untertan.

Und der alten Götter bunt Gewimmel
Hat sogleich das stille Haus geleert.
Unsichtbar wird Einer nur im Himmel
Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt;
Opfer fallen hier,
Weder Lamm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört.

Und er fragt und wäget alle Worte,
Deren keines seinem Geist entgeht.
Ist es möglich, daß am stillen Orte
Die geliebte Braut hier vor mir steht?
Sei die Meine nur!
Unsrer Väter Schwur
Hat vom Himmel Segen uns erfleht.

Mich erhälst du nicht, du gute Seele!
Meiner zweiten Schwester gönnt man dich.
Wenn ich mich in stiller Klause quäle,
Ach! in ihren Armen denk an mich,
Die an dich nur denkt,
Die sich liebend kränkt;
In die Erde bald verbirgt sie sich.

Nein! bei dieser Flamme sei's geschworen,
Gütig zeigt sie Hymen uns voraus,
Bist der Freude nicht und mir verloren,
Kommst mit mir in meines Vaters Haus.
Liebchen, bleibe hier!
Feire gleich mit mir
Unerwartet unsern Hochzeitschmaus!

Und schon wechseln sie der Treue Zeichen:
Golden reicht sie ihm die Kette dar,
Und er will ihr eine Schale reichen,
Silbern, künstlich, wie nicht eine war.
Die ist nicht für mich;
Doch, ich bitte dich,
Eine Locke gib von deinem Haar.

Eben schlug dumpf die Geisterstunde,
Und nun schien es ihr erst wohl zu sein.
Gierig schlürfte sie mit blassem Munde
Nun den dunkel blutgefärbten Wein;
Doch vom Weizenbrot,
Das er freundlich bot,
Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.

Und dem Jüngling reichte sie die Schale,
Der, wie sie, nun hastig lüstern trank.
Liebe fordert er beim stillen Mahle;
Ach, sein armes Herz war liebekrank.
Doch sie widersteht,
Wie er immer fleht,
Bis er weinend auf das Bette sank.

Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder:
Ach, wie ungern seh' ich dich gequält;
Aber, ach! berührst du meine Glieder,
Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt.
Wie der Schnee so weiß,
Aber kalt wie Eis
Ist das Liebchen, das du dir erwählt.

Heftig faßt er sie mit starken Armen,
Von der Liebe Jugendkraft durchmannt:
Hoffe doch bei mir noch zu erwarmen,
Wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt!
Wechselhauch und Kuß!
Liebesüberfluß!
Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt?

Liebe schließet fester sie zusammen,
Tränen mischen sich in ihre Lust;
Gierig saugt sie seines Mundes Flammen,
Eins ist nur im andern sich bewußt.
Seine Liebeswut
Wärmt iht starres Blut;
Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.

Unterdessen schleichet auf dem Gange
Häuslich spät die Mutter noch vorbei,
Horchet an der Tür und horchet lange,
Welch ein sonderbarer Ton es sei:
Klag- und Wonnelaut
Bräutigams und Braut
Und des Liebestammelns Raserei.

Unbeweglich bleibt sie an der Türe,
Weil sie erst sich überzeugen muß,
Und sie hört die höchsten Liebesschwüre,
Lieb' und Schmeichelworte mit Verdruß-
Still! der Hahn erwacht!-
Aber morgen Nacht
Bist du wieder da? - und Kuß auf Kuß.

Länger hält die Mutter nicht das Zürnen,
Öffnet das bekannte Schloß geschwind:
Gibt es hier im Hause solche Dirnen,
Die dem Fremden gleich zu Willen sind?-
So zur Tür hinein.
Bei der Lampe Schein
Sieht sie - Gott! sie sieht ihr eigen Kind.

Und der Jüngling will im ersten Schrecken
Mit des Mädchens eignem Schleierflor,
Mit dem Teppich die Geliebte decken;
Doch sie windet gleich sich selbst hervor.
Wie mit Geists Gewalt
Hebet die Gestalt
Lang und langsam sich im Bett empor.

Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte,
So mißgönnt ihr mir die schöne Nacht!
Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte,
Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?
Ist's Euch nicht genug,
Daß ins Leichentuch,
Daß Ihr früh mich in das Grab gebracht?

Aber aus der schwerbedeckten Enge
Treibet mich ein eigenes Gericht.
Eurer Priester summende Gesänge
Und ihr Segen haben kein Gewicht;
Salz und Wasser kühlt
Nicht, wo Jugend fühlt;
Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht.

Dieser Jüngling war mir erst versprochen,
Als noch Venus' heitrer Tempel stand.
Mutter, habt Ihr doch das Wort gebrochen,
Weil ein fremd, ein falsch Gelübd' Euch band!
Doch kein Gott erhört,
Wenn die Mutter schwört,
Zu versagen ihrer Tochter Hand.

Aus dem Grabe werd' ich ausgetrieben,
Noch zu suchen das vermißte Gut,
Noch den schon verlornen Mann zu lieben
Und zu saugen seines Herzens Blut.
Ist's um den geschehn,
Muß nach andern gehn,
Und das junge Volk erliegt der Wut.

Schöner Jüngling! kannst nicht länger leben;
Du versiechest nun an diesem Ort.
Meine Kette hab' ich dir gegeben;
Deine Locke nehm' ich mit mir fort.
Sieh sie an genau!
Morgen bist du grau,
Und nur braun erscheinst du wieder dort.

Höre, Mutter, nun die letzte Bitte:
Einen Scheiterhaufen schichte du;
Öffne meine bange kleine Hütte,
Bring in Flammen Liebende zu Ruh;
Wenn der Funke sprüht,
Wenn die Asche glüht,
Eilen wir den alten Göttern zu.

Johann Wolfgang von Goethe




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Gedichte: Tragik

07.01.2013 um 14:31

Trauernde Weiden

Kinder der Zeit
spielten Krieg unter
den alten Weiden

Später zogen sie
in den Krieg
erlebten Grauen
sahen Schatten des Todes
die ihre Seelen in Brandungen
des Entsetzen stürzten
und Tränen stocken ließen

Verstört kamen sie
aus dem Krieg
zu den Weiden zurück
und fanden nur Trauer
es fehlten so viele

keiner
wollte mehr Krieg spielen.

© Heidrun Gemähling




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Gedichte: Tragik

07.01.2013 um 14:32

Kriegslied

1778’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
’s ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
In ihrer Todesnot?

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch’ und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?

Was hülf mir Kron’ und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
’s ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Matthias Claudius




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Gedichte: Tragik

07.01.2013 um 14:33

Vogelmensch

Der kleine Vogel flog
Von Ast zu Ast
Welch ein leichter Sieg
Der Mensch flog
Von Ast zu Ast
Ich machs hier publik
Er flog in den Morast

Der Vogel flog
Über diesen Freak
Zwitscherte“Leukoplast“
Der Mensch wetterte
Krieg, Krieg, Krieg
Der Vogel aber flatterte
Weiter über Grenzen

Mensch erkannte seine nicht
Konnt sich nicht begrenzen
Baute Flügel Düsen Überschall
Vergaß das Vergissmeinnicht
Den Vogel, den von Ast zu Ast
Und starb an wissenschaftlicher Hast
Vogel flog über´s Grab, im Sonnenlicht

Drum Mensch bleib Mensch

© Detlef Romey




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07.01.2013 um 14:38

Lucifer

"Ich will mein Licht vor eurem Licht verschließen,
ich will euch nicht, ihr sollt mich nicht genießen,
bevor ich nicht ein Eigenlicht geworden.

So bring ich wohl das Böse zur Erscheinung,
als Geist der Sonderheit und der Verneinung,
doch neue Welt erschafft mein Geisterorden.

Aus Widerspruch zum unbeirrten Wesen,
aus Irr-tum soll ein Götterstamm genesen,
der sich aus sich - und nicht aus euch - entscheidet.

Der nicht von Anbeginn in Wahrheit wandelt,
der sich die Wahrheit leidend erst erhandelt,
der sich die Wahrheit handelnd erst erleidet."

Christian Morgenstern




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Gedichte: Tragik

07.01.2013 um 14:41

Reiter der Nacht

O Herz, halt ein, verrat mich nicht.
O Seele, schweige endlich still.
Als nun die Dämmerung anbricht,
und ich den Tag vergessen will.

Die Abendruh ist eingekehrt,
so höret man den Herzschlag wohl,
wodurch Erinnerung genährt
und wachgehalten werden soll.

Vergessen will ich, glaub mir doch.
Hinfort, Du dunkles Hirngespinst.
Die jüngsten Stunden spür ich noch.
O Zeit, sag, dass Du rasch verrinnst.

Von Westen her keimt Hoffnung auf,
die schwarzen Reiter kehren heim.
Ich hör der Gäule stolzen Lauf.
Sie solln mich von der Qual befrein.

Der erste Hengst beginnt sogleich.
Lieb Seele, es ist bald geschafft.
Er frisst den Morgen spielend leicht.
Mein Herz, Dein Heil liegt in der Nacht.

Schon ist der zweite Hengst am Werk,
sein Schweif zerschlägt das Abendrot.
Er trampelt wie vom Wahn bekehrt
fast mühelos den Mittag tot.

Welch Last weicht mir nun von der Brust.
Welch Pestilenz verliert an Macht.
Im Innern hab ichs stets gewusst.
Der dritte Hengst hält jetzt die Wacht.

Aus seinem Maul, ich seh es klar,
entweichet wilde Feuersbrunst.
Wo eben noch der Abend war,
ist Dunkelheit all über uns.

O Herz, mein Herz, klopf wieder laut.
O meine Seele, jubilier.
Barmherzigkeit hab ich vertraut,
sie nahm den Jammer fort von mir.

© Henning Menke




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Gedichte: Tragik

07.01.2013 um 19:50

Es haben die meisten ihr Viertel verlassen

Es haben die meisten ihr Viertel verlassen,
Es schleichen jetzt Diebe, verwegen und dumm,
Durch öde und schmutzige, brennende Gassen
Und schleppen die Beute fortplündernd herum.

Es folgen schon allseits den Räubern und Mördern
Die Flammentitanen mit flatterndem Bart.
Es scheinen auch Stürme ihr Wüthen zu fördern
Und nirgends bleibt irgend ein Stadttheil erspart.

Es stürzen sich Winde, in riesigen Wirbeln,
Ins lodernde Rom und zerschleudern es wild,
Es knattern rings Balken, wo Glastfalter schwirbeln,
Der Hunger der Gluthen wird nimmer gestillt!

Die gräßlichen Brände der Hauptstadt entfachen
Die Funken vom mittleren Feuersbrunstheerd,
Es tönt dort beständig ein furchtbares Krachen,
Die ganze Suburra ist längst schon verheert.

Wenn brennende Bretter beim Einsturz zerschellen,
Erheben sich Funken mit Asche vermischt,
Dann können Raketen sich plötzlich entschnellen
Und lohen, wenn es im Vipernneste dann zischt.

Die Stadt überrascht nun ein gräßlicher Regen
Von Funken, den Keimen zu künftigem Brand,
Und gleich darauf wollen sich Glastschlangen regen,
Gar gierig umzüngeln sie jegliche Wand.
So wie sie dann Pfosten und Balken erschleichen
Umschlingen sie sie, wie durch Hunger ergrimmt,
Es lodern sofort alle Bretter und Speichen.
Der Brand, der die Hügelstadt siegreich erklimmt,
Muß bald den Palast der Cäsaren erreichen!
Am Boden versengen besoffene Leute,
Die plötzlich die Gluth in Spelunken erfaßt,
Es stürzt aus den brennenden Häusern die Meute
Der Räuber fast immer zugleich mit dem Glast;
Denn Menschen beneiden die Gluth um die Beute
Und plündern beinahe mit ärgerer Hast.
Verworfene Weiber durchjohlen mit Dieben
Die Trümmer und scheinen verteufelt vergnügt,
Und werden sie endlich vom Feuer vertrieben,
So rauft sich das Pack, weil kein Raub ihm genügt.
Schon will man nach Christen zum Peinigen suchen,
Die Menge ist wieder zum Martern geneigt,
Der Pöbel beginnt auf die Juden zu fluchen
Und ruft: »Diese Schmutzbrut von Ratten entsteigt
Den Grüften von Rom, um die Stadt einzuäschern,
Drum spüret nach ihnen mit Hunden und Häschern!«
Doch findet der Pöbel nicht viele zum Hetzen,
Der Blutdurst der Massen wird noch nicht gestillt,
Es ist nach dem Rauben von Plunder und Schätzen,
Jetzt mancher zum Morden und Schänden gewillt.
Man flucht auf die Numen und huldigt dem Kaiser,
In Rom wird jetzt nimmer an Götter geglaubt,
Die Stadt hält es sicher für richtiger, weiser,
Wenn jeder die Wuth gegen Schemen verschnauft.
Es haben ja doch beim Verbrennen Penaten
Die Pflicht als Beschützer der Heerde verletzt,
Hingegen kann niemand des Kaisers entrathen,
Denn dieser hat stets, was da brannte, ersetzt.
Es freun sich die Römer, wenn Tempel abbrennen,
Wer wird sich zu Göttern, ohnmächtig ihr Gut
Vor Feuer zu schützen, noch weiter bekennen?
Fürwahr, die Olympier vernichtet die Gluth
Geschädigter Menschen, in Fieber und Wuth!
Entlaufene Sklaven, Soldaten und Metzen
Verprassen Geraubtes in wildem Genuß.
Sie plünderten, raubten zuerst auf den Plätzen
Und schwelgen jetzt roh auf der Insel im Fluß.
Der Äsculaptempel wird schleunigst erbrochen,
Im Inneren predigt ein junger Prophet,
Es scheint ihm das Blut in den Adern zu kochen,
Er schwört, daß er Zion als Lichtbraut erspäht.
Er fiebert von Sodom, Gomorrha, den Städten,
Die einstens Jehova mit Schwefel zerstört,
Er weiß es, die Bibel mit Rom zu verketten,
Und ruft, daß Gottvater, durch Frevel empört,
Beschlossen hat, Rom durch den Brand zu zerstören:
Er habe bereits Christi Jünger gesandt,
Die Welt noch zur Einkehr zu Gott zu beschwören,
Doch wurden sie alle verkannt und verbrannt.

Die Christen erschracken beim Sprengen der Pforten,
Sie wurden auch gleich von der Menge geplagt,
Doch hat es der Priester, mit feurigen Worten,
Zu sprechen und weiter zu donnern gewagt.
Es horcht nun der Mob auf den tapfern Zeloten,
Der alle Patrizier und Reichen verklagt,
Dem Volke, aus Goldgier und Hochmut verboten
Zu haben, verbrüdert und glücklich zu sein,
Doch Christus läd alle zum Abendmahl ein!
Er spricht von Verzeihung und Gnadenverleihung,
Vom himmlischen, allen verheißenen Reich,
Von Herrschaft der Liebe und Knechtebefreiung,
Und siehe, es wirkt diese Predigt sogleich!
Der Pöbel versteht seinen Gott der Zerstörung,
Und fängt schon, in wilder und blöder Empörung,
Im Tempel des Gottes der Heilsmächte an
Die Opfergeräte in Stücke zu schlagen.
Es findet dabei wo ein Mann einen Wagen,
Und rasch macht ein Haufe daraus ein Gespann.
Es wird einer Christin das Büßergewand
Auf einmal mit Johlen vom Körper gerissen,
Und Buben und Greise sind eben beflissen
Das Mädchen zu schmücken; mit komischem Tand
Bedeckt, steht die Nackte nun oben im Karren,
Und der fängt schon an, über Dielen zu knarren!
Obszön hergerichtet, voll Tempelbehängen,
Begleitet von höhnischen Pöbelgesängen,
Erscheint nun die Christin, den Ihren entrissen,
Im Freien. Und kraftlos als prächtiger Bissen
Gepriesen, entschwinden ihr endlich die Sinne,
Da heißt es, es schlafe die Göttin der Minne!
Bedroht durch die Flammen, verfolgt von der Hitze,
Verläßt man die Insel, die Feuer umloht.
Es droht noch der Priester und schreit nach dem Blitze,
Da schlägt ihn ganz einfach die Volksmenge todt.
Darauf zieht die Meute hinab zum Emporium
Und schlägt, in der Unordnung komisch vereinigt,
Ein liederlich klingendes MassenBrimborium.
Und trifft man wo Christen, wird flott losgepeitscht,
Ja, selbst alle Mächtigen, die nicht entflohn,
Begegnen in Rom jetzt verwerflichem Hohn.
Die Flammen erfaßten die Schläuche Boreas,
Da sind alle Winde dem Gotte entsaust,
Nun werden die Güter der Erben Äneas
Von Stürmen und Flammen zusammen zerzaust.

Die Gassen durchhallt wildes Brausen und Pfauchen,
Und oft dröhnt und donnert es plötzlich und kurz,
Das heißt dann, in Häusern, die lodern und rauchen,
Erfolgte ein Dachstuhl und Stützbalkensturz.

Es zerrt mancher Flüchtling des Hauses Penaten
Noch krampfhaft hervor aus dem gräßlichen Brand,
Und rechnet aufs Glück seiner künftigen Saaten,
Auf Zukunft und Wohlstand, durch eigene Hand!

Das Volk läßt sich schwer durch die Hitze vertreiben,
Es hängt noch am grauen, verlorenen Gut,
Und will nah beim Grab seiner Habe verbleiben
Und denkt still an das, was für immer dort ruht.

Doch langsam beginnt es nach oben zu drängen,
Es weiß sich vielleicht höher besser gefeit,
Doch liebt es auch sehr sich in Knäule zu engen
Und drückt sich an anderer Leiber und Leid.

Es suchen die Reichen sich hoch zu versammeln,
Auf kühleren Hügeln, vor Feuer geschützt,
Beschließen sie gleich jeden Weg zu verrammeln,
Damit nicht das Volk diesen Rückzug benützt.

Es muß sie die unklare Zukunft verstimmen,
Besitzende Menschen sind meistentheils scheu,
Sie zittern, wenn Herr oder Diener ergrimmen,
Und hassen und fürchten was fremd ist und neu.

Sie trachten, die raschen Entschlüsse zu meiden,
Sie haben sie oft schon, zu spät erst, gefaßt,
Sie bangen auch jetzt für die Götter der Heiden
Und wünschen dabei nichts als Aufschub und Rast.

Ja freilich, sie schmähten am liebsten, am stärksten,
Und schwer nur verbeißen sie Kummer und Wuth,
Es trifft doch das Feuer die Reichen am ärgsten,
Denn gar nichts verliert die plebejische Brut!

Doch hoffen sie, Nero wird alle beschenken,
Zumal, die das Feuer zu Bettlern gemacht,
Besitz in verläßliche Hände zu lenken,
Bewährt sich doch immer zum Stützen der Macht.

Gar viele erklären die Christen für schuldig
Und tuscheln, sie hätten die Hauptstadt zerstört;
Doch sagt man es nicht, und schweigt lieber geduldig,
Solang man nicht Neros Vermuthung gehört.

Dann wollen die Reichen vor ihm sich verneigen und stöhnen,
Bis endlich sein Herz sich der Ihren erbarmt;
Noch können sie Keiner die Christen verhöhnen,
Sie fühlen sich alle ein wenig verarmt.

Sie trachten nur Nero für sich zu gewinnen
Und sinnen nach Macht durch zäsarische Huld;
Und nennt dann der Kaiser die Träger der Schuld,
So wollen sie die ganz ins Trugnetz verspinnen.

Die Reichen geloben den Thron zu erhalten,
Sie haben im Freistaat das Alte gestützt,
Seit jeher gefiel ihnen machtvolles Walten,
Und oftmals schon haben sie Kaisern genützt!

Sie lassen sich immerdar schützen und führen,
Sie sind doch der Bürgerschaft sicherer Theil,
Auch können Propheten die Reichen nicht rühren
Und selten nur sind sie im Staatsdienste feil.
Das, denken sie, muß doch ihr Kaiser bedenken
Und ihnen, blos ihnen, sein Wohlwollen schenken!
Wahrhaftig sie sind auch kein schwankender Haufe,
Sie haben nur Sinn für die sichtbare Macht,
Sie folgen dem Strome auf jeglichem Laufe
Und haben es stets wie die Starken gemacht;
Ja, sinkt auf der Waage unsichtbarer Machte
Die Schaale des Neuen auf einmal beschwert,
So herrschen sie weiter; durch eherne Rechte
Wird wiederum der, der das Geld hat, geehrt!
Sie bleiben die Staats und Familienerhalter,
Die Herrscher in jeglicher Generation,
Sie lassen ihr Recht als Gesellschaftsverwalter
Bestimmt ihren Enkeln und meistens dem Sohn!

Doch seht nur, sie ehrten doch auch die Penaten,
Und brachten stets Opfer nach herrschendem Brauch,
Sie ließen für Jupiter Mastochsen braten
Und freuten ihn so durch den speckigen Rauch.

Sie stellten sich stets zum Olympe am besten,
Indem sie zu Ehren der Götter gepraßt,
Sie opferten immer bei häuslichen Festen,
Wie es Göttern und Priestern auf Erden gepaßt!

Ja, wurde bei Reichen ein Hymen geheiligt,
So hat man auch Opfergelage bestellt,
Stets waren die Götter beim Jubel betheiligt,
Und neidlos hat Zeus sich zu Menschen gesellt.

Nun haben die Götter die Reichen verlassen,
Sie denken, warum wurde Rom nicht verschont,
Was wollen sie, thun sie, man kann es nicht fassen –
Fürwahr ihre Freundschaft hat gar nicht gelohnt!

Besonders Vulkan wird von allen verlästert,
Es heißt schon, wo bleibt die hieratische Zucht,
Es sind diese griechischen Götter verschwestert,
Und Gift birgt der Inzucht verwerfliche Frucht.

Nun spricht ein Patrizier die folgenden Worte:
»Oh Jupiter Stator, beherrsch uns allein,
Wir halten zu Deinem gesetzlichen Horte,
Damit wir auf Erden fast sorglos gedeihn.

Erscheine als Adler und schrecke die Schlange,
Die fürchterlich wüthet, zurück in den Staub;
Es weilt ihre ringelnde Brut schon zu lange
Hier oben, Dein Rom wird ein Unterweltsraub!

Zertritt diesen Gluthwurm mit schmerzlosem Fuße,
Er knete sich rasch zum verzuckenden Knäul,
Oh Jupiter, hör uns, auch wir thuen Buße,
Gebiete dem furchtbaren Furiengeheul!

Wir lieben Dich, Jupiter, Herr unserer Schlachten,
Du solltest, Du guter und leuchtender Gott,
Die anderen Numen zu Tode verachten,
Sonst stürzt Dich noch einst ein Olympierkomplott.

Wir wollen von nun an nur Dir auf Altaren,
Was Du und was andere Götter begehren,
Zur Huldigung opfern, den Widder, den Stier,
Die Taube, das Schaf, jedes reinliche Thier,
Auch Sklaven, verlangst Du es, schenken wir Dir,
Der Kaiser und wir!« und es ruft schon die Menge:
»Oh Jupiter, herrsche allein auf der Welt,
Wir weihen Dir Tempel, und Feiergesänge
Ertönen für Dich, der die Ordnung erhält!«

Es greift jetzt der Brand nach den weitesten Gassen.
Als hungriger, allesverschluckender Wurm
Beginnt er die Vorstädte rings zu erfassen,
Und seht, seinen Durst löscht ein furchtbarer Sturm.

Doch müssen im Bauch die Metalle sich stauen,
Sie reißen des Drachen Gedärme entzwei,
Und was nicht die heißen Geweide verdauen,
Entfließt seinem Wanste als zuckender Brei.

Der Pöbel verlaßt nun die dumpfigen Stätten
Des Lasters, in denen der Brand ihn bedroht,
Man drangt aus den Schenken, sein Leben zu retten,
Und sieht sich schon himmelhoch, grellroth umloht.

Gewürgt von entsetzlichen Plagen und Sorgen
Verlieren die Menschen ihr letztes Vertraun,
Die Nacht ist voll Schrecken, und was bringt der Morgen?
Sie denken mit Grauen ans baldige Graun.

Jetzt fängt auch die gräßlichste Gier an zu schnauben,
Es folgt das Gelichter dem eigenen Drang,
Es kann sich nun allerhand Raublust erlauben,
Denn plötzlich sind Mörder die Meister vom Strang.

Es grinst die Begierde aus thierischen Zügen,
In Blutblicken fuchtelt die Schurkennatur,
Die Nasen verkrümmten entsetzliche Lügen,
Ein Mord ließ auf jeglicher Stirn seine Spur.

Ein Schrei seines Opfers durchgellte die Ohren
Von jedem Gesellen, der Trümmer durchsucht,
Die Ohrmuscheln sitzen wie knapp angefroren,
Das sagt, so ein Kopf ist von uran verflucht.

Da zieht so ein Haufe, mit Beute beladen,
Die Straßen entlang und verspottet Merkur,
Er ruft ihn, verspricht ihn zu Festen zu laden,
Doch zeigt sich vom Gott keine irdische Spur.
Da pfeift nun der Mob und ein wildes Geschrei
Erklärt, daß er nimmer die Raubgottheit sei!

Der Pöbel macht Aufruhr und schwört, daß er Ares
Allein seinen Diebsantheil abtreten will,
Er flucht und verspricht, daß des Kriegsgottaltares
Gesprenkelter Marmor vom März bis April,
Und dann von September bis Ende des Jahres,
Von Lenzzicken, Ferkeln und HerbstwurfHausthieren
Bedeckt sein wird, um seinen Tisch zu garnieren!
Es kommen jetzt abermals flüchtige Soldaten
Und Sklaven mit wimmernden Kindern und Frauen.
Sie mögen die Asche mit Opfern durchwaten
Und grausam sich, ringsum, am Grauen erbauen.
Oft tragen sie die noch zurück in Spelunken,
Wo Schwache, wie irre, den Flammen erst trotzen:
Doch wirbeln von überall glitzernde Funken,
Und alles beginnt in das Feuer zu glotzen.

Nun fangen die Römer an doch sich zu wehren,
Es packt sie die alte, fanatische Wuth,
Und siehe, sie treiben die Räuber mit Speeren
Und Steinen zurück in die zischelnde Gluth.

Sie sehen oft Mütter im Feuer verschwinden,
Und viele zerfetzen vor Schmerz ihr Gewand,
Die suchen verwirrt ihre Kinder zu finden,
Doch Mörder und Opfer vertilgt schon der Brand.
Es wagt es kein Mann, sie der Gluth zu entreißen,
Und schließlich, wen kümmert das Weibergeschrei?
Sie suchen den eigenen Gram zu verbeißen,
Und stehn, wenn ein anderer schluchzt, stumm dabei.

Es greifen die Gluthklauen immer noch weiter,
Das schnaubende Feuer wird nimmermehr satt,
Es glimmt und es klimmt auf der Hügelurbsleiter
Von Gasse zu Gasse, zum Saume der Stadt.

Es nahen von allseits die Flammen den Schaaren
Von Römern und Fremden in furchtbarer Noth.
Sie können nichts anderes als Feuer gewahren,
Das Grab ihrer Habe ist blutroth umloht,
Die Gluth leckt rings weiter, doch sonst herrscht der Tod!

Das Feuer an sich aber wird zum Gespenste,
Der Gott, der dem Moses im Strauche erschienen,
Und der über Daniel in Babel erglänzte,
Dem jetzt neben Juden auch Christen fromm dienen,
Hat eben sein Antlitz den Römern gezeigt,
Und sehet, das Volk hat vor ihm sich verneigt!

Bedrängt durch das Plündern und Morden der Horden,
Erstickt und bedroht durch den qualmenden Brand,
Sind alle beinahe zu Kindern geworden:
Da dünkt sich ein Träumer vom Himmel gesandt.

Er plappert emphatisch, zum Volke gewendet,
Es hätten die Götter die Tempel geschändet,
Und dann hat er laut in die Flammen geschrieen:
»Ihr Numen habt Eure Altäre bespieen!

Du Mars, hast die Pfeiler des Staates zerschlagen
Und nicht einmal Hera und Hesta verschont,
Die Flammen Hephaistos verdüstern den Wagen,
In dem herrlich Phöbos, der Sonnengott, thront.

Wir werden an Jesum von Nazareth glauben!
Wir wollen ihm Opferaltäre erbaun!
Es mögen die heidnischen Götter verstauben!
Wir können dem Jupiter nimmermehr traun!«

Die Worte des Priesters erschüttern die Menge,
Sie dünkt sich wahrhaftig von Göttern genarrt,
Doch fühlt sie zugleich die entsetzliche Strenge
Des Neuen, das dort aus der Gluthsäule starrt.

Sie konnte noch nie solche Wuthrede hören,
Was heute erscholl, hat noch niemand gewagt,
Sie will sich noch immer nicht offen empören,
Doch wird alles Alte forsch weiterbenagt.

Wer kann es verstehen, daß Götter verkommen?
Doch seht Euch nur um, allzuwahr ist der Greuel!
Der Herr aber, der seinen Weltthron erklommen,
Verschüchtert noch immer den hilflosen Knäuel
Von Heiden, den Funken und Sprühgarben taufen.
Und plötzlich spricht wiederum einer im Haufen,
Und zwar der verstockteste, grausamste Heide,
Der früher den Pöbel zum Morden verführt,
Von christlicher Hülfe, von siegreichem Leide
Und Herrschaft der Armen, die Jesum erkührt.
Ein anderer sagt mit ekstatischen Gesten,
Er sei aus den Höhlen der Christen entflohen,
Er kenne das Walten der Sekte am besten
Und fühle nun wieder sein Christenthum lohen.
Er habe sich völlig dem Heiland verschrieben,
Da dieser die Menschen als Brüder beschützt,
Er sei auch ein christlicher Priester geblieben
Und habe schon oft der Gemeinschaft genützt.

So werden die Bürger, die Rom tief betrauern,
Dem Christenthum langsam gewogen gestimmt,
Sie müssen sich selber so innig bedauern,
Daß endlich der Heiland in ihnen erglimmt.

Sie denken, ein Gott der sich selber gepeinigt,
Erspart uns, die leiden, bestimmt seinen Hohn.
Ein Gott, der in sich alle Welten vereinigt,
Und der seinen eigenen, leiblichen Sohn
Den Menschen geopfert hat, wird uns beschützen
Und freundlich beim Ausbau von Rom unterstützen.

Ein Weib kommt nun plötzlich wie rasend gelaufen.
Es scheint durch Geschautes verblüfft und verzückt.
Ein eisiges Staunen erfaßt schon den Haufen,
Er wird, wie aus Angst, auseinandergerückt.

Jetzt hält diese Frau ihre Hände erhoben,
Als folgte sie, sehend, der hellsten Vision.
Erst mag sie das Kreuz und die Märtyrer loben,
Und nun schreit die schauende, wilde Person:

»Ich habe zwölf Kinder auf einmal verloren,
Sie wurden vom höllischen Feuer verzehrt!«
Sie hätte acht Söhne dem Staate geboren
Und selber mit üppigen Brüsten genährt,
Nun hätten die Götter die Heimath vernichtet
Und die und sie alle zu Grunde gerichtet.

Nun sucht sie und scharrt sie, im Schutt der Ruinen,
Ihr Schreien hat furchtbar die Brandnacht durchgellt,
Es ist ihr des Heilandes Mutter erschienen:
Sie sieht sie als leuchtende Herrin der Welt.

Nun schwört sie, sie werde zum Throne gerufen,
Es habe die Mutter sich zu ihr geneigt
Und gleich dann, auf herrlicherleuchteten Stufen,
Ihr rings ihre Kinder als Engel gezeigt.

Nun ist sie im Taumel zu Boden gesunken,
Sie glaubt, sie hat himmliche Milde getrunken,
Es hat ihr die Jungfrau die Lichtbrust gereicht
Und drum ist ihr plötzlich so wonnig und leicht.

Doch faßt sie sich wieder, voll brünstigem Verlangen
Zum Volke zu reden, beginnt sie nun laut:
»Ich habe den Heiland, hoch über den Schlangen
Der lodernden Welten, voll Ruhe erschaut!«

Zuerst ist das alles nur schweres Gestotter,
Sie zerrt noch, zerzaust ihren Sprachenballast,
Doch plötzlich entwirrt und enthaspelt sie flotter
Die trefflichsten Worte, zu Sätzen gefaßt.

Stets schriller beginnt sie zu wüthen, zu wettern,
Als schlüge sie Blitze aus stahlhartem Stein,
Sie ruft, sie wird Götteraltäre zerschmettern
Und gleich darauf setzt sie den Weltheiland ein.

Schon folgen ihr Mütter und leidende Frauen,
Die viele verloren, die Kinder, den Mann,
Sie wollen von nun an der Leidmutter trauen,
Die schmerzensreich ewige Gnade gewann.

Nun zieht sie, im Zuge, in offene Gefilde,
Rings sieht sie den Dunst und die arge Gefahr,
Im Himmel erschaut sie die Göttin der Milde
Und baut ihr daselbst einen Sternenaltar.

Ja, Sterne sind wahrhafte Boten der Güte,
Denn immer, wenn lodernde Helle erblaßt,
Sobald nur der Blutring des Tages verglühte,
Erscheinen sie alle als Spender der Rast.

Ihr innerstes Wesen ist seelig beflügelt.
Ihr gläubiges Funkeln verstrahlt Gottes Macht.
Ihr Minnen ist frei und ihr Chaos gezügelt,
Und was da erkeimt, wird von ihnen bewacht.

Im Dasein der Sterne, den schützenden Müttern,
Sind Sorgen und Freuden urewig gepaart,
Drum muß auch ihr Leuchten die Frauen erschüttern,
Die sich schwach und hülfebedürftig gewahrt.

Die nächtliche Ewigkeit, sehen sie, spendet
Erlöschende Sterne der sterblichen Welt,
Die Milde der glücklichen Lichtfürsten sendet
Uns Erdkindern Grüße, durch Mitleid erhellt.

Nun flüstern die Mütter, wir werden allnächtlich
Uns hier, unter Bäumen, oft wiederum sehn,
Oh bleiben wir, tagsüber, reinlich und rechtlich
Und lassen wir Nachts uns von Schauern umwehn.

Oh bringen wir Blüthen, die Sterne des Tages,
Zum holden und herrlichen Gottesaltar,
Dann freuen die Augen des weltlichen Haages
Der Sterne urkindliche, liebliche Schaar.

Jetzt singen die gläubigen Weiber: »Wir pflücken
Die Blüthen der Felder, um Gott zu erfreun,
Wir wollen versammelt uns lieben und schmücken
Und dann wie die Blätter uns weithin zerstreun!«

Als vielerlei Länder Sybillen gebaren,
Hat Romulus Wölfin sie alle gesaugt,
Und jetzt stürzt ein Jude das Reich der Cäsaren,
Und ihn hat das Leid aller Menschen gezeugt.

Er ist ein unendlicher Seelenerwecker,
Er hat an dem Kreuze die Erde befreit,
Er ist aller Völker Verheißungsvollstrecker,
Und wer an ihn glaubt, überflügelt das Leid.

Es hat ihn die Weibheit der Erde getragen,
Er ist, wie das Licht, der Jungfräulichkeit Kind,
Er leidet das Leben und kennt keine Klagen,
Und schenkt uns sein Blut, wie ein Herbstwald dem Wind!

Es folgen ihm Weiber und gläubige Männer,
Durch ihn sind sie Alle zu sterben bereit,
Er ist unser gütiger Herzenserkenner,
Und wer ihn erfreut, ist von Zweifeln befreit.

Er machte die schweigenden Tiefen empfindlich,
Und als er die Römer zur Kreuzigung zwang,
Da wurden die Leidenden unüberwindlich,
Denn groß ist der Büßenden fürstlicher Gang.

Von glühenden Zungen, die Unheil verkünden,
Ist ringsum die Urbs des Genusses umloht,
Und Flammen, die Leiber und Seelen entzünden,
Bereiten den Gottheiten Sorge und Not.

Weltungeheuer, aus Zunder und Feuer,
Es sind Deine Numen in Satans Gewalt,
Es wird schon das Burgen und Tempelgemäuer
Von gräßlichen Klauen des Brandes umkrallt.

Die Auen des Pan sind unheimlich verglommen
Und Flammengedanken verschlingen sich tief
In Seelen, die leibliche Botschaft vernommen!
Erwacht ist der Weinberg, der still und stumm schlief!

Die Krallen des Brandes verschleudern die Steine
Der Tempel der alten, versinkenden Welt,
Verwüstet sind weithin die heiligen Haine,
Es haben Propheten die Eichen gefällt.

Ganz Rom kann die brennenden Tempel erblicken,
Die Numen sind alle vom Feuer bedroht,
Sie werden aus Angst in den Flammen ersticken,
Es naht ihr lebendiger, lodernder Tod.

Denn seht, diese Flammen beschützen das Leben,
Sie sind schon ein furchtbares Zukunftsgespenst,
Es kann sich der Erdgeist oft drohend erheben,
Doch er ist es, der uns mit Freuden bekränzt.

Der Boden muß ringsum Ideen gebären,
Die Erde trägt ewige Wälder im Schooß,
Sie labt, wer da Durst hat, mit Reben und Ähren,
Und wenn wir verzweifeln, so zeigt sie sich bloß.

Denn nackt sind die Flammen, ja Rankenskelette
Das haftige Wesen vom wachsenden Wald.
Gar vieles erzählen uns brennende Städte,
Und Roma entleuchtet Jehovahs Gewalt!

Doch Nero, von brüllenden Löwen umgeben,
Erblickt nur ein Schauspiel von singendem Gold,
Und wenn seine Bestien, vor Schrecken, erbeben,
So fürchtet er gar nichts, denn Zeus ist ihm hold!

Die Katzennatur scheint an Flammen zu saugen,
Vielleicht wird ihr Wüstenbedürfniß gestillt,
Die Grausamkeit gleißt schon aus grünlichen Augen,
Der Brand macht die Thiere erschrocken und wild.

Der Kaiser jedoch merkt kein Zerren und Pfauchen,
Er sieht nur ins Feuer, das Wunder versprüht,
Er schaut, – doch er ahnt nicht, daß Götter verhauchen,
Da jegliches Denken ihn fürchterlich müht.

Die nächsten Geschlechter begruben die Numen
Und haben sich Tempel aus Trümmern gebaut,
Ihr Gott aber wuchs nicht aus römischen Krumen,
Er hat auch nicht einfach ins Weltwerk geschaut.

Man wählte den Gott, der Ägypten gegeißelt
Und der seine Feinde im Meere ertränkt,
Man hat ihn sofort im Gedanken gemeißelt
Und so dessen mystisches Wesen gekränkt.

Man gab ihm bewegliche, griechische Glieder,
Ein jüdisches Haupt und etruskischen Rumpf,
Man webte sein Wesen in christliche Lieder
Und sang sie zu Ostern zum Sonnentriumph.

So müssen im Brande die Götter vergehen,
Das Bildniß des Zeus ist schon lange gestürzt,
Es haben die Stürme, die fürchterlich wehen,
Dem Feuer den Weg über Hügel verkürzt.

Die Flammen zerstören die Marmoraltäre,
Doch unberührt dauert des Weltherrschers Thron,
Dort schützt bald der Papst seine römische Lehre,
Dann später das Reich und die Inquisition.

Theodor Däubler




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